Sozialstruktur und Stadtplan
der japanischen Jökamachi im 17. Jahrhundert*
Von Niels Gutschow, Darmstadt
1. Einleitung
Im 7. und 8. Jahrhundert n.Chr. wurden in Japan unter dem
Einfluß Chinas (Verwaltungsreformen, Übernahme von Stadtvorstel¬
lungen der T'ang Zeit) und einer sich entwickelnden starken Zentral-
1 Vorbemerkung: Der vorliegende Artikel baut auf Material auf, das
in den Jabren 1970—1973 im Rahmen einer Dissertation an der Technischen
Hochschule Darmstadt, Fakultät Architektur, erschlossen wurde. Von den
30 erarbeiteten Beispielstädten sind hier 9 ausgewählt. Die Dissertation
behandelt die Entstehung der Jökamachi, die Herausbildung eines Typs und
die funktionalen Veränderungen naoh 1868. Hier wird ahein auf die Sozial¬
struktur als planbildonden Faktor eingegangen. Grundlage der Arbeit bilden
Aufenthalte in Japan im Jahre 1962 (Zimmermannspraktikum auf der Bau¬
stelle der Burg Inuyama), 1968 (Kennenlernen weiterer JötewwicAt, Kontakte
zur Nihon Jökakau Kyökai) imd 1972 (Besuch von ca. 20 Jökamachi,
Durchsicht der Kartensammlung der Naikaku Bunko).
Arbeitsweise: Grundlage der Arbeit bildet eine Kartensammlung der
Nihon Jökaku Kyökai (Japanische Burgengesellschaft): Nihon Jökaku Ezu
Shüsei. Tökyö ea. 1968. Diese Sammlung enthält 100 Karten der Shöhö-Zeit (ca. 1645) im Format DIN A 3. Es sind in gewissem Sinne 'Bestandskarten',
die auf Veranlassung des Shögun in Edo angefertigt wurden. Die Karten
enthalten nicht nur Eintragungen über den sozialen Status der Bewohner
sondern auch genaue Angaben über Straßenbreite und Höhe der Wälle. Auf
diese Weise machte sich die Zentralregierung ein Bild vom Zustand und
Umfang der Befestigungsanlagen im Lande. Einzig die Karte von Takamatsu
stammt aus der Kanei-Zeit und ist damit eines der frühesten Dokumente der
Jökamachi.
Die Karten heißen ezu = Bildkarten wegen des bildhaften und male¬
rischen Charakters. Sie steUen kein exaktes Aufmaß dar. Die Längen sind
vielmehr so verzerrt, daß die Burgzone vergrößert, die peripheren Gebiete der ashigaru dagegen stark verkleinert wiedergegeben sind.
Während der Edo-Zeit wurden mehrmals die zentralen Zonen der Burg¬
städte von 'Spionen' der Zentralregierung skizziert. Eine dieser Karten¬
sammlungen ist veröffentlicht: Yamagata Taiji: Shüzü Goketsuki. In:
Nihon Jökaku Shiryöshü. Tökyö 1968, S. 489—677.
Zwisohen 1968 und 1972 sammelte der Verfasser von ca. 90 Jökamachi
Kartenunterlagen im Maßstab 1:3000, 1:10000 und 1:25000. Dank der
gewalt Hauptstädte (Nara, Kyöto) und Provinzhauptstädte* (kokufu) gegründet, die ihre Bedeutung während eines langen gesellschaftlichen
Umwandlungsprozesses (12.—16. Jh.: Bürgerkriege, Kamakura-Zeit)
verloren. Diese Städte waren nicht befestigt. Mit einem Amt zur
Kontrolle der Landbevölkerung {kokuchö), einem Provinztempel
{kokubunji), einem Schrein {soja) und einer Provinzschule {kokugaku)
stand die administrative Rolle der Provinzstädte im Vordergrund.
Eine Militäreinheit {gundan) sicherte den Einfluß der Zentralgewalt
und sorgte für Ordnung.
Während des Bürgerkrieges (1467—1568 = sengoku jidai) ent¬
standen regionale Hegemonien unter einera neuen Typ eines militä¬
rischen Regionalhcrrschers — dem Daimyö^. Diese politische Struktur
bildete die Voraussetzung zum Entstehen der späteren Jökamachi.
Dieser neue Stadttyp übernahm, auf eine Provinz übertragen, die
politischen und ökonomischen Funktionen der ehemaligen Hauptstadt
des Landes. Die frühen Jökamachi waren nicht geplant. Sie entwickel¬
ten sich entsprechend der jeweiligen ständig wechselnden Machtkon¬
stellation. Nur wenige Städte konnten als Sitz eines großen Daimyö-
Verbandes eine kontinuierliche Entwicklung aufzeigen (z.B. Kasuga-
yama in Echigo).
Autonome, sich selbst versorgende Regionen {han) entstanden nach
machtpolitischen Gesichtspunkten. Das Ärote-Einkommen* des Daimyö
spiegelt die Größe des Wirtschaftsraumes wieder.
Der Typ der neuen Burg war 1576 (Azuchi) vollentwickelt; der
Beginn der neuen Urbanisierungsphase ist mit der Gründung von
großzügigen Unterstützung vieler Bürgermeisterämter in Japan konnten
ca. 500 Kartenblätter zusammengetragen werden.
Die Überlagerung der umgezeichneten Shöhö-ezu mit den neuzeitlichen
Katasterkarten bildet den Hauptinhalt der Arbeit. Es bandelt sich also um
eine Arbeit, die sich auf die Analyse von Karten beschränkte. Dazu kam als
wesentlicher Faktor die eigene Anschauung durch Aufsuchen der Orte.
* Yazaki Takeo : Social Change and the City in Japan — from earliest time through the industrial revolution. Tökyö 1968, S. 41.
* John Whitney Hall : Foundations of the Modem Daimyö. In : Journal
of Asian Studies 20 (1961), S. 317—329 und ders.. The Castle Toum and
Japans Modem Urbanization. In: Far Eastern Quarterly 15 (1955), S. 37—56.
