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Archiv "Resistenzen: Ständiger Kampf gegen die Natur" (12.10.2001)

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stämme in der Darmflora führt. Diese resistenten Stämme werden nicht wie- der vollständig eliminiert, auch wenn nur eine Antibiotikaanwendung von begrenzter Dauer stattgefunden hat.

Die Erkenntnisse aus diesen Studien führten zu der Forderung, dass in der Tiermedizin keine Antibiotika einge- setzt werden sollten, die mit den in der Humanmedizin verwendeten Substan- zen identisch oder verwandt sind. Dies gilt insbesondere für die Anwendung von Antibiotika in der Tiermast als „Lei- stungsförderer“ mit dem Zweck der ra- scheren Gewichtszunahme. Die skandi- navischen Länder haben sich inzwischen zum Verbot des Einsatzes von Antibioti- ka in der Tiermast entschlossen. Tier- zuchtmethoden, die einen hohen Einsatz von Antibiotika für Prophylaxe bei- spielsweise der durch Umstellung der Ernährung auf pelletierte Nahrung nach Entwöhnung der Ferkel von der Mutter- sau bedingten schweren Durchfälle und Gedeihstörungen erfordern, wurden als unerwünscht deklariert. Dasselbe gilt für die Geflügelzucht unter unwürdigen Bedingungen.

Die Gefahren, die durch die Anti- biotikaanwendung in der Tier- und Pflanzenzucht für den Menschen ent- stehen, beruhen nicht etwa auf dem Verzehr von Antibiotikaresten mit der Nahrung, sondern auf der Übertragung von Bakterien, die gegen Antibiotika resistent geworden sind, auf den Men- schen. Wie Prof. Wolfgang Witte (Robert Koch-Institut Wernigerode) betonte, dürfen als „Leistungsförderer“

nur nicht resorbierbare Antibiotika eingesetzt werden. In der Darmflora der Tiere werden unter dem Einfluss dieser Antibiotika jedoch resistente Bakterienstämme selektiert. Witte und seine Arbeitsgruppe konnten mit mo- lekulargenetischen Methoden zur Fest- stellung der genauen Identität der Stämme ihren Ausbreitungsweg vom Tier zum Menschen verfolgen.

Die resistenten Bakterien fanden sich zunächst bei den Tierpflegern, spä- ter auch bei deren Familien im Darm, später bei Krankenhauspatienten. Wit- te konnte den Beweis erbringen, dass dieAusbreitung von resistenten Bakte- rien über die Nahrungskette erfolgt.

Die Ausbreitung über die Schlachttiere hält sich in Deutschland dank einer

gut kontrollierten Schlachthygiene in Grenzen. Wenn in einem Land wie in Spanien die Schlachthygiene schlecht ist, dann findet sich als Konsequenz bei den Kindern eine extrem hohe Besie- delung des Darmes mit resistenten Bakterien.

Einige dieser Bakterienarten führten zu Infektionen beim Menschen. Dies gilt beispielsweise für Salmonellen, die von Hühnern oder Schweinen mit der Nahrungskette auf den Menschen über- tragen werden und Durchfälle auslö- sen. Schwere Erkrankungen, die der Antibiotikabehandlung bedürfen, wer- den dabei vor allem bei abwehrge-

schwächten Menschen hervorgerufen.

Epidemien in Altersheimen und bei Kleinkinden durch kontaminierte Eier und Fleisch haben dies in der Vergan- genheit bewiesen und entsprechende Gegenmaßnahmen gefordert. Wenn es sich bei den Erregern um resistente Bakterien handelte, versagte die Anti- biotikatherapie, und es kam zu tödli- chen Krankheitsverläufen.

Bei bestimmten Resistenzgenen muss auch eine Übertragung auf andere krankheitsauslösende Bakterien be- fürchtet werden, sodass es zur Explosi- on einer Resistenzausbreitung kommen kann. Dr. med. Elisabeth Gabler-Sandberger P O L I T I K

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A2628 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 41½½12. Oktober 2001

Resistenzen

Ständiger Kampf gegen die Natur

Neue Antibiotika-Klassen, ein gezielter Einsatz von herkömm- lichen Chemotherapeutika und epidemiologische Forschung sollen der Entwicklung resistenter Erreger vorbeugen.

