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Archiv "Die vegetative Symptomatik der Polyneuropathien" (07.06.1990)

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(1)

rechter

Koronarplexus linker

Koronarplexus

Ganglion cervicale superior

N. vagus

Ganglion cervicale inferior

absteigende sympathische Bahnen

2 2.--- 1

i :

Grenzstrang- ganglion TH 5

Abbildung 1:

Schema der vegetativen Herz- innervation (modifiziert nach Netter, 1987)

ZUR FORTBILDUNG

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Die vegetative Symptomatik der Polyneuropathien

Eine mögliche Ursache „funktioneller" Störungen

Die vegetativen Symptome der Polyneuropathien sind eine eher häufige Ursache „funktioneller"

Störungen. Sie sind durchaus be- deutsam und inzwischen diagno- stisch leicht zu erfassen und zu präzisieren. Sie treten an allen Or- gansystemen auf (Herz-Kreislauf- System, Magen-Darm-Kanal, Uro- genitaltrakt, Pupillen, Haut) und können schwerwiegende bis le- bensbedrohliche Ausmaße an- nehmen. Ihre Therapie ist prophy- laktisch durch Bekämpfung der Grunderkrankung (Diabetes mel- litus, Alkoholismus, Intoxikationen, Niereninsuffizienz, Immunopa- thien) und/oder symptomatisch.

Die subjektiven Frühzeichen, vor allem bei den Risikopatienten, sind ernst zu nehmen und sorg- sam zu prüfen.

Roland Schiffter

F

ür Moritz Heinrich Rom- berg (1795-1873) war es noch ganz selbstver- ständlich, daß das vege- tative Nervensystem mit seinen Krankheiten integraler Be- standteil der Neurologie ist. In sei- nem Lehrbuch der „Nervenkrank- heiten des Menschen" (1846, 1851), mit dem er die Klinische Neurologie in Deutschland begründete, be- schreibt er in mehr als der Hälfte des Gesamtwerkes (Band I) ausschließ- lich vegetative Innervationsstörun- gen und Syndrome, wie zum Beispiel den „Krampf im Gebiet der Herz- nerven" oder Lähmungen im Bereich der „Nerven des Darmkanals" oder

„Anästhesien der sympathischen

Ganglien und Bahnen". Die umfang- reichen Forschungsergebnisse des 19. und der ersten Hälfte des 20.

Jahrhunderts auf dem Gebiet des ve- getativen Nervensystems fanden Ein- gang in die Krankheitslehre (siehe zum Beispiel „Lebensnerven" von L.

R. Müller 1924 [10]). Das hervorra- gende Werk von M. Monnier „Phy- siologie und Pathophysiologie des vegetativen Nervensystems", das 1962 erstmals erschien (9), fand schon nicht mehr die verdiente Be- achtung.

Obwohl John Rollo schon 1798 (12) die Impotenz bei Diabetikern Abteilung für Neurologie (Chefarzt:

Professor Dr. med. Roland Schiffter), Krankenhaus Am Urban, Berlin

beschrieben hat und R. W. Rundles 1945 (13) in seiner klassischen Ar- beit „Diabetic neuropathy" das Syn- drom der vegetativen Neuropathie anhand von 125 Krankheitsfällen herausgearbeitet hatte, vergingen noch Jahrzehnte, bis das Krankheits- bild allgemein bekannt und durch moderne Untersuchungsverfahren besser erfaßbar und diagnostizierbar wurde. Die grundlegenden Arbeiten von Ewing und Mitarbeitern (1974, 1978 [5, 6] u. a.) sowie von Bischoff (1976 [3]) oder Berger und Mitarbei- tern (1981 [1]) seien stellvertretend für viele andere genannt.

Es folgte eine große Anzahl von wissenschaftlichen Publikationen, vornehmlich über die diabetischen A-1884 (66) Dt. Ärztebl. 87, Heft 23, 7. Juni 1990

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Abbildung 2:

Die Minderung des Variations-Koeffi- zienten der Herzfre- quenz (CV) mit zunehmendem Alter (nach Cicmir et al., 1980) Neuropathien (Übersicht und Lite-

ratur zum Beispiel bei Reichel, 1987 [10]). Gleichwohl wird das Krank- heitsbild im Alltag der praktizieren- den Ärzte noch immer nicht ausrei- chend gewürdigt. Seine praktische Bedeutung ist erheblich, wenn man die bedrohlichen Risiken und Folgen dieser Erkrankung erwägt und be- denkt, wie häufig verwaschene Scheindiagnosen wie „Kreislaufstö- rung" oder „funktionelle Magen- Darm-Störung" gestellt werden.

Hinter diesen Beschreibungen ver- birgt sich nicht selten eine vegetative Neuropathie (oder auch ein definiti- ves psychosomatisches Syndrom).