* Die finanzielle Organisation eines Han war abhängig von der Reis¬
produktion in koku (1 koku (Hohlmaß) = 180 Liter). Dabei war zu unter¬
scheiden zwischen dem omotedaka, der nominellen Produktion, die gegenüber
dem Bakufu angegeben wurde und dem naidaka, der tatsächlichen Produk¬
tionskraft der Provinz. Die angegebene Produktion des Han jedoch spiegelte
nicht das Einkommen des Daimyö wider, da ein großer Teil direkt an die
Vasallen ging, vgl. Tsukahiba T.G. : Feudal Control in Tokugawa Japan —
The Sankin Kötai System. Cambridge Mass. 1970, S. 82—87 und Yazaki
Takeo, op.cit., S. 12.3—127.
Sozialstruktur und Stadtplan der japanischen Jökamachi 351
Köriyama (lö85) und ömi Hachiman (1586) anzusetzen. In den darauf¬
folgenden Jahren entstehen nach ähnlichem Schema (räumliche Um¬
setzung der Klassengesellschaft — strategische Lage an einer Landstraße
im Zentrum einer Region) im ganzen Lande etwa 250 Städte. Die aus
China übernommenen Regeln der Stadtbaukunst (kosmische Ordnung)
hatten ihre Bedeutung verloren. Die neuen Herrscher gaben sich eine
neue Ordnung, die durch Pragmatismus bestimmt war. Dadurch
erhielt Japan breit angelegte Infrastruktur 'zentraler Orte'.
Bis 1868 konnte die Balance zwischen zentraler Kontrolle durch den
Herrscher (shögun) in Tökyö und den dezentralisierten Provinzzentren
gehalten werden. Für die wirtschaftlichen Umwälzungen des 19. Jahr¬
hunderts und die bevorstehende Industrialisierung bildete das um
1600 geschaffene Potential an Städten die denkbar günstigste Voraus¬
setzung.
2. Die Klassentrennung (shi-nö-kö-shö) und ihr Einfluß
auf den Plan der Jökamachi
Im 16. Jahrhundert siedelten die verschiedenen Stände auf dem
Lande und auch in der frühen Jökamachi in enger Nachbarschaft. Die
Entstehung der neuen Jökamachi steht im Zeichen einer auf das Han
bezogenen Zentralisierung und der damit verbundenen Lage in einer
Ebene.
In den drei letzten .Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts fand in dem
neuen Stadttyp die 1590 endgültige Festlegung* (durch Hideyoshi) des
Standes ihren Ausdmck in einer Zonengliedemng. Die Jökamachi
wurde zu einem räumlichen Abbild einer in Klassen gegliederten
Gesellschaft.
Die Zonengliedemng der Stadt entsprach einer konsequenten
Stadt — Land Trennung. Die Stadt wurde zum Verwaltungszentmm
mit Marktfunktion eines sie umgebenden und versorgenden Wirt¬
schaftsraumes. Samurais konnten nicht länger auf dem Lande leben
und gleichzeitig Bauern sein.
Der sozialen Immobilität der Klassen entspricht einer festgelegten
Ghederung der Stadt in Zonen, die erst zweihundert Jahre später durch
die Verarmung der Samurai und der wachsenden Bedeutung der Kauf¬
leute in Auflösung gerät. Die Gesellschaft war in vier Klassen geteilt :
Samurai, Bauern, Handwerker und Kaufleute. Diesem, möglicherweise
aus China übernommenen Ideal entsprach eine vielschichtigere, aber
• John Whitney Haix: Das japanische Kaiserreich. Frankfurt 1968,
S. 155; Bruno Lewin: Kleines Wörterbuch der Japanologie. Wiesbaden 1968,
S. 424—425.
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deutliche Teilung: Am oberen Ende der Hierarchie standen die kuge
(höfische Familien, die in Kyöto ansässig waren). Dann folgten die
Daimyö und Samurai der oberen, mittleren und unteren Ränge sowie
deren Bedienstete {chügen, ashigaru) als Angehörige der herrschenden
Klasse. Es folgen die buddhistischen und Shinto- Priester und die
Bauern. Dann kamen als die Bewohner der Chöninmachi die Hand¬
werker und Kaufleute. Die Kaufleute hatten in Wirklichkeit eine viel
höhere Stellung als ihnen die Tokugawa Gesetze eingeräumt hatten.
Am untersten Ende der sozialen Stufenleiter rangierten die eta und
hinin als Ausgestoßene und Unberührbare.
Für jede Klasse galten bestimmte grundlegende Gesetze. Dement¬
sprechend war die Größe der Grundstücke, der Hausgrundfläche und
die Anzahl der Geschosse vorgeschrieben.
Der beschriebenen vertikalen Immobilität entsprach auch eine
horizontale Immobilität. Die Samurai waren an den Daimyö ge¬
bunden. Die Chönin konnten innerhalb der Stadt nur umziehen, wenn
alle Bewohner des anderen Quartieres (machi) zustimmten. Durch das
gonin-gumi-^y&tem.^ (Haftung der Familien durch Gruppen zu fünf)
war nur bei einwandfreier Führung ein derartiger Umzug möglich.
Durch derartige Maßnahmen war die Verfügung über das Eigentum
an Haus- und Grundbesitz eingeschränkt. Ein Haus konnte nur mit
Zustimmung aller Quartiersbewohner verkauft werden.
In den Jökamachi waren Angehörige der herrschenden Klasse, Hand¬
werker und Kaufleute ansässig. Priester waren in der Nähe der meist
an der Peripherie liegenden Tempel untergebracht oder in eigenen
Stadtquartieren (z.B. negimachi und shütomachi in Hirosaki).
Die ganze Spannung der neuen Stadtbildung lag in der Trennung der
Samuraimachi von den Chöninmachi: Um den Burgbercich waren die
Samuraitnachi oberen und mittleren Ranges gruppiert, durch Mauern
und Wassergräben von den Chöninmachi getrennt. Außerhalb dieser,
Ringe befanden sich die Chöninmachi, die Samuraimachi der niedrigen
Ränge (ashigaru) sowie deren Bedienstete (chügen, komono) und die
Tempel (teramachi). In Imabari, Sasayama und Yamagata ist die ring¬
förmige Anlage der Samuraimachi um die Burg am konsequentesten
verwirklicht. Mit geringen Abweichungen gilt das auch für Yonezawa,
Takamatsu und Marugame.
