• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "120. Hauptversammlung des Marburger Bundes: Im Schatten der Tarifverhandlungen" (11.11.2011)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "120. Hauptversammlung des Marburger Bundes: Im Schatten der Tarifverhandlungen" (11.11.2011)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A 2376 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 108

|

Heft 45

|

11. November 2011

E

s ist kurz nach 12 Uhr, als Ru- dolf Henke am 5. November die Sitzungsleitung der MB-Haupt- versammlung an Dr. med. Andreas Botzlar übergibt. Er habe ein drin- gendes Telefonat zu führen, erläu- tert der 1. Vorsitzende, das Handy am Ohr. Die etwa 200 Delegierten verzeihen ihm diese Ablenkung.

Schließlich geht es darum, den für den 7. November geplanten Ar- beitskampf der Ärztinnen und Ärzte an den Universitätskliniken doch noch abzuwenden. Und tatsächlich:

In der Mittagspause stimmt die Große Tarifkommission dem von der Verhandlungskommission in den 20 vorhergehenden Stunden ausgehandelten Kompromiss zu, so dass Henke um 15 Uhr die Tarifei- nigung besiegeln kann – per Hand- schlag mit dem niedersächsischen Finanzminister und TdL-Vorsitzen- den Hartmut Möllring. Um kurz nach 16 Uhr tritt Henke dann mit seinem Verhandlungsführer Lutz Hammerschlag wieder vor die Hauptversammlung und verkündet die Tarifeinigung: Der Streik von bis zu 20 000 Ärzten an den 23 Uni- versitätskliniken im Geltungsbe- reich der TdL ist abgesagt.

Das Ergebnis der Verhandlun- gen: Die Gehälter der Uniklinikärz- te steigen ab dem 1. November 2011 um 3,6 Prozent. Für die Mo- nate Juli bis Oktober 2011 gibt es eine Einmalzahlung in Höhe von 350 Euro. Auch die Nachtdienste der Ärzte werden besser bezahlt:

Für Vollarbeit in der Nacht erhalten die Ärzte ab dem 1. Januar 2012 pro Stunde einen Zeitzuschlag in Höhe von 20 Prozent anstelle des bisheri- gen Stundenzuschlages für Nacht- arbeit von 1,28 Euro. Für die nächt- lichen Bereitschaftsdienste wird ab dem 1. Januar 2012 ebenfalls ein Zeitzuschlag in Höhe von 20 Pro- zent je Stunde gezahlt. Fachärzte mit langer Berufserfahrung profi- tieren darüber hinaus von einer

strukturellen Veränderung der Ent- gelttabelle: So wird ab 2012 in der Entgeltgruppe Ä 2 eine zusätzliche Stufe 5 eingefügt, die den Betrag der Stufe 4 nach der linearen Erhö- hung um 3,6 Prozent um 120 Euro übersteigt. Ab 2012 werden zudem die Ärzte im Justizvollzugsdienst der Länder in den Geltungsbereich des Tarifvertrages aufgenommen.

Dieser gilt jedoch weiterhin nicht für die Betriebsärzte in den Unikli- niken– eine bittere Pille für den MB. Der neue Tarifvertrag mit der TdL hat eine recht lange Mindest- laufzeit, bis zum 28. Februar 2013.

„Sie, die Ärztinnen und Ärzte in den Unikliniken, die in der Urab- stimmung für den Arbeitskampf vo- tiert haben und deutlich gemacht haben, den unbefristeten Arbeits- kampf auf Teufel komm raus durch- ziehen zu wollen, haben dafür ge- sorgt, dass die TdL doch noch von ihrem Tarifdiktat abgerückt ist“, rief der sichtlich übermüdete Verhandlungsführer Hammerschlag den Delegierten der 120. Haupt - versammlung zu. Hintergrund: Die TdL hatte zuvor darauf beharrt, dass das Gesamtvolumen des Tarif- abschlusses ein Plus von 3,75 Pro-

Fotos (2): Gustav Butenhoff

Einigung kurz vor Toresschluss:

Rudolf Henke (links) und Hartmut Möll- ring verkünden den Tarifabschluss für die Ärzte an den Unikliniken. Der ge- plante Streik ist ab- gewendet.

