• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Rehabilitation: Der Schlüssel passt (noch) nicht ins Schloss" (30.04.2004)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Rehabilitation: Der Schlüssel passt (noch) nicht ins Schloss" (30.04.2004)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

belassen bleiben. Gerade hier wären je- doch in vielen Fällen eine vorherige ärztliche Beratung sowie Vor- und Nachuntersuchungen dringend notwen- dig, um einen ökonomischen Mittelein- satz und eine an der Gesundheit des Patienten orientierte Qualitätssicherung zu gewährleisten. Zudem kann gerade über den Arzt einer sozialen Schieflage in der Prävention entgegengesteuert werden. Schließlich wird er von mehr als 90 Prozent aller Versicherten minde- stens einmal im Jahr aufgesucht. Gegen- wärtig bleibt dem Arzt aber kaum eine andere Wahl, als intensive Einzelbe- ratungen in Form individueller Gesund- heitsleistungen („IGeL“) abzurechnen, was vielen Patienten nicht zumutbar ist.

Zentrale Stellung des Arztes

Die Arztpraxis sollte zu einem gesund- heitsfördernden Setting ausgebaut wer- den, das Ärzte und Versicherte in die Lage versetzt, Gesundheitserhaltung wie auch Krankheitsverhütung, -früher- kennung und -behandlung gleicher- maßen zu thematisieren und durchzu- führen. Dazu bedarf es der Stärkung entsprechender ärztlicher Kompeten- zen, aber auch angemessener Vergü- tungsanreize. Die Verschreibung eines Bewegungsprogramms muss attraktiver werden als die Verschreibung eines Be- tablockers. Auf der anderen Seite muss sich auch die Erwartungshaltung des Patienten einem solchen veränderten Setting anpassen. Ein erster Schritt in diese Richtung ist vielleicht in den neuen Bonusprogrammen nach § 65a SGB V angelegt, die allerdings einen Bonus für Ärzte geflissentlich ausklammern.

Die Diskussion um die Qualität primärer Prävention wurde in der bis- herigen Diskussion um ein Präventions- gesetz nur am Rande geführt. Be- herrscht wird sie vielmehr vom Gezerre um Geldströme und Gremien. Hinter allem aber steht die Hoffnung auf end- los währende Gesundheit wie auch auf Einsparungen im Gesundheitswesen.

Nach Vorstellung der Pläne für ein Präventionsgesetz soll bis Ende des Jahres ein mit der Opposition ab- gestimmter Gesetzentwurf vorliegen.

Dr. rer. medic. Wilfried Kunstmann Dr. med. Justina Engelbrecht

P O L I T I K

A

A1230 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1830. April 2004

D

as im Akutkrankenhaussektor seit 2003/2004 in der noch budget- neutralen Phase neu eingeführte diagnosebezogene Fallpauschalensystem (Diagnosis Related Groups; DRGs) ist nicht ohne wesentliche Modifikationen analog auf den Sektor der medizini- schen Rehabilitation und Anschlussre- habilitation übertragbar. Die Aufgaben und Strukturen der Akutstationärver- sorgung unterscheiden sich zu sehr von denen der medizinischen Rehabilitati- on und Pflege und deren Finanzierungs- und Steuerungsmechanismen. Das Fall- pauschalensystem, das in ausländischen Krankenversicherungssystemen nicht zu hundert Prozent im Akutsektor und im teilstationären Bereich angewandt wird, müsste auf die Sondersituation der medizinischen Rehabilitation adap- tiert werden, damit der „Schlüssel auf das Schloss“ passt. Zu dieser Diagnose gelangen Rehabilitationsexperten aus der Praxis und Rehabilitationswissen- schaftler, wie zum Beispiel Prof. Dr.

med. Werner Müller Fahrnow, Charité Berlin, Arno Kuge, Eifelhöhen-Klinik AG, Bonn, und Thomas Fettweiß, Ost- seeklinik Schönberg-Holm – auch auf- grund internationaler Vergleichs- und Anwendungsstudien und neuerer ana- lytischer Ansätze. Bei der medizini- schen Rehabilitation und den Möglich- keiten, das diagnosebezogene Fallpau- schalensystem analog zu übertragen, muss von folgenden Befunden ausge- gangen werden:

>Nach den sozialrechtlichen Be- stimmungen unterscheiden sich die Aufgaben der Gesetzlichen Kranken- versicherung (GKV) im Hinblick auf die vollstationäre und teilstationäre Krankenversorgung und die Wieder- herstellung der Gesundheit grundsätz- lich von denen der medizinischen Re- habilitation. Im Bereich der Rehabilita-

tion steht nicht so sehr die Behandlung eines Krankheitsbildes und die Akutin- tervention im Vordergrund, sondern vielmehr die Förderung der Selbst- bestimmung, die gleichberechtigte Teil- habe des Patienten am beruflichen und gesellschaftlichen Leben sowie die Ver- meidung von (drohenden) Benachtei- ligungen, Handicaps sowie die Reinte- gration in Beruf und Gesellschaft.

