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Strategie bei Niereninsuffizienz

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Academic year: 2022

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Hypertonie ist bei Niereninsuffizienz häufig und för dert wiederum deren Progression. Daher ist die konsequente Hypertonietherapie bei eingeschränkter Nierenleistung besonders wichtig. Welche Parameter für die Therapieentscheidung eine Rolle spielen, wie hoch der Blutdruck beim niereninsuffizienten Hypertoniker sein sollte und wie man das am besten erreicht, wird im folgenden Beitrag dargestellt.

WA LT E R Z I D E K

Hypertonie ist eine typische Begleiterscheinung einer Nieren - insuffizienz. Insbesondere bei glomerulären Nierenerkrankun- gen ist mit einer Erhöhung des Blutdrucks zu rechnen. Milde Störungen der Nierenfunktion sind häufig nicht am Serum- kreatinin ablesbar, sondern offenbaren sich nur, wenn man die glomeruläre Filtrationsrate bestimmt.

Wichtigstes Therapieziel: Progression der Nieren- insuffizienz verlangsamen

Das Ziel der Hypertoniebehandlung unterscheidet sich bei Niereninsuffizienz vom Behandlungsziel bei Hypertonie im Allgemeinen: Generell wollen wir im Rahmen der Hypertonie- behandlung einerseits die direkten Folgen der Hypertonie ver- hindern wie Hirnmassenblutung und Linksherzinsuffizienz.

Andererseits gilt es, die indirekten Folgen aufgrund der vas - kulären Schäden abzuwenden, wie zerebrovaskuläre Insuffi- zienz, KHK und Niereninsuffizienz. Beim Hypertoniker mit Niereninsuffizienz kommt als wichtiges Ziel der Therapie hinzu, die Progression der Niereninsuffizienz zu verlang - samen. Der Grad der Niereninsuffizienz nimmt allmählich zu, bis eine terminale Niereninsuffizienz mit Dialysepflichtigkeit erreicht ist – Hypertonie ist ein Faktor, der die Progression be- schleunigt (Abbildung 1).

Umgekehrt kann die Behandlung der Hypertonie die Pro - gression einer Niereninsuffizienz verlangsamen. Aus diesem

Grund werden die Antihypertensiva bei Niereninsuffizienz vor allem auch unter dem Gesichtspunkt ausgewählt, ob sie besonders effektiv die Progression der Niereninsuffizienz ver- zögern können.

Zielblutdruck

Eine weitere Besonderheit bei Hypertonie mit Niereninsuf - fizienz ist der Zielblutdruck: Während bei unkomplizierter Hypertonie ein Zielblutdruck von < 140/90 mmHg gilt, soll bei Niereninsuffizienz der Blutdruck unter 130/80 mmHg gesenkt werden, und wenn eine Proteinurie von > 1 g pro Tag besteht, unter 125/75 mmHg.

Bei Proteinurie

Blutdruck besonders streng einstellen

Auch die Proteinurie ist ein wichtiger Risikofaktor für die Progression der Niereninsuffizienz. Generell gilt: Je höher die Proteinausscheidung, desto rascher schreitet die Niereninsuffi- zienz voran. Der Effekt einer besonders deutlichen Blutdruck- senkung ist umso stärker, je ausgeprägter die Proteinurie ist (Abbildung 2).

In der MDRD-Studie liess sich durch eine strenge Blutdruck- einstellung unter 125/75 mmHg eine signifikant geringere Progression der Niereninsuffizienz erzielen, wenn gleichzeitig die Proteinausscheidung über 1 g pro Tag lag. Bei niedrigerer Proteinurie hatte hingegen die strengere Blutdruckeinstellung keinen signifikanten Einfluss auf die Progression.

F O R T B I L D U N G

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ARS MEDICI 17 2010

Merksätze

Für Patienten mit Hypertonie und diabetischer Nephropathie sind ACE-Hemmer beziehungsweise AT1-Blocker im Allgemeinen die initiale Therapie.

Bei Niereninsuffizienz scheint die Kombination RAS-Hemmer/Kal zium- antagonist der Kombination RAS-Hemmer/Diuretikum überlegen zu sein.

Strategie bei Niereninsuffizienz

Blutdrucksenkende Therapie

(2)

Diabetische Nephropathie

Für die diabetische Nephropathie liegen bereits zahlreiche Studien zur Beeinflussung der Progression durch die anti - hypertensive Therapie vor. Sowohl für den Typ-1-Diabetes als auch für den Typ-2-Diabetes ist klar, dass die Blockade des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) geeignet ist, auch unabhän- gig von der Blutdrucksenkung die Progression der diabeti- schen Nephropathie zu verlangsamen. Speziell für den Typ-2- Diabetes war längere Zeit umstritten, ob ACE-Hemmer und AT1-Blocker gleichwertig sind. Die DETAIL-Studie hat für Typ- 2-Diabetes im Vergleich Enalapril vs. Telmisartan bei begin- nender diabetischer Nephropathie gezeigt, dass beide Sub- stanzen etwa gleichwertig sind (2).

