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eist vergehen mehrere Monate, bevor ein Arzt nach Unterzeichnung des Übernahmevertrags die Praxis seines Kollegen auch de facto übernimmt. Bis zum Übergabestichtag können sich aber erhebliche Veränderun- gen ergeben haben: Umsatz- rückgänge, Einbußen beim Anlagevermögen, personelle Veränderungen oder sonstige, den künftigen Ertrag schmä- lernde Gesichtspunkte. Wel- che Rechte stehen dem Pra- xisübernehmer dann zu?Der Kauf einer Arztpraxis steht im Wesentlichen dem eines Unternehmens gleich, sieht man von der Beachtung spezieller berufs- und kassen- arztrechtlicher Vorschriften ab. Dabei ergibt sich der Kaufpreis der Praxis nicht nur aus beweglichen Sachen wie dem Anlagevermögen, den medizinischen Geräten, Wa- renvorräten, Einrichtungsge- genständen und EDV-Anla- ge, sondern auch aus dem Umsatz und dem immateriel- len Praxiswert („Goodwill“).
Dieser setzt sich aus dem Pati- entenstamm und dem Anteil der Privatpatienten zusam- men. Deshalb sind in einem Praxisübernahmevertrag Re- gelungen zu zahlreichen Ein- zelkomponenten des Kaufge- genstandes zu treffen. Ziel des Praxiserwerbers bei Vertrags- verhandlungen sollte sein, für ausreichende Rechtsbehelfe zu sorgen, damit er bei „Schlecht- erfüllung“ des Praxisverkäu- fers in der Lage ist, das für ihn richtige Instrument für die Ver- tragserfüllung zur Hand zu ha- ben. Das Risiko von späteren Abweichungen der vertraglich geschuldeten Leistung kann nur durch schriftliche, kla- re Regelungen bei Vertrags- schluss gemindert werden.
Bisher haftete der Praxis- veräußerer für Fehler und fehlende zugesicherte Eigen- schaften, die die Praxis bei Übergabe aufwies. Dies galt jedoch nur eingeschränkt. So konnten zum Beispiel Um- satz- oder Ertragsgrößen le- diglich dann zu einem An- griffspunkt einer Haftungs- übernahme werden, wenn die- se auch im Vertrag zur Grund-
lage der Kaufentscheidung ge- macht wurden. Die Folge bei falschen Ertragsangaben war dann häufig die Rückabwick- lung des Praxisübernahmever- trages, an dem der Praxisüber- nehmer wegen der kassenärzt- lichen Zulassung für diesen Vertragsarztsitz kein Interesse haben konnte. Dem Käufer blieb daher nur die Minde- rung des Kaufpreises. Dies war aber wegen des Nachwei- ses des angemessenen Minde- rungsbetrags schwierig.
Bei Vertragsverhandlungen über Praxiskaufverträge muss künftig dem „neuen“ Schuld- recht Rechnung getragen wer- den. Der zentrale Begriff ist die „Beschaffenheitsvereinba- rung“. Damit der Praxisüber- nehmer später auch tatsäch- lich die Praxis übernimmt, die er Monate vorher gekauft hat, muss er darauf achten, dass er zu den ihm wichtigen Elemen- ten des Kaufvertrages genaue Absprachen trifft.
Aufklärungspflicht
Dem Praxisverkäufer obliegt eine Aufklärungspflicht. Er hat auf gestellte Fragen des Praxisübernehmers, zum Bei- spiel zu den medizinischen Geräten (Hersteller, Alter, Anschaffungswert, Betriebs- erlaubnis, Gebrauchsfähig- keit), wahre Angaben zu ma- chen. Vorsätzlich oder vom Praxisabgeber in Kauf ge- nommene falsche Angaben lösen eine Haftung des Ver- käufers aus. Dagegen muss der Verkäufer nicht haften, wenn solche Fragen nicht ge- stellt werden oder er davon ausgehen kann, dass die Be- antwortung nicht zum Kauf- entschluss wesentlich beiträgt.