>Der Gesetzgeber hat mit der Neu- kodifikation des Schwerbehinderten- und Rehabilitationsrechtes im Sozialge- setzbuch IX (SGB IX) zum 1. Juli 2001 und punktuell auch im SGB V diese Zielorientierung weitgehend umgesetzt und gesetzlich vorgegeben. Mithin ist es den Sozialleistungsträgern (einschließ- lich der Sozialhilfe) nur erlaubt, Lei- stungen zur medizinischen Rehabilita- tion, zur Anschlussrehabilitation und zur Teilhabe zu finanzieren, wenn die in

§ 4 Abs. 1 Satz 1 SGB IX konkretisier- ten Ziele der Teilhabeleistungen auch tatsächlich erreicht werden können.

Nicht so sehr die Art und Schwere einer Erkrankung, sondern die Ausprägung einer vorhandenen oder drohenden Störung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und gesundheitliche Han- dicaps sowie die Prognose im Hinblick auf die Erreichbarkeit lösen einen Anspruch auf Rehabilitationsleistungen und deren Kostendeckung durch die vorgesehenen Kostenträger aus.

Kompensation und Teilhabe

>In der medizinischen Rehabilita- tion gibt es unterschiedliche Phasen der Wiederherstellung (Rehabilitation) und der Erreichung des Teilhabeziels.

Dabei orientieren sich das nationale Rehabilitationsrecht und die Reha- bilitationsmedizin an der International

Rehabilitation

Der Schlüssel passt (noch) nicht ins Schloss

Diagnosebezogenes Fallpauschalensystem nicht transferierbar

(2)

Classification of Functioning, Disability and Health. Im Gegensatz zu den Akut- und teilstationären medizinischen Lei- stungen der Krankenhäuser umfasst der Rehabilitationsprozess auch die Be- handlung und die Kompensation von Beeinträchtigungen des Erlebens, des Fühlens, Wohlbefindens, der Integrität von Aktivitäten und der Wiederherstel- lung des Leistungsvermögens, wie kürz- lich der Unternehmensberater Harry Fuchs, Düsseldorf, vor einem Kongress des Arbeitskreises Gesundheit e.V.

(Bonn) in Frankfurt am Main feststellte.

>Nach Beendigung der so genann- ten Konvergenzphase bei der Umstel- lung auf diagnosebezogene Fallpau- schalen (Ende 2006) rechnen Experten damit, dass die durchschnittliche Ver- weildauer im Akutkrankenhaus bis zum Jahr 2010 um vier Tage (minus 25 Pro- zent) gesenkt werden kann. Die ent- scheidenden Aktionsparameter des DRG-Systems sind die Verweildauer- verkürzung, die Kostenoptimierung und ein selektives Angebotsverhalten einer funktional ausgerichteten Kran- kenhausleistungserstellung. Unterstellt wird, dass sich infolge der Verweildau- erverkürzung im Akutsektor der Anteil der medizinischen Rehabilitation am Gesamtvolumen um fünf bis 20 Prozent erhöhen wird. Für die Leistungserbrin- ger in dem Akutsektor vor- und nachge- lagerten Versorgungsbereich steigt da- durch die Patientenfrequenz, ohne dass die Finanzierung der dadurch ausgelö- sten erhöhten Kosten und gesteigerten

Ausgaben gedeckt sind. Der Lösung dieser Finanzierungsfragen ist die Politik bisher ausgewichen.

>Eine partielle Verlagerung von Krankheitsfällen aus dem akutstatio- nären Routinebereich in den Rehabilita- tionssektor kann nicht ausschließlich zulasten einer ausreichenden und quali- tativ hoch stehenden rehabilitativen Versorgung gehen. Erforderlich sind strengere Qualitätskriterien und -siche- rungsmaßnahmen, damit die hohen Versorgungsanforderungen bei einer nachgewiesenen Verlagerung von Be- handlungspflege aus dem Akutbereich in den Rehabilitationssektor auch erfüllt werden können. Dies ist kaum möglich, ohne die finanziellen und personellen Ressourcen und das Know-how im Rehabilitationssektor aufzurüsten.