Berücksichtigt man die Entstehungsdaten von 1602 (Imabari durch
einen tozama-Daimyö gegründet) und 1614 (Sasayama durch einen
fudai-Daimyö gegründet), so wird deutlich, daß bis zur Belagerung von
Osaka im Jahre 1615 sich die Vorstellung von einer idealen Jökamachi
nicht verändert hat.
« Yazaki Takeo, op.cit., S. 124.
Sozialstruktur und Stadtplan der japanischen Jökamachi 353
In den meisten Jökamachi sind nur die Samuraimachi der höheren
Ränge in den Befestigungsring um die Burg einbezogen. In den äußeren
Ringen leben Samurai, Chönin und ashigaru in unmittelbarer Nach¬
barschaft nebeneinander. In Kuwana, Shirakawa und Yonezawa ist
eine derartig gemischte Struktur erkennbar.
Die Grundstücke der Samurai wiederum entsprachen ihrera Ein¬
kommen und waren von 2000 qm bei 300 koku bis zu 1000 qm bei
100 koku bemessen. Veränderungen des Einkomraens hatten starken
Einfluß auf die Bevölkerungsentwicklung. In Hikone wurden für die
ashigaru (Hilfssoldaten) neue Quartiere im Westen der Stadt angelegt,
nachdem das Einkommen des Daimyö im Jahre 1624 von 180000 auf
310000 koku heraufgesetzt worden war'.
Bei den Chönin gab es nicht derartige Statusunterschiede wie inner¬
halb des Samurai-Sta,ndes. Die Parzellen unterschieden sich nur gering¬
fügig in der Größe. Sie waren 25—-35 m tief und 5—12 m breit.
Kaufleute und Handwerker derselben Branche siedelten im gleichen
Bezirk und gaben diesem den Namen* (Chamachi = Teehändler,
Konyamachi = Färber). Die Quartiere wurden aber auch nach der
Herkunft der Kauöeute (Köriyama: Sakaimachi-liauneute aus Sakai),
nach der Richtung der Straße (Köriyama: Takada-guchimachiStr&Qe
nach Takada), nach der Lage (Nakamachi - mittleres Viertel), nach der
Anzahl der Bewohner (Sanbyakuninchö —- Viertel von 300 Leuten)
und nach der Entfernung vom Haupttor (Ichiban-chö — erstes Viertel)
benannt.
Die machi der Knechte werden nach dem Dienstgrad (Daitokoronin-
machi — Viertel der Köche), der Spezialisierung {Teppo-chö — Viertel
der Büchsenmacher) benannt. Auch Falkner (Hirosaki), Seeleute,
Kapitäne (Kokura) wurden in besonderen Vierteln untergebracht,
deren Bezeichnungen auf den Karten der Shöhö-Zeit nachzulesen sind.
Außerdem sind gesondert die Pferdeställe (umaya), Lagerhäuser (kura)
und Sommersitze der Daimyö (shimoyashiki) bezeichnet. Die nach den
Tätigkeiten der Bewohner gebildeten Vierteln waren gegeneinander
durch hölzerne Tore, die nachts geschlossen wurden, abgegrenzt.
Als Basis einer Kontrolle der Chöninmachi diente die Einteilung
der Bewohner in Fünferschaften (gonin-gumi) . Der Vorsteher dieser
Gmppe hielt die Verbindung zum Bevollmächtigten für einen Stadt¬
teil, diese Bevollmächtigten wiederum waren den Stadtvorstehern
' Yazaki Takeo, op.cit., S. 148; siehe auch Yamoki Kazuhiko: Toshi
puran no kenkyü. Tökyö 1970. In dieser Arbeit geht Yamobi über das Bei¬
spiel Hikone hinaus und untersucht in einer Reihe von Jökamachi die
Sozialstruktur. Dadurch kommt er zu einer Klassifikation in 5 Typen.
8 Yazaki Takeo, op.cit, S. 149—161.
24«
(machibugyo) verantwortlich. Diese wiederum delegierten Verant¬
wortung an einen Rat von Stadtältesten, die aus alten privilegierten
Familien stammten und an bevorzugter Stelle der Stadt wohnten.
Die Samurai waren in Verbänden von Gefolgsleuten und kleineren
Mannschaften organisiert.
3. Arten der Zonengliederung
In der Burgstadt unterscheidet man grundsätzlich zwei Zonen:*
1. Der Burgbereich: die Burg mit einer dreifachen Befestigungszone
{honmaru, ni-no-maru, san-no-maru) war Sitz der Herrschaft. Diese
Zone war mit Steinmauern und breiten Gräben stark befestigt. Hier
waren auch Vorräte und Waffen gelagert, doch neben der Residenz
des Daimyö befanden sich hier nur selten (z.B. Sasayama in der
aan-no-maru-Zone) Quartiere von Samurais höherer Ränge.
2. Der Stadtbereich: hier lagen die Wohnquartiere nach Ständen ge¬
trennt. Samurai oberer Ränge waren in der Regel über weitere
Grabenanlagen an den Burgbereich angeschlossen. Die gesamte
Stadt war häufig von einem Graben umgeben. Jenseits der äußeren
Grabenanlagen wohnten nur kleinere Gruppen von Chönin oder
Knechten (z.B. in Kuwana Chönin im Süden und Westen, in Hiji
Chönin im Westen).
Die Analyse zahlreicher Stadtkarten des 17. Jahrhunderts legt es
nahe, die Stadtgründungen nach drei Haupttypen zu beschreiben:
a. Städte, die insgesamt von Verteidigungsanlagen um¬
geben sind (Beispiel Marugame)
i Die Sicherung der gesamten Stadt mit einem Wassergraben kann
während der Gründungsphase der Jökamachi immer wieder fest¬
gestellt werden (Köriyama 1586, Zeze 1601, Yatsushiro 1620). Mit der
fortschreitenden Konsolidierung der Machtverhältnisse jedoch hat
sich diese Durchführung von Befestigungsarbeiten nicht verändert.