Als vegetatives System kann man die Gesamtheit aller Organe und Gewebe ansehen, die von vege- tativen (sympathischen und para- sympathischen) Nervenfasern inner- viert werden. Das ist fast der gesam- te Organismus, vor allem sind es sämtliche sogenannten „inneren Or- gane". Stochdorff (15) definiert prä- zise: „Das vegetative Nervensystem innerviert die endplattenfreien, glat- ten und quergestreiften Muskelzel- len, die Drüsenzellen und die Fett- zellen." Analog etwa dem motori- schen Subsystem des Gesamtnerven- systems läßt sich ein zentraler (Ge- hirn und Rückenmark) von einem peripheren Anteil des vegetativen Nervensystems abgrenzen (Schiffter, 14). Der periphere Anteil umfaßt, grob gesagt, alle vegetativen Nerven und Ganglien außerhalb von Hirn und Rückenmark. In ihm verlaufen die sympathischen und parasympa- thischen Efferenzen vom ZNS zu den Körperorganen und sensible und sensorisch-regulative Afferenzen von den Körperorganen zum ZNS (Re- flexbogen- und Regelkreisbildun- gen). Bei den sogenannten vegetati- ven Neuropathien ist die Gesamtheit des peripheren Anteils erkrankt. Sie sind praktisch immer Teilsyndrom einer globalen, also auch senso-mo- torischen (klassischen) Polyneuropa- thie, so daß man mit Reichel (11) besser von den vegetativen Sympto- men der Polyneuropathien sprechen sollte. Eine isolierte vegetative Neu- ropathie gibt es wohl nicht, allenfalls können einmal die vegetativen Sym- ptome der übrigen Polyneuropathie vorauseilen und umgekehrt.

Die klinischen Syndrome

Obwohl es sich hier um eine All- gemeinerkrankung des gesamten pe- ripheren Nervensystems handelt, kann man aus didaktischen Grün- den, und weil es Schwerpunktbildun- gen der vegetativen Symptomatik gibt, die Beschreibung der Sympto- me nach Organsystemen vornehmen.

Grundsätzlich sind bei den di- stal-symmetrischen Polyneuropa- thien die längsten Nervenkabel in der Regel zuerst und am stärksten betroffen (zum Beispiel senso-moto- rische und sympathische Innerva- tionsstörungen der Füße mit Verlust der ASR und Vagusfunktionsstörun- gen). Fast stets sind die vegetativen Efferenzen, die die inneren Organe innervieren, und die sensibel-senso- rischen Afferenzen, die von ihnen zum ZNS leiten, gleichzeitig geschä- digt. Es entstehen lokale Defekt-

Symptome der vegetativen Innerva- tion (zum Beispiel Vasoparalyse der Füße oder schmerzloser Herzin- farkt) und auch Störungen komple- xer Regelkreissysteme (zum Beispiel Herzkreislaufregulation). Im Prinzip kann man bei den lokalen Denervie- rungen der Organe jeweils durchaus von „Paresen", also Lähmungen et- wa der Gefäße, des Magens oder ei- nes Sphinkters sprechen. Die Miter- krankung der vegetativen Nerven ist klinisch und histologisch gesichert (segmentale Demyelinisierungen, axonale Degenerationen, Zeltverän- derungen in den Ganglien u. a.). Pa- thogenetisch werden Stoffwechsel- krankheiten und mikroangiopa- thische Veränderungen der Vasa nervorum angeschuldigt. Die häufig- sten Ursachen sind der Diabetes mellitus, die Alkoholkrankheit, di- verse chronische Intoxikationen, Amyloidosen, Panarteriitis und an- dere entzündliche Gefäßerkrankun- gen sowie die chronische Nierenin- Dt. Ärztebl. 87, Heft 23, 7. Juni 1990 (69) A-1887

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suffizienz. Die wichtigsten Erkennt- nisse über die vegetativen Neuropa- thien stammen aus der Diabetesfor- schung. Praktisch alle Langzeitdia- betiker weisen Symptome einer vege- tativen Neuropathie auf.

1. Die Kardio- neuropathien

Das Herz ist besonders intensiv und vielfältig vegetativ innerviert (siehe Abbildung 1). Die sympathi- schen Fasern entspringen in den Rückenmarkssegmenten Thl bis Th5. Alle Herzgewebe, also Herz- muskulatur, Kranzgefäße, Perikard usw. sind sympathisch innerviert.

Sympathische Stimulierung wirkt frequenz- und leistungssteigernd bei erhöhtem 0 2-Verbrauch. Die sensi- blen Afferenzen in den gleichen sym- pathischen Kabeln sind im wesent- lichen schmerzleitende C-Fasern (Herzschmerz, Herzsensationen usw.). Die parasympathischen Effe- renzen erreichen den Plexus cardia- cus über die beiden Vagusnerven (vor allem zum Reizbildungs- oder -leitungssystem). Vagusstimulierung bewirkt Bradykardie und reduziert den 02-Verbrauch. Die vagalen Af- ferenzen vom Herzen leiten zu den Kerngebieten der Medulla oblongata und bilden den afferenten Schenkel des Barorezeptoren-Reflexsystems.

Aus diesem Innervationsmuster ergeben sich zwanglos die Symptome der Kardioneuropathien.

a) Die Ruhetachykardie:

Sie ist häufiges Frühsymptom und allein auf die Vagusläsion zu- rückzuführen. Sind die sympathi- schen Herzfasern mitgeschädigt, dann sinkt die mittlere Herzfrequenz wieder etwas ab. Sympathikomimeti- ka oder körperliche oder psychische Anstrengungen führen kaum noch zur Herzfrequenzsteigerung, wie auch die Plasmakatecholamine da- nach nicht mehr ansteigen.

