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Archiv "„Wie kann ich mit AIDS leben?”" (15.12.1988)

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Academic year: 2022

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Die Autorin arbeitete acht Mo- nate im Team der HIV-Station des Walter Reed Army Medical Center in Washington, D. C. Auf der Sta- tion sind meist alle der 40 Betten mit HIV-Infizierten belegt. Da die Sta- tion selbstversorgend ist, werden Pa- tienten, die bettlägerig waren oder intensiver medizinischer Betreuung bedurften, auf einer anderen Station versorgt.

Verallgemeinernd läßt sich sa- gen, daß die Unterscheidung zwi- schen HIV-Infizierten und AIDS- Kranken für die Betroffenen von Bedeutung ist. Bei Diagnosestellung scheint die Notwendigkeit, sich stär- ker von AIDS abzugrenzen, (noch) nicht dazuzugehören. „HIV-Infi- ziert" impliziert offensichtlich mehr Hoffnung als AIDS-krank zu sein.

Je länger jemand HIV-positiv dia- gnostiziert ist, desto unwichtiger wird diese Unterscheidung.

Auffallend ist der besorgte, teil- weise herzliche (armeeuntypische) Umgang zwischen Ärzten, Pflege- personal, Therapeuten, Sozial- arbeitern und Patienten. Für die Au- torin erstaunlich war die — angesichts dieser schwerwiegenden Diagnose — zunächst überraschend erscheinende Lebenszuversicht und das positive Denken der Patienten. Über allem stand nicht die Frage: „Wie lange le- be ich noch?", sondern: „Wie kann ich mit AIDS leben?"

In der amerikanischen Armee werden Soldaten(innen) jedes Jahr zwangsweise auf HIV-Antikörper getestet. Fällt der Test positiv aus,

Die Beiträge zu AIDS wer- den bald die Zahl der Kranken überschritten ha- ben; ihre Aktualität und un- sere Hilflosigkeit sind aber unverändert. Ein beson- ders großes und geschlos- senes Kollektiv stellt natur- gemäß die amerikanische Armee dar. Wir haben deshalb den kurzen Be- richt einer Helferin, die lange im Walter Reed Ar- my Medical Center gear- beitet hat, für unsere Leser ausgewählt. R. Gross

dann kommen sie schnellstmöglichst zur stationären Aufnahme in das Walter Reed Army Medical-Center.

Sie werden stationär aufgenommen, um neben der medizinischen Aus- wertung ihrer Untersuchungsergeb- nisse auch ein umfangreiches psy- chosoziales Programm zu durchlau- fen, welches hier kurz skizziert wer- den soll:

Psychologie: Tests im kogniti- ven, kreativen Bereich, Erinne- rungsvermögen, Auffassungsgabe und Sprachentwicklung mit anschlie- ßendem Auswertungsgespräch. Die- se Tests werden durchgeführt, um einen Anhaltspunkt für die viel ge- fürchtete AIDS-Demenz zu erhal- ten. Erschreckend ist, daß die

AIDS-Demenz häufiger vor allen anderen „sichtbaren" Symptomen, völlig unerwartet, weil „außer der Reihe" auftritt.

Sozialarbeit: Mit zwei support- groups zu je 10 bis 12 Patienten, die je einmal in der Woche für einein- halb Stunden zusammentreffen. In der Regel bestimmen hier die Pa- tienten selbst die Themen der Grup- penarbeit. Die Themen „Schwei- gepflicht" (die es in der amerikani- schen Armee in dem von uns ver- standenen Sinne nicht gibt) und die

„gewünschte Anonymität" bezie- hungsweise „Angst vor den Reak- tionen der Umwelt" kehrten immer wieder. „Wie sag' ich es meinem Partner?", „Was mache ich, wenn Kollegen es herausfinden?", aber auch: „Wie lange lebe ich noch?"

und „Wie setzt man ein Testament auf?„ oder: „Was kann ich selber tun, um gesund zu bleiben, das heißt den Ausbruch von AIDS hinauszu- zögern?". — Darüber hinaus werden Einzelgespräche und Paargespräche geführt.