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in Wettrennen mit der Natur, das wir nie gewinnen können“, nannte Prof. Emil Reisinger, Infektiologe an der Universität Rostock, den Kampf gegen die Resistenzentwicklung auf dem 6. Europäischen Kongress für In- fektionskrankheiten und Tropenmedi- zin in Leipzig. Man könne nur versu- chen, mit der Natur Schritt zu halten.

Seit Mitte der 70er-Jahre hat die Re- sistenzentwicklung signifikant zuge- nommen; vor allem in Krankenhäusern etablierten sich zunehmend multiresi- stente Keime. Der Prozentsatz resisten- ter Escherichia-coli-Stämme gegenüber Ampicillin sei beispielsweise in den letzten Jahren in Deutschland von 25 auf 42 Prozent gestiegen, berichtete Prof. Bernd Wiedemann (Universität Bonn). In einigen Kliniken seien mehr als 40 Prozent der Staphylococcus-aure- us-Stämme resistent gegen Methicillin.

„Neue Therapieoptionen haben wir nur wenige“, bedauerte Wiedemann. Die Hoffnung, dass jedes Jahr drei neue

Substanzgruppen auf den Markt kä- men, habe sich inzwischen zerschlagen.

Dies habe auch wirtschaftliche Gründe.

Vonseiten der Industrie bestehe gar kein großes Interesse, neue Antibiotika zu entwickeln, da Infektionskrankhei- ten zumeist keine chronischen Erkran- kungen seien, bei denen man durch kontinuierliche Verordnungen einen großen Gewinn erwarten kann, so Wie- demann.

Um die Entwicklung von Resisten- zen zu verhindern empfiehlt der Bon- ner Mikrobiologe die Kombination von hygienischen Maßnahmen und einem gezielten Einsatz von Antibiotika zum richtigen Zeitpunkt. „Es wäre jedoch falsch, die Gabe von Antibiotika ein- fach einzuschränken“, betonte Wiede- mann. Infektionen müssten vor allem zügig behandelt werden, um Spätfolgen zu vermeiden. Resistenzen entstehen zumeist dort, wo der Selektionsdruck besonders hoch ist; beispielsweise auf Intensivstationen oder urologischen

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Sondereinheiten. Oft korreliert die Häufigkeit der Resistenz und das Resi- stenzmuster von Erregern mit der Ver- wendung der Antibiotika im betreffen- den Krankenhaus.

Aktuelle Empfehlungen zur antimi- krobiellen Therapie gibt die Paul-Ehr- lich-Gesellschaft (PEG). „Im Chemo- therapiejournal werden zu den Diagno- sen die häufigsten Erreger aufgelistet und Empfehlungen zur initialen Thera- pie unter Berücksichtigung der aktuel- len Resistenzdaten gegeben“, erläuter- te Prof. Friedrich Vogel (PEG). Noch nicht aufgenommen in die Empfehlun- gen seien die Oxazolidinone und die Ketolide als neue Substanzgruppen.

Der erste Vertreter der neuen Anti- biotikaklasse der Oxazolidinone ist das Linezolid, ein rein synthetisch herge- stellter Wirkstoff. Besonders effektiv soll er gegen die grampositiven Pro- blemkeime sein, wie gegen Staphylo- coccus aureus, Staphylococcus epider- midis sowie gegen Enterococcus faeca- lis und Streptococcus pyogenes.

German Network for Antimicrobial Surveillance

Ketolide wirken ähnlich wie Makrolide über die Hemmung der Proteinbiosyn- these. Sie zeichnen sich jedoch durch veränderte Bindungseigenschaften an die für die Translokationsprozesse ver- antwortlichen Strukturen aus. Dadurch sollen sie auch noch bei makrolidresi- stenten Keimen wirken und gleichzeitig auch Moraxella catarrhalis, Campylo- bacter und Helicobacter erfassen.