Im Endstadium der weitgehen- den Denervierung des Herzens ent- steht eine Situation wie nach Herz- transplantation (Atropin oder Beta- Blocker sind wirkungslos).

b) Der schmerzlose Herz- infarkt:

Sind die schmerzleitenden C-Fa- sern des Herzens mitgeschädigt, dann werden Herzschmerzen und andere subjektive Mißempfindungen aus der Herzregion nicht mehr zum Gehirn transportiert, also nicht wahrgenommen Auch das Angstge- fühl einschließlich der globalen vege- tativen Reaktionen (Projektion der C-Fasern ins limbische System) kann ausbleiben. Dies kann zu gefähr- lichen Fehldiagnosen führen und er-

klärt zum Teil die hohe Infarktmor- talität der Diabetiker („plötzlicher Herztod"). Etwa ein Drittel aller Diabetiker erleiden schmerzlose Herzinfarkte. Vergleichbares ist auch von Alkoholkranken zu erwarten.

c) Die verminderte Herzfre- quenzvariabilität:

Sie ist ein fast beweisender Indi- kator der Kardioneuropathie. Die normale Herzfrequenz unterliegt schon in Ruhe ständig leichteren Schwankungen infolge von durch die Atmung stimulierten Regelvorgän- gen im Barorezeptorensystem. Diese Variabilität sistiert bei parasympa- thischer Blockade, nicht jedoch bei Blockade des sympathischen Sy- stems, wird also allein über den Va- gus vermittelt (Katona und Jih, 1975). Sie vermindert sich sowohl bei steigender Herzfrequenz als auch mit dem physiologischen Altern (sie- he Abbildung 2). Bei Schädigung des Vagus nimmt sie ab bis zum Verschwinden („Frequenzstarre"), selbst wenn die Kranken „vegetativ"

noch beschwerdefrei sind. Nach Ber- ger und Mitarbeitern (1) genügt es, nur die Ruhefrequenzvariabilität zu messen. Dies kann durch zeitauf- wendiges Auszählen und Verrech- nen der RR-Zacken-Abstände im EKG erfolgen. Man mißt den RR- Abstand der fünfzehnten und drei-

RR-I ntervall-Variation RR-Intervall msec. 150 Consekutive RR-Intervalle

RR-Intervall msec.

Langzeit-Diabetes

Abbildung 3: Normale Frequenzvariabilität (oben) und „Frequenzstarre" bei diabetischer (vegetativer) Neuropathie (unten) (nach Cicmir et al., 1980)

A-1888 (70) Dt. Ärztebl. 87, Heft 23, 7. Juni 1990

(4)

HF RR Min. 1 • - mmHg

100- 120-i

90 -

80 - 90-

70 - 70- 110- 100-

80-

60- 60-

10 Min.

I 1 1 1 1 1 1 1

0 2 4 6 8 10 Min.

130- 100-120- 110- 90-

100- 80- 90- 80- 70-

70- 60- 60 -

Asympathikotone

Orthostatische Hypotonie

Abbildung 4: Stehversuch nach Schellong, oben: Beispiel für normale Herz-Kreislauf lkeakti- on, unten: Beispiel für asympathikotone orthostatische Hypotonie bei vegetativer NeulupLu thie (nach Luft, 1986)

ßigsten Herzaktion und bildet den 30:15-Quotienten, der normalerwei- se über 1,0 sein muß. Schneller und bequemer geht es mit einem rech- nergesteuerten EKG-Analysegerät, das rasch einen Variations-Koeffi- zienten (VK) errechnet und Artefak- te und Extrasystolen eliminiert. Die Frequenzstarre ist dann aus dem un- ter der Norm liegenden VK bezie- hungsweise aus der gleichzeitig auf- gezeichneten Kurve ablesbar (Abbil- dung 3). Viele Untersucher komplet- tieren diese Prüfung noch durch zu- sätzliche standardisierte Belastungs- tests wie Hyperventilation, Valsalva- Manöver, Stehversuch und Muskel- arbeit (Faustschluß). Diese haben den Nachteil, daß sie die exakte Mit- arbeit des Kranken erfordern. Sie scheinen keinen wesentlichen Zu- satzgewinn für die Diagnose zu bil- den. Bezüglich der Kreislaufeffekte siehe unten.

d) EKG-Veränderungen:

Bei Kardioneuropathien mit sympathischer Denervierung sieht man im EKG nicht selten sogenann- te Erregungsrückbildungsstörungen, vor allem eine Verlängerung der QT-Zeit, eine auffällige Erhöhung und Verbreiterung der T-Welle und Senkung oder Hebung der ST-Strek- ke. Diese Befunde treten allerdings auch bei akuten zentralvegetativen Erkrankungen (Subarachnoidalblu- tungen, Stirnhirn- und Hypothala- musläsionen) auf sowie bei Grenz- strangaffektionen (Gangliom stella- tum). Sie sind unspezifisch.