>Neben gravierenden ökonomi- schen Fragen der Finanzierung der Sy- stemsteuerung resultieren aus einer analogen DRG-Finanzierungssystem- übertragung auf den Sektor der Re- habilitation auch gravierende sozial- versicherungsrechtliche Probleme: Im medizinischen Bereich der Akutkran- kenhäuser gilt (noch) das Prinzip der dualen Finanzierung, das heißt, die In- vestitions- beziehungsweise Vorhalte- kosten der Akutkrankenhäuser sollen prinzipiell aus öffentlichen Mitteln (aus Mitteln der Länder; dies sind heute weniger als neun Prozent der Gesamt- kosten) gedeckt werden. Die laufen- den Betriebskosten der Krankenhäuser werden über Benutzerentgelte der Ko-

stenträger (Gesetzliche und private Krankenversicherung) gedeckt. Ande- rerseits sind die finanziellen Mittel zur Finanzierung der Rehabilitations- leistungen begrenzt und werden über tagesgleiche, pauschale Pflegesätze der Kostenträger zur Verfügung gestellt. Sie sind infolge der straff gedeckelten Bud- gets der gesetzlichen Renten- und Kran- kenversicherung begrenzt.Aus der Sicht der Rehabilitationskliniken ist zu be- fürchten, dass die Rentenversicherungs- träger in dem Maße weniger Rehabilita- tionsmaßnahmen genehmigen werden, wie aus dem Bereich der Akutversor- gung zunehmend kostenträchtigere Lei- stungsfälle vorschnell in den Bereich der Rehabilitation verlagert werden, oh- ne dass hierfür Komplexpauschalen oder erhöhte speziell für die Rehabilita- tion reservierte finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Jedenfalls lässt sich von den Rehabilitationsein- richtungen der erhöhte Behandlungs- und Rehabilitationsaufwand durch die derzeit vereinbarten Pflegesätze nicht kostendeckend erwirtschaften.

Keine Schnellschüsse

Eine analoge Eins-zu-eins-Übertra- gung des DRG-orientierten Pauschal- vergütungssystems aus dem Akutkran- kenhaussektor in den Bereich der medizinischen Rehabilitation ist zurzeit kontraindiziert. Daran ändern Bestre- bungen von engagierten Gesundheits- politikern nichts, auch im Rehabilitati- onssektor mit der Erprobung von dia- gnosebezogenen Fallpauschalen zu be- ginnen. Auch muss beachtet werden, dass im Akutkrankenhaussektor ande- re Finanzierungs- und Steuerungsme- chanismen zum Zuge kommen als im Rehabilitationsbereich. Im Letzteren gilt die gesetzlich verankerte Regelver- weildauer von drei Wochen und das Re- gelwiederholungsintervall von drei Jah- ren. Diskutiert werden deshalb auch Finanzierungsverlagerungen aus dem Akutsektor in den Rehabilitations- sektor oder Komplexpauschalen und Verbundlösungen an der Schnittstelle zwischen vollstationärem und teil- stationärem Krankenhaussektor und dem Bereich der medizinischen Reha- bilitation. Dr. rer. pol. Harald Clade P O L I T I K

A

A1232 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1830. April 2004

Das System der diagnosebezogenen Fallpauschalen kann zurzeit (noch) nicht analog auf den Sektor der medizinischen Rehabilitation über- tragen werden. Foto: Peter Wirtz, Zeichnung: Reinhold Löffler

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Auch wenn sich einiges verändert hat, in Berns Gassen und überall: Die Berner Mandelbärli sind und bleiben unschlagbare Originale – ge rade so wie ihre Vettern am

Deshalb engagieren sich die Unfallversicherer der öffentlichen Hand in NRW schon seit Jahren erfolgreich mit vielen Projekten für sichere und gesunde Schulen?. Sie sind wichtige

Markus Reinke, Universität Weihenstephan, bot die Werkzeuge und Erfahrungen der Landschaftsarchitektur als Grundlage für die Planung Erneuerbarer Energien an: Fachlich

Rot oder Rosa, das ist hier die Frage   Heute können Frauen nicht nur zwischen tau- senden Farben wählen, sondern auch zwischen Produkten zum Aufkleben oder Abziehen.. Doch nach

Mit ihrem Dachverband, der Agentur für Erneuer- bare Energien und Energieeffizienz (AEE), der weitere für die Promotion erneuerbarer Energien wich- tige Verbände (vor allem

Bis zu 28 ver- schiedene Erreger hat man in ihnen gefunden, wenn auch noch keine Ansteckung mit HIV oder Hepatitis durch eine Wanze nachgewiesen wurde. Anders sieht es beim

In Deutschland erfolgte im August 2004 die Umsetzung dieser Richtlinie in Bezug auf die Meldeverpflichtun- gen von Nebenwirkungen nahezu wortgleich mit den §§ 12 und

[r]