• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Antibiotikagebrauch und Resistenzen: Epidemiologische Arbeit muss gefördert werden" (12.10.2001)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Antibiotikagebrauch und Resistenzen: Epidemiologische Arbeit muss gefördert werden" (12.10.2001)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

D

ie Paul-Ehrlich-Gesellschaft (PEG) verfügt über die weltweit frühe- sten Daten zur Resistenzepide- miologie, die in Deutschland seit 1975 im Rahmen von fünf- und später von dreijährigen Abständen systematisch an repräsentativem Material erhoben wurden. Seit einigen Jahren beteiligen sich auch Österreich und die Schweiz an der Erhebung.

Eine Weiterentwicklung dieser epi- demiologischen Arbeit stellt die konti- nuierliche, möglichst flächendeckende Erhebung des Spektrums pathogener Bakterien und ihres Empfindlichkeits- verhaltens gegenüber Antibiotika so- wie der weitergehenden Charakterisie- rung resistenter Stämme mit modernen molekulargenetischen Methoden dar.

Mit diesen modernen Verfahren kön- nen die Ausbreitungswege resistenter Bakterienstämme präziser als je zuvor verfolgt werden.

„Das aufwendige Projekt der PEG bedarf dringend der Unterstützung durch die öffentliche Hand“, erklärte Prof. Bernd Wiedemann (Universität Bonn). Trotz der Forderungen an eine bessere Dokumentation im Bereich der klinischen Infektiologie verschlie- ßen sich Politiker angesichts der gera- dezu tragischen Unterschätzung der Brisanz der Problematik von medizini- scher Seite derzeit noch der Bedeutung dieses Projektes.

Das Problem der Infektionen sei kei- neswegs gemeistert, erläuterte Prof. Kurt Naber (Straubing). Immer weiter an die Grenzen gehende medizinische Errun- genschaften in der Intensivmedizin und Traumatologie, Eingriffe im Bereich der Transplantationsmedizin sowie der Im- plantation von Fremdmaterialien, Hoch- dosis-Chemotherapien und Knochen-

marktransplantation in der Hämatologie und Onkologie, die Verschiebung der Al- tersgrenzen bei Frühgeborenen nach un- ten und bei den alten Menschen nach oben haben dazu geführt, dass eine immer größere Gruppe von Menschen hochge- fährdet für Infektionen ist. Hinzu kommt die Gruppe der HIV-Infizierten und der Personen mit angeborenen Immunde- fekten oder mit erworbener Abwehr- störung nach hoch dosierter langfristiger

Kortisontherapie sowie die immer größer werdende Gruppe der Typ-2-Diabetiker.

Bei Patienten mit gestörter Infekti- onsabwehr treten unter anderem auch Infektionen durch Mikroben auf, die Personen mit intakter Infektionsab- wehr keinen Schaden zufügen. Die In- fektionen werden zum großen Teil von Erregern verursacht, die den Verdau- ungstrakt besiedelt und sich dort unauf- fällig verhalten haben, bis die Infekti- onsabwehr des Patienten zusammenge- brochen ist. Häufig handelt es sich um Erreger, die bereits gegen Antibiotika resistent sind.

Entweder wurden sie nach einer oder mehreren Antibiotikabehandlungen des Patienten selektiert und hatten einen Wachstumsvorteil, als die empfindliche Population von den Antibiotika elimi- niert worden war. Oder es handelt sich um eine Besiedelung durch resistente Krankenhauskeime. Wenn sich kein hochwirksames Antibiotikum finden lässt, ist der tödliche Ausgang einer sol- chen Infektion bei schwerer Störung der Infektionsabwehr nicht abzuwenden.

Ohne Zweifel stellt die Ausbreitung resi- stenter Infektionserre- ger in den Krankenhäu- sern das Hauptproblem dar, für das einerseits durch eine qualifizierte patientenbezogene Kli- nikhygiene und ande- rerseits durch die Opti- mierung der Antibioti- katherapie eine Lösung gefunden werden muss.

Diesen Anforderungen werden wir uns, wie Na- ber hervorhob, in der Zukunft mit stärker wachsender Inten- sität stellen müssen als je zuvor, denn die Probleme werden keineswegs geringer werden.