120. HAUPTVERSAMMLUNG DES MARBURGER BUNDES

Im Schatten der Tarifverhandlungen

Während die MB-Hauptversammlung in Berlin-Neukölln tagt, einigt sich die MB-Verhandlungs - kommission in Berlin-Mitte mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) auf einen neuen Tarifvertrag für die Ärzte an den Universitätskliniken.

Foto: dapd

P O L I T I K

(2)

A 2378 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 108

|

Heft 45

|

11. November 2011 zent bei einer Laufzeit von 24 Mo-

naten nicht übersteigen dürfe (was dem Tarifabschluss der TdL mit Verdi entspricht). Der jetzt gefun- dene Kompromiss – 3,6 Prozent li- near, plus Zeitzuschläge, plus eine zusätzliche Stufe für die Fachärzte – dürfte hingegen ein Gesamtvolu- men in einer Größenordnung von knapp fünf Prozent haben. Ham- merschlag: „Ohne die klar artiku- lierte Streikbereitschaft der Ärztin- nen und Ärzte wäre die TdL nicht vom Tarifdiktat abgerückt.“ Ziel der TdL sei es gewesen, den MB zurückzuzwingen in die Zeit vor 2006, „als andere als wir die Tarif- verträge für uns abschlossen“.

„Wir sind nicht in Jubelstim- mung, können aber mit dem Er- reichten leben“, kommentierte der MB-Vorsitzende Henke den Ab- schluss. Dem Verband sei es wich- tig gewesen, neben einer akzepta- blen linearen Gehaltserhöhung sub-

stanzielle Verbesserungen bei den Nachtdiensten zu erreichen, betonte Henke: „Mit den Zeitzuschlägen in Höhe von 20 Prozent haben wir ei- nen neuen Standard gesetzt. Diesen Weg werden wir in künftigen Tarif- runden weitergehen.“

Zentrales Thema der 120. MB- Hauptversammlung waren – im Schatten der Tarifverhandlungen – die Anforderungen an den ärztlichen Arbeitsplatz im Krankenhaus. „Die Arbeitsbedingungen des im Kran- kenhaus angestellten Personals wer- den komplexer und anspruchsvoller, was zu erheblichen Belastungen und Frustrationen, im gravierendsten Falle zu Erkrankungen, zum Bei- spiel Burn-out-Syndrom, führt“, heißt es dazu in einem Beschluss, der auf einen Antrag des Bundesvor- standes zurückgeht. Um den Belas- tungen entgegenzuwirken, einem zunehmenden Ärztemangel vorzu- beugen, die Berufszufriedenheit zu erhöhen und somit die Qualität der Patientenversorgung auf einem ho- hen Niveau zu erhalten, müsse der Arbeitsplatz Krankenhaus für Ärzte attraktiver gestaltet werden.

Dringenden Handlungsbedarf sieht die Ärztegewerkschaft vor allem in fünf Bereichen:

Tarifliche Bedingungen wei- ter verbessern. Die angemessene Vergütung der Arbeit zu ungünsti- gen Zeiten, die Reduzierung der immer noch zu hohen Arbeitsbelas- tung (besonders durch zu viele Be- reitschaftsdienste pro Monat) und die Ausweitung des Geltungsbe- reichs der Tarifverträge auf alle

Ärzte sind Ziele, die in den bevor- stehenden Tarifverhandlungen er- reicht werden sollen.

Vereinbarkeit Privatleben und Beruf. Der MB hat es sich zum Ziel gesetzt, die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit in der Medizin und vor allem in Kranken- häusern zu fördern. Arbeitszeiten seien dann familienfreundlich, wenn sie planbar und zuverlässig sind, heißt es. Wichtig seien auch die Kinderbetreuungszeiten. Diese müssen die tatsächlichen ärztlichen Dienstzeiten abdecken.

Neue Führungs- und Mitar- beiterkultur. Der MB fordert den Abbau hierarchischer Strukturen in den Kliniken. Dazu gehöre, dass der Führungsstil und der Umgang unter den Ärzten in der Abteilung fallbezogen partizipativer werde.

So sollten etwa Abteilungsziele ge- meinsam besprochen und festgelegt werden, meint der MB.

