Dagegen Schuljahr 1983/84 Schuljahr 1982/83
1983/84 gegenüber
1982/83 Schulart
Klassenstufe
Anzahl Anzahl
Schulen der allgemeinen Ausbildung
Schulkindergärten Grundschulens) Hauptschuleng) Sonderschulen . . Realschulen Gymnasien Gesamtschulen .
Zusammen darunter3 ):
Klassenstufen Ibis 4 .. . Klassenstufen
5 bis 10 Klassenstufen
11 bis 13 Schulen der allgemeinen
Fortbildung (Abendschulen und
Kollegs) ..
58 676 0,7 59 828 — 1,9
2 351 788 29,2 2 437 564 — 3,5 1 894 916 23.5 2 063 427 — 8,2 301 902 3,8 319 254 — 5,4 1 214 411 15,1 1 278 092 — 5,0 1 960 736 24,4 2 050 466 — 4,4 224 730 2,8 226 303 — 0,7 8 007 159 99 5 8 434 934 — 5, 1
2 366 211 29,4 2 451 788 — 3,5 4 585 399 57,0 4 909 776 — 66 694 971 8. 6 694 288 + 0,1
41 401 0,5 42 056 — 1,6
Insgesamt 8 048 560 100 8 476 990 — 5, 1
Langfristige Perspektiven für
Arbeitsmarkt und Lebensqualität
Analyse der Bildungsstruktur in der Bundesrepublik Deutschland
Das vom Statistischen Bundesamt zur Jahreswende veröffentlichte Zahlenmaterial über Schüler, Aus- zubildende und Studenten in der Bundesrepublik Deutschland (Wirtschaft und Statistik 12/1984, Seiten 1021-1029) bietet Anhalts- punkte für Prognosen zur qualita- tiven und quantitativen Struktur der Angebotsentwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Zugleich ver- mittelt es ein Profil der schulisch von der öffentlichen Hand vorge-
haltenen allgemeinen Bildungsin- halte, die in Freizeit und Ruhe- stand vergessen, ergänzt und aus- gebaut werden.
Die Jugend als Basis des Alters- aufbaues entscheidet nicht nur
über Aufbau, Erhaltung oder Ab- bau der zur existenziellen Versor- gung der Rentner verfügbaren materiellen Ressourcen. Wer Art und Engagement von Ruheständ- lern beobachtet, weiß, in welchem Umfang sich darin Interessen und Verhaltensweisen wiederfinden, die in Kindheit und Jugend ge- weckt und geprägt wurden. Die Bildungsstruktur der Jugend ist demnach ebensowohl Fundament der Leistungen im Arbeitsleben wie Chance für Sinngehalte von Freizeit und Ruhestand.
Eine Analyse der Bildungsstruktur bildet damit auch eine bedeutsa- me Grundlage für Einsichten in die etwaigen Notwendigkeiten
1) Klassenstufen 1 bis 4 der Grund- und Hauptschulen. — 2 ) Klassenstuten 5 bis 10 de Grund- und Hauptschulen; einschl. ohne Klassenstufenangabe. — 3 ) Ohne Schul- kindergärten und Sonderschulen.
Tabelle 1:
Schüler an allge- meinbildenden Schulen im Schuljahr 1983/84
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
THEMEN DER ZEIT
2314 (28) Heft 33 vom 14. August 1985 82. Jahrgang Ausgabe A
und Aufgaben bildungspolitischer Neuorientierung. Beobachtungen der Wirklichkeit belegen gerade- zu den Zwang zu einer Neuorien- tierung. Zum Beispiel: Zur Zeit werden allenthalben in der Bun- desrepublik Deutschland Schulen und schulische Einrichtungen auf- gebaut, um stellungslose Hoch- schulabsolventen auf praktische
Berufstätigkeiten umzuschulen.
