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Noch einmal von . . und zu . . («^Jj m5^).
Von Barid Kaufmann.
Vor Entscheidung der Frage, ob der Ausdmck «^LJ!,
und sein hebräisches Gegenbild bei jüdischen Poeten und Prosaisten
des Mittelalters wirklich aus der altarabischen, von Goldziher
(oben p. 95 fif.) aus Tradition und Kitus nachgewiesenen Formel
sich herleitet, scheint mir noch die Möglichkeit eines anderen Ur¬
spmngs erwogen werden zu müssen, der sie nicht als religiöse
Prägung , sondera als philosophischen Terminus erkennen
lehrte und ims dann wie bei allen wissenschaftlichen Begrififen des
Mittelalters weit weg von den Arabem zu ihren Lehrmeistem, den
Griechen führen vrärde. Es können eben erfahrungsgemäss die
gleichen Wirkungen auf ungleiche Ursachen zurückgehen und die¬
selben Erscheinungen verschiedene Deutungen zulassen.
Unter dem Eindracke der von Goldziher gesammelten That¬
sachen überraschte mich an der Schwelle von Maimüni's philo¬
sophisch und auch schriftstellerisch glänzend gelungener Beweis¬
führung für die Beseeltheit der Sphären eine Wendung, die auf,
den ersten Blick unzweifelhaft auf jene alte Formel des muham¬
medanischen Ritus zurückzugehen oder anzuspielen scheint. In der
unablässigen Kreisbewegung der Sphäre soll der Beweis liegen,
dass sie nicht von Natur sich bewegt, da jede natürliche Bewegung
zm- Ruhe kommt, wenn sie ihr natürliches Ziel erreicht hat, ent¬
weder bei einem Erstrebten angelangt oder einem Gemiedenen ent¬
gangen ist, die Sphäre aber in ewiger Ruhelosigkeit sich im Kreise
dreht. Das drückt Maimüni aber so aus: '^-inni o^b *^bsb« N-im
nsttc Tinn-' rrb» Nn isb qbxia aba in qbNDö a'^^b
'^nnn-' nibNB 'j-inn-' nsw NtjbDT T-inn-» (Guide des ögares
ed. S. M u n k n c. 4 Anf. f. S'' b). Die rednerisch gehobene Haltung
des Ausdracks, die antithetische Behandlung der Elemente unserer
Formel lässt uns einen Augenblick den Gedanken eines Zusammen¬
hanges mit ihr unabweisbar erscheinen. Die Aufsuchung der Ur¬
quelle für diesen Gedanken, der Vergleich mit der farblosen Ein¬
kleidung desselben bei Aristoteles befestigt uns vollends in dem
426 Kaufmann, Noch einmal von . . und zu . . (ii^_iJlj
Eindruck, als hätten wir es bei Maimüni mit einer sicheren An¬
spielung auf jene altarabische Wendung zu thun. Denn wenn auch
der Stagirit, wie schon Isak Ibn Albaläg, der Uebersetzer und
Bearbeiter *on Gazzäli's Makäsid mit hoher Verwunderang bemerkt '),
ttber die Frage von der Beseeltheit der Sphären sich nirgends ge¬
äussert hat, so geht doch Maimüni's Bemerkung über die Eigen¬
thümliehkeit der Kreisbewegung auf Aristoteles zurück, der Physik
VIII, 8, 169, erkärt: ro yuQ ix tov A xivovf^evov äfia xivr,aatai, eig TO A xcerd rijv avrrjv ng6&et!iv.
