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Archiv "Arbeitszeitgesetz: So kann die Effizienz gesteigert werden" (05.07.2002)

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D

as Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vom 6. Juni 1994 legt fest, dass Mitarbei- ter über einen längeren Zeitraum (24 Wochen) im Schnitt nicht mehr als 48 Stunden/Woche arbeiten dürfen.Die täg- liche Arbeitszeit darf hierbei höchstens zehn Stunden betragen. Dies gilt für den geplanten Einsatz der Beschäftigten, nicht jedoch für Notfälle. Von dem ArbZG betroffen sind die angestellten ärztlichen und nichtärztlichen Mitarbei- ter der Universitätskliniken, auch Assi- stenz- und Oberärzte. Ausgenommen sind lediglich leitende Angestellte mit be- stimmten Funktionen (zum Beispiel mit der Befugnis zur Einstellung und Entlas- sung von Personal) und Chefärzte.

An einer Universitätsklinik ist die Per- sonalausstattung knapp bemessen. Neben den Aufgaben der Krankenversorgung müssen die Mitarbeiter zusätzlich Tätigkei- ten im Bereich von Forschung und Lehre übernehmen und überschreiten daher bei Weiterführung der bisherigen Praxis häufig die Höchstarbeitszeiten des ArbZG.

Verantwortlich für die Einhaltung des Gesetzes innerhalb einer Klinik ist der Kli- nikdirektor beziehungsweise Abteilungs- leiter: Da er seine Mitarbeiter mit der Er- stellung von Dienstplänen (beziehungs- weise in Chirurgischen Kliniken von OP- Plänen) beauftragt, ordnet er indirekt die Anwesenheit seiner Mitarbeiter an. Die Verwaltungen der Krankenhäuser können hingegen für Verstöße in diesem Bereich nicht verantwortlich gemacht werden.

Dies war Anlass,im Rahmen eines Pro- jekts die Implementierbarkeit des ArbZG in einer Münchner Universitätsklinik zu evaluieren. Ziel der Untersuchung war es zu ermitteln, ob bei gleichbleibender Lei- stungserbringung durch eine Steigerung der Effizienz – zunächst ohne eine in Zei- ten knapper Kassen ohnehin kaum reali- sierbare Erhöhung des Personalstandes – die Einhaltung der Bestimmungen des ArbZG ohne Inanspruchnahme von Aus- nahmeregelungen möglich ist.

Die Herzchirurgische Klinik im Klini- kum der Universität München ist mit 150 Mitarbeitern verschiedener Berufsgrup- pen durchaus mit einem mittelständi- schen Unternehmen zu vergleichen. Des- halb bedienten wir uns einer externen Beratung mit dem Ziel, industrieerprob- te Optimierungsansätze auf den Klinik- betrieb zu übertragen.

Verbesserungspotenziale

Die Datenerhebung bediente sich vor- handener Daten aus der Personalabtei- lung sowie aus der Herzchirurgischen Klinik, der OP-Daten, manueller Auf- schreibungen der Dienstzeiten, der Be- obachtungen und Protokolle von Zeit- abläufen und Interviews mit Betroffe- nen. Ansprechpartner waren hierbei die Assistenz- und Oberärzte der Herzchir- urgischen und Anästhesiologischen Kli- nik, Instrumentier- und Pflegepersonal im OP, auf der Intensiv- und Normalstati- on sowie Kardiotechniker.

Eine Evaluation der Daten hinsicht- lich Effizienz der Prozesse zeigte, dass der in Hinblick auf das ArbZG proble- matische Personenkreis Oberärzte, Assi-

stenzärzte und Kardiotechniker umfasst.

Beim Pflegepersonal wird die Arbeitszeit wegen der konsequenten Schichtpla- nung korrekt eingehalten, beziehungs- weise bei Überschreitungen werden ent- sprechende Freizeitausgleiche gewährt.

Gleichzeitig verdeutlichten die Daten, dass sich die Dienstplanung am jeweili- gen Bedarf und nicht an den Regelungen des ArbZG orientiert. Außerdem belegt die Analyse, dass die Regelungen des ArbZG den meisten Mitarbeitern über- haupt nicht bewusst sind: Sie haben sich nie damit beschäftigt und kennen die Be- stimmungen des Gesetzes nicht.

Darüber hinaus fallen Tätigkeiten im Bereich von Forschung und Lehre an, die zu den Hauptaufgaben einer Univer- sitätsklinik zählen. Ein zusätzliches Pro- blem besteht darin, dass diese (nichtklini- schen) Tätigkeiten, wenn sie außerhalb der Regelarbeitszeit durchgeführt wer- den, nach den Vorgaben des zuständigen Ministeriums nicht als Überstunden ver- gütet werden, aber voll zur Arbeitszeit hinzuzurechnen sind.