2. Neuropathien des Blutgefäßsystems

Sämtliche arteriellen Gefäße des Organismus sind ausschließlich sympathisch innerviert. Eine para- sympathische Innervation ist nur bei den venösen Schwellkörpern im Be- reich der Genitalien und der Nasen- schleimhaut nachgewiesen. Sind die sympathischen efferenten Fasern er- krankt, muß es zu einer Minderung bis Aufhebung der neurogen ver- mittelten Kontraktionsfähigkeit der glatten Gefäßmuskulatur kommen mit der Folge der Vasoparalyse und damit der mangelnden Aufrechter- haltung des Systemblutdrucks.

a) Die orthostatische Hypotonie:

Typische Folge der vegetativen Denervierung der Widerstandsgefä- ße ist die sogenannte asympathikoto- ne Hypotonie. Sie wird mit dem ein- fachen Test nach Schellong rasch und sicher diagnostiziert. Die sympa- thische Reaktion der Orthostase-Be- lastung ist dabei vermindert oder aufgehoben, der systolische und der diastolische Blutdruck sinken-37n Ste- hen erheblich ab (systolisch mehr als

30 mmHg), und die reflektorische Tachykardie bleibt aus oder ist unge- nügend (Abbildung 4).

Die subjektiven Folgen der ui - thostatischen Ohnmachtsneigung sind allenthalben geläufig. Auch die- ser einfache Kreislauftest kann durch Prüfung der Herzkreislaufre- aktion bei isometrischer Muskelar- beit (Handdynamometer) ergänzt werden. Dabei ist ebenfalls der Blut- druck- und Herzfrequenzanstieg un- genügend oder bleibt aus.

Dt. Arztebl. 87, Heft 23, 7. Juni 1990 (73) A-1891

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b) Regionale Vasoparalyse:

Die sympathische Denervierung der arteriellen Gefäße der Haut ist besonders an den Unterschenkeln und Füßen zu beobachten. Dort kann es anfangs zunächst zu Vaso- spasmen (blasse, kalte Füße) durch Denervierungshypersensitivität auf Kälte bzw. Noradrenalin-Freiset- zung kommen, später entsteht das Vollbild der Gefäßdenervierung mit auffällig warmen (später kalten) röt- lich-lividen Füßen, was sich im Ste- hen noch verstärkt. Mittels des Hist- amin-Hauttests kann die Denervie- rung belegt werden: 4 Tropfen Hist- amin-Lösung (1:1000) werden auf die Haut des Fußrückens getropft und dort unter dem Tropfen die Haut mit einer Nadel gestichelt. In wenigen Minuten entsteht eine loka-

le Hautrötung mit Erwärmung um ca. 1,2 Grad C. Fehlt diese Reaktion oder bleibt sie ungenügend (unter 0,3 Grad C), liegt eine periphere sympathische Denervierung vor.

3. Neuropathien des Magen-Darm-Traktes

Der obere Abschnitt des Magen- Darm-Kanals bis zum aufsteigenden Kolon wird von den beiden Vagus- nerven parasympathisch innerviert, der untere Teil bis zum inneren Analsphinkter von den parasympa- thischen Fasern aus dem Sakralmark S2—S4. Die sympathischen Fasern stammen aus den Rückenmarksseg- menten Th5 bis L2 und erreichen ih- re Erfolgsorgane über die großen Brust- und Bauchganglien. Die para- sympathische Stimulation bewirkt ei- ne verstärkte Magen-Darm-Motilität und vermehrte Drüsensekretion so- wie Defäkation. Ein erhöhter Sym- pathikotonus lähmt alle diese Funk- tionen und führt somit auch zur Ob- stipation (Kontraktion des Sphinkter internus).

a) Neuropathien im Bereich von Mund, Speiseröhre und Magen:

Im Mundbereich sind Funk- tionsstörungen der Speicheldrüsen relativ häufig durch Miterkrankung parasympathischer Fasern (Nervus intermedius). Man findet teigige Schwellungen der Drüsen und eine

Minderung der Speichelsekretion.

Dies soll bei Diabeteskranken in 30 Prozent in der Unterkieferspeichel- drüse nachweisbar sein.

Am Ösophagus findet man wie- derum vor allem Störungen der para- sympathischen Innervation. Vagus- reizung bewirkt lebhafte Kontraktio- nen der Ösophagusmuskulatur, eine Durchtrennung führt entsprechend zu deren Parese. So bewirken auch vegetative Neuropathien eine verzö- gerte Osophagusentleerung durch verminderte oder fehlende Peristal- tik. Der Nachweis erfolgt röntge- nologisch durch Breischluck. Die Kranken klagen über Dysphagie, werden aber wenig beeinträchtigt. 90 Prozent aller Kranken mit senso-mo- torischer diabetischer Polyneuropa- thie sollen eine gestörte Osophagus- motilität aufweisen.

Am Magen ist die diabetische

„Gastroparese" seit langem weithin bekannt. Auch sie ist Folge der Mit- erkrankung des Nervus vagus und be- wirkt „funktionelle Symptome": in- termittierendes Völlegefühl, Übel- keit, morgendliches Erbrechen, Inap- petenz. Die kontraktile Aktivität des Magens ist postprandial und nüch- tern („Hungerkontraktion") erheb- lich vermindert oder fehlt, was zu ent- sprechender Verlängerung der Pas- sagezeit führt (etwa bei 30 Prozent der Diabetiker nachweisbar). Rönt- genologisch sieht man einen hypoto- nen elongierten Magen (mit Duode- numatonie), das Kontrastmittel ist nach 30 Minuten nicht ins Duodenum transportiert. Mit der Methode der Magensequenzszintigraphie sind Motilitätsstörungen noch häufiger und einfacher zu diagnostizieren (bei 50 Prozent der Diabetiker bezie- hungsweise bei fast allen Langzeit- diabetikern nachweisbar).