Zunehmend muss auch der Resi- stenzentwicklung und Resistenzaus- breitung bei Krankheitserregern in der Allgemeinbevölkerung Aufmerksam- keit geschenkt werden. Schon in den 60er-Jahren hat Wiedemann zusammen mit Prof. Hans Knothe Untersuchun- gen durchgeführt, die den Beweis lie- ferten, dass die Anwendung von Anti- biotika beim Menschen und beim Tier zur Selektion resistenter Bakterien- P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 41½½12. Oktober 2001 AA2627

Antibiotikagebrauch und Resistenzen

Epidemiologische Arbeit muss gefördert werden

Eine verbesserte Dokumentation im Bereich der klinischen Infektiologie ist nach Ansicht der Paul-Ehrlich-Gesellschaft nur durch die Unterstützung mit öffentlichen Mitteln zu erreichen.

Trotz molekularbiologischer Methoden haben Nährböden für Bak- terien immer noch einen festen Platz im Labor.

Foto: Archiv

Medizinreport

(2)

stämme in der Darmflora führt. Diese resistenten Stämme werden nicht wie- der vollständig eliminiert, auch wenn nur eine Antibiotikaanwendung von begrenzter Dauer stattgefunden hat.

Die Erkenntnisse aus diesen Studien führten zu der Forderung, dass in der Tiermedizin keine Antibiotika einge- setzt werden sollten, die mit den in der Humanmedizin verwendeten Substan- zen identisch oder verwandt sind. Dies gilt insbesondere für die Anwendung von Antibiotika in der Tiermast als „Lei- stungsförderer“ mit dem Zweck der ra- scheren Gewichtszunahme. Die skandi- navischen Länder haben sich inzwischen zum Verbot des Einsatzes von Antibioti- ka in der Tiermast entschlossen. Tier- zuchtmethoden, die einen hohen Einsatz von Antibiotika für Prophylaxe bei- spielsweise der durch Umstellung der Ernährung auf pelletierte Nahrung nach Entwöhnung der Ferkel von der Mutter- sau bedingten schweren Durchfälle und Gedeihstörungen erfordern, wurden als unerwünscht deklariert. Dasselbe gilt für die Geflügelzucht unter unwürdigen Bedingungen.

Die Gefahren, die durch die Anti- biotikaanwendung in der Tier- und Pflanzenzucht für den Menschen ent- stehen, beruhen nicht etwa auf dem Verzehr von Antibiotikaresten mit der Nahrung, sondern auf der Übertragung von Bakterien, die gegen Antibiotika resistent geworden sind, auf den Men- schen. Wie Prof. Wolfgang Witte (Robert Koch-Institut Wernigerode) betonte, dürfen als „Leistungsförderer“

nur nicht resorbierbare Antibiotika eingesetzt werden. In der Darmflora der Tiere werden unter dem Einfluss dieser Antibiotika jedoch resistente Bakterienstämme selektiert. Witte und seine Arbeitsgruppe konnten mit mo- lekulargenetischen Methoden zur Fest- stellung der genauen Identität der Stämme ihren Ausbreitungsweg vom Tier zum Menschen verfolgen.

Die resistenten Bakterien fanden sich zunächst bei den Tierpflegern, spä- ter auch bei deren Familien im Darm, später bei Krankenhauspatienten. Wit- te konnte den Beweis erbringen, dass dieAusbreitung von resistenten Bakte- rien über die Nahrungskette erfolgt.

Die Ausbreitung über die Schlachttiere hält sich in Deutschland dank einer

gut kontrollierten Schlachthygiene in Grenzen. Wenn in einem Land wie in Spanien die Schlachthygiene schlecht ist, dann findet sich als Konsequenz bei den Kindern eine extrem hohe Besie- delung des Darmes mit resistenten Bakterien.

Einige dieser Bakterienarten führten zu Infektionen beim Menschen. Dies gilt beispielsweise für Salmonellen, die von Hühnern oder Schweinen mit der Nahrungskette auf den Menschen über- tragen werden und Durchfälle auslö- sen. Schwere Erkrankungen, die der Antibiotikabehandlung bedürfen, wer- den dabei vor allem bei abwehrge-

schwächten Menschen hervorgerufen.

Epidemien in Altersheimen und bei Kleinkinden durch kontaminierte Eier und Fleisch haben dies in der Vergan- genheit bewiesen und entsprechende Gegenmaßnahmen gefordert. Wenn es sich bei den Erregern um resistente Bakterien handelte, versagte die Anti- biotikatherapie, und es kam zu tödli- chen Krankheitsverläufen.