Kunsttherapie: Die Kunstthera- peutin arbeitet unter Einsatz ver- schiedenster Materialien an unter- schiedlichen Themen wie den oben genannten. Diese Gruppenarbeit ist in erste Linie für Patienten gedacht, die sich im kreativen Bereich eher auszudrücken vermögen als im ver- bal-kommunikativen.

Sexual Education: Eine „Klas- se", in der von einer Infect Control Nurse Unterricht über Vermeidung von Ansteckung und sogenannten

„safer sex"-Methoden (sehr an- schaulich und ohne falsche Scham) gegeben wird.

Entspannungsübungen: Eine Krankenschwester weist Patienten in Entspannungsübungen ein.

Ernährungsberatung.

Seelsorge: In einer Gruppe des Klinikpfarrers bestand das Angebot, sich über religiöse Fragen, Sinnfra- gen, Schuldprobleme auszutau- schen. Insbesondere Sterben und Tod sind hier — wie in den meisten anderen Gruppen — immer wieder Thema.

Imaginationsgruppe: Diese Gruppe wurde von der Kunstthera- peutin und der Autorin im Dezem- ber 1987 initiiert. Wir arbeiteten mit

„Wie kann

ich mit AIDS leben?”

Psychosoziale Versorgung

von HIV-Infizierten und AIDS-Kranken im Walter Reed Army Medical Center - Erfahrungsbericht

einer deutschen Sozialarbeiterin

A-3590 (50) Dt. Ärztebl. 85, Heft 50, 15. Dezember 1988

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Zu dem Beitrag von

Professor Dr. med. H. A. Stickl in Heft 45/1988

Vorstellungs- und Entspannungs- übungen, um die natürlichen Selbst- heilungskräfte, das Immunsystem der Patienten, neben der induzierten medizinischen Behandlung, zu stär- ken. Seit den Studien des Ehepaares Simonton bei Krebskranken setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, daß mit gezielt angesetzten Vorstellungsübungen das Immunsy- stem beeinflußt werden kann. Unser Versuch, dieses auf die Arbeit mit HIV-Infizierten zu übertragen, wur- de von den Patienten sehr unter- schiedlich aufgenommen Die ersten Erfahrungen lassen eine weitere Ar- beit in dieser Richtung jedoch hoff- nungsvoll erscheinen.

Eine Teilnahme an diesem um- fassenden Programm war — bis auf die Imaginationsgruppe und den Ge- sprächskreis des Pfarrers — für alle Patienten Pflicht. Dies rief zwar ei- nigen Unmut hervor, doch bestärk- ten die Reaktionen von Patienten, die bereits mehrfach teilgenommen hatten, das Team in dieser strengen Regelung. Viele sagten, sie wären nie freiwillig gekommen, weil sie den Nutzen dieser oder jener Grup- pe nicht für sich erkennen konnten.

Im nachhinein mochte keiner die Gruppen missen, boten diese doch Gelegenheit, sich mit anderen Be- troffenen auszutauschen und Kon- takt, auch über den Krankenhaus- aufenthalt hinaus, aufzunehmen.

HIV-Positive, die zu ihren Ein- heiten zurückkehren, um dort weiter ihren Dienst zu tun, werden alle sechs Monate für drei Tage stationär aufgenommen, um Tests zu wieder- holen und den jeweiligen Gesamtge- sundheitzustand zu bewerten. Diese

„alten Hasen", die teilweise bereits vier bis fünf Jahre HIV-positiv dia- gnostiziert sind, werden als sehr un- terstützend empfunden. Die Neu- Diagnostizierten bekommen durch die Begegnung Hoffnung, daß die Statistiken über die Dauer bis zum Ausbruch der Krankheit und Tod doch nicht stimmen. Gemeinsam wollten die Patienten daran arbei- ten, daß die Sterbeprognose AIDS- Kranker sich bald ändert.