Die Stimulation des Vagus be- wirkt normalerweise nicht nur Kon- traktionen des Magens, sondern eine vermehrte Produktion von Salzsäure, Pepsinogen und Gastrin. Vagusneu- ropathie vermindert diese Drüsen- sekretion deutlich. Das seltene Auf- treten von Magen- und Duodenalul- zera bei Diabetikern mag damit er- klärt sein, daß die pathogenen Im- pulse aus dem Gehirn über den Ner- vus vagus den Magen nicht mehr er- reichen („Vagotomie-Effekt").

Die Atonie und die mangelnde Säuresekretion des Magens birgt zu- dem die Gefahr der bakteriellen Überwucherung des Magens (und auch des Darms).

b) Neuropathien der anderen Oberbauchorgane:

Die Innervationsstörungen von Leber, Gallenblase und Pankreas sind noch ungenügend untersucht.

Relativ einfach sind die Verhältnisse an der Gallenblase. Vagusreiz löst Kontraktionen der Gallenblasen- wand aus, seine Schädigung führt zur schlaffen Parese dieses Hohlorgans.

Die gesicherte Häufung von Gallen- steinen etwa bei Diabetikern ist of- fensichtlich Folge der Vagusneuro- pathie. Bielefeldt und Reis (2) be- stimmten bei Kranken mit vegetati- ver Neuropathie durch Diabetes oder chronischer Niereninsuffizienz die postprandiale Gallenblasenkon- traktilität und fanden eine signifi- kante Minderung (sonographische Bestimmung des Gallenblasenvolu- mens).

Eine Vagusstimulation führt re- gelmäßig rein neurogen auch zu ver- stärkter Glykogenese in der Leber und damit zur Blutzuckersenkung.

Sympathische Reizung bewirkt das Gegenteil. Dies muß Auswirkungen auf den Glukosestoffwechsel sowohl bei Diabetikern als auch bei Kran- ken mit anderen vegetativen Neuro- pathien haben (zum Beispiel gestör- te Glukosetoleranz beim Nichtdiabe- tiker).

Vergleichbares gilt für das Pan- kreas: Vagusreizung löst verstärkte Insulin- und Glukagon-Sekretion aus sowie eine Steigerung von Menge und Enzymgehalt der exokrinen Pan- kreassekrete. Sympathische Stimula- tion oder Vagotomie reduziert oder blockiert sie. Kranke mit diabeti- scher Neuropathie zeigen eine 30- bis 80prozentige Reduktion der Amylase, was zu Verdauungsstörun- gen führen muß. Wichtig ist noch fol- gende Beobachtung: Hypoglykämie löst regelhaft eine sympathikotone Gegenregulation aus: Heißhunger- gefühl, Unruhe, Händezittern, Schweißausbruch, Herzklopfen, Angst. Sind die sympathischen Ner- ven geschädigt, bleiben diese Warn- zeichen aus, was eine erhebliche Ge- A-1892 (74) Dt. Ärztebl. 87, Heft 23, 7. Juni 1990

(6)

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Abbildung 5: Schema der Innervation von Harnblase und Harnröhre. Links: sympathisch. Mitte: parasympathisch. Rechts: N. pudendus (nach Hauri, 1979)

fährdung der Kranken bedeutet (un- bemerkte hypoglykämische Komata).

c) Neuropathien des Darmes:

Auch im Dünn- und Dickdarm ist das Grundmuster der Neuropa- thie die motorische „Lähmung", also vorrangig die Schädigung der para- sympathischen Innervation. Typisch sind schubweise nächtliche oder postprandiale wäßrige Durchfälle („diabetische Diarrhoe") im Wech- sel mit hartnäckigen Obstipationen.

Röntgenologisch sieht man Motili- tätsstörungen in allen Darmab- schnitten mit verzögerter (anfangs auch beschleunigter) Peristaltik, Atonien und Dilatationen (bis zum Megakolon). Die Besserung der Symptomatik auf Antibiotika-Gabe spricht für eine zusätzliche sekundä- re bakterielle Überwucherung des Darms. Unbemerkter Stuhlabgang bei noch erhaltener Motilität spricht für eine sensible Innervationsstörung des Rektums.

