A3374 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 50⏐⏐15. Dezember 2006
P O L I T I K
gekühlt, weil die Inanspruchnahme durch die Kostenträger nicht im er- hofften Maße erfolgt sei. Zudem rät er, sich eher auf die eigene Kernkom- petenz zu konzentrieren und mit an- deren Leistungserbringern zu koope- rieren. Nawratil plädiert für eine Zu- sammenarbeit ambulanter und sta- tionärer Einrichtungen, von der beide Seiten profitieren.
Auch Dr. Wolfgang Heine, Ge- schäftsführer der Deutschen Gesell- schaft für medizinische Rehabilita- tion, befürwortet die ambulante Re- ha, jedoch müsse die Behandlung qualitativ genauso hochwertig sein wie eine stationäre Maßnahme.
„Die Vernetzung mit den vorbehan- delnden Einrichtungen, den nieder- gelassenen Ärzten sowie den Be- trieben, in denen die Patienten tätig sind, muss ebenfalls gewährleistet sein“, sagte Heine gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt. Sonst sei die Behandlung eine „Pseudo-Reha“.
Die ambulante Rehabilitation hat vielerorts nicht den Stellenwert, den sie haben könnte. Doch es ist zu er- warten, dass es sich um ein wachsen- des Angebot handelt. Nach einer Pro- gnose der Deutschen Rentenversi-
cherung Bund wird sich der Anteil ambulanter Leistungen bis 2010 mehr als verdoppeln. „Der Trend zur Ambulantisierung ist da“, meint auch Nawratil, glaubt jedoch, dass ambu- lante Rehabilitationseinrichtungen vor allem in Großstädten rentabel ar- beiten können. „In der Fläche werden stationäre Einrichtungen überleben müssen.“
Schalke: Sport und Reha Auch die „medicos.AufSchalke Reha GmbH & Co. KG“ ist in einem Bal- lungszentrum angesiedelt. Ähnlich wie in Leipzig setzt man in Gelsen- kirchen auf zwei Standbeine: Rehabi- litation und Sportmedizin. Nach dem Bau der Arena AufSchalke entstan- den direkt neben dem alten Parkstadi- on ein ambulantes Rehabilitations- zentrum (Orthopädie und Kardiolo- gie) und ein Sportmedizinisches In- stitut. Diese zwei Säulen sind aus Sicht des ehemaligen Geschäftsfüh- rers Bernd-Martin Schaake unver- zichtbar. Die ambulante Rehabilitati- on allein sei kein lukratives Geschäft.
Im Sportmedizinischen Institut sind die Fußballspieler des Traditions- clubs Stammkunden, aber auch exter-
ne Leistungssportler kommen zum Training. Außerdem im Angebot:
Wellness, Präventionsprogramme, Fitnesstraining. Zielgruppe sind also nicht nur die Profis. Angegliedert ist zudem ein Vier-Sterne-Hotel.
Wer ambulante Rehabilitation anbietet, kann nicht darauf hoffen, automatisch eine ausreichende Zahl von Patienten zugewiesen zu be- kommen, sondern braucht ein unter- nehmerisches Konzept. Ulrich von der Leipziger Medica-Klinik ist je- doch davon überzeugt, dass es die ambulanten Einrichtungen wesent- lich schwerer haben, sich zu be- haupten, als die stationären. Der ambulanten Reha fehle der gesund- heitspolitische Rückhalt und eine Interessenvertretung. „Der nieder- gelassene Bereich ist dargestellt, der stationäre Reha- und Akutbereich ist dargestellt, aber die ambulante Reha wird regelrecht vergessen.“
Das Bundesgesundheitsministeri- um (BMG) hat es sich unterdessen auf die Fahnen geschrieben, ein wei- teres Angebot neben stationärer und ambulanter Behandlung zu etablie- ren: die „mobile Rehabilitation“. Be- sonders immobile, multimorbide Pa- tienten sollen von einer Behandlung in den eigenen vier Wänden profitie- ren. Damit solle ein Personenkreis er- reicht werden, der bisher nicht ausrei- chend rehabilitiert wurde, sagte eine BMG-Sprecherin auf Anfrage. Zu- dem könne sich die Behandlung am häuslichen Umfeld des Patienten ori- entieren. Die im GKV-Wettbewerbs- stärkungsgesetz vorgesehene Ände- rung des § 40 SGB V stelle sicher, dass Rehabilitation regelhaft als mo- bile Behandlung stattfinden könne.
Die Rehabilitation der Zukunft wird also mehr und mehr ein abge- stuftes Versorgungkonzept sein. Da- bei sollten stationäre, ambulante und mobile Angebote die gleichen Chancen haben zu bestehen. Gerade die Kostenträger sind hier in der Pflicht, ein solches abgestuftes Sys- tem zu fördern. Wenig hilfreich dürfte es sein, dass beispielsweise Rentenversicherungsträger und zum Teil auch Krankenkassen eigene sta- tionäre Einrichtungen betreiben und somit zugleich Leistungserbringer und Kostenträger sind. I Dr. med. Birgit Hibbeler DÄ: „Ambulant vor stationär“
– wie sieht es mit diesem Grundsatz in der Rehabilita- tion aus?
EEggnneerr::Ambulante und stationäre
Leistungen sind in der Rehabili- tation sozialrechtlich vollkommen gleichgestellt. Der weitaus größte Teil der Behandlungen, nämlich mehr als 90 Prozent, wird stationär erbracht. Das liegt vor allem daran, dass viele Rehabilitanden nicht die Vor- aussetzung für eine ambulante Behandlung erfüllen. Zudem gibt es nicht für alle Indika- tionen genügend ambulante Angebote.
DÄ: Rund 8,5 Prozent der Reha-Leistungen zulasten der DRV werden ambulant
erbracht. Lässt sich dieser Anteil weiter steigern?
EEggnneerr::Wir gehen davon aus,
dass der Anteil zumindest in Ballungszentren noch gesteigert werden kann. Die Rentenver- sicherung hat in den vergange- genen Jahren den Ausbau der ambulanten Reha vorangetrie- ben. Allerdings gibt es definitiv keine „Kostenreduktion um jeden Preis“. Bei den Krank- heiten der Bewegungsorgane haben wir unsere Fallzahlen erheblich steigern können und erreichen in manchen Großstäd- ten einen Anteil von mehr als 20 Prozent. In dünn besiedelten Regionen ist es jedoch kaum möglich, ambulante Strukturen wirtschaftlich zu betreiben.
DÄ: Die DRV ist Trägerin eigener Reha-Kliniken. Ist es kein Nachteil für ambulante Anbieter, dass die DRV Kostenträger, aber zugleich auch Leistungserbringer für stationäre Rehabilitation ist?
EEggnneerr::Der überwiegende Teil
der Reha-Leistungen zulasten der DRV wird in privatwirt- schaftlich betriebenen Kliniken erbracht. Bei der Entscheidung über die Einrichtung geht es in erster Linie um medizinische Aspekte, und sie wird vom so- zialmedizinischen Dienst getrof- fen. Ein Interessenkonflikt, wie man ihn aus der Frage heraus- lesen könnte, besteht nicht.
3 FRAGEN AN…
Uwe Egner, Fachbereichsleiter Abteilung Rehabilitation, Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund
Foto:DRV Bund