Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 21|
28. Mai 2010 A 1041E
ine gute Nachricht für die 30 000 Ärztinnen und Ärzte in den 470 katholischen Krankenhäusern:Dienstnehmer und Dienstgeber in der Arbeitsrechtli- chen Kommission des Deutschen Caritasverbandes ha- ben sich darauf verständigt, alle vergütungsrelevanten Bestandteile des Tarifvertrags für Ärzte an kommuna- len Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) in die Arbeitsvertragsrichtlinien der Caritas zu überneh- men und in den Folgejahren entsprechend anzupassen.
Bei ihrer Sitzung am 23./24. Juni wird die Arbeitsrecht- liche Kommission dies voraussichtlich offiziell be- schließen. Für die Ärzte gelten somit künftig dieselben Eingruppierungsregeln und dieselbe Entgelttabelle wie für ihre 55 000 Kollegen in den kommunalen Kliniken.
Die Arbeitsrechtliche Kommission reagiert mit ihrer Entscheidung, den TV-Ärzte/VKA wie früher den Bun- desangestelltentarifvertrag als Leitwährung zu akzeptie- ren, auf die Realitäten im Wettbewerb um qualifiziertes ärzt liches Personal. Denn viele katholische Krankenhäu- ser haben die Ärztetarife des Marburger Bundes (MB) schon längst durch die Hintertür eingeführt. Sie zahlen den Ärzten individuelle Zulagen, um sie als neue Kräfte zu gewinnen beziehungsweise zum Bleiben zu bewegen.
Die aktuelle Einigung zwischen Dienstnehmern und Dienstgebern sorgt hier für eine überfällige Transparenz und Gerechtigkeit. Es profitieren vor allem jene Ärzte, die ihrem katholischen Arbeitgeber in den vergangenen Jahren trotz besserer Verdienstmöglichkeiten in anderen Krankenhäusern treu geblieben sind und den Ärzteman- gel auch nicht als Druckmittel für individuelle Gehalts- steigerungen nutzen wollten oder konnten.
Sicher werden nun die Ärzte in den katholischen Krankenhäusern die aktuelle Tarifauseinandersetzung zwischen dem MB und der VKA mit noch größerer Spannung verfolgen. Einstweilen kann hier jedoch kei- ne Annäherung der Tarifvertragsparteien vermeldet werden. Nach Angaben der Ärztegewerkschaft beteili- gen sich seit dem 17. Mai circa 15 000 Ärzte an 200 Standorten an dem Arbeitskampf, mit dem die Arbeit-
geberseite zu Zugeständnissen gezwungen werden soll – Tendenz steigend. Eine Rückkehr an den Verhand- lungstisch ist derzeit nicht absehbar. Stattdessen gefal- len sich MB und VKA in Tarifritualen und bezichtigen sich gegenseitig der Lüge.
Auf einem ganz anderen Blatt steht die Frage, ob der TV-Ärzte/VKA überhaupt noch als Leitwährung für Tarifabschlüsse taugt. Die Antwort ist „Ja“ – bezeichnet man doch jeweils die im internationalen Währungssys- tem bedeutsamste Währung als Leitwährung. Und in der Tarifwelt der Ärzte regelt der TV-Ärzte/VKA zwei- fellos die Arbeitsbedingungen und Vergütungen der größten Gruppe von Ärzten. Dies gilt umso mehr, wenn die Caritas die vergütungsrelevanten Bestandteile dem- nächst übernimmt.
Freilich würde es die Ärztegewerkschaft bevorzu- gen, wenn nicht der bedeutsamste, sondern der jeweils beste Tarifvertrag als Vorbild für den nächsten Ab- schluss diente. Dies wäre derzeit – pikanterweise – der Tarifvertrag für die Ärzte im Medizinischen Dienst der Krankenversicherung. Dort startet beispielsweise ein Facharzt mit 5 254 Euro, bei einer 38,5-Stunden-Wo- che, 13 Monatsgehältern und einem Zuschlag je Kind von 102 Euro. Im Tarifbereich VKA verdient ein Fach- arzt im ersten Jahr 4 834 Euro, bei einer 40-Stunden- Woche, zwölf Gehältern und ohne Kinderzuschläge.
ÄRZTETARIFE
Caritas akzeptiert Leitwährung
Jens Flintrop
Jens Flintrop Redakteur für Gesundheits- und Sozialpolitik