Da die Jökamachi seit 1590 im Zeichen der Einigung des Landes ge¬
gründet wurden, brauchten sie die Wehrhaftigkeit ihrer Befestigungs¬
anlagen nicht mehr unter Beweis zu stellen. Einzelne Elemente be¬
kamen zunehmend dekorativen oder symbolischen Charakter. Sicher
• Die vmmittelbare Umgebung der Burg (jap. shiro) heißt honmaru =
Hauptkreis, darauf folgt ni-no-maru = zweiter Kreis imd san-no-maru =
dritter Kreis, siehe Yazaki Takeo, op.cit., S. 105. Als grundlegendes Werk
zur Entwicklung der Burg sei hier genannt : Orui Noboru und Toba Masao :
Nihcm jökakushi (Geschichte der japanischen Burgen). Tökyö 1936 (S.Auf¬
lage 1968).
Sozialstmktur und Stadtplan der japanischen Jökamachi 355
standen aber auch pragmatische Gründe im Vordergrund. Durch eine
begrenzte Anzahl von Zugängen (Brücken, Tore) war eine zuver¬
lässige Kontrolle des Verkehrs möglich. Landstraßen führten nicht an
der Stadt vorbei, sondern durch die Chöninmachi der Jökamachi. Der
Zugang nach Hiji z.B. war nur über drei mehrfach abgewinkelte Zu¬
wege möglich. Die Chöninmachi von Köriyama hatte drei Zugänge von
außen, die Samuraimachi fünf weitere Zugänge. Von der Chöninmachi
waren die Samuraimachi über drei Tore zugänglich. Die Stadt Shiroishi
hatte insgesamt nur zwei Zugänge. Als Beispiele von Städten, in denen
nur wenige Chönin- oder ashigaru-machi außerhalb des umgebenden
Grabens angesiedelt waren, können Kuwana und Hiji gelten.
b. Städte mit besonderer Befestigung der Samuraimachi
höherer Dienstgrade (Shirakawa, Takamatsu, Hiji,
Hirosaki, Kuwana)
Auf eine Abgrenzung der gesamten Stadt zum Umland wird ver¬
zichtet. Die Befestigung der Samuraimachi verfolgt zwei Ziele: als
Gefolgsleute des Daimyö vertraten die Samurai die Herrschaft und
waren zu deren Verteidigung von außen (Zentralgewalt) als auch von
innen (aus dem Han oder der Bürgerschaft) bestimmt. Die Befestigung
der Stadt hatte die Sicherang der Herrschaft zum Ziel, nicht den
Schutz der gesamten Stadt gegen äußere Feinde. Die Sichemng der
Samuraimachi ist von unterschiedlicher Intensität. Die innere Zone
[honmaru) mit dem Burgturm [tenshu) ist mit starken Steinmauern
und Burgwarten [yagura) stark befestigt und schließt keine Wohn¬
quartiere mit ein. Die zweite Zone [ni-no-maru) ist, einer Vorburg
gleich, wie die innere Zone stark befestigt (Matsue, Mamgame, Yone¬
zawa). Im selteneren Fall sind in der zweiten Zone die Residenz der
Daimyö und die Wohnquartiere für Samurai mit hohem Einkommen
untergebracht (Hiji, Hirosaki). Die dritte Zone [san-no-maru) kann,
wic die zweite Zone, ein befestigter Bereich ohne Wohnquartiere sein,
der der zweiten Zone vorgelagert ist (Matsue). Sind in der dritten Zone
Samurai mit hohem Einkommen untergebracht (Maruoka, Hirosaki,
Shirakawa), so ist diese Zone nicht mit Steinwällen umgeben, sondern
von breiten Wassergräben. Weitere Sichemngen beziehen sich auf die
Ausbildung von Doppeltoren [masugata). In den meisten Jökamachi
lagen die Samuraimachi außerhalb der drei inneren Sicherangszonen.
Sie waren ringförmig um den Kern gruppiert oder halbkreisförmig für
den Fall, daß der Burgbereich auf der einen Planke einen Fluß hatte.
Die Samuraimachi waren durch kanalisierte Bäche oder künstliche
Gräben von den Chöninmachi getrennt.
c. Städte, in denen lediglich die Burgbereiche befestigt
sind. Mischung von Samuraimachi und Chöninmachi
(Shirakawa)
In diesen Städten bilden die Samuraimachi nicht geschlossene
Quartiere (machi), sondern sie sind über die Stadt verstreut. Nur die
inneren Sicherungszonen sind befestigt. In Hirosaki und Kuwana sind
die Samuraimachi verstreut, so daß eine eindeutige Abgrenzung gegen¬
über den Chöninmachi nicht gegeben ist.
Der Aspekt der Herrschaftssicherung geriet nach dem Fall von
Osaka (1615) stark in den Hintergrund. Die Daimyö konnten auf die
Errichtung von Symbolen ihrer Macht verzichten.
In der inneren Zone (honmaru) von Sasayama wurde der Sockel
eines Burgturmes gelegt, der nicht mehr gebaut wurde. Ähnlich ver¬
hielt es sich in Marugame, das 1642 nach der Vertreibung der Ikoma
aus Sanuki durch die Familie der Yamazaki neu befestigt wurde. Die
Festung erhielt auf dem Burgberg keinen Burgturm, sondern einen
symbolischen, burgähnlichen Pavillon.
Die Aspekte der räumlichen Verwirklichung einer Gesellschafts¬
ordnung als machtstabilisierender Faktor verdrängte militärische
Gesichtspunkte. Nicht die Funktion der Festung stand im Vorder¬
grund, sondern die Erhaltung des gesellschaftlichen status quo.
4. Sieben Beispiele zur Sozialstruktur der Jökamachi
(alphabetisch geordnet) HIJI
Provinz: Bungo-no-kuni, heute: öita-ken.
Lage : Hiji liegt an der Westküste von Kyüshü an der Landstraße von
Nobeoka über Usuki, Oita und Nakatsu nach Kokura.
