Kern- und Teilchenphysik I — SS 2006 — Prof. G. Dissertori — Serie 5
L¨osungen
1. Tiefinelastische Streuung am HERA-Speicherring
a) Die Schwerpunktsenergie der Elektron-Proton-Kollision ergibt sich mit s = (ppc+pec)2=m2pc4+m2ec4+ 2(EpEe−pppec2)≈4EpEe
zu √s= 314 GeV,
wenn man die Massen von Proton und Elektron vernachl¨assigt. F¨ur ein station¨ares Proton- target (Ep=mpc2; pp=0) berechnet sich die Schwerpunktsenergie der Elektron-Proton- Kollision zus≈2Eempc2.
Damit m¨usste der Elektronstrahl die EnergieEe = 2ms
pc2 = 52.5 TeV besitzen, um eine Schwerpunktsenergie von√s= 314 GeV aufzubringen.
b) Wir betrachten die elementare Elektron-Quark-Streureaktion e(Ee) +q(xEp)−→e(E0e) +q(E0q),
wobei die Gr¨ossen in Klammern die Teilchenenergien angeben. Aus Energie- und Impul- serhaltung ergeben sich die folgenden drei Relationen:
Ee+xEp = E0e+Eq0 Gesamtenergie (1)
Ee0sin Θ/c = E0qsinφq/c Transversalimpuls (2) (xEp−Ee)/c = (Eq0cosφq−Ee0cos Θ)/c Longitudinalimpuls (3) Mit den ElektronvariablenEe,Ee0 und Θ berechnet sichQ2zu
Q2= 2EeEe0(1−cos Θ)/c2.
Aus der Gesamtenergieerhaltung folgtEe0 =Ee+xEp−Eq0. Gleichung (2) nachEq0 und Gleichung (3) nachxEpaufgel¨ost und eingesetzt:
Ee0 = 2Ee+Eq0cosφq−Ee0cos Θ−Ee0sin Θ sinφq
und nach erneuter Verwendung von (2):Eq0=Ee0sin Θ/sinφqergibt sich daraus
2Ee = Ee0
1 + cos Θ + sin Θ
sinφq−sin Θ cosφq
sinφq
⇒Ee0 = 2Eesinφq
sinφ+ cos Θ sinφq+ sin Θ−sin Θ cosφq
= 2Eesinφq
sin Θ + sinφq−sin(Θ−φq) und damit
Q2= 4Ee2sinφq(1−cos Θ) [sin Θ + sinφq−sin(Θ−φq)]c2
Experimentell kann man den Streuwinkelφqdes gestreuten Quarks durch den mittleren, mit der Energie gewichteten Winkel der erzeugten Hadronen bestimmen,
cosφq= P
iEicosφqi
P
iEi
.
c) Der maximale Wert f¨urQ2 betr¨agtQ2max=s/c2. Er tritt bei Streuung des Elektrons um Θ = 180◦ (R¨uckstreuung) und maximalem Energie¨ubertrag vom Proton auf das Elek- tron, Ee0 = Ep auf. Bei HERA ist damit Q2max = 98400 GeV2/c2. Die Aufl¨osung wird durch die de Broglie-L¨ange bestimmt: λ= ¯h/Q. Damit ergibt sich f¨ur den Collider ein Aufl¨osungsverm¨ogen von 0.63·10−3 fm und f¨ur das Fix-Target-Experiment, wobei 300 GeV einemQ2 von ca. 562.8 GeV2/c2entspricht, 8.32·10−3 fm. Das entspricht ungef¨ahr einem Tausendstel bzw. einem Hundertstel des Protonradius. Messungen sind in der Praxis wegen des mit Q2 stark abfallenden Wirkungsquerschnittes in der Regel nur bisQ2max/2 m¨oglich.