Nicht diabetische Nierenerkrankungen

Für die nicht diabetischen Nierenerkrankungen ist die Evi- denzlage in den letzten Jahren ebenfalls klarer geworden. Der gegenwärtige Erkenntnisstand lässt sich so zusammenfassen, dass der zusätzliche Nutzen einer RAS-Blockade unabhängig von der Blutdrucksenkung vom Ausmass der Proteinurie ab- hängt. Vor allem bei ausgeprägter Proteinurie ist eine Blockade des RAS hilfreich, um die Progression der Niereninsuffizienz zu verlangsamen.

RAS-Blocker: zu wenig eingesetzt

RAS-Blocker werden bei Niereninsuffizienz noch zu wenig ein- gesetzt. Der Grund hierfür sind wahrscheinlich unter anderem die Warnhinweise, die zum Gebrauch von ACE-Hemmern oder AT1-Blockern bei Niereninsuffizienz formuliert wurden. Rich- tig ist, dass sich durch Blockade des RAS eine eingeschränkte Nierenfunktion akut weiter verschlechtern kann. Die selektive Dilatation des glomerulären Vas efferens senkt akut den Filtra- tionsdruck im Glomerulum und damit auch die glomeruläre Filtration. Die Senkung des intraglomerulären Drucks ist sogar eine der Voraussetzungen dafür, dass langfristig die nephro- protektiven Mechanismen ihre positiven Wirkungen entfalten.

Einschleichende Dosierung und engmaschige Kontrollen sind also notwendig, um die Phase der kurzfristigen Nierenfunk -

tionsverschlechterung zu begrenzen. Bei einem Kreatinin - anstieg um mehr als 30 Prozent des Ausgangswertes sollte die Dosis des RAS-Blockers reduziert werden. Bei einer geringeren GFR als 20 ml/min sollte keine RAS-Blockade mehr begonnen werden.

Bestimmte Patienten sind prädisponiert, nach Beginn einer RAS-Blockade eine Verschlechterung der Nierenfunktion zu entwickeln: Besondere Vorsicht ist geboten bei Patienten

■ mit Flüssigkeitsmangel durch Diuretikatherapie oder sons- tige Flüssigkeitsverluste (z.B. Diarrhö)

■ mit verminderter Nierenperfusion, etwa Patienten mit Herz- insuffizienz

■ unter gleichzeitiger vasokonstriktiver Medikation wie etwa nichtsteroidalen Antirheumatika oder COX-2-Hemmern.

Diuretikum oder Kalziumantagonist als Kombipartner?

Bis jetzt war die Gabe eines Diuretikums bei Hypertonie und Niereninsuffizienz nahezu selbstverständlich. Aufgrund der vermutlichen Wasser- und Kochsalzretention bei Niereninsuf- fizienz ging man von einem gesteigerten Flüssigkeits- und NaCI-Bestand im Organismus aus. Es liegt auch nahe, hierin einen pathogenetischen Faktor für die Hypertonieentstehung zu sehen und dies ins therapeutische Konzept umzusetzen.

Dementsprechend war es lange Zeit selbstverständlich, Hyper- tonie bei Niereninsuffizienz mit einer Kombinationstherapie unter Einschluss eines Diuretikums zu behandeln.

Die Daten der ACCOMPLISH-Studie könnten hier eine neue Orientierung in der Hypertonietherapie bei Niereninsuffizienz bewirken. In dieser Studie waren zwei Kombinationstherapien bei Hypertonie miteinander verglichen worden, nämlich die Kombination zwischen dem ACE-Hemmer Benazepril und Hydrochlorothiazid und die Kombination Benazepril mit Amlodipin. Hinsichtlich des kardiovaskulären Outcomes hatte sich die Kombination mit Amlodipin bei weitgehend ähnlicher Blutdrucksenkung als überlegen erwiesen.

Nun liegen auch die Daten hinsichtlich der Entwicklung der Nierenfunktion unter beiden Kombinationstherapien vor (1).

S T R A T E G I E B E I N I E R E N I N S U F F I Z I E N Z

ARS MEDICI 17 2010

681

40

30

20

10

0

Relatives Risiko (95% CL)

syst. < 120 120–129 130-139 140–159 160–179 180–209 ≤ 210 diast. < 80 80–84 85–89 90–99 100–109 110–119 120

0

-5

-10

GFR (ml/min/Jahr)

Zielblutdruck (mmHg)

Eiweissausscheidung g/Tag

< 1 1—< 3 3+ < 1 1—< 3 3+

< 140/90 < 125/75

Abbildung 1: Relatives Risiko (adjustiert) einer terminalen Niereninsuffizienz in Abhängigkeit vom Blutdruck in mmHg nach Daten der MRFIT-Studie. Das Risiko bei einem optimalen Blutdruck wurde = 1 gesetzt (4).