4. Neuropathien des Urogenitalsystems

Die Innervation dieses Systems ist in Abbildung 5 dargestellt. Bei Kranken mit diabetischen Polyneu- ropathien findet man unter Einsatz

aller apparativen diagnostischen Verfahren (Urodynamik, Elektro- myographie) in 80 bis 100 Prozent der Fälle eine Innervationsstörung der Blase, auch wenn subjektive Be- schwerden noch fehlen. Frühsympto- me sind seltenes Wasserlassen am Tage und auffällig große morgend- liche Urinmengen bei schwachem Harnstrahl. Später kommt es zu Restharnbildung und schließlich zur Harnverhaltung mit „Überlaufin- kontinenz". Die parasympathische Denervierung führt zur Parese und Atonie des Destrusors mit abnorm großer Blasenkapazität und man- gelndem Entleerungsreflex. Die sym- pathische Denervierung bewirkt zu- sätzlich zunehmende Inkontinenz durch Parese des inneren Sphinkters und Schmerzlosigkeit und mangeln- des Harndranggefühl bei überfüllter Blase (C-Faser-Läsion). Rezidivie- rende Harnwegsinfekte sind die Fol- ge. Die Diagnostik ist urologisch- urodynamisch und neurologisch.

Sexualfunktionsstörungen bei vegetativen Neuropathien des Man- nes äußern sich vor allem als erektile Dysfunktion. Die Erektionsschwäche entsteht durch parasympathische Denervierung der Schwellkörper.

Die Häufigkeitszahlen schwanken in der Literatur, bis zu 50 Prozent aller Diabetiker und nahezu 100 Prozent

aller über 50jährigen Männer mit diabetischer Polyneuropathie sollen darunter leiden.

Die langsam zunehmende Erek- tionsschwäche äußert sich bei allen Arten sexueller Stimulation (Ehe- frau, Freundin, „Seitensprung", Ma- sturbation usw.) sowie auch als das Ausbleiben der regelmäßigen nächt- lichen oder morgendlichen spontanen Erektionen. Nach einer Phase schnel- len Erschlaffens bei entsprechenden Reizkonstellationen ist schließlich die Immissio unmöglich. Zunehmende ängstliche Verunsicherung als unver- meidliche Folge verstärkt die Sympto- matik. Die psychosomatische Erek- tionsstörung tritt eher bei spezifi- schen Situationen oder Partnerinnen auf, ist bei Masturbation oder bei Partnerwechsel nicht vorhanden, die nächtlichen Erektionen sind unge- stört. Auch die Ejaculatio praecox ist eher psychogen.

Die Differentialdiagnose gelingt meist schon durch gezieltes Befra- gen. Die sympathische Denervierung äußert sich in retrograder Ejakula- tion in die Blase und dem eher selte- nen Verschwinden der Ejakulation sowie in einer Minderung oder Auf- hebung des Hodendruckschmerzes.

Innervationsstörungen über den Nervus pudendus können durch sen- sibel evozierte Potentiale, Messung . 87, Heft 23, 7. Juni 1990 (77) A-1895 Dt. Ärztebl

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der Nervenleitgeschwindigkeit und der Zeit des Bulbocavernosusrefle- xes verifiziert werden. Die sogenann- te „venöse Insuffizienz" als Ursache einer erektilen Dysfunktion könnte in vielen Fällen eine vegetative Neu- ropathie zur Ursache haben. Arte- helle Durchblutungsstörungen im Sinne der Makroangiopathie als Ur- sache spielen offenbar eine eher un- tergeordnete Rolle.

Sexuelle Funktionsstörungen bei Frauen mit vegetativer Neuropathie sind bisher ganz ungenügend unter- sucht. 30 Prozent der Diabetikerin- nen sollen an Anorgasmie leiden (Kolodny, 8). Grundsätzlich zu er- warten sind auch mangelnde Füllung der weiblichen Schwellkörper (Klito- ris, Labia minora) und mangelnde Lubrikation (parasympathische De- nervierung) sowie mangelnde oder fehlende Kontraktionen der Orgas- musmuskulatur (sympathische De- nervierung). Reichel (11) beobach- tete auch eine fehlende Wahrneh- mung des Geburtsbeginns (Wehen, Schmerzen).

5. Neuropathie der Pupillen

Patienten mit vegetativen Neu- ropathien haben enge Pupillen („diabetische Miosis") mit noch er- haltener Licht- und Konvergenzre- aktion. Bei Infrarotpupillometrie fin- det man jedoch praktisch immer eine Verminderung der Amplitude des Pupillenreflexes auf Lichtreiz mit Verlängerung der Pupillenerweite- rungszeit (Berger und Mitarbeiter, 1) sowie eine Reduktion der sponta- nen Schwankungen der Pupillenwei- te, des sogenannten Hippus. Die Kranken haben dabei keine Be- schwerden.

6. Neuropathien der Haut

Hautveränderungen bei Poly- neuropathien sind im wesentlichen Folge der sensiblen und der sympa- thischen Denervierung. Die sympa- thischen Fasern erreichen die Haut im Verband der sensiblen Nerven und versorgen jeweils exakt das glei- che Territorium wie diese. Sie be- treffen zuerst und am stärksten die

Füße (die „langen Kabel"). Die Haut ist trocken (Anhidrose) und eher warm und rötlich bis livide (Vasopa- ralyse, siehe oben) durch die distale sympathische Denervierung. Die Haut wird allmählich glatt und atro- phisch und hyperkeratotisch und neigt zu Ulzera. Hierbei spielt auch die reduzierte Schmerzempfindung (sensible Polyneuropathie) eine pa- thogenetische Rolle. Bei ausgedehn- ter Anhidrose von Beinen und ande- ren Bezirken des Unterkörpers kann eine kompensatorische Hyperhidro- se am Oberkörper, Kopf und Hals hinzutreten. Der Nachweis der An- hidrose gelingt allein durch Betasten der Füße und Befragen der Kranken (Verschwinden der früher vorhande- nen Schweißfüße).