Gleichwohl belehrt uns die Priifung der arabischen Mittel -
quellen Maimüni's unzweifelhaft darüber, dass wir es bei ihm nur
mit einem philosophischen Schultermiiius zu thun haben, dem jede
absichtliche oder unbewusste Färbung durch unsere Pormel volL
kommen fern liegt. Die Wahrnehmung, dass innerhalb der Kreis¬
bewegung jeglicher Ausgangs- zugleich Zielpunkt wird, erscheint
arabisch, z. B. bei Ibn Sina, der Hauptquelle Maimüni's, niemals
anders ausgedrückt. So heisst es in cod. Oxford 1334«, angeblich
der Handschrift seiner morgenländischen Weisheit, von der ich
1879 eine vollständige Copie genommen habe (s. Steinschneider,
ZDMG. 47, 345), da wo Ibn Sina die sechs Stücke aufzählt, die
bei der Bewegung zu betrachten sind, f. 79b: oÜjüj JOS
^^UjJlj Jk-J! I^j »-f^ ^5 ui^y^lj ii^__5^Jt s^JHm
und f. 80 b: ^yi Ja ; i •«•... «.J! Uj^ >Jj> vJUuuj UI^
LP'Äs». Schemtob Ibn Faiaquera führt zur Erläuterung der Worte
Maimüni's im More ha-More ed. Bisliches p. 81 eine ausnahms¬
weise in dieser Edition einmal weniger verderbte Stelle aus Ibn
Sina über die Kreisbewegung an, in der die gleichen Termini vor¬
kommen : C'yri:n7;n a^ciam , -ms , "iSTrn oann my ana yiyr, htt
i^bN«; n?: "^cn yyirniin synrn"» i:n72\a rm n-ina nnw: ,nyi:n
1) In meiner Handschrift der D'^CIOlb^cn n:i1D, vormals Rabinowitz 38 (s. Steinschneider, die hebraeischen Uebersetzungen des Mittelalters
p. 300) heisst es § 54: bjbab ffli ON bh nNTn nbNüjn p-^nyirn -iKn
baN •D^:-'''yKn ■'Stihn nmipna nn^n:« nbNMJ N^n Nb in iod:
C'N by bna ni:n hti a-ica nm« -ist Nb dj r^by ipn Nb iudin
HT v-'^ -in-inb?; "mT Nb --ini -nNTS nbN-ca bonn- "j'N riTp
■■n-ipn -ION iy riTn mbo'^nnn by iüdin nN niffinbT:! 0^721 nna
ce: Nin CN bjban y^;« mntt nbNoa nbba: nNTn nbNon "nNSci
nyirrn y;': nT'nb ian-' Nbo Nian -iicn iimiN-i "inu ia -bna: in
lb n^n nbNo oc: bibsb iNani bia: dn ^a icd: n-risin
"a-u:n inyirna na-isu: n:''Ni2J b-^Nin p--ib nrnN^s?: n^n ibd3
.nbaab laib bynp
■Kaufmann, Noch einmal von . . und zu . . (»i5LJI^ u^^'u«) 427
yiMTi- — so heisst es in der angefiihrten Stelle der morgen¬
ländischen Weisheit f. 81a: ^^Axa L«^ jwl-« L« Uj^^ —
nryiiniTöi »niiyaun mmp733 T-nios oimwDn niDian nwyir) aiinn-i
13 nbnnnn ttitd ircw '-man qian bn« , cn'm73ipab ym iin'oa
Nin 13 ,ns:bi niTTin inyi;n n^nno ia a-iinnn ,nnN nbanm
y-iNm bjbaa yaaa ii:iy Nin bn TWn imiwyi ,yaua yyi:n73
[mr n:ian 1.] ny:n nrN baban nnipr: mip: b? 'd ,[y-iNn 1.]
nban na tnb insMi ,nban ib n'nmatt (nnii) nbnnn ib n^nniB
n-'nn nTny D\a v'**^! mi7:y dib pN yaaa yyirn?: Nin dn ,yaaa
.T'an nyi;nn
Durch dieses beliebte Philosophem über die Natur der Kreis¬
bewegung ist der Ausdruck von der Identität des Ausgangs- und des
Zielpunktes in die jüdische Litteratur des Mittelalters eingedrungen.
Ein Beispiel für den formelhaften Gebrauch dieses philosophischen
Ausdmckes bietet uns Isak Ibn Latif, der in seinem absichtlich
orakelhaft dunkel gehaltenen O^byD ai ed. Schönblum § 13
äussert: n-iD:n baiab mominn nN^am naibn[n]i n^byni m^-i-n
nip'EO an -i^nn bna nio ni oai [i^bNi 1.] i^bswi 1:7:1: on
.niN''a:ni nnnn
Auf Grund dieser Beobachtung glaube ich nunmehr auch die
Worte Salomo Dafiera's in seinem Briefe an Astmc Crescas:
omN -jibNi "7:7: ,inN ,DbiN (ed. H. Brody p. 13) als Re¬
miniscenz an Maimüni auffassen zu dürfen, die bei einem so tiefen
Kenner des Führers denn auch am Nächsten liegt.