Stadtplan: Die Burg (Aoyanagi-jö oder Ukitsu-jö genannt) liegt auf
dem Steilufer am Meer. Der zweite und dritte Ring schließen mit
Gräben 36 /Samwrai-Parzellen ein. Die Landstraße führt im Westen
durch eine 'Vorstadt' mit 48 CÄoreiw-Parzellen. Im Stadtbereich, der
im Westen durch Gräben und Wallanlagen, im Osten durch eine Bucht
geschützt ist, führt die Straße im westlichen Teil der Stadt durch eine
Samuraimachi, im Osten der Stadt durch die Chönimachi mit 245
Parzellen. Die Landstraße ist vor der Stadt mehrfach abgewinkelt.
Geschichte: 1586 wurde in Hiji eine Festung von lokaler Bedeutung
von Shimazu Yoshihisa belagert. Nachdem die Shimazu von Hideyoshi
gezwungen wurden, sich auf die Provinzen Osumi und Satsuma zu
Sozialstruktur und Stadtplan der japanischen Jökamachi 357
beschränken, wurde Hayakawa Yukishige dort eingesetzt. leyasu
Tokugawa gab 1601 Hiji an Kinoshita Nobutoshi, der vorher Fukuchi-
yama erfolgreich belagert hatte. Die Kinoshita bauten die Burg und
die Stadt aus, die auch bei einem Einkommen von 25000 koku ver¬
gleichsweise klein war. Hiji ist heute nicht größer als im 17. Jahr¬
hundert. Neben den großen Zentren Öita und Beppu blieb die ehemalige
Jökamachi ein Dorf mit einem kleinen Fischereihafen.
Abb. 1: Hiji, Bungo-no-kuni
Burgbau 1601—1602 (Keichö 6—7)
Soziale Gliederung (Auf der Grimdlage des Shöhö-ezu (1645)
Originalgröße 1,88 X 1,65 m, im Besitz der Naikaku Bunko,
Tökyö)
HIROSAKI
Provinz: Mutsu, heute: Aomori-ken.
Lage: Hirosaki liegt in der Tsugaru-Ebene, abseits des öshükaidö,
der in Aomori endet.
Stadtplan: Die Stadt liegt zwischen dem Iwakigawa und dem Sawa-
gawa. Die Burg ist im Schutze eines Nebenarmes des Iwakigawa an-
schützt. Die den Burgbereich umgebenden Samuraimachi sind auf
allen Seiten von Chönimachi umgeben. Der Schwerpunkt der Bürger¬
stadt liegt jedoch im Südosten der Stadt an der Landstraße, die nach
Aomori (im Norden) und Akita (im Süden) führt. Heute hat sich der
Schwerpunkt der gesamten Stadt in das Gebiet jenseits des Sawagawa
verlagert. Die Eisenbahnlinie folgt der alten Landstraße, der Bahnhof
liegt in dem Dreieck, das durch die nach Norden und Süden sich ver¬
zweigende Landstraße gebildet wird.
Geschichte: Hirosaki war vom 16. bis 19. Jahrhundert Sitz der
Daimyö Tsugaru, die von Fujiwara Tadamichi abstammten. Sie unter¬
warfen sich Hideyoshi, standen in Sekigahara jedoch auf der Seite von
von leyasu, der ihnen das Lehen mit 47000 koku bestätigte. Tsugaru
Tamenobu baute 1603 die Burg von Hirosaki. Die Reisproduktion in
der Ebene von Tsugaru überschritt sehr bald die nominelle Einschät¬
zung durch das Bakufu, so daß das Einkommen des Han 1805 auf
117000 und 1808 auf 217000 koku erhöht wurde. Von 38000 Ein¬
wohnern im Jahre 1914 stieg die Bevölkerung auf 76000 im Jahre
1965 an.
KUWANA
Provinz: Ise-no-kuni, heute: Mie-ken.
Lage: Kuwana war die 42. Station der Tökaidö auf dem Wege von
Tökyö nach Kyöto. Von Atsuta wurde nach Kuwana übergesetzt, um
die vielen Flußübergänge der Owari-Ebene zu vermeiden.
Stadtplan: Die Burg liegt am Ibigawa, von Samuraimachi ring¬
förmig umgeben. Die Chönin haben ihre Quartiere im Nordwesten der
Stadt und säumen die Straße, die von der Anlegestelle der Tökaidö
nach Kyöto führt. Größere Quartiere, in denen Chönin und Samurai
in enger Nachbarschaft siedeln, sind aneinandergefügt.
Geschichte: Die Provinz Ise erhielt 1569 Takigawa Kazumasu von
Nobunaga als Lehen. 1576 baute er in Kuwana eine Festung. Später
bekam Ujie Yukihiro Kuwana mit 25000 koku von Hideyoshi, wurde
aber nach der Schlacht von Sekigahara enteignet. Mit Honda Tada-
katsu erhielt 1600 ein treuer Vasall der Tokugawa Kuwana mit 150000
koku. 1617 erhielten die Hisamatsu, dann die Okudaira und dann wieder
die Hisamatsu Kuwana. Von 21500 Einwohnem im Jahre 1914 stieg die
Bevölkemng auf 45000 im Jahre 1965. Ehemals war Kuwana ein
wichtiger Holzmarkt, jetzt ist die Stadt in den Großraum von Nagoya
integriert.
Sozialstruktur und Stadtplan der japanischen Jökamachi 359
Abb. 3: Kuwana, Ise-no-kuni
Burgbau 1576—1604 (Tenshö 4 — Keichö 9)
Soziale Gliederung (Auf der Grundlage des Shöhö-ezu (1645),
Originalgröße 2,53 X 2,84 m, im Besitz der Naikaku Bunko, Tökyö) MARUOKA
Provinz: Echizen-no-kuni, heute: Fukui-ken.
Lage: Maruoka liegt am Hokurikukaido zwischen Fukui und Kanazawa.
Am östlichen Ende der Ebene von Fukui mit dem Kuzuryogawa
machte eine kleine Erhebung die Burganlage möglich.
Stadtplan: Um die Burg herum sind in der ringförmigen dritten
Zone (san-no-maru) Samurai untergebracht. Im Norden sind die
Samuraimachi erweitert, während im Süden die Chöninmachi liegt.