Abbildung 2: Änderung der glomerulären Filtrationsrate pro Jahr in Abhängigkeit von der Eiweissausscheidung in g/Tag und der Intensität der Blutdruckeinstellung (5).

(3)

Überraschenderweise zeigt sich bei der Entwicklung der Nierenfunktion ebenfalls eine signifikante Überlegenheit der Kombination ACE-Hemmer plus Amlodipin(Abbildung 3).

Diese Befunde lassen in Zukunft auch bei Niereninsuffizienz und Hypertonie die Kombination eines RAS-Hemmers mit einem Kalziumantagonisten als die bevorzugte initiale The - rapie erscheinen. Selbstverständlich ist auch weiterhin ein Diuretikum dort notwendig, wo die symptomatische Therapie von Ödemen dies erfordert. Die Erklärung für diese zunächst überraschenden Befunde könnte eher in einer nachteiligen Wirkung des Diuretikums auf die Nierenfunktion liegen als in einer spezifischen protektiven Wirkung des Kalziumantago- nisten. So zeigen auch retrospektive Daten einen Zusammen- hang zwischen der Entwicklung einer terminalen Niereninsuf- fizienz und dem Verbrauch von Diuretika (3).

Generell ist für den Gebrauch von Diuretika bei Niereninsuffi- zienz Folgendes zu beachten:

■ Thiazide sind bei einer GFR < 30 ml/min nicht ausreichend effektiv. Daher sollten bei einer geringeren GFR grundsätz- lich Schleifendiuretika eingesetzt werden.

■ Bei eingeschränkter Nierenfunktion gehen K+-sparende Diu retika mit einem erhöhten Risiko für eine Hyperkaliämie einher. Ein Schwellenwert der GFR, ab dem mit einer Hyperkaliämie zu rechnen ist, lässt sich nicht definieren.

Neben der eingeschränkten Nierenfunktion begünstigen folgende Faktoren eine Hyperkaliämie unter K+-sparenden Diuretika:

– Hyporeninämischer Hypoaldosteronismus (Diabetes mellitus, renaltubuläre Azidose Typ IV) – K+-Substitution

– Leberzirrhose

– ACE-Hemmer, AT1-Blocker – NSAR

– Kalzineurininhibitoren – Cotrimoxazol.

Grundsätzlich gilt, dass bei Einsatz von K+-sparenden Diure- tika trotz Niereninsuffizienz eine engmaschige Überwachung des K+-Haushalts notwendig ist.

Der Einsatz von Betablockern bei Niereninsuffizienz folgt im Wesentlichen den gleichen Prinzipien wie bei Nierengesun- den. Sowohl die European Society of Hypertension als auch die Deutsche Hochdruckliga sehen die Betablocker derzeit noch unter den Antihypertensiva der ersten Wahl, wenngleich an- dere Leitlinien wie zum Beispiel die britischen dies nicht mehr tun. Hier sind die zukünftigen Tendenzen noch nicht absehbar.

Sinnvoll wird der Einsatz von Betablockern weiterhin vor allem bei niereninsuffizienten Patienten mit kardialen Indi - kationen für Betablocker sein, wie zum Beispiel Herzinsuffi- zienz, koronarer Herzerkrankung und tachykarden Herzrhyth-

musstörungen.

Prof. Dr. med. Walter Zidek Medizinische Klinik IV Charité Universitätsmedizin Berlin D-12200 Berlin

Interessenkonflikte: keine deklariert

Literatur unter www.allgemeinarzt-online.de/downloads Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 9/2010.

Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.

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ARS MEDICI 17 2010 Progression und Gesamt +

Progression und kv + eGFR < 15

Kreatinin × 2 Endpunkt

Dialyse

0,0 0,5 1,0 1,5 2,0

Hazard Ratio (95%-KI)

Abbildung 3: Vergleich der Kombinationen Benazepril plus Amlodipin und Benazepril plus Hydro - chloro thiazid hinsichtlich der Entwicklung der Nierenfunktion. Parameter waren «Endpunkt»

(Kreatininverdoppelung, eGFR < 15 ml/ min/1,73 m2oder Dialysepflichtigkeit), Kreatininverdop - pelung, Dialysepflichtigkeit, eGFR < 15 ml/min/1,73 m2, Progression der Nierenerkrankung und kardiovaskulärer Tod sowie Progression der Nierenerkrankung und Gesamtmortalität (1). Eine Hazard Ratio < 1 zeigt einen Vorteil der Kombination Benazepril plus Amlodipin an.

diabetische Nephropathie

ACE-Hemmer/AT1-Blocker + ggf. Kalziumantagonist

Hypertonie und Nieren- insuffizienz

nicht diabetische Nephropathie

Proteinurie < 200 mg/g Kreatinin

Proteinurie

> 200 mg/g Kreatinin Antihypertensiva entsprechend Zielblutdruck, Begleiterkrankungen/

Endorganschäden

Abbildung 4: Therapieschema für die Hypertoniebehandlung bei Niereninsuffizienz

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