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Archiv "114. Hauptversammlung des Marburger Bundes: Ärztetarife für alle Ärzte!" (14.11.2008)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 46⏐⏐14. November 2008 A2433

P O L I T I K

E

s wird nicht gekürzt!“, beendete Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt zur Eröffnung der 114.

Hauptversammlung des Marburger Bunds (MB) Spekulationen, wonach die Mehreinnahmen der Kranken- häuser im Jahr 2009 geringer aus- fallen könnten als die von der Politik fest zugesagten 3,2 Milliarden Euro.

Der Spitzenverband Bund der Kran- kenkassen hatte gefordert, die Mehr- ausgaben für den Krankenhaussektor um 1,3 Milliarden Euro zu kürzen.

Dazu solle die Lücke zwischen den Landesbasisfallwerten und den durch- schnittlichen krankenhausindividu- ellen Basisfallwerten geschlossen (minus 600 Millionen Euro) sowie die Vergütung von Mehrleistungen der Krankenhäuser auf 35 Prozent im Jahr 2009 gekürzt werden (mi- nus 700 Millionen Euro). Diesen Vorstoß wies Schmidt vor den 203 Delegierten im Berliner Estrel-Ho- tel zurück. „Das finden wir klasse, das finden wir gut“, kommentierte der MB-Bundesvorsitzende, Rudolf Henke. Er wird die Ministerin bei- zeiten an dieses Versprechen erin- nern müssen.

Die öffentliche Veranstaltung am ersten Tag der Hauptversammlung widmete sich der unbefriedigenden

Situation der überwiegend for- schenden Ärzte in Universitätsklini- ken. Diese fallen (noch) nicht unter den Tarifvertrag für die Ärzte an Universitätskliniken, was beispiels- weise für einen Assistenzarzt im fünften Berufsjahr eine Gehaltsein- buße in Höhe von 10 000 Euro im Jahr nach sich zieht. Für einen Ober- arzt im siebten Berufsjahr sind es sogar 25 000 Euro. „Wir haben da- mals vom ersten bis zum letzten Tag dafür gekämpft, dass alle Mitarbei- ter eines Universitätsklinikums, die als Arzt oder in einer arztähnlichen Tätigkeit beschäftigt sind, den glei-

chen Tarifvertrag bekommen“, erin- nerte sich Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Hamburg, an die Ver- handlungen mit der Tarifgemein- schaft deutscher Länder (TdL) im Jahr 2006. Die Finanzminister der Länder hätten an dieser Stelle je- doch auf stur geschaltet. Montgo- mery: „Heute zahlen wir den Preis dafür: Immer weniger Ärzte wollen forschend tätig sein.“ Dies gelte nicht nur für den Nachwuchs, be-

richtete Ministerialdirektor Wedig von Heyden, Generalsekretär des Wissenschaftsrats: „Die Univer- sitätsklinika bekommen auch zu- nehmend Schwierigkeiten, entspre- chende Oberärzte zu finden, die dann eine wissenschaftliche Lauf- bahn einschlagen.“

Mit Sorge sehe der Marburger Bund, dass die überdurchschnittli- che Leistungs- und Einsatzbereit- schaft der in der Forschung tätigen Mediziner vielfach nicht angemes- sen gewürdigt werde, heißt es in einem einstimmig gefassten Be- schluss der 114. Hauptversamm-

lung. Fehlende Anerkennung, man- gelnde finanzielle Unterstützung und unzureichende Strukturen hiel- ten begabte Mediziner von der For- schung fern, veranlassten sie, ins Ausland zu abzuwandern bezie- hungsweise aus dem Ausland nicht nach Deutschland zurückzukehren.

Henke: „Die tarifliche Gleichbe- handlung der forschenden Kollegen ist unsere Minimalforderung, um in Zeiten des stärker werdenden Ärzte-

Fotos:Christian Griebel

Der Einsatzwille seiner Mitglieder sei die wichtigste Stärke des Marbur- ger Bunds, betonte Rudolf Henke in seinem Bericht zur Lage – lang anhal- tender Applaus.

114. HAUPTVERSAMMLUNG DES MARBURGER BUNDES

Ärztetarife für alle Ärzte!

Von den Tarifverträgen des Marburger Bunds profitieren derzeit weder die

forschenden Ärzte in Universitätskliniken noch die Ärzte bei der Deutschen Renten- versicherung und in den konfessionellen Krankenhäusern. Dies soll sich ändern.

Heute zahlen wir den Preis dafür: Immer weniger Ärzte wollen forschend tätig sein.

Frank Ulrich Montgomery

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A2434 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 46⏐⏐14. November 2008

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mangels überhaupt noch qualifizier- ten Nachwuchs für die Wissenschaft gewinnen zu können.“ Der MB-Vor- sitzende forderte die Wissenschafts- minister der Länder auf, bis zur kom- menden Tarifrunde zwischen dem Marburger Bund und der TdL An- fang 2009 ein Umdenken in ihrem Arbeitgeberverband einzuleiten. Wer forschende Ärzte mit Gehaltsab- schlägen bestrafe, dürfe sich nicht wundern, wenn die klinische For- schung hierzulande ihre internatio- nale Konkurrenzfähigkeit verliere.