Oder: Während für eine Fülle von vielfach nicht einmal qualifizier- ten Dienstleistungen in Industrie
und Hauswirtschaft keine Arbeits- kräfte zu finden sind, steigt die Zahl der bei den Arbeitsämtern registrierten Dauerarbeitslosen noch immer. Oder: Der Alterssui- zid greift um sich und es gibt nicht einmal umfassende alterssoziolo- gische Untersuchungen über Art und Intensität von Ruhestandsak- tivitäten und die Erfüllung selbst- gewählter sozialer Alterspflichten.
Wie ist die Ausgangssituation für langfristige Perspektiven, soweit es die von der öffentlichen Hand vorgehaltene schulische Bil- dungsstruktur betrifft?
Im Schuljahr 1983/84 gab es 8 050 000 Schüler an den allge- meinbildenden Schulen. Das wa- ren 5,1 v. H. weniger als im Jahr zuvor. Zur gleichen Zeit gab es 1 721 700 Jugendliche in Ausbil- dungsverhältnissen (Stichtag: 31.
12. 1983). Das waren 2,7 v. H. mehr als im Jahr zuvor. Nach der Hoch- schulstatistik gab es zur gleichen Zeit 1 273 000 Studenten in der Bundesrepublik Deutschland (Wintersemester 1983/84). Das waren 5,8 v. H. mehr als im Jahr zuvor.
Der Geburtenentwicklung der letzten zwei Jahrzehnte entspre- chend, fallen also die Schülerzah- len bereits markant, während die Zahlen der Auszubildenden und Studenten noch steigen. Die Dis- kussion der quantitativen Ent- wicklungsproblematik dieses Be- völkerungsteiles von 11 000 000 Jugendlichen darf jedoch die qua-
litativen Fragen der sozialen, kul- turellen und ethischen Bildungs- perspektiven nicht verstellen.
Dagegen Schuljahr 1982/83 Anzahl
1983/84 gegenüber
1982/83
0/0
Schulart Schuljahr 1983/84 Anzahl 0/0
Berufsschulen Berufssonderschulen . . . Berufsaufbauschulen ...
Berufsfachschulen') . Fachoberschulen, Fachgymnasien Schulen der beruflichen
Ausbildung zusammen Fachschuleng) Schulen des Gesund-
heitswesens
1 924 480 70,8 1 899 176 + 1,3
17 126 0,6 15 758 + 8,7
15 672 0,6 20 912 - 25,1
405 590 14,9 398 418 1,8
150 060 5,5 159 213 - 5,7
2 512 928 92,4 2 493 477 + 0,8
99 324 3,7 102 912 - 3,5
106 152 3,9 104 236 + 1,8
Schulen der beruflichen Fortbildung zusammen
Insgesamt
205 476 7,6 207 148 - 0,8
2 718 404 100 2 700 625 + 0,7
1) Einschl. Schüler an Kollegschulen in Nordrhein-Westfalen (1982/83: 40 556 1983/84: 47 574) und an Berufskollegs in Baden-Württemberg (1982/831 25 409 1983/84: 27 548) - 2) Einschl. Schüler einer Berufsakademie in Schleswig-Holstein (1982/83: 235, 1983/84: 346), einer Wirtschaftsakademie in Hamburg (1982/83: 262, 1983/84: 311), an Fachakademien in Bayern (1982/83: 11 036, 1983/84: 11 012) und einer Bergingenieurschule im Saarland (1982/83: 299, 1983/84: 315).
Tabelle 2:
Schüler an be- rufsbildenden Schulen im Schuljahr 1983/84
Studienwillige F Dagegen 1983 Anzahl
Fachergruppe
Sprach- und Kulturwissen- schaften, Sport
Wirtschafts- und Gesellschafts- wissenschaften
Mathematik, Naturwissenschaften Human-, Veterinärmedizin Agrar-, Forst- und Ernährungs-
wissenschaften Ingenieurwissenschaften Kunst, Kunstwissenschaft Ohne Angabe
21 715 13,1 13,4
32 603 19,6 19,8
23 792 14,3 13,4
12 572 7,6 78
7 367 4,4 4,9
43 908 284 26,6
13 259 8,0 7,5
11 157 6,7 6,6
Insgesamt darunter. mit Studienziel Lehrer
166 373 100 100
7 255 4,4 5,0
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Arbeitsmarkt und Lebensqualität
Zu den sozialen Chancen: Die Zahl der aufgrund des Bundes-
ausbildungsförderungsgesetzes (BAFöG) geförderten Schüler und Studenten war 1984 rückläufig.