Ein bezüglich der strikten Regelungen des ArbZG besonders kritischer Bereich innerhalb einer Chirurgischen Klinik ist die Intensivstation, speziell durch über- lange Schichten.

Der zweite kritische Punkt sind die operativen Tätigkeiten. Eine Analyse der OP-Zeiten (unter Einschluss aller Ope- rationen, die länger als eine Stunde dau- erten) ergab eine durchschnittliche Zeit von vier Stunden und 24 Minuten (Schnitt-Naht-Zeit). Legt man die bei dieser Analyse gefundenen Zeitabläufe zugrunde, so ergibt sich bei der Beteili- gung eines Chirurgen an zwei konsekuti- ven Operationen einschließlich der Wechselzeit (74 Minuten) – ohne Be- rücksichtigung der morgendlichen Visite bereits eine Anwesenheit von mehr als zehn Stunden.

Eine Simulation des Zeitablaufs vom Verbringen eines Patienten von der Stati- on in den OP bis zur Ankunft (nach Ope- ration) auf der Intensivstation ergab einen Anteil von 7,5 Prozent für Wegezeiten, 7,5 Prozent für die Einleitung der Operation durch die Anästhesisten, 84 Prozent für die Operation und ein Prozent Wartezeit.

An diesem Ablauf lässt sich wenig opti- mieren. Einsparungspotenzial ergab sich allerdings bei der Evaluation der Wechsel- zeiten: Diese sind mit durchschnittlich 74 T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 27½½½½5. Juli 2002 AA1879

Arbeitszeitgesetz

So kann die Effizienz gesteigert werden

Ergebnisse eines an der Herzchirurgischen Klinik in München erprobten Modells

Bruno Meiser

1

, Bruno Reichert

1

, Peter Otto

2

, Jürgen Weber

3

1 Herzchirurgische Klinik, Klinikum der Ludwig-Maximili- ans-Universität München, Großhadern

2 Service und Beratung für den Mittelstand GmbH, München

3Abteilung für Personal- und Rechtsangelegenheiten, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München

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Minuten relativ hoch und bieten einen Ansatz zur Effizienzsteigerung. Bei der Personalbedarfsermittlung für die gesam- te Klinik wurde der funktionsbedingte Bedarf auf Basis der zu versorgenden Ein- heiten berechnet und eine Bedarfser- mittlung nach den Richtlinien der BKPV/DKG durchgeführt.

Der Großhaderner Anteil der Herz- chirurgischen Klinik hat derzeit einen Personalstand von sieben leitenden ärzt- lichen Mitarbeitern (Chefarzt, Oberärz- te/innen) sowie 20 Assistenzärzten/in- nen und Ärzte/innen im Praktikum. Aus den Analysen ergibt sich ein Bedarf an neun leitenden Ärzten und 32 Assisten- ten/ÄiP. Auch nach Umsetzung effizi- enzsteigernder Maßnahmen (Verkür- zung der OP-Dauer, Beseitigung von Wartezeiten in OPs, Verkürzung der Wechselzeiten, Verkürzung der präope- rativen Liegezeiten der Patienten und Reduzierung des Personaleinsatzes in verschiedenen Funktionsbereichen) ver- bleibt ein zusätzlicher rechnerischer Be- darf von sechs Planstellen, um die Vorga- ben des ArbZG uneingeschränkt einhal- ten zu können.

Effizienzsteigerung

Die Maßnahmen und Empfehlungen, die aus der Analyse entwickelt wurden, beziehen sich hauptsächlich auf die Be- reiche des Klinikmanagements (insge- samt), der OP-Organisation (im Beson- deren) und des Zeitmanagements. Der Direktor einer Herzchirurgischen Uni- versitätsklinik ist zugleich Hochschul- lehrer, Chefarzt und Unternehmensma- nager, der sich gleichzeitig um ärztliche Aufgaben, Forschung und Lehre und zu- sätzlich noch um Managementaufgaben wie Budgetverhandlungen, Personal- führung,Effizienzsteigerung,Forschungs- koordination und Kontaktpflege mit an- deren Kliniken kümmern muss. Um hier den Klinikdirektor wirksam zu entlasten und gleichzeitig eine Position mit ent- sprechender Kompetenz und Weisungs- befugnis zu schaffen, wurde ein ge- schäftsführender Oberarzt als Klinikma- nager eingesetzt. Neben vielfältigen Funktionen im gesamten Klinikmanage- ment soll er in Bezug auf die Effizienz der Klinikabläufe (im Sinne des ArbZG) Ziele setzen, Erfolgskontrollen einfüh-

ren und bei Bedarf auch Sanktionen im- plementieren.