Um Resistenzentwicklungen wirk- sam begegnen zu können, sei eine ge- naue Kenntnis der Epidemiologie not- wendig, betonte Wiedemann in Leip- zig. Als „Frühwarnsystem“ für Verän- derungen in der Resistenzlage soll das

„German Network for Antimicrobial Surveillance“, das auch als Genars- Projekt bezeichnet wird, dienen. Es sei geplant, an acht deutschen Zentren routinemäßig Empfindlichkeitstestun- gen für das gesamte klinische Material zu erfassen und zeitnah auszuwerten, berichtete Wiedemann. Integriert sei- en die Universitätskliniken Jena und Ulm sowie Bonn als Koordinierungs- stelle. Dr. med. Eva A. Richter

T H E M E N D E R Z E I T

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A2630 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 41½½12. Oktober 2001

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ie vielen Fachgebietsbezeichnun- gen in der Psychiatrie und Psycho- therapie sorgen oft für Unklar- heit. So ermittelte das europäische Sta- tistikamt Eurostat, dass für die Versor- gung von einer Million Einwohner in Deutschland angeblich nur 36 Psychia- ter zur Verfügung stehen (Deutsches Ärzteblatt, Heft 47/2000). Diese Zahl würde nur 2 954 Psychiatern entspre- chen, was mit der Ärztestatistik nicht in Einklang zu bringen ist. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychothe- rapie und Nervenheilkunde (DGPPN) stellte daher die Daten aus der aktuellen Ärztestatistik der Bundesärztekammer (Stand: Dezember 2000) den aktuellen Zahlen zur vertragsärztlichen Versor- gung (Stand: Dezember 1999) der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gegenüber (Tabelle), um die tatsächliche Zahl der Ärzte und Psychologen, die psychische Erkrankungen behandeln, zu ermitteln.

Neun verschiedene Gebietsbezeich- nungen im Bereich der Psychiatrie und Psychotherapie in Deutschland – was in Europa einmalig ist – geben zumindest eine theoretische Erklärung für die falschen Ergebnisse von Eurostat. Die Vielfalt bedeutet aber auch, dass insbe- sondere bei Ärzten mit nervenheil- kundlicher Spezialisierung nicht deut- lich werden kann, inwieweit sie sich der Betreuung psychisch Kranker oder eher neurologisch Kranker widmen.

Unklar bleibt auch, wie sich die ärzt- lich-psychotherapeutische Versorgung verteilt. Das ist auch daran zu erken- nen, dass die Statistik der KBV 4 777 Nervenärzte und 3 195 ärztliche Psy-

chotherapeuten aufführt, die sich aus den in der Tabelle genannten Zahlen nicht ableiten lassen. Offen ist deshalb, ob eine bedarfsgerechte und gleich- mäßige Versorgung gewährleistet ist.

Dies gibt besonders vor dem Hinter- grund der regionalen Versorgungsunter- schiede Anlass zur Besorgnis. Die Zahl der von einem Vertragsnervenarzt zu versorgenden Einwohner variiert zwi- schen den Bundesländern erheblich (Va- riationskoeffizient, CV = 35 Prozent).

Sehr ungünstig ist die Situation in Bran- denburg, wo auf 26 130 Einwohner ein Nervenarzt kommt; Bremen mit 6 501 Einwohnern je Nervenarzt ist dagegen gut versorgt. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 17 176. Noch auffälliger sind die Versorgungsunterschiede zwischen den Bundesländern bei den ärztlichen Psy- chotherapeuten. In Sachsen-Anhalt tei- len sich 904 756 Einwohner einen ärzt- lichen Psychotherapeuten gegenüber 12 436 in Hessen (Bundesdurchschnitt:

25 681; CV = 167 Prozent). Etwas mode- rater ist die Variabilität bei den Psycho- logischen Psychotherapeuten: Hier führt wieder Bremen mit 2 513 Einwohnern auf einen Therapeuten gegenüber Meck- lenburg-Vorpommern, wo 29 234 von ei- nem Psychologischen Psychotherapeu- ten versorgt werden (Bundesdurchschnitt 6 789; CV = 79 Prozent).

Gleichzeitige Über- und Unterversorgung

Auch wenn Morbidität und Inan- spruchnahme in städtischen Regionen höher sind als auf dem Land und insbe- sondere die Stadtstaaten über ihre Lan- desgrenzen hinaus versorgen, so lässt sich eine Variabilität dieses Ausmaßes

Psychiatrie und Psychotherapie

Bedarfsplanung überdenken

Große regionale Unterschiede bestehen bei der Versorgung im Bereich Psychiatrie und Psychotherapie.

Ein Grund dafür ist die Vielzahl der Fachgebietsbezeichnungen.

Jürgen Fritze, Max Schmauß

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1Prof. Dr. med. Max Schmauß, Präsident der DGPPN, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Bezirkskran- kenhaus Augsburg

Referenzen

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