Sie war bereits in 1983 im Ver- gleich zum Vorjahr um 23,2 v. H.
auf 961 800 gesunken - immerhin noch 10 v. H. aller Schüler und Hochschüler. Der Zahlenrück- gang erfolgte aufgrund der Ge- setzesänderungen nicht sosehr im Bereich der Studentenförde- rung. Vielmehr ging die Förde- rung der Schüler markant zurück, da sich die leistungsreduzieren- den Eingriffe durch das Haus- haltsbegleitgesetz 1983 beson- ders hier auswirken.
Jahrgangsbedingt traf der Schü- lerrückgang in den allgemeinbil- denden Schulen vor allem die Hauptschulen, und zwar die Klas- senstufen fünf bis zehn. Die Schü- lerzahlen an den berufsbildenden Schulen sind - noch - angestie- gen. Bemerkenswert ist der nach wie vor überproportionale Anstieg in den Schulen des Gesundheits- wesens.
In der Steigerung der Zahl der Auszubildenden schlagen die gro- ßen Bereiche von Industrie und Handel sowie vom Handwerk mit insgesamt 85,2 v. H. aller Auszu- bildenden und 84 v. H. aller neu- abgeschlossenen Ausbildungs- verträge besonders zu Buche. Der Zuwachs in der Zahl der Auszubil- denden und in der Zahl der neu- abgeschlossenen Ausbildungs- verträge im Bereich der Freien Berufe hat sich abgeflacht. Das dürfte auf die besonders hohen Zuwachsraten der Vorjahre zu- rückzuführen sein sowie auf die Tatsache, daß ohnehin in diesem Bereich seit Jahren weit über den eigentlichen Nachwuchsbedarf hinaus ausgebildet wird.
Bei den Studien- und Berufswün- schen der Abiturienten fällt auf, daß die Zahl der Studienwilligen weiterhin markant rückläufig ist.
Sie ist von 88,5 v. H. in 1983 auf 51,2 v. H. in 1985 gesunken. Im
Tabelle 3:
Studienwillige 1984 nach Fächergruppen
mittelständischen Gewerbe, ins- besondere im Handwerk, wird dementsprechend auch darauf aufmerksam gemacht, daß inzwi- schen Abiturienten als Bewerber für Ausbildungsplätze die Chan- cen der Bewerber mit Grund- und Hauptschulabschluß beeinträchti- gen.
Den größten Teil der Studenten- zahlen haben mit 68,6 v. H. die Universitäten und mit 19 v. H. die Fachhochschulen. Im Bereich der Fachhochschulen liegt mit 11,8 v.
H. auch die höchste Steigerungs- rate. Rückgänge sind lediglich in dem Bereich der pädagogischen Hochschulen mit -6,2 v. H. und der Verwaltungsfachhochschulen mit -2,1 v. H. zu verzeichnen. Der
Staat scheint in seinem eigenen Bereich das berufsorientierte schulische Bildungsplatzangebot dem erwarteten Bedarf flexibler anzupassen, als den Maximen von Grundgesetz und Bundesausbil- dungsförderungsgesetz.