CJiönin und ashigaru säumen die Landstraße, die im Westen durch die
Stadt führt. Ein verzweigtes Grabensystem, das aus kanalisierten
Bachläufen besteht, schließt die verschiedenen machi ein. Von der
Jökamachi entwickelte sich nach der Restauration von 1868 nur die
Abb. 5: Maruoka, Echizen-no-kuni
Burgbau 1576—1613 (Tenshö 4— Keichö 18)
Soziale Gliederung (auf der Grundlage des Shöhö-ezu (1645),
Originalgröße 1,81 X 1,90 m, im Besitz der Naikaku Bunko,
Tökyö)
Sozialstruktur und Stadtplan der japanischen Jökamachi 361
westliche Stadthälfte mit Schwerpunkten, die zwei Bahnhöfe zuge¬
ordnet waren.
Geschichte: Die Burg wurde von Shibata Katsutuyo 1576 gebaut.
1583 wurde Maruoka von den Aoyama übernommen, bis ein Mitglied
der Honda Familie die Stadt übernahm und 1613 die Burg erweiterte.
1595—1868 verwalteten die Arima aus Nobeoka das Lehen mit
50000 koku.
ÄIATSUE
Provinz: Izumo-no-kuni, heute: Shimane-ken.
Lage: Matsue liegt an der Landstraße, die an der Japanischen See
von Kyöto über Tottori und Hagi nach Shimonoseki führt. Die Stadt
entstand zu beiden Seiten des Ohashigawa, der den Shinji-See mit der
Chü-Sec verbindet.
Stadtplan: Die Burg liegt auf einem 24 m hohen Hügel zwischen dem
Shiragagawa und dem Ohashigawa. Nördlich des Ohashigawa gruppie¬
ren sich die Samuraimachi um die Burg herum, während die Chönin¬
machi zu beiden Seiten des Ohashigawa und am Shinji-See liegen.
Tempel sind im Norden und Westen der Stadt an Berghängen gebaut,
während im Süden eine teramachi mit acht Tempeln in der Nachbar¬
schaft der Chönimachi liegt. Von der übrigen Stadt getrennt sind die
ashigaru im Süden in einem regelmäßig angelegten Viertel unter¬
gebracht. Es sind 26 Blöcke mit einer Größe von 55 X 35 ken. Daraus
ergibt sich eine Parzellentiefe von 31,50 m. Der Bahnhof im Südosten
der Stadt hatte eine Schwerpunktverlagerung der Stadt zm Folge. Der
Ausbau eines Bürgerzentrums in der Nachbarschaft des Burgberges
zusammen mit einem Kaufhaus bildet den Gegenpol.
Geschichte: leyasu Tokugawa setzte nach 1600 Horio Yoshiharu
mit 235000 koku in Matsue ein. Von 1607 bis 1611 befestigte er den
Burgberg. Sein Enkel starb 1633 kinderlos, so daß leyasu das Lehen
an Kyögoku Tadakata aus Obama mit 260000 koku gab. Tadakata
starb ebenfalls kinderlos und Matsue mit 186000 koku kam an Matsu¬
daira Naomasa, einem Neffen leyasus aus Matsumoto. Ein Neffe
Tadakatas wurde in Marugame eingesetzt. Die Einwohnerzahl blieb
von 1851 (35000) bis 1914 (36000) nahezu konstant. Als Hauptstadt
einer abgelegenen Provinz konnte die Stadt eine bescheidene Ent¬
wicklung verzeichnen (1965: 62000 Einwohner).
NACHHAS(
Abb. 6: Matsue, Izumo-no-kuni
Bmgbau 1607—1611 (Keichö 12—16)
Soziale Gliederung (Auf der Grundlage des Shöhö-ezu (1645),
Originalgröße 2,76 X 3,21 m, im Besitz der Naikaku Bunko, Tökyö) SHIRAKAWA
Provinz: Mutsu, heute: Fukushima-ken.
Lage: Shirakawas Lage an der wichtigsten Straße von Tökyö nach
Norden (öshükaidö) bestimmte die Entwicklung der Jökamachi. Die
Führung von Autobahn und Super-Expreß-Bahn parallel zur alten
Landstraße bestimmt auch in den siebziger Jahren die Umstrukturie¬
rimg der Stadt.
Sozialstruktur und Stadtplan der japanischen Jökamachi 363
Stadtplan: Am Übergang des Abukumagawa durcli den Öshükaidö
entsteht eine Jökamachi als Erweiterung einer ehemaligen Poststation.
Die Burg wurde südlich des Flusses auf einer Anhöhe (25 m über dem
Fluß) gebaut und von Gräben allseitig umgeben. Ungewöhnlich ist,
daß beim unmittelbaren Schutz des Burgbereiches der Pluß nicht ein¬
bezogen wurde. Die Landstraße säumen die Chöninmachi, jenseits des
Flusses und am Südausgang der Stadt auch die ashigaru. Der Bahn¬
körper trennt den Burgbereich und die ehemaligen Samuraimachi von
den Chöninmachi, die den Bestand der Stadt nach 1868 garantieren.
1965 hatte die Stadt 20000 Einwohner.
Geschichte: In Shirakawa hatte seit dem 13. Jahrhundert die Yüki-
Familie eine Burg. Sie wurde von Hideyoshi enteignet und Shirakawa
wurden den Gamo und Uesugi gegeben, die in Aizuwakamatsu ihre
NACHSENDAI
nachtOkvO OSHUKAIDO
Abb. 7: Shirakawa, Mutsu
Burgbau bis 1629 (Kanei 6)
Soziale Gliederung (Auf der Grundlage des Shöhö-ezu (1645),
Originalgröße 3,64 X 2,44 m, im Besitz der Naikaku Bunko,
Tökyö)
Residenz hatten. Im 16. Jahrhundert lag die Burg Karamejö südöstlich
des späteren Shirakawa auf dem Karameyama. Am Fuße des Berges
entwickelte sich eine kleine Jökamachi. 1627 wurde von den Tokugawa
als treuer Vasall Niwa Nagashige mit 100000 koku eingesetzt. Er baute
am Abukumagawa eine neue Burg, die Jökamachi entstand neu zu
beiden Seiten der alten Landstraße. Nach den Niwa residierten in
Shirakawa die Sakakibara (1643), Honda (1649), Okudaira (1681),
Matsudaira (1692), Hisamatsu (1641) und schließlich die Abe (1823).
