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Archiv "Drei Häuser sollen dichtgemacht werden" (24.05.1996)

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P O L I T I K AKTUELL

B

ereits im Jahr 1975 wurden gut funktionierende kleine Berli- ner Klinikverwaltungen zer- schlagen. Die Krankenhäuser – ursprünglich in der Gründerzeit als soziale Einrichtungen erbaut – wur- den zu „Betrieben“ erklärt und Mam- mutbetriebe mit oft weit auseinander liegenden Zweigbetrieben geschaf- fen. So wurde zum Beispiel die Lun- genfachklinik Heckeshorn dem Beh- ring-Krankenhaus zugeschlagen, und

es erfolgte die Umbenennung in

„Krankenhausbetrieb Berlin-Zehlen- dorf“. Ähnlich geschah es dem sehr gut arbeitenden Krankenhaus Britz, das inzwischen ganz verschwunden ist. Heute halten Verwaltungsleute das Gelände besetzt, vom schönen Park existieren nur noch Reste.

Als DDR-Kenner muß man über die Umbenennung betroffen sein, wundert sich aber andererseits, wes- halb die Kliniken nicht gleich in

„Kombinate“ umgewandelt wurden.

Das hätte die Abwicklung wesentlich erleichtert. Gleichzeitig wurden im Jahr 1975 besonders Krankenhaus- betten in den Fachbereichen Gynäko- logie, Kinderheilkunde und Chirurgie abgebaut.

1985/86 unter dem damaligen Berliner Gesundheitssenator Ulf Fink (CDU) folgte eine zweite große Schließungs- und Beunruhigungswel- le für die Berliner Kliniken. Damals wurden gegen den erbitterten Wider- stand der Betrof- fenen der kosten- trächtige Umzug des Universitäts- klinikums West- end nach Wedding und die Auflö- sung des Städti- schen Rudolf-Vir- chow-Kranken- hauses durchge- setzt. Im Laufe des Jahres 1986 erschienen meh- rere Artikel, die darauf aufmerk- sam machten, daß in Westberlin bei jüngeren Menschen eine auffallend hohe Sterblichkeit im Vergleich zum Bundesgebiet besteht.

Gleichzeitig wurde darauf hingewie- sen, daß in Westberlin bereits 1982 die Zahl der allgemeinchirurgischen Bet- ten unter dem Bundesdurchschnitt lag.

Der Berliner Gesundheitssena- tor behauptete, daß diese Daten nicht zuträfen, insbesondere sei Berlin mit operativen Krankenhausbetten gut versorgt. Dem widerspricht allerdings

der Krankenhausplan für das Land Berlin 1986 (Tabelle 14, Seite 61). Die Summe aller operativen Betten in Berlin-West lag bereits 1982 unter dem Bundesdurchschnitt, besonders ungünstig ist die Situation in den Fachbereichen Gynäkologie und Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde.

Entgegen allen Hoffnungen brachte die Vereinigung für die West- berliner Kliniken keine Ruhe. Im März 1996 wurde über die komplette Schließung des Universitätsklinikums Benjamin Franklin (Steglitz) und des Urban-Krankenhauses (einziger

„Krankenhausbetrieb“ von Kreuz- berg) diskutiert; Anfang April kün- digten die Krankenkassen vier ge- meinnützigen Krankenhäusern die Verträge und stellten in Aussicht, die Städtischen Kliniken („Betriebe“) Neukölln, Urban, Wenckebach und

A-1387 Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 21, 24. Mai 1996 (23)

Vom Exitus bedroht: das Städtische Krankenhaus Neukölln zu Berlin. Blick auf das Hauptgebäude des Altbaus, errichtet 1909

Drei Häuser sollen dichtgemacht werden

BERLIN. Die Krankenkas- senverbände von Berlin haben En- de März die Versorgungsverträge mit drei Krankenhäusern freier Träger zum 31. März 1997 wirksam gekündigt. Diese Häuser – das Krankenhaus Hildegard, das Evangelische Krankenhaus in der Hohenzollernstraße in Zehlendorf und das DRK-Krankenhaus Mark Brandenburg in Mariendorf – sol- len in Pflegeeinrichtungen „umge- widmet“ werden. Erhalten bleiben sollen die ursprünglich ebenfalls gekündigten Krankenhäuser Hu- bertus, Malteser und DRK-Mark Brandenburg in Wedding. Sie müs- sen jedoch mit den Krankenkas- senverbänden ein geändertes Lei- stungsspektrum aushandeln und 38 Millionen DM einsparen. Der Rest der geforderten Einsparun- gen soll durch eine Budgetminde- rung in allen 98 Berliner Kliniken, eine Verkürzung der Verweildauer und eine neue Geriatrieplanung aufgebracht werden.

Die Zahl der Klinikbetten soll bis 1999 um 2 000 auf 26 500 redu- ziert werden. Seit 1990 war die Zahl bereits um 10 000 auf 32 000

gesenkt worden. HC

Krankenhäuser

Zerschlagung in Westberlin

In keinem alten Bundesland wurde die Kostendämpfung im Gesundheitswesen mit so wenig Rücksicht auf den kranken Menschen und die im Gesundheitswesen tätigen Fachberufe, die Lehrenden und Lernenden durchgeführt wie in Westberlin. Die aktuel- len Vorgänge zur Schließung weiterer Berliner Krankenhäuser sind ein Beleg für die auch in anderen Bundesländern zu beobachtenden politischen Bestrebungen.