Bei bestimmten Resistenzgenen muss auch eine Übertragung auf andere krankheitsauslösende Bakterien be- fürchtet werden, sodass es zur Explosi- on einer Resistenzausbreitung kommen kann. Dr. med. Elisabeth Gabler-Sandberger P O L I T I K

A

A2628 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 41½½12. Oktober 2001

Resistenzen

Ständiger Kampf gegen die Natur

Neue Antibiotika-Klassen, ein gezielter Einsatz von herkömm- lichen Chemotherapeutika und epidemiologische Forschung sollen der Entwicklung resistenter Erreger vorbeugen.

E

in Wettrennen mit der Natur, das wir nie gewinnen können“, nannte Prof. Emil Reisinger, Infektiologe an der Universität Rostock, den Kampf gegen die Resistenzentwicklung auf dem 6. Europäischen Kongress für In- fektionskrankheiten und Tropenmedi- zin in Leipzig. Man könne nur versu- chen, mit der Natur Schritt zu halten.

Seit Mitte der 70er-Jahre hat die Re- sistenzentwicklung signifikant zuge- nommen; vor allem in Krankenhäusern etablierten sich zunehmend multiresi- stente Keime. Der Prozentsatz resisten- ter Escherichia-coli-Stämme gegenüber Ampicillin sei beispielsweise in den letzten Jahren in Deutschland von 25 auf 42 Prozent gestiegen, berichtete Prof. Bernd Wiedemann (Universität Bonn). In einigen Kliniken seien mehr als 40 Prozent der Staphylococcus-aure- us-Stämme resistent gegen Methicillin.

„Neue Therapieoptionen haben wir nur wenige“, bedauerte Wiedemann. Die Hoffnung, dass jedes Jahr drei neue

Substanzgruppen auf den Markt kä- men, habe sich inzwischen zerschlagen.

Dies habe auch wirtschaftliche Gründe.

Vonseiten der Industrie bestehe gar kein großes Interesse, neue Antibiotika zu entwickeln, da Infektionskrankhei- ten zumeist keine chronischen Erkran- kungen seien, bei denen man durch kontinuierliche Verordnungen einen großen Gewinn erwarten kann, so Wie- demann.

Um die Entwicklung von Resisten- zen zu verhindern empfiehlt der Bon- ner Mikrobiologe die Kombination von hygienischen Maßnahmen und einem gezielten Einsatz von Antibiotika zum richtigen Zeitpunkt. „Es wäre jedoch falsch, die Gabe von Antibiotika ein- fach einzuschränken“, betonte Wiede- mann. Infektionen müssten vor allem zügig behandelt werden, um Spätfolgen zu vermeiden. Resistenzen entstehen zumeist dort, wo der Selektionsdruck besonders hoch ist; beispielsweise auf Intensivstationen oder urologischen

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Das Verhältnis der Patienten mit einer kurativen Resektion vari- ierte unter den Chirurgen zwischen 40 und 76 Prozent, die postoperative Gesamtmortalität zwischen 8 und 30

Auch diese eher begrenz- te Transaktionszielstellung des EUTF scheint hinsicht- lich der relativ geringen zur Verfügung stehenden Geldmenge (dem EUTF stehen 1,982 Milliarden Euro

teilt. Die waren jedoch nicht zu be- wegen weiterzuflüchten, auch weil die Pferde nicht scharf be- schlagen waren. Hier haben wir Otto Szurowski zum letztenmal gesehen. Er wurde

Bei den untersuchten Betrieben gab es hoch signifikante Unterschiede zwischen beiden Betriebsgruppen in Hinblick auf den Bewertungsscore für die Soft Skills, sodass durch

– Flüssigkeitsdichte Schutzkleidung (Langärmeliger Kittel). Die Schutzhandschuhmateria- lien sind entsprechend dem Reinigungs- und Desinfektionsmittel bzw. dem poten- ziell

Nebenwirkungen kontra Resis- tenzbildung Trotzdem kann es bei Antibiotika Nebenwirkungen geben, denn sie zerstören nicht nur krank machende, sondern auch nützliche Bakterien, die

Der vom Landesamt für Umwelt empfohlene „differenzierte Winter- dienst“, bei dem in vielen Städten nur noch wichtige Straßen und beson- dere Gefahrenstellen mit Streusalz

Neben dem direkten Kontakt durch orale Aufnahme, Inhalation, Haut- oder Schleimhautkontakt oder den Biss durch ein infiziertes Tier kann auch der indirekte Weg durch