Als Beispiel des Gebrauches dieser Formel bei hebräischen
Dichtern vor Maimüni will ich zum Schlüsse noch eine Strophe
aus Jehuda Halewi's Diwan I, N. 95 hierhersetzen, deren Mit¬
theilung aus der Oxforder Handschrift ich Herrn H. Brody
verdanke :
■^ibn: 'aNOi:! "^nai-i: i:naaD
■^ibba 1:11-11 "jibbs 1:1031
•^ibrob Di:i7:yD3 niaiini oinn -^b
■^ibNi -ji:« Nim "a nyni '^nan:i
-jibyi ^a inao nN aiTanb bar 17:1
:^ibyD lb iniyi -i7:is ion ba by -jm
Ich schliesse zugleich die Uebersetzung an, die Dr. David
Rosin in Breslau mir davon gegeben hat:
Dein gutes Herz umfing mich rings und deiner Bäche
Stromverein,
Und deine Schatten kühlten mich, dein Tbau benahm mir
jede Pein;
Dich ziert dein schlicht gerader Sinn wie Schmuck von
goldenen Schalmei'n.
3 1 *
428 Kaufmann, Noch einmal von . . und zu . . («i^-Jtj
Als dein ist kenntlich, was du giebst; aus dir Mit hell
auf dich sein Schein.
Wer widerspricht dem Loblied, dir geweiht, und deinen
Worten ') fein !
Fiir Alles , was ich sage , soll dein eignes Thun mir
Zeuge sein.
Aber^ auch der Gedanke , dass das Wohlthun im Dank zu
seinem Ursprung zurückkehrt , auch hier also der Ausgangs- zum
Zielpunkt wird , ist nur eine Anwendung des Bildes vom Kreise,
der, wie etwa der Begriff der Entwickelung unsere Zeit, das ganze
mittelalterliche Denken und Vorstellen beherrscht hat.
1) Rot in rennnthet: "^'bTil.
3 1 *
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Grundlagen für eine Entzifferung der (hatischen oder)
cilicischen (?) Inschriften.
Von P. Jensen.
(Scbluss.)
h. Verhältniss des Cilicischen zu den anderen alten
Sprachen Vor der asien's.
Im Obigen haben wir, wofem nicht Alles täuscht, unser
Hauptziel erreicht: ein Fundament für weitere Untersuchungen
über die Spracherscheinungen der cilicischen Inschiiften zu legen.
Wir haben bereits unserer gegründeten Ueberzeugung einen Aus¬
drack gegeben, dass sich aus den uns z. Z. vorliegenden Texten
allein ohne andere Hilfsmittel Mehr wird gewinnen lassen, als wir
zu heben im Stande waren. Sehr viel günstiger aber müssten sich
die Aussichten für eine endgültige Entziffemng gestalten, falls uns,
vrie den Entzififerem des Altpersischen die verwandten persischen
und indischen Dialecte, wie denen des Aegyptischen das nahe¬
stehende Coptische, eine mit dem Cilicischen fraglos eng verwandte
Sprache zu Gebote stände. Wir können uns daher schon deshalb
nicht der Aufgabe entziehen, wenigstens die Sprachen, die vormals
im vorderen Orient gesprochen wurden, behufs einer Vergleichung
mit dem Cilicischen Revue passiren zu lassen. Sollte sich schon
hierbei ein für uns günstiges Resultat ergeben, brauchten wir nicht
weiter zu schweifen. Sollte indess die Untersuchung resultatlos
verlaufen, müssten wir weiter gehen. Wenn es auch am Nächsten
liegt, nach Verwandten des Cilicischen in einiger Nähe der einstigen
Wohnsitze der Cilicier zu suchen, so kennen wir doch von den
prähistorischen Völkerverschiebungen des vorderen Orients Zuwenig, als dass wir mit Bestimmtheit sagen könnten, dass nicht im fernsten
Winkel Sibiriens oder der pyrenäischen Halbinsel das zu finden
ist, wonach wir suchen. Es vrird sich zeigen, dass das Gesuchte
dort zu existiren scheint, wo es am Ehesten zu suchen ist, näm¬
lich nahe dem Gebiet, ja in einem Theile des Gebiets, das die Ci¬
licier weiland einnahmen und könnte es daher überflüssig erscheinen.
Andere die lange Wanderung wiederholen zu lassen, die wir nicht
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