Annemarie Wiegand

(2)

AVK zu schließen, wenn dort nicht Einsparungen in dreistelliger Millio- nenhöhe erfolgten. Noch nie wurden bei den Plänen zur Schließung von Krankenhausbetten in Westberlin Daten aus der Bevölkerungsstatistik berücksichtigt. Den Vertretern der Krankenkassen scheint auch unbe- kannt zu sein, daß in nächster Zu- kunft der Umzug der Regierung nach Berlin geplant ist, was mit einer er- heblichen Zunahme der Bevölkerung verbunden sein dürfte.

Betten-Mangel

Ein Blick in die Bevölkerungssta- tistik zeigt, daß ausschließlich des- halb, weil in Westberlin die Zahl von Männern im Alter von über sechzig Jahren seit 1972 stark zurückging, die bisherigen Betteneinsparungen keine dramatischen Folgen hatten (vgl. Ta- belle). Im Zeitraum von 1972 bis 1992

ging die Zahl der Todesfälle bei Männern im Al- ter zwischen 60 bis unter 70 Jah- ren von 4 500 auf 1 860 zurück. Sie erhöht sich aber bis zum Jahre 2002 wieder und verdoppelt sich in einem Zeitraum von nur zehn Jah- ren auf ungefähr 3 550 Fälle. Da- von werden rund 1 120 Todesfälle durch Krebs sein

(1992 = 588 Fälle). In den Zahlen für das Jahr 2002 ist der Regierungsum- zug nicht berücksichtigt, ebensowenig die Inanspruchnahme durch Kranke aus dem Umland. Bereits im Winter 1995/96 kündigten sich Engpässe an, wenn man versuchte, ein Kranken-

hausbett für einen Notfall zu finden.

Das verwundert nicht, denn im Jahr 1996 tritt der geburtenstarke Jahr- gang 1936 ins sechzigste Lebensjahr.

Auch wenn man den Bettenreduzie- rungsplänen noch Einhalt gebietet, die Situation in Berlin ist bereits heu- te so, daß kurzfristig mit einem Man- gel an Krankenhausbetten für Patien- ten mit operationspflichtigen Krank- heiten zu rechnen ist.

Bereits in jüngster Zukunft ist damit zu rechnen, daß in Westberlin Krebspatienten, die womöglich durch eine Operation geheilt werden könnten, nicht mehr operativ behan- delt werden, weil Krankenhausbet- ten fehlen. Dasselbe kann womög- lich Unfallopfern geschehen. Sie müssen dann ohne Operation zum Sterben in ein Pflegeheim verlegt werden.

Das hat eine weitere Konse- quenz: Kranke werden frühzeitig zu Pflegefällen erklärt (für sie ist die ge- setzliche Krankenkasse nur noch im Falle der Behandlungspflege zustän- dig). Die gesetzliche Pflegeversiche- rung deckt aber bei weitem nicht die Kosten einer professionellen häusli- chen Pflege, geschweige denn die sta- tionären Pflegekosten. Wenn der zum Pflegefall erklärte Kranke län- ger lebt, verliert er nicht nur seine Rente, sondern oft auch sein Vermö- gen, bis er schließlich zum Sozialfall wird.

Anschrift der Verfasserin:

Dr. med. Annemarie Wiegand Kottbusser Damm 7

10967 Berlin A-1388

P O L I T I K AKTUELL

(24) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 21, 24. Mai 1996 Tabelle

Todesfälle insgesamt und Todesfälle durch bösartige Neubildungen (vorwiegend Krebs) 1972, 1982, 1992 und Prognose für das Jahr 2002, Männer, Berlin-West

Jahr 1972 1982 1992 2002

50 bis unter 55 Jahre

Bevölkerung 38 500 46 100 92 600

Alle Todesfälle 454 575 786

Neubildungen 93 135 240

55 bis unter 60 Jahre

Bevölkerung 43 500 34 800 64 000

Alle Todesfälle 805 614 839

Neubildungen 199 168 260

60 bis unter 65 Jahre 60 300 29 900 43 100 86 000

Alle Todesfälle 1 735 813 903 1 800

Neubildungen 473 226 292 580

65 bis unter 70 Jahre

Bevölkerung 58 600 29 300 29 600 54 000

Alle Todesfälle 2 813 1 308 960 1 750

Neubildungen 721 348 296 540

70 bis unter 75 Jahre 41 500 35 600 22 800 33 000

Alle Todesfälle 3 022 2 392 1 126 1 630

Neubildungen 731 690 318 450

Quellen: Amtliche öffentliche Todesursachenstatistiken. Die Prognose für das Jahr 2002 wurde aus der Bevölkerungsentwicklung 1982/1992 errechnet und aus der Sterblichkeit von 1992. – Die erheblichen Größenunterschiede in den Altersgruppen erklären sich durch die große Zahl von Toten in bestimmten Altersgruppen während des Zweiten Weltkriegs bei oh- nehin geburtenschwachen Jahrgängen (1992: 65 bis unter 70 Jahre alt = 1922–1926 Gebore- ne, 1945 = 19–23 Jahre alt) und geburtenstarke Jahrgänge 1936–1942 (1992: 50 bis unter 55 Jahre alt = 1937–1941 Geborene)

Protestaktionen gegen die geplante Schließung von Kränkenhäusern, hier vor dem Evangelischen Krankenhaus Hubertus Fotos (2): Dr. med. Annemarie Wiegand, Berlin

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