Abschließende

Empfehlungen für den praktizierenden Arzt

Grundsätzlich sind bei allen

„funktionellen" Störungen zunächst sämtliche nicht neurogenen organi- schen Ursachen zu prüfen und gege- benenfalls auszuschließen. Bei Kran- ken mit einem Polyneuropathie-Risi- ko wie Diabetes mellitus, Alkohol- krankheit, mit anderen Suchtkrank- heiten und chronischen Intoxikatio- nen, Panateriitis und anderen Immu- nopathien, Amyloidose usw., ist frühzeitig die Möglichkeit einer Po- lyneuropathie zu prüfen (Parästhe- sien, Taubheit und Schmerzen sowie beginnende Paresen in den Füßen, Wadenkrämpfe, Verlust der ASR usw.), und sodann ist nach den vege- tativen Symptomen der Erkrankung zu fahnden. Dies geschieht zunächst durch gezieltes Befragen. Neben den eventuell noch diskreten Zeichen der sensomotorischen Polyneuropa- thie sollten zur Sicherung der Dia- gnose mindestens zwei bis drei typi- sche Kriterien der vegetativen Neu- ropathie nachgewiesen sein. Vegeta- tiv wirksame Pharmaka müssen be- dacht werden, da sie sowohl die Sym- ptome als auch die Untersuchungs- befunde verfälschen (zum Beispiel Psychopharmaka, Antidepressiva, Beta-Blocker, Anticholinergika, An- tihypertensiva usw.).

Bei Befall des Herzkreislaufsy- stems wird über „Kreislaufstörun- gen" geklagt, also über diffuse Schwindelerscheinungen mit Ohn- machtsneigung („schwarz vor Au- gen") bei Orthostase und körper- lichen Anstrengungen. Die Ruheta- chykardie und die oben genannten Tests ermöglichen die Diagnose. Die Therapie der kardiovaskulären Neu- ropathie ist noch unbefriedigend.

Neben der energischen Behandlung der Grunderkrankung kommen nur symptomatische Therapien in Be- tracht. Bei asympathikotoner Ortho- stase haben sich fluorisierte Hydro- kortisone und Kreislauftraining be- währt. Diese Kranken haben im üb- rigen bei Operationen ein deutlich höheres Risiko für ernsthafte kardio- vaskuläre Komplikationen.

Dysphagien, Völlegefühl und unspezifische Oberbauchbeschwer- den, vor allem aber die nächtlichen und postprandialen Diarrhoen im Wechsel mit Obstipationen weisen auf die vegetative Neuropathie des Magen-Darm-Kanals hin. Nach Si- cherung der Diagnose (Röntgenbe- funde, Magensequenzszintigraphie) kommen als symptomatische Thera- pie gegen Motilitätsstörungen Choli- nergika, Metoclopramid, Domperi- don, neuerdings das cholinomimeti- sehe Cisapride, aber auch eine Be- handlung mit Tetracyclinen (Bakte- rienüberwucherung) in Betracht.

Die oben beschriebenen Blasen- entleerungsstörungen entwickeln sich langsam und müssen vom Kran- ken erfragt und dann gemeinsam mit dem Urologen und Neurologen ge- klärt werden. Therapeutisch kom- men Cholinergika zur Verstärkung der Kontraktionskraft des Detrusors in Betracht (zum Beispiel Ubretid®), eventuell in Kombination mit Diben- zyran.

Sexualfunktionsstörungen müs- sen ebenfalls erfragt werden, sie wer- den auch meist verschwiegen. Bei erektiler Dysfunktion sind Sexual- hormone kontraindiziert. In letzter Zeit werden von den Urologen er- folgreich Prostaglandine (zum Bei- spiel Prostavasin®) in den Schwellkör- per des Penis injiziert, die zu einer prompten und anhaltenden Erektion führen, oder vereinzelt Penis-Im- plantate oder Prothesen eingesetzt.

A-1896 (78) Dt. Ärztebl. 87, Heft 23, 7. Juni 1990

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FÜR SIE REFERIERT

Bei Pankreaspseudozysten:

Präoperative ERCP

Die neuropathischen Verände- rungen der Haut sollten gemeinsam mit dem Dermatologen untersucht und behandelt werden.

Insgesamt sind die Therapie- möglichkeiten bei der vegetativen Neuropathie noch unbefriedigend.

Entscheidend ist die energische Be- kämpfung der Grunderkrankung, beim Diabetes zum Beispiel die Ein- setzung einer Insulin-Pumpe. Erste Befunde deuten darauf hin, daß auch vegetative Innervationsstörun- gen bei konsequenter Behandlung der Grunderkrankung in Grenzen rückbildungsfähig sind. Bedeutsam sind die erheblichen Risiken der Kranken mit vegetativer Neuropa- thie: schmerzloser Herzinfarkt, Ope- rationskomplikationen, unbemerkte hypoglykämische Komata usw.