Für die Entwicklung des Arbeits- marktes der nächsten Jahrzehnte ist ausschlaggebend
- die Zahl der Arbeitsfähigen nach Alter und Geschlecht, - die berufliche Lebensarbeits- zeit der Arbeitsfähigen nach der Jugendbildung, neben der Famili- enhausarbeit und Freizeit und vor dem Alters- oder Invaliditätsruhe- stand,
,IMIM11■•■••.■
Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 33 vom 14. August 1985 (31) 2315
WS 1983/84 gegen- über WS 1982/83 Insgesamt
insge- samt
männ- lich
weib- lich insge-
samt männ-
lich weib-
lich
Fächergruppe insgesamt
1 000 9G2)
Insgesamt3 ) Sprach- und Kultur-
wissenschaften Sport
Wirtschafts- und Gesell- schaftswissen- schaften Mathematik, Natur-
wissenschaften Humanmedizin Veterinärmedizin Agrar-, Forst- u. Ernäh-
rungswissenschaften Ingenieur-
wissenschaften Kunst, Kunstwissen-
schaften
1273,2 791,2 482,0 37,9 + 5,8 + 6,2 + 5,1 273,5 108,4 165,0 60,3 + 2,6 + 2,0 + 2,9 21.8 12,5 9,3 42,8 - 5,2 - 5,4 - 5,0
340,1 212,8 127,3 37,4 + 6,1 + 5,1 + 7,9 193,5 129,3 64,2 33,2 + 6,7 + 8,7 + 2,8 91,1 55,9 35,2 38,6 + 3,7 + 1,2 + 7,9 6,2 3,1 3,1 50,4 + 4,9 + 0,6 + 9,5 33,2 18,0 15,1 45,7 3,9 + 2,9 + 5,0 252,8 224,7 28,1 11,1 + 11,6 + 11,2 + 14,2 60,9 26,4 34,4 56,6 + 2,9 + 1,7 + 3,9
Finanzaufwand davon ins-
gesamt Zu- Dar-
schuß lehen 1 000 DM
Durchschnitt- licher monatlicher Forderungs- betrag pro Geförderten 1 )
DM Ausbildungsstätte
1 068 820 234 372 387 172 120 377 152 597 174 302 2 025 478 53,0
618 404 52,7 1 348 602 53,1 58 472 51,7
299 219 255 388 448 514
47,0 516
47,3 535
46,9 509
48,3 499
Schulen Gymnasien 2 ) Berufsfachschulen 3 ) Fachoberschulen . . Fachschulen Sonstige Schulen . . Hochschulen
Fachhochschulen . . Wissenschaftliche
Hochschulen 4 ) ...
Sonstige Hochschulen
100 0,0
100 0,0
100 0,0
100 0,0
100 0,0
100 0,0
3 094 297 69,2 30,8 412
Insgesamt
- die charakterliche, intellektuel- le und körperliche Belastungs- und Leistungsfähigkeit nach Fachkompetenz, kooperativer Disziplin und Führungsqualität.
Schon beim ersten Blick auf die Lern- und Erziehungsziele der all- gemein- und berufsbildenden Schulen und Hochschulen und deren Strukturdaten fällt auf
die Vorrangstellung der intel- lektuellen vor der körperlichen und manuellen sowie vor der mu- sischen Bildung,
I> die frühe berufsgerichtete, be- rufsvorbereitende, berufsausbil- dende Erziehung und der im Ver- gleich dazu knappe Raum der für alle Jugendlichen gemeinsamen und damit auch Bildungsgemein- schaft und Gemeinschaftsausbil- dung bewirkenden Allgemeinbil- dung,
I> der hohe Grad der Verschu- lung aller Bildungsprozesse und dementsprechend die Verkür- zung der familiären, nachbar- schaftlichen und betriebsprakti- schen Erziehungseinflüsse,
1) Vorläufiges Ergebnis. - 2) Anteil von Spalte 1. - 3) Einschl. ,Sonstige Fächer'.
Tabelle 4:
Deutsche und ausländische Studenten im Wintersemester 1983/84 nach Fä- chergruppen')
1) Bezogen auf den monatlichen Durchschnitt der Zahl der Geförderten. - 2) Einschl.
integrierte Gesamtschulen. - 3 ) Einschl. Berufsschulen in Vollzeitform. - 4 ) Univer- sitäten, pädagogische und theologische Hochschulen, Gesamthochschulen.