2. Quarkzusammensetzung und Quantenzahlen der Hadronen
a) Pseudoskalare Mesonen (Jp= 0−):
Pseudoskalare Meson Quarkzusammensetzung IsospinI3 StrangenessS
π+ ud¯ +1 0
π0 (u¯u−dd)/¯ √
2 0 0
π− du¯ −1 0
η (u¯u+dd¯−2s¯s)/√
6 0 0
η0 (u¯u+dd¯+s¯s)/√
3 0 0
K+ u¯s +1/2 +1
K0 d¯s −1/2 +1
K¯0 sd¯ +1/2 −1
K− s¯u −1/2 −1
b) Vektormesonen (Jp= 1−):
Vektormeson Quarkzusammensetzung IsospinI3 StrangenessS
ρ+ ud¯ +1 0
ρ0 (u¯u−dd)/¯ √
2 0 0
ρ− d¯u −1 0
ω (u¯u+dd)/¯ √
2 0 0
φ s¯s 0 0
K∗+ u¯s +1/2 +1
K∗0 d¯s −1/2 +1
K¯∗0 sd¯ +1/2 −1
K∗− s¯u −1/2 −1
c) BaryonenJp= 1/2+
Baryon Quarkzusammensetzung IsospinI3 StrangenessS
n udd −1/2 0
p uud +1/2 0
Σ+ uus +1 −1
Σ0 uds 0 −1
Σ− dds −1 −1
Λ uds 0 −1
Ξ0 uss +1/2 −2
Ξ− dss −1/2 −2
d) BaryonenJp= 3/2+
Baryon Quarkzusammensetzung IsospinI3 StrangenessS
∆++ uuu +3/2 0
∆+ uud +1/2 0
∆0 udd −1/2 0
∆− ddd −3/2 0
Σ∗+ uus +1 −1
Σ∗0 uds 0 −1
Σ∗− dds −1 −1
Ξ∗0 uss +1/2 −2
Ξ∗− dss −1/2 −2
Ω− sss 0 −3
3. Elektron-Proton Streuung
Gegeben ist
d2σ dΩdE0 =
dσ dΩ
M ott
1 + 2τtan2 θ
2
δ(ν− Q2 2M)
Unter der Annahme, dassβ→1 und der Rueckstoss nicht vernachlaessigt wird, kann dΩdσ
M ott
geschrieben werden als
dσ dΩ
M ott
= α2cos2θ2 4E2sin4θ2
E0 E Mit der Abkuerzung
A= 1 +2E M sin2θ
2
und der BeziehungQ2= 4EE0sin2θ2, folgt sin2θ2=(A−1)M2E und somit Q2
2M =2EE0sin2θ2
M =E0(A−1) .
Fuer den Energieuebertragνgilt im Laborystemν=pqM=E−E0. Damit folgt fuer dieδ-Funktion:
δ(ν− Q2
2M) =δ(E−E0−E0(A−1)) =δ(E−E0A) = 1
Aδ(E0−E A)
MitE0 =E/Aund Integration ueber die Deltafunktion kommt man nun sofort auf das Er- gebnis fuer dσdΩ
im Laborsystem.
Das Proton wurde als punktfoermig und spinlos angenommen. Um auf die Struktur des Protons naeher einzugehen, koennen Formfaktoren eingefuehrt werden, die die Verteilung der Ladung und des magnetischen Moments im Proton beruecksichtigen.
4. Zerfall der Delta-Resonanz
a) Gehen wir ins Ruhesystem des ∆++. In der klassischen Kinematik gilt f¨ur Impuls- und Energieerhaltung:
0 =p~p+p~π+=mpv~p+mπ+v~π+
und 1
2m2pv~2p+1 2m2π+v~π+2
= 1232 MeV
c2 −938.26 MeV
c2 −139.57 MeV
c2 = 154.17 MeVc2 Mit der Impulserhaltung folgt
~
vp=mπm+vπ~+
p
und somit 1 2m2p
mπ+v~π+
mp
2
+1
2m2π+v~2π+=1
2v~π+2m2π+
mp
+mπ+
= 154.17 MeV Damit ist
vπ+= v u u t
2·154.17 MeV
m2 π+ mp +mπ+
= 1.39·c,
was gr¨osser als die Lichtgeschwindigkeit ist. Klassisch w¨are der Zerfall also nicht m¨oglich.
b) F¨ur die Vierervektoren gilt
P∆++=Pπ++Pp
Wir setzen nun c=1. F¨ur das Quadrat der Viererimpulse gilt nach den Regeln der relativi- stischen Kinematik:
P∆2++=M∆++2= (Pπ++Pp)2=m2p+m2π++ 2EpEπ+−2p~π+p~p
Im Schwerpunktssystem sind die Betr¨age der Impulse der Zerfallsteilchen gleich (~pp =
~
pπ+≡~p) und die Teilchen zerfallen back-to-back. Unter Beachtung vonM∆++=Ep−Eπ+
erh¨alt man
M∆2++=m2π++m2p+ 2EpEπ++ 2|~p|2=m2π++m2p+ 2Ep(M∆++−Ep) + 2(E2p−m2p) und somit
Ep=M∆2+++m2p−m2π+ 2M∆++
. Analog f¨urEπ+. F¨ur den Betrag des Schwerpunktsimpulses gilt:
|p~p|=|p~+π|=
(M∆2++−(mp+mπ+)2)(M∆2++−(mp−mπ+)2)12
2M∆++