In weite Ferne gerückt ist derweil eine Einigung zwischen der Ärzte- gewerkschaft und der Deutschen Rentenversicherung. Für die rund 2 000 Ärztinnen und Ärzte in die- sem Tarifbereich fordert der MB ebenfalls einen eigenständigen Ta- rifvertrag, der sich in Vergütungs- fragen und bei den Arbeitszeiten am Abschluss mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände für die kommunalen Krankenhäuser orientieren soll. Nach ersten Ge- sprächen sei die Arbeitgeberseite überraschenderweise nicht mehr bereit gewesen, mit dem Marburger Bund Tarifverhandlungen zu führen, erläuterte Lutz Hammerschlag.

Dieser „Kriegserklärung“ wolle man mit einer Urabstimmung be- gegnen, betonte der Tarifexperte.

Bei einem Votum der betreffenden MB-Mitglieder für eine Arbeits- kampfmaßnahme – „und davon ge- he ich aus“ – bereite man für die erste Jahreshäfte 2009 einen Streik der Ärzte bei der Deutschen Ren- tenversicherung vor.

Ausgeschlossen sind solche Ar- beitskampfmaßnahmen bekanntlich

an den kirchlichen Krankenhäusern.

Um die katholische und die evangeli- sche Kirche dennoch zu Tarifge- sprächen zu bewegen, will der MB seine Mitglieder verstärkt über die bestehenden Vergütungsunterschie- de zwischen den Klinikarbeitgebern informieren. Je mehr ärztliche Stel- len in den konfessionellen Kranken- häusern nicht besetzt werden kön- nen, desto größer ist die Bereitschaft der Kirchen zu verhandeln, lautet das Kalkül. „Im kommenden Jahr zahlen die Kommunen ärztlichen Berufsan- fängern 3 662 Euro im Monat, der Caritastarif liegt bei 3 105 Euro plus 90 Euro je Kind“, berichtete Henke der Hauptversammlung. Bei Ärzten, die aus einer kommunalen Klinik oder aus einem Universitätsklinikum wechselten und die bereits Berufser-

fahrung hätten, könne der Unter- schied sogar bei mehreren Tausend Euro im Jahr liegen. Denn Neuein- steiger aus dem nicht kirchlichen Be- reich würden stets in die niedrigste Entgeltstufe 1 eingruppiert. Per Be- schluss forderten die Delegierten die katholischen und evangelischen Kli- nikarbeitgeber abermals auf, umge- hend Tarifverhandlungen mit dem MB aufzunehmen mit dem Ziel, die Arbeitsverhältnisse an kirchlichen Krankenhäusern den arztspezifi- schen Regelungen der bereits abge- schlossenen Tarifverträge mit den Kommunen, den Ländern und den privaten Häusern anzupassen.

An die Abgeordneten des Eu- ropäischen Parlaments appellierte

die 114. Hauptversammlung, das Bestreben der Europäischen Kom- mission und des Rats der Europä- ischen Union abzulehnen, das eine Unterteilung der Bereitschaftsdiens- te in „inaktive“ und „aktive“ Phasen vorsieht. Zur ausschlaggebenden Richtlinie 2003/88/EG habe der Eu- ropäische Gerichtshof unmissver- ständlich festgestellt, dass die ge- samte Zeit des Bereitschaftsdienstes von Ärztinnen und Ärzten in Ge- sundheitseinrichtungen Arbeitszeit sei. Dabei müsse es bleiben. Die am 5. November mit großer Mehrheit getroffene Entscheidung im Sozial- ausschuss des Europäischen Parla- ments, dem Vorschlag der EU-Kom- mission nicht zu folgen, mache Mut, betonte Henke – „entscheidend ist aber das Votum des Parlaments Mit- te Dezember“. Dieses müsse aber mit der absoluten Mehrheit des Par- laments – also nicht nur der Anwe- senden – gegen die Revision der Richtlinie ausfallen, erläuterte Gabi Zimmer, Mitglied des Europäischen Parlaments für die Fraktion Die Lin- ke, den Delegierten: „Ich bin da eher skeptisch, dass das gelingt.“

Als in dieser Form „unzurei- chend und nicht sachgerecht“

kritisierte die 114. Hauptversamm- lung einen Passus im aktuellen Ent- wurf zum Krankenhausfinanzierungs- rahmengesetz, der sich mit der Fi- nanzierung der Kosten für die ärztli-

che Weiterbildung im Krankenhaus beschäftigt. Demnach soll geprüft werden, ob zur sachgerechten Fi- nanzierung der mit der Weiterbil- dung verbundenen Mehrkosten Zu- oder Abschläge für bestimmte Leis- tungen oder Leistungsbereiche in Abhängigkeit von Qualitätsindika- toren erforderlich sind. Der MB for- dert, diesen Auftrag zu streichen.

Stattdessen müsse die Unterfinan- zierung der Krankenhäuser und da- mit auch der Weiterbildung beendet werden. Hintergrund ist die Sorge, dass die ärztliche Weiterbildung auf diesem Weg monetär messbar und so Bestandteil von Budgetverhand- lungen werden könnte. n Jens Flintrop Ein offenes Ohr

für die Sorgen der Medizinstudieren- den hatte Ulla Schmidt am Rande der Hauptversamm- lung. Martin Fein- dor, Agnes Baj und Patrick Weinmann (v. l.) mit der Bun- desministerin für Gesundheit

Die Kommunen zahlen Berufsanfängern 3 662 Euro im Monat, der Caritastarif liegt bei 3 105 Euro.

Rudolf Henke

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