Tabelle 5:
Finanzaufwand für die BAföG- Förderung 1983 nach Ausbil- dungsstätten und Art der Förde- rung
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Arbeitsmarkt und Lebensqualität
2316 (32) Heft 33 vom 14. August 1985 82. Jahrgang Ausgabe A
I> die Tendenz zur Einbeziehung des Bildungswesens in das Sy- stem der Sozialleistungen durch Kindergeld, Schulgeld- und Lern- mittelfreiheit, Bundesausbil- dungsförderungsmittel in der Grö- ßenordnung von rd. drei Milliar- den DM und spezielle Förde- rungsmaßnahmen, zum Beispiel für Begabte, Behinderte oder für Wehrdienstleistende.
Selbst wenn die Berufsorientie- rung der Bildungsstruktur arbeits- marktkonform zur langfristigen Wirtschaftsentwicklung struktu- riert wäre, bliebe die Frage offen, ob das Bildungsangebot nicht auch berücksichtigen müßte, daß nach dem Eintritt in das berufliche Arbeitsleben Freizeit und Ruhe- stand quantitativ die Wochen-, jährliche und erst recht die Le- bensarbeitszeit immer weiter hin- ter sich lassen. Natürlich greift diese Frage tief in die Philosophie der Entwicklung von Wertord- nung, Weltverständnis und Le- bensgefühl ein.
Zusammenfassend folgt aus die- ser Konfrontation des bildungs- statistischen Materials mit analyti- schen Thesen und Fragen:
C) Die Veränderung der Nach- wuchsstruktur schreitet fort: Der
Pillenknick wandert aus den Grund- und Hauptschulen in die Realschulen und Gymnasien und wird bald die Ausbildungsstätten und Hochschulen erreichen, Die Kenntnis der Berufsaussichten von Hochschulabsolventen verän- dert bereits jetzt die Berufs- und Studienabsichten der Abiturien- ten. Von einer mentalen Wende, Lebensqualität auch unabhängig von den Berufschancen als Bil- dungsziel zu difinieren, kann je- doch wohl noch keine Rede sein.
Damit bleibt für Hunderttausende von Jugendlichen an der Wende zum Berufsleben Unzufriedenheit noch immer programmiert.
© Der Sockel der für alle Jugend- lichen verbindlichen Allgemein- bildung muß wieder angehoben werden, um Flexibilität und Mobi-
Arbeitsmarkt und Lebensqualität
lität dauerhaft zu verbessern. Die Dynamik der wirtschaftlichen Ent- wicklung verstärkt die Notwendig- keit zum Berufswechsel während des Berufslebens. Verstärkung der allen gemeinsamen Allge- meinbildung dient zugleich der sozialen Kommunikation und der sozialen Befriedung. Darüber hin- aus verbessert sie die Chance zur Lebensqualität auch unabhängig von den beruflichen Lebenswe- gen.
®
Der nach § 1 BAFöG bestehen- de Rechtsanspruch "auf individu- elle Ausbildungsförderung für ei- ne der Neigung, Eignung und Lei- stung entsprechende Ausbil-dung" in Konsequenz zum Grund-
recht der freien Berufswahl pro- grammiert bildungspolitische Fehlinvestitionen. Die Infrastruk- tur des Bildungsplatzangebotes muß die Entwicklungsperspekti- ven für drei bis fünf Jahrzehnte berücksichtigen. Das Grundrecht der Freiheit der Berufswahl bleibt eingebunden in den Grundrechts- kanon der lebenslangen Wahrung von Menschenwürde und Persön-
1 ichkeitsentfaltu ng.
G) Die Definition der Bildungszie- le muß neben den Schwerpunkt
"Berufsausbildung" als sozialer
Chance zur Selbstbehauptung und Selbstverwirklichung neue Schwerpunkte setzen. Sinnerfül- lung in Familie und Freundes- kreis, in Freizeit und Lebens- abend hat vergleichbaren Rang.