SHIROISHI
Provinz: Mutsu, heute: Miyagi-ken.
Lage: Shiroishi liegt an der Landstraße von Tökyö nach Sendai
(öshükaidö) am südlichen Rand der Ebene von Sendai.
OSHUKAIDO
Abb. 8: Shiroishi, Mutsu
Burgbau ca. 1600 (Keichö 5)
Soziale Gliederung (Auf der, Grundlage des Shöhö-ezu (1645),
Originalgröße 1,59 X 1,54 m, im Besitz der Naikaku Bunko, Tökyö)
Sozialstruktur und Stadtplan der japanischen Jökamachi 365
Stadtplan: Um einen Burgberg gruppieren sich allseitig Samurai¬
machi, um die die Landstraße mit den Chöninmachi winkelförmig im
Westen und Norden herumführt. Die Landstraße als wichtigstes
Element des Stadtplanes wird hier besonders deutlich. Sie tangiert
nicht nur die Stadt, sondem wird absichtsvoll um die Stadt herum¬
geführt. Dadurch bildet die Bürgerstadt in unmittelbarer Nähe der
Samuraimachi ein Bollwerk. Erst nach der Restauration von 1868
wird durch einen Durclibruch der direkte Zugang zum Plußübergang
geschaflFen. Mit der Einrichtung des Bahnhofes verlagert sich die Stadt
nach Westen. Gegenüber 6000 Einwohnern im Jahre 1851 hatte die
Stadt 1965 14000 Einwohner.
Geschichte: Im 16. Jahrhundert hatten die Gamo und Uesugi eine
Burg in Shiroishi, während sie in Aizu ihren Hauptsitz hatten. 1600
konnten die Date die Burg einnehmen. Sie gaben sie Katakura Kaget-
suna, einem ihrer treuen Vasallen, der dort die Burg erneuerte und die
Stadt baute.
TAKAMATSU
Provinz: Sanuki-no-kuni, heute: Kagawa-ken.
Lage: Takamatsu liegt im Nordosten Shikokus und bietet von dort
aus einen günstigen Übergang auf die Hauptinsel.
Stadtplan: Die Burg liegt direkt am Meer, auf drei Seiten von
Kanälen umgeben, die die inneren Samuraimachi umgeben, die nur
über drei Brücken zugänglich sind. Außerhalb der Burgzone haben
Satnurai (im Westen) und Chönin (im Osten und Süden) ihre Quartiere,
die dem unterschiedlichen Status entsprechend verschiedenartig
gerastert sind. Im 18. Jahrhundert erweitert sich die Chöninmachi
nach Westen (Hafenanlagen zugeordnet) und entlang der Bushosan-
kaidö nach Süden. Die Samuraimachi erweitern sich nach Süden bis
an den Iwaseosankai, an dem die Matsudaira sich einen großen Park
anlegten. Im 19. Jahrhundert entstehen Landungsbrücke und Bahnhof
in unmittelbarer Nachbarschaft der Burg. Das Geschäftszentrum ent¬
wickelt sich in der ehemaligen Chöninmachi im Süden des Burgbereiohes
weiter. Ein Kaufhaus entsteht am ehemaligen Hauptzugang zum
Burgbereich am Endpunkt des Bushosankaidö. Gegenüber 35000
Einwohnern im Jahre 1851 hatte die Stadt 1965 120000 Einwohner.
Geschichte: Im 16. Jahrhundert hatten die Möri eine Burg in der
Gegend von Takamatsu. Hideyoshi setzte 1587 Ikoma Chikamasa mit
60000 koku ein, der bis 1590 die Befestigung des Burgbereiches be¬
endete, leyasu bestätigte im Jahre 1600 den Ikoma das Lehen und
erhöhte ihr Einkommen auf 17000 hoku. 1640 wurden sie jedoch wegen
schlechter Verwaltung ihres Lehens nach Dewa versetzt und Matsudai¬
ra Yorishiga aus Hitachi mit 120000 koku in Takamatsu eingesetzt.
Abb. 10: Takamatsu, Sanuki-no-kuni
Burgbau 158»—-1590 (Tenshö 16—18)
Soziale Gliederung (Auf der Grundlage der Karte der Kanei-Zeit
(1624—1644), Originalgröße 0,58 x 0,45 m, im Besitz von
Soe Fuke)
YONEZAWA
Provinz: Dewa, heute: Yamagata-ken.
Lage: Yonezawa liegt an der Straße von Tökyö über Fukushima und
Yamagata nach Hirosaki. Weitere Wege nach Aizu und Echigo macht
die Stadt zum Mittelpunkt eines Wegkreuzes.
Stadtplan: In ihrer Anlage folgt die Stadt dem Schema des 43 km
nördlich gelegenen Yamagata. In einer 8 km breiten Ebene liegt die
Stadt zwischen dem Mogamigawa und dem Omonogawa, ohne die
Abb. 2: Hirosaki, Mutsu
Burgbau 1603—1609 (Keichö 8—16)
Soziale Gliederung (Auf der Grundlage des Shöhö-ezu (164,5),
Originalgröße 2,08 x 2,18 in, im Besitz der Naikaku Bunko, Tökyö) Legende für Abb. 1, 3, 5, 6, 7, 8, 10 und 12:
Müll SAMURAI KRIEGER
I I CHONIN KAUFLEUTEU HANDWERKER I ■ I ASHIGARU SOLDATEN
CHÜGEN KOMONO
I I TERA TEMPEL
Maßstab ca. 1 : 20.00, genordet
Angabe der alten Straßenführungen auf der Grundlage der Ka¬
tasterkarte im Maßstab 1 : 10.000
^
Abb. 9: Takamatsu, Sanuki-no-kuni
Historisohe Karte des 18. Jahrhunderts genordet, luiten links die Legende, auf dem Kopf stehend
Deutlich ist die Entwicklung der Stadt gegenüber der Karte der
Kanei Zeit im Süden (weiß = Samurai, getönt = Chönin, dunkel =
Tempel) und Westen der Stadt.