Daher sollte der Praxiskäufer bei der Beschreibung des Kaufgegenstandes nichts dem
Praxisveräußerer überlassen, sondern intensiv fragen. Die Antworten sind vertraglich zu fixieren. Der Praxisveräußerer haftet nach der Schuldrechts- reform unabhängig davon, ob die besonderen Eigenschaf- ten der Kaufsache zugesichert wurden oder ob sie zum Kauf- entschluss beitrugen.
Bei Unzufriedenheit mit dem Praxiszustand
Haben die Vertragsparteien in ihrem Praxisübernahme- vertrag klare Regelungen über die Beschaffenheit der Arztpraxis getroffen und stellt sich später nach der Übernah- me heraus, dass ein Fehler vorliegt, kann der Praxisüber- nehmer den Vertrag – sofern eine Nachbesserung fehl- schlägt – nachträglich durch eine einseitige Rücktrittser- klärung auflösen. Dies wird er selten erwägen, weil mit dem Erwerb in der Regel sein Ver- tragsarztsitz verbunden ist. Er wird in der Regel zur Kauf- preisminderung tendieren.
Ist der Käufer mit dem Zu- stand der Praxis nicht zufrie- den, steht ihm ein weiteres Mittel zur Seite: der Schaden- ersatz. Anders als im früheren Recht kann dieser nun – neben Rücktritt und Minderung – geltend gemacht werden. Der Praxisabgeber haftet demnach bei jeder Abweichung des Ist- Zustandes von der vertraglich vereinbarten Soll-Beschaffen- heit auf Schadenersatz. Zwar muss dabei ein Verschulden des Veräußerers vorliegen, ein solches wird aber stets vermu- tet und ist nur widerlegbar, so- fern der Praxisabgeber nach- weist, dass er die im Verkehr üblicherweise erforderliche Sorgfalt eingehalten hat.
Möglich ist es auch, dem Praxisveräußerer vertraglich
eine strengere Haftung aufzu- erlegen. Dies ist dann ange- zeigt, wenn wegen des beson- deren Standorts der Praxis, des erheblichen Wertes des Anlagevermögens oder der Gebrauchsfähigkeit medizini- scher Geräte die Übernahme von Garantien vereinbart wer- den sollte. Die Abgabe sol- cher Garantieerklärungen ge- währleistet dem Praxisüber- nehmer die Sicherstellung der vertraglich vereinbarten Re- gelungen – weil andernfalls Schadenersatzansprüche dro- hen –, ohne dass dem Praxis- abgeber die Möglichkeit des Entlastungsbeweises zusteht.
Bei seiner Kaufentscheidung sollte der Arzt besonderen Wert auf das Vorliegen und Einhalten bestimmter Voraus- setzungen legen und diese ver- traglich als Garantieleistung vereinbaren. Dazu wird der Abgeber einer Arztpraxis im- mer dann bereit sein, wenn er von der Sicherstellung dieser Voraussetzungen ausgeht.
Haben die Vertragspartei- en keine solchen Beschaf- fenheitsvereinbarungen oder Garantieübernahmen verein- bart, ist der Praxisabgeber deshalb nicht schutzlos. Dann greifen die gesetzlichen Re- gelungen. Diese sind freilich so gehalten, dass der Praxis- abgeber immer schon dann seine Praxis frei von Sach- mängeln veräußert, wenn die- se für den vorausgesetzten Zweck (Praxisbetrieb) geeig- net ist oder jedenfalls die üb- liche Beschaffenheit aufweist.
In diesen Fällen finden sich eigene Vorstellungen des Pra- xiserwerbers nicht wieder.
Will der Praxisübernehmer seine Vorstellungen hinsicht- lich der einzelnen Elemente des Kaufs einer Arztpraxis wiederfinden, so ist er ge- halten, entsprechende Be- schaffenheitsvereinbarungen und Garantieübernahmen mit dem Praxisabgeber zu tref- fen. Nur klare Regelungen hinsichtlich der Beschaffen- heit des Kaufgegenstandes verhindern eine nachträgliche Auseinandersetzung über das Vorhandensein von Sachmän- geln und deren rechtliche Fol- gen. RA Bernhard Richter,Berlin V A R I A
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A872 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1326. März 2004
Praxisübergabe
Details festschreiben
Mit der Reform des Schuldrechts haben sich auch die Haftungsgrundlagen des Praxisveräußerers geändert.
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