A
ls unter Slobodan Miloševi´c 1989 der Kosovo seine Autonomie verlor, eskalierte dort nicht nur die Gewalt. Auch die Universität unter- lag der Repression: Medizinstudenten kosovo-albanischer Herkunft konnten fortan nur noch im „Untergrund“ un- terrichtet werden. Vorlesungen und Kurse fanden in Hinterhöfen und Woh- nungen statt, Famulaturen absolvierten die Studenten als Hilfspfleger verklei- det oder fernab auf dem Land. Kurz: ein Ausbildungs-Provisorium über mehr als ein Jahrzehnt.Nach dem Ende des Kosovo-Krie- ges, nach der Zerstörung und Verwahr- losung der Krankenhäuser haben diese Ärzte zusammen mit ihren älteren Kol- legen, die zum Teil noch in der „Vor-Mi- loševi´c-Ära“ ausgebildet wurden, un- terstützt von der Weltgesundheitsorga- nisation (WHO), die Verantwortung für den täglichen Krankenhausbetrieb und die Wiederherstellung des Gesund- heitswesens übernommen.
Wie aber sollen sie den Übergang in die „Normalität“ schaffen? Die älteren Ärzte greifen auf ihr Wissen zurück, das sie im Ausland, in Belgrad oder Za- greb erworben haben. Ihnen fehlen je- doch zehn Jahre Fortbildung. Die Lage der jüngeren Ärzte ist noch schlechter.
Sie konnten in ihrer „Untergrunduni- versität“ weder auf moderne Lehr- bücher noch Zeitschriften zurückgrei- fen, noch auf eine bescheidene wissen- schaftliche Ausbildung hoffen.
Mithilfe der Weltbank, der Europäi- schen Union, der WHO, der Hochschul- rektorenkonferenz und des Deutschen Akademischen Austauschdienstes ist es gelungen, ein Programm zu starten, das die Defizite in der medizinischen Aus-, Weiter- und Fortbildung ausräumen soll. Die Maßnahmen:
❃ Eine Ärztekammer ist neu gegrün- det worden. Der Druck ihres Informati- onsblattes „Praxis Medika“ wird finan- ziell unterstützt.
❃ Eine Fortbildungsakademie, die bei der UN Mission angesiedelt ist, hat in enger Zusammenarbeit mit dem De- kanat der Medizinischen Fakultät in Prishtina und der Ärztekammer ein ständiges Fortbildungsprogramm ent- worfen, das bereits angelaufen ist.
❃ Referenten aus der Region, bei- spielsweise aus Zagreb, Skopje oder Ti-
rana sollen die Fortbildungsakademie mit Kursen und Seminaren unterstützen.
❃ Jüngere Ärzte können in ausge- wählten Kliniken der Region, beispiels- weise in der WHO-Diabetes-Klinik in Zagreb, hospitieren, um in jeweils vier- wöchigen Kursen Kompetenz am Kran- kenbett zu erwerben.
❃ In der Bibliothek sind mit amerika- nischer Hilfe Internet-Arbeitsplätze ein- gerichtet worden, die die Medizinstu-
denten nutzen können. Ein erstes Lehr- buch wurde vom Kroatischen ins Alba- nische übersetzt und an die Studenten verteilt. Den Druck hat die Hochschul- rektorenkonferenz finanziert.
❃ Die Approbation der Ärzte wird – von Experten begleitet – nach einem ein- heitlichen Schema vorgenommen. Jeder Arzt soll während der nächsten fünf Jah- re ein Ausbildungsprogramm durchlau- fen, dann erfolgt eine Rezertifizierung.
❃Die European Agency of Recon- struction hilft zum Teil tatkräftig, die
mittelfristige Finanzierung all dieser Bemühungen sicherzustellen.
Um die Ausbildungsdefizite weiter abzubauen, sollen junge Ärzte für vier bis acht Wochen in Deutschland hospi- tieren können. Für solche Gastaufent- halte werden noch Krankenhäuser oder Praxen gesucht, deren Mitarbeiter mög- lichst kroatisch oder albanisch sprechen.
Kontakt: Sekretariat der Medizinischen Fortbildungsakademie Kosovo, CME, E-Mail: aimeri@hotmail.com. Erforder- lich sind vor allem Intensivkurse am Krankenbett in Innerer Medizin, Chir- urgie, Anästhesie, Gynäkologie und Geburtshilfe sowie Pädiatrie. Gesucht werden außerdem Ärzte aus Deutsch- land, die bei Intensivkursen im Kosovo mitarbeiten. Hans Joachim Seitz T H E M E N D E R Z E I T
Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 44½½½½2. November 2001 AA2865
Kosovo nach dem Krieg
Übergang zur Normalität
Internationale Hilfe soll die
Aus- und Fortbildung kosovarischer Ärzte sichern.
Ein Forum der Gesundheitsminister aus Südosteuropa, das vom 31. August bis 2. September im kroatischen Du- brovnik stattfand, endete mit der Un- terzeichnung der „Verpflichtung von Dubrovnik“. Darin bekennen sich die Gesundheitsminister von Albanien, Bos- nien-Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Rumänien, der ehemaligen jugoslawi- schen Republik Mazedonien und Ju- goslawien dazu, partnerschaftlich Stra- tegien zu entwickeln, um den vordring- lichen Gesundheitsbedürfnissen ihrer Bevölkerung Rechnung zu tragen.
Das Forum wurde vom WHO-Regionalbüro für Eu- ropa und dem Europarat, in Zusammenarbeit mit der Entwicklungsbank des Eu- roparats und dem Gesund- heitsministerium von Kroa- tien organisiert. Eine Ver- besserung der Situation in den von Kriegen, Konflikten und wirtschaftlichen Zu- sammenbrüchen gezeichne- ten Ländern setze erhebli- che Investitionen und die Si- cherstellung von Know-how und Technologien voraus, erklärte das WHO-Regio- nalbüro für Europa. Es sei dringend erforderlich, die
Zusammenarbeit zwischen den Län- dern zu stärken und darüber hinaus die Koordination der internationalen Zu- sammenarbeit und Unterstützung für den Wiederaufbau und die Entwick- lung der gesundheitlichen Infrastruktur in der Region zu verbessern. HK
Feierliche Erklärung: Die osteuropäischen Gesundheitsminister wollen partnerschaftliche Strategien entwickeln.
Foto: WHO