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Archiv "Talkshow bei Bayer Leverkusen: Zu lasch — oder zu streng? Erfahrungen mit dem Gentechnik-Gesetz in der BRD" (24.07.1992)

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GI

entechnik am Standort Deutschland" — so könnte das Thema einer wissenschaftlichen Arbeit lauten. Falsch gedacht: „Gen- technik am Standort Deutschland" war die The- menvorgabe für zwei Fach- frauen und vier Fachmänner, die die Bayer AG Anfang Juli zu einer Talkshow mit rund 250 Gästen in ihr Kommuni- kationszentrum des Werkes Leverkusen eingeladen hatte.

Gekommen waren neben zahlreichen Mitarbeitern des Unternehmens auch interes- sierte Bürger. Für Bayer war es die zweite Gesprächsrunde dieser Art; den Auftakt hatte im vergangenen Jahr eine Talkshow zum Thema „Tier- versuche" gemacht.

Bayer hatte sich für eines der klassischen Talkshow-Ar- rangements entschieden:

Drei runde Tische; am mittle- ren der Moderator Ulrich Meyer, bekannt aus der Fern- sehsendung „Einspruch" in SAT 1; auf der rechten Seite

„Kritiker" (Dr. Regine Kol- lek, Virologin, Hamburger Institut für Sozialforschung, und Dr. Beatrix Tappeser, Biologin, Öko-Institut Frei- burg), auf der linken Seite

„Befürworter" (Prof. Dr.

Ernst-Ludwig Winnacker, Di- rektor am Gen-Zentrum des Max-Planck-Instituts Mün- chen, und Dr. Peter Stadler, Leiter der Verfahrensent- wicklung Biochemie im Ge- schäftsbereich Pharma der Bayer AG), in der Mitte sin- nigerweise Vertreter der Poli- tik (Wolf-Michael Catenhu- sen, SPD-Bundestagsabge- ordneter, ehemals Vorsitzen- der der Enquete-Kommission

„Chancen und Risiken der Gentechnologie", und Dr.

Gernot Schuber, Regierungs- direktor im Bundesgesund- heitsministerium, kurz BMG).

„Gentechnik ist, wenn Mäuse so groß werden wie Pferde" — Moderator Ulrich Meyer hatte sich dafür ent- schieden, anhand einiger be- wußt plakativer Beispiele zu verdeutlichen, daß „Gentech- nologie" ein vielschichtiges Thema ist und viele Men- schen eine ambivalente Hal- tung hierzu einnehmen. Er erinnerte daran, daß das so- genannte Gentechnik-Gesetz

der Bundesrepublik Deutsch- land 1990 als Reaktion auf die Wissensexplosion in die- sem Bereich verabschiedet worden sei. Und nun? Sei das Gesetzeswerk tatsächlich zu schnell gestrickt worden und erweise sich nun als zu lasch?

Oder seien die Auflagen für die Industrie gar nicht prakti- kabel und bewirkten, daß in Deutschland gentechnisch gar nichts mehr laufe?

Das Gentechnik-Gesetz habe Rechtssicherheit schaf- fen sollen, seine Umsetzung gerate aber stellenweise zum

„quälenden Prozeß" für Indu- strie und Forschung, urteilte Wolf-Michael Catenhusen (SPD). Vieles in den Landes- behörden laufe nicht so, wie sich das der Bund als Gesetz- geber gedacht habe. Wichtig

sei es, nach Wegen zu suchen, wie Gentechnik in der Bun- desrepublik handhabbar bleibe.

Zur Erinnerung: Nach gel- tendem Recht sind die einzel- nen Bundesländer weitestge- hend für Kontrollen und Ge- nehmigungen nach dem Gen- technik-Gesetz zuständig.

Wichtiger Punkt: Das Gesetz teilt die Arbeit mit gentech- nisch veränderten Organis- men in vier Sicherheitsstufen ein; S 1 steht für Arbeiten oh- ne, S 4 für Arbeiten mit ho- hem Risiko.

p

rof. Ernst-Ludwig Win- nacker (Max-Planck-In- stitut) bestätigte die Aus- sagen Catenhusens: Grob ge- sagt sei der „Papierkrieg" für alle Risikostufen gleich. Wes- halb? Winnacker deutete an, daß seinen Vorstellungen nach Länderbeamte offenbar beschäftigt werden müßten.