Prozesse optimieren – Büro- kratie eindämmen. Die Ärzte sol- len von bürokratischen Tätigkeiten entlastet werden, die nicht unmittel- bar die medizinische Versorgung

der Patienten dokumentieren, son- dern ausschließlich Abrechnungs- und sonstigen administrativen Zwe- cken dienen.

Gesundheitsmanagement im Krankenhaus. Der MB fordert die Krankenhausträger auf, flächende- ckend ein betriebliches Gesund- heitsmanagement zum Zwecke der Erhaltung und des Ausbaus der Ar- beitsbewältigungsfähigkeiten der Mitarbeiter einzuführen.

An den Gesetzgeber appelliert die Ärztegewerkschaft, neben der Verbesserung der Strukturen im ambulanten Bereich auch die Siche- rung einer qualitativ hochwertigen stationären Versorgung im Blick zu haben: „Während für den ambulan- ten ärztlichen und zahnärztlichen Bereich im Rahmen des Versor- gungsstrukturgesetzes Verbesserun- gen der Finanzierung vorgesehen sind, bleibt der stationäre Bereich nicht nur unberücksichtigt, sondern muss infolge der durch das GKV- Finanzierungsgesetz von 2010 vor- gesehenen Regelungen spürbare und dauerhafte Kürzungen hinneh- men“, kritisieren die Delegierten.

Sie fordern deshalb die Rücknahme der geplanten Absenkung der Ver- änderungsraten um 0,5 Prozent- punkte für 2012 und die Einführung einer Kopplung des Basisfallwerts an den bereits 2009 zugesagten Ori- entierungswert mit einem Aus- gleich der tarifvertraglich bedingten Personalkostensteigerungen.

Der Ruf nach mehr Geld für die Kliniken ist jedoch nicht ungefähr- lich: „Denn immer, wenn wir den Eindruck erwecken, dass die Kran- kenhäuser unterfinanziert sind, hau- en uns das die Klinikarbeitgeber in den Tarifverhandlungen um die Oh- ren“, berichtete Henke. Nach der Einigung mit der TdL hofft er des- halb nun auch auf eine zügige Kompromissfindung in den Ver- handlungen mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände:

„Wenn die großen Tarifrunden rechtzeitig beendet sind, können wir gemeinsam dafür eintreten, dass doch noch eine Regelung ins Versorgungsstrukturgesetz kommt, die die Krankenhausbudgets im nächsten Jahr entlastet.“

Jens Flintrop

Wir haben nicht alle Ziele erreicht, aber wichtige Wegmarken gesetzt.

Rudolf Henke, MB-Vorsitzender

P O L I T I K

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Gute Arbeitsbedingungen für die Klinikärzte seien der beste Schutz für die Patienten, meint der Marburger Bund.. Die Gewerkschaft plädiert für einen offenen Umgang

„60 Prozent Deutsch- lands sind damit orange“, kommen- tierte Hammerschlag und zeigte eine Deutschlandkarte, in der die Regionen mit arztspezifischen Ta- rifverträgen in der

Diese fallen (noch) nicht unter den Tarifvertrag für die Ärzte an Universitätskliniken, was beispiels- weise für einen Assistenzarzt im fünften Berufsjahr eine Gehaltsein- buße in

Im Gegenzug habe man aber auch sämtliche Forderungen der Arbeitgeberseite – vor allem eine Er- höhung der Arbeitszeit, eine leis- tungsorientierte Vergütung und eine Verschärfung

„Dabei hat vor allem die Tatsache, dass wir keine Streikkasse haben und viele streikende Ärzte somit auf Ge- halt verzichteten, um für ihre Belange zu kämpfen, entscheidend zur

Die Große Tarifkommission emp- fehle den Delegierten, den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) abzulehnen und die Verhandlungsvoll- macht für die Vereinigte

September 2003 – zur Wertung der Be- reitschaftsdienstzeit als volle Arbeitszeit sehen sich jetzt die Klinikärzte weiter zurückgeworfen: Die Klinikarbeitgeber spielen auf Zeit

Es müsse vielmehr festgelegt werden, dass der Nichtaufnahme oder dem Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen nur dann entsprochen werde, wenn eine Patientenverfügung aktuell sei und