Leibeserziehung, Werkunterricht, musische Bildung und Sozialar- beit mit dem Ziel ganzheitlicher Humanität könnten neue Schwer- punkte für Selbstverwirklichung sein, neue Chancen zu berufs- unabhängingem Sozialprestige bieten und ganz einfach viele Menschen bis ins hohe Alter glücklicher und zufriedener ma- chen.
Anschrift des Verfassers: Prof. J. F. Volrad Deneke Axenfeldstraße 16 5300 Sonn 2
DEUTSCHES XRZTEBLATT
THEMEN DER ZEIT
Trotz der heftigen und kontroversen Diskussionen um die besse- re soziale Absicherung des allgemeinen Lebensrisikos "Pflege- bedürftigkeit" ist eine bundesweite, gesetzliche Regelung derzeit ferner als je zuvor. Während der Pflegebericht der Bundesregie- rung vom September 1984 eine "kleine Lösung" in Form von steuerlichen und sozialversicherungsrechtlich-ergänzenden Maßnahmen anpeilt, beabsichtigen einige Bundesländer (Hes- sen, Rheinland-Pfalz, Bayern) eigene Modellversuche und Ge- setzesinitiativen zu starten. ln der politischen Diskussion über den Problemkreis wird häufig außer acht gelassen, daß zunächst das pflegetherapeutische Angebot neu strukturiert und Versor- gungslücken geschlossen werden müssen, ehe die Finanzierungs- fragen angegangen werden. (Dazu auch DEUTSCHES ÄRZTE- BLATT, Heft 51/52/1984, Seite 2802, sowie Heft 4/1985, Seite 166 ff.)
Pflegesicherung:
Lösen oder verwalten?
Rainer Goldammer
D
ie Bevölkerungspyramide der Bundesrepublik Deutschland wird an ihrer Basis immer schmäler. Der prozentuale Anteil alter Leute an der Gesamtbevöl- kerung nimmt immer mehr zu. Nach amtlichen Statistiken wer- den im Jahr 2030 ungefähr 25,2 Prozent der deutschen Bevölke- rung zu den Senioren gehören. Fachleute schätzen, daß zu die- sem Zeitpunkt ein Viertel bis ein Drittel der Menschen älter als 60 Jahre sein werden.Tatsache ist, daß nicht mehr über- wiegend junge Patienten mit ei- ner großen Heilungschance teure Krankenhausbetten füllen, son- dern in zunehmendem Maß alte multimorbide Patienten. Eine ko- stenintensive Diagnostik erfaßt auch das ganze Spektrum ihrer Leiden; aber am Ende des diagno- stischen Weges ist so mancher al- te Patient pflegereif geworden.
Das Ziel geriatrischer Medizin, dem alten Menschen soweit zu helfen, daß er wieder in der Lage ist, seine ursprünglichen Tätig- keiten auszuüben, ist in solchen Fällen nicht erreicht worden, im
Gegenteil. Schuld daran hat we- der der Arzt noch die Schwester.
Die Misere steckt im Gesundheits- system.
Diese Problematik, verknüpft mit der zu erwartenden demographi- schen Entwicklung und der Frage nach der Finanzierbarkeit des Ge- sundheitssystems, erfordert ein neues gesundheitspolitisches Konzept, das strukturelle Verän- derungen schafft, und an dem Ärzte und Gesundheitspolitiker gemeinsam arbeiten sollten. ..,. Die versicherungsmäßige Ab- deckung des Pflegerisikos, wie immer sie aussehen mag, geht an den tatsächlichen Problemen vor- bei. Sie kann den verhängnisvol- len Entwicklungszyklus zur Pfle- gereife hin nicht unterbrechen, sie kann das Risiko nur verwalten.
Wie jeder geriatrisch tätige Arzt weiß, steht ein alter Patient vor seiner Entlassung aus dem Kran- kenhaus häufig vor drei Fragen:
1. Wiedereingliederung in die Fa-
milie? l>
Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 33 vom 14. August 1985 (37) 2317