Zu den Verantwortlichkeiten dieses Klinikmanagers im Bereich der Perso- nalplanung zählt auch die Erstellung ei- nes strukturierten Ausbildungsplans mit Phasenabschnitten und die Ein- führung von Personalgesprächen zu vorgegebenen Meilensteinen im Aus- bildungsablauf. Dies und die moderier- ten Workshops zur ständigen Verbesse- rung interner Prozesse dienen der Moti- vierung der Mitarbeiter und führen teils direkt, teils indirekt zur Effizienzsteige- rung der Abläufe in der Klinik.

Um bei der Planung der kurz- und längerfristigen Arbeitsabläufe (OP- Plan, Dienstplan) den Informationsfluss zu verbessern, werden EDV-gestützte Informationsmöglichkeiten eingeführt:

Eine Online-Einbestellungsliste für alle Bereiche (Normal-, Privat-, Kinderstati- on) ermöglicht die bessere Koordinie- rung der Patienteneinbestellungen und verkürzt damit die präoperativen Liege- zeiten. Eine täglich auf den neuesten Stand gebrachte Online-Anwesenheits- liste veranschaulicht die aktuelle Verfüg- barkeit des ärztlichen Personals für die verschiedenen Klinikbereiche und ver- meidet Zeitverluste. Der von allen Kli- nik-PCs zugängliche, jeweils aktualisier- te OP-Plan ermöglicht eine Flexibilisie- rung der OP-Abläufe einschließlich zeit- naher Information aller Beteiligten bei Änderungen.

Ein besonders sensibler Bereich für Defizite im innerklinischen Informati- onsfluss ist der Operationstrakt. Um hier zusätzlich die Abläufe zu beschleunigen und eine zuverlässige Weitergabe von In- formationen zu garantieren, wird ein Trouble Desk eingerichtet. Dieser dient als Zentrale bei Änderungen der OP- Abläufe (zum Beispiel Notfälle, Trans- plantationen) und sorgt für die suffizien- te Verteilung der entsprechenden Daten an alle Betroffenen.

Eine weitere Maßnahme zur Effizi- enzsteigerung ist die Bildung temporär stabiler OP-Teams. Dies fördert die Bil- dung von Standards innerhalb einer sol- chen Gruppe, schafft Teamgeist und führt zu einem leistungsorientierten Wettbewerb zwischen den einzelnen Teams im Sinne von Qualitäts- und Effi- zienzsteigerung. Gleichzeitig wird durch die durchgehende Betreuung der Ope-

rationen durch den Operateur oder er- sten Assistenten die Ausbildung intensi- viert, die OP-Dauer verkürzt und die Qualität verbessert.

Zeitmanagement im Sinne des ArbZG muss darauf abzielen, die Ar- beitszeit möglichst gesetzeskonform zu planen, aber auch die Möglichkeiten gemäß § 15 ArbZG (insbesondere Aus- nahmebewilligungen) auszunutzen. Da- bei ist es gelungen, für die Diensteintei- lung auf der Intensivstation mit dem Gewerbeaufsichtsamt einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiss zu er- zielen: Für die diensthabenden Assi- stenzärzte gilt eine tägliche Arbeitszeit von 12,25 Stunden (das heißt: 13-stündi- ge Anwesenheit im Klinikum mit 45- minütiger Pause). Damit werden die Bestimmungen des ArbZG durch die reichlich bemessenen Freischichten ein- gehalten.

Eine weitere Maßnahme zur Verbes- serung des Zeitmanagements ist die Splittung der morgendlichen Anwesen- heit und die Einbeziehung des Personals in die Vorgaben zur Einhaltung des ArbZG im Sinne der Eigenverantwor- tung der Betroffenen.

Bei den vielen klinischen Funktions- bereichen, den zeitintensiven Operatio- nen und den Aufgaben im Rahmen von Forschung und Lehre ist die vollständi- ge Erfüllung des ArbZG bei Aufrecht- erhaltung des Status quo nicht möglich.

Trotzdem ist die Einhaltung der Be- stimmungen bei gleichbleibender Lei- stungserbringung unabdingbar. Gelin- gen kann dies zum Teil durch Effizienz- steigerungen (Optimierung des Kli- nikmanagements, der OP-Abläufe so- wie des Personal- und Zeitmanage- ments) mit nachfolgender Verringerung von Überstunden. Die Umwandlung von Überstundenmitteln in Budgets für die Einstellung ärztlichen Personals kann die Situation erheblich verbes- sern. Darüber hinaus ist die Bereitstel- lung zusätzlicher Stellen unabdingbar.

T H E M E N D E R Z E I T

A

A1880 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 27½½½½5. Juli 2002

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2002; 99: A 1879–1880 [Heft 27]

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Bruno Meiser Herzchirurgische Klinik und Poliklinik Marchioninistraße 15

81377 München

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