Dr. Peter Stadler (Bayer) nannte „mangelnde Traute"

als Hauptgrund für den Um- fang und die Dauer von Ge- nehmigungsverfahren• Beam- te bildeten sich ihre Meinung über Gentechnologie eben auch aufgrund der Medienbe-

richterstattung — und die ist nach unverbrüchlicher Über- zeugung der „Befürworter"

eher schlecht.

Diese Darstellungen blie- ben nicht unwidersprochen:

So verwies Dr. Gernot Schu- ber (BMG) darauf, daß in den entsprechenden Kon- trollbehörden schließlich auch Naturwissenschaftler sä- ßen. Dr. Regine Kollek (Insti- tut für Sozialforschung) be- richtete aus eigener Erfah- rung als Gutachterin: Inner- halb der Unternehmen fehle häufig die Kenntnis darüber, was notwendige Unterlagen seien; auch sie müßten noch dazulernen. Dr. Peter Stadler (Bayer) gestand denn auch zu, daß sich sein Bild in fünf Jahren geändert haben kön- ne; noch sei er aber der Auf-

fassung, daß der notwendige Sachverstand bei den Behör- den nicht vorhanden sei.

Unterschiedlich einge- schätzt wurde auch die Be- deutung und Handhabung der Sicherheitsstufen: Stadler verwies beispielsweise auf ei- ne Genehmigung für ein S 1-Projekt der Firma Grünen- thal, die allerdings mit zahl- reichen Nebenforderungen versehen worden sei. Faktisch habe es sich danach um ein S 2-Projekt gehandelt. Dr. Bea- trix Tappeser (Öko-Institut) konterte: Zwar würden 80 Prozent aller Verfahren in die Sicherheitsstufe 1 einge- stuft. Allerdings umfasse die- se auch die Arbeit mit Sub- stanzen, die zumindest tier- oder pflanzenpathogen seien.

Außerdem sei zwar in vielen Fällen der Ausgangsstoff un- problematisch, aber die gen- technische Manipulation än- dere ja genau diese Situation:

Eine gezielte Veränderung könne, dies sei trivial, eben auch andere als die geplanten Folgen haben.

Ulrich Meyer fragte wei- ter: Warum man denn in Deutschland überhaupt eine gentechnische Produktion be-

nötige? Warum man sich nicht darauf beschränken könne, anspruchsvolle Werk- zeugmaschinen und Fahrzeu- ge der S-Klasse zu bauen?

Prof. Winnacker (Max- Planck-Institut) war der Mei- nung, daß man technologi- sches Know-how nicht tren- nen könne — zwischen einem hohen technologischen Stan- dard in der Gentechnik und in der Fahrzeugtechnik be- steht für ihn ein Zusammen- hang.

D

r. Peter Stadler verwies darauf, daß Bayer die gentechnische Produk- tion zwar 1987 nach Nord- amerika gelegt habe. Die Ar- gumente, die für den Stand- ort USA sprächen, sprächen aber auch für die BRD: Für eine hochentwickelte Tech- nologie benötige man eine entsprechende Infrastruktur und spezielles Know-how der Mitarbeiter; die Nähe zu gro- ßen Absatzmärkten sei von Bedeutung; und schließlich wolle man keine methodische und technologische Verar- mung eines wichtigen Stand- orts.

Stellenweise drohte die Debatte allzu speziell zu wer- den, so, wenn es um das The- ma „Schäden durch Gentech- nologie" ging, beispielsweise um die gentechnische Pro- duktion von Humaninsulin oder von L-Tryptophan.

Doch auch wenn die Talk- show-Teilnehmer über vieles unterschiedlicher Auffassung waren — Dr. Peter Stadler war der Meinung, der Trend gehe weg von „Gegner" und

„Befürwortern" hin zu einer allgemeinen Betrachtung der Gentechnologie unter den Aspekten „Chancen und Risi- ken". In Zukunft müsse man tatsächlich Einzelfälle bewer- ten. Auch Dr. Regine Kollek meinte, daß es für sie keinen Bereich gebe, in dem Gen- technologie generell abzuleh- nen sei. Allerdings lägen vie- len Differenzen unterschied- liche Werthaltungen zugrun- de. Catenhusen stimmte letz- terem zu: Er könne sich nicht vorstellen, daß man zu einem Konsens über Fragen der Freisetzung oder des Einsat- zes der Genomanalyse im Ar- beitsleben kommen werde.

Sabine Dauth

Talkshow bei Bayer Leverkusen

Zu lasch — oder zu streng?

Erfahrungen mit dem

Gentechnik-Gesetz in der BRD

A1-2582 (78) Dt. Ärztebl. 89, Heft 30, 24. Juli 1992

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