Martina Höhn-Beste Benfleetstraße 11 5000 Köln 40

NOTIZ

Impfempfehlungen 1988

Ergänzender Kommentar

Aufgrund zahlreicher telefoni- scher und schriftlicher Rückfragen ergibt sich die Notwendigkeit eines Kurzkommentars:

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Polioschluckimpfung im zehnten Lebensjahr: Die Wirkdauer der Polioschluckimpfung war bislang nie exakt definiert. Nach dreimali- ger Schluckimpfung in den ersten zwei Lebensjahren kommt es zu ei- ner fast vollständigen Immunität ge- gen alle drei Poliovirustypen, und nach heutiger Erkenntis ist mit wahrscheinlich lebenslanger Immu- nität gegen Kinderlähmung zu rech- nen. Eine Impfung im zehnten Le- bensjahr würde damit nur eventuelle Impflücken schließen — sei es, daß gegen einen der drei Poliovirus- impftypen bei der Erstimpfung kei- ne ausreichende Immunität zustande kam (meist Typ III des Polioimpfvi- rus) oder daß zum empfohlenen Zeitpunkt die Polioschluckimpfung versäumt wurde.

Dies bedeutet, daß die Polio- schluckimpfung im zehnten Lebens- jahr sowie bei unzureichender Do- kumentation oder Zweifeln über die Immunität (beispielsweise nach schwerem Blutverlust, Operationen, immunsuppressiver Therapie und anderes) vor einer größeren Exposi- tionsbelastung nochmals durchge- führt werden sollte.

Nach der Grundimmunisie- rung gegen Diphtherie in den ersten

zwei Lebensjahren mit hoher Diph- therieantigendosis (zumeist kombi- niert mit dem Tetanusimpfstoff bzw.

dem Tetanus-Pertussis-Impfstoff) können die nachfolgenden Auf- frischimpfungen mit reduzierter Do- sis von Diphtherie-Toxoid durchge- führt werden. Vorzugsweise sollten Diphtherieauffrischungsimpfungen alle zehn Jahre nach dem sechsten Lebensjahr (Auffrischimpfung vor Schuleintritt) in Kombination mit dem Tetanusimpfstoff durchgeführt werden (Td.).

Ein noch nicht rechtskräfti- ges Urteil gegen einen Kollegen geht auf eine im Jahr 1982 durchgeführte Mumpsimpfung zurück; nach dieser kam es zu einem Typ-I-Diabetes.

Es ist wissenschaftlich bis heute noch nicht geklärt, ob überhaupt ein anlagebedingter Typ-I-Diabetes durch Infektionskrankheiten oder Impfungen mit Lebendimpfstoffen ausgelöst werden kann Nach sorg- fältigen Recherchen sind in der Bun- desrepublik Deutschland achtzehn Mal bei Kindern und Jugendlichen im zeitlichen Zusammenhang bis zu vier Monaten nach der Impfung in- nerhalb der letzten zehn Jahre Erst- manifestationen an Typ-I-Diabetes zu verzeichnen gewesen. Dabei kann es sich durchaus um ein zufäl- liges Zusammentreffen handeln.

Dennoch sollten die Eltern bezie- hungsweise ein Jugendlicher und Er- wachsener, der die Impfung erhält, vor der Impfung sorgfältig aufge- klärt werden.

Ist aus der Anamnese eine fami- liäre Belastung mit Diabetes bereits bekannt, so genügt die Risikoaufklä- rung alleine nicht mehr; hier sollte außerdem nach Möglichkeit festge- stellt werden, ob Anti-B-Zell-Im- munglobuline vorliegen. Außerdem ist zu vermerken, daß es beim anla- gebedingten Typ-I-Diabetes keine Altersabhängigkeit der Manifesta- tion gibt: Wenn auch das Inzidenz- maximum zwischen vier und acht Jahren liegt, so können Erkrankun- gen auch bereits im ersten Lebens- jahr und vor allem im Schulkind- und jugendlichen Alter auftreten.

Prof. Dr. med. Helmut A. Stickl Lazarettstraße 62

8000 München 19 A-3592 (52) Dt. Ärzten 85, Heft 50, 15. Dezember 1988

Referenzen

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