Maßstab oa. 1 : 50.000, genordet
Angabe der alten Straßenfübrungen auf der Grundlage der
Katasterkarte des Jahres 1970 im Maßstab 1 : 25.000
Sozialstruktur und Stadtplan der japanischen Jökamachi 367
Flüsse in das Grabensystem um den Burgbereich einzubauen. Die nahe¬
zu quadratische innere Burgzone bestimmt die Gruppierung des Straßen¬
netzes. Die Samuraimachi sind nicht so konsequent wie in Yamagata
von den machi der Chönin getrennt. Die Hauptstraße führt wiederum
im Osten mit einer Länge von 5 km um die Stadt herum und bestimmt
dadurch den Standort der Chöninmachi. Im Westen der Samuraimachi,
die vom Hotategawa, einem Nebenfluß des Mogamigawa, begrenzt
wird, sind ashigaru untergebracht. Sie säumen auch eine 3 km lange
Straße zur Tateyamamachi, dem Überbleibsel einer früheren Jökamachi
aus der Zeit Date Masamunes (1589). In der Nachbarschaft der Jöka¬
machi sind durch Ansiedlung der Gefolgsleute der üesugi einige Dörfer
entstanden (Kobikimachi, Hosenmachi).
Geschichte: Die erste Burg im Tal von Yonezawa baute 1238 Nagai
Tokihiro. In den achtziger Jahren des 16. Jahrhunderts wurde Yone-
Abb. 12: Yonezawa, Dewa
Burgbau 1608 (Keichö 13)
Soziale Gliederung (Auf der Grundlage des Shöhö-ezu (1645),
Originalgröße 2,97 X 2,36 m, im Besitz der Naikaku Bimko,
Tökyö) 25 ZDMG 128/2
zawa von Date Masamune eingenommen, der im Westen am Omono¬
gawa eine Burg baute. Masamune eroberte auch Aizu, wurde jedoch
nach Yonezawa mit 300000 koku und später nach Sendai zurück¬
gedrängt. In den neunziger Jahren gehörte Yonezawa den Gamo, die
in Aizu ihren Hauptsitz hatten. 1601 wurden die Uesugi mit einem auf
300000 koku reduzierten Einkommen in Yonezawa eingesetzt. Sie
bauten eine neue Burg im Zusammenhang mit einer neuen Stadt. Als
die Uesugi 1664 ohne Nachkommen blieben, wurde das Einkommen des
nachfolgenden Adoptivsohnes auf 150000 koku reduziert.
Abb. 13: Japan: Lage der dokiunentierten Jökamachi
Bücherbesprechungen
Arnold Toynbee: Constantine Porphyrogenitus and his World. London —
New York — Toronto : Oxford Univ. Pr. 1973. XVIII, 768 S. 8». 14.— £.
Toynbees Interesse für Konstantin, den Purpurgeborenen (908?—959),
geht auf das Jahr 1910 zurück. Damals faßte er als undergraduate in Oxford
den Plan, an der Neuherausgabe der Werke Konstantins mitzuwirken, nach¬
dem sie Mitte des 18. Jh. von dem genialen Arabisten Reiske imd um 1830/40
von Beckeb (Bonner Ausgabe) ediert worden waren. Doch dann — als erster
Lehrstuhlinhaber für byzantinische und moderne griechische Studien in
London — stellte er fest, daß sein Metier war, Texte zu benutzen, statt sie herauszugeben. Erst 1966, als nach seinem Selbstzeugnis alle historische
Arbeit getan war, fand er Gelegenheit, sich systematisch mit Konstantin zu
beschäftigen. Das Ergebnis ist die vorliegende Studie.
Sie bietet einen hervorragenden Einbhck in die byzantinische Welt des
10. Jb. Welthistorische Ereignisse sind mit dem Namen Konstantin VII.
nicht verbunden. Das oströmische Reich war bis 924 durch die Bulgaren
unter Simeon bedrängt, der wiederholt Konstantüiopel bedrohte (vgl.
S. 358-—376). Arabische Vorstöße setzten dem Beich an der Südostflanke zu,
gelegentlich auch an der Westküste Kleinasiens (vgl. S. 107—122). Doch
noch war Byzanz stark genug, die Angriffe abzuwehren und mit hohem
Preis islamisches Gebiet zurückzuerobern (934 Malatya, zwischen 960 und
965 Tarsus, Kreta, Zypern und das östliche Sizilien). Die ausführliche Schilderung der Beziehungen zu den östlichen Muslims (S. 377^—393) enthält zahlreiche interessante Einzelheiten über die Araber. Als Gefangene wurden
sie im Triumpbzug mitgeführt und auch bei anderer Gelegenheit in das für
Byzanz so überaus wichtige HofzeremonieU eingegliedert. Nicht einmal
Schweinefleisch wurde ibnen bei der Speisung am Weihnachtsfest zugemutet.
Konstantins Hauptinteresse galt der Literatur (vgl. S. 575—598), woraus
sich die Themenwahl Toynbees erklärt. Von den zahlreichen Werken des
Kaisers — u.a. über die Staatsverwaltung (vgl. De Administrando Imperio),
die militärische Tbemenordmmg (vgl. S. 224—274), die Reichsprovinzen und
Nachbarvölker, aber auch eine Rede auf das Christusbild von Edessa und
kirchliche Gedichte — ist für den Orientalisten vor allem das Zeremonien¬
buch (De Caerimoniis Aulae Byzantinae) interessant. Neben den beiden
Berichten des Bischofs Liudprand von Cremona, des Gesandten Kaiser Otto
I., über seine Audienzen am byzantinischen Kaiserhof in den Jahren 949 und
968 bildet das Zeremonienbuch Kaiser Konstantins die Hauptquelle für das
byzantinische Zeremonienwesen. Ein halbes Jahrtausend später wurde es
durch das osmanische Hofzeremoniell ersetzt, dessen Verhältnis zum byzan¬
tinischen ,,Vor"-bild eine alte Streitfrage in der kulturhistorischen Literatur bUdet'.
Konbad Dilgeb, Hamburg
^ Vgl. K. Dilgeb: Untersuchungen zur Oeschichte des osmanischen Hof¬
zeremoniells im 15. und 16. Jahrhundert. München 1967.
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