Die vegetativen Symptome der Polyneuropathien sind nicht selten und müssen noch sorgfältiger beach- tet werden. Sie erklären viele soge- nannte „funktionelle Störungen" als Folge einer ernsthaften körperlichen Krankheit. Sind bei solchen Störun- gen alle Organbefunde und die neu- rologischen oder vegetativ-neurolo- gischen Befunde ebenfalls normal, dann muß ernsthaft und fachkompe- tent die Frage der psychosomati- schen Genese geklärt werden.

Die Scheindiagnosen „vegetative Dystonie" oder „funktionelle Stö- rung" sind Ausdruck diagnostischer Ratlosigkeit und sollten nicht mehr vergeben werden.

Meinem Lehrer, Professor Dr. Hans Schliack, zum 70. Geburtstag

Die Zahlen in Klammem beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonder- druck, anzufordem über den Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. Roland Schiffter Neurologische Abteilung Krankenhaus Am Urban Dieffenbachstraße 1 1000 Berlin 36

Durch eine präoperative endos- kopische retrograde Cholangio-Pan- kreatographie (ERCP) läßt sich bei Patienten mit bekannter Pankreas- pseudozyste das operative Procedere steuern. Bei entsprechenden Gang- veränderungen sollte die Pseudozy- stenoperation mit einer Drainage- operation des Pankreasganges bezie- hungsweise des Gallenganges kombi- niert werden.

In einer prospektiven Studie über 36 Monate wurde bei allen Pa- tienten, bei denen eine Pankreas- pseudozyste operativ angegangen werden sollte, eine ERCP durchge- führt. Von ursprünglich 44 Patienten kam es bei drei zu einer spontanen Rückbildung der Pseudozyste, die ERCP wurde bei 39 der verbleiben- den 41 Patienten erfolgreich einge- setzt. Bei 24 Patienten handelte es sich um eine Pseudozyste nach akuter Pankreatitis, bei 17 lag eine chroni- sche Pankreatitis zugrunde. Bei 9 Pa- tienten mußte die Diagnose auf- grund der ERCP revidiert werden, da sich Veränderungen im Sinne ei- ner chronischen Pankreatitis fanden, so daß die Diagnose einer akuten Pankreatitis nicht länger aufrechter-

Bei HIV-positiven Patienten werden zunehmend Infektionen dur0 Bakterien beobachtet, die pri- mär als nicht menschenpathogen gel- ten. Die Autoren berichten über ei- nen 28jährigen Patienten mit absze- dierender Rhodococcus-equi-Pneu- monie, Sepsis und metastatischem Hirnabszeß, der erfolgreich chemo- therapiert werden konnte. Rhodo- coccus equi, ein grampositives Stäb- chenbakterium, ist bekannt als Erre- ger von Pneumonie bei Fohlen und sporadischen Infektionen bei ande- ren Haustieren, vor allem Rindern, Schweinen und Schafen. Infektionen beim Menschen wurden bisher in 24 Fällen, davon neunmal bei Patienten mit einer HIV-Infektion beschrie- ben. Eine etablierte Therapie für In- fektionen mit Rhodococcus equi gibt es nicht. Die Autoren behandelten

halten werden konnte. Bei 18 der 41 Pseudozysten bestand eine Kommu- nikation mit dem Ductus Wirsungi- anus, diesbezüglich bestand kein Un- terschied zwischen akuter und chro- nischer Pankreatitis. In 23 Fällen war der Pankreasgang dilatiert, da- von 21 mal bei chronischer Pankrea- titis. Der Gallengang war bei zwölf Patienten mit chronischer Pankreati- tis aufgeweitet. Die ERCP-Befunde führten bei 24 der 41 Patienten zu ei- ner Änderung des vorgesehenen Operationsplanes, in 22 der 24 Fälle wegen des Vorliegens einer chroni- schen Pankreatitis. Komplikationen von seiten der ERCP wurden nicht beobachtet. Die Autoren empfehlen aus diesem Grunde, routinemäßig unmittelbar vor einer operativen Sa- nierung einer sonographisch nachge- wiesenen Pankreaspseudozyste eine ERCP durchführen zu lassen. W

Nealon, W. H., C. M. Townsend, J. C.

Thompson: Preoperative Endoscopic Ret- rograde Cholangiopancreatography (ERCP) in Patients with Pancreatic Pseu- docyst Associated with Resolving Acute and Chronic Pancreatitis. Ann. Surg. 209:

532-540, 1989.

Department of Surgery, University of Te- xas Medical Branch, Galveston, Texas.

zunächst 6 Wochen lang mit Erythro- mycin und Vancomycin sowie initial auch Netilmycin, wobei eine rasche Rückbildung der pulmonalen Verän- derungen beobachtet wurde. Einen Monat nach Absetzen der antibioti- schen Therapie kam es jedoch zu ei- nem pulmonalen Rezidiv mit Hirn- abszeß, unter einer ambulanten The- rapie mit Ceftriaxon, Ciprofloxacin und Cotrimoxazol konnte nach vier Wochen erneut eine klinische und radiologische Besserung erzielt wer- den.

Flepp, M., R. Lüthy, J. Wüst, W. Steinke, P. Greminger: Rhodococcus-equi-Infekti- on bei HIV-Krankheit. Schweiz. med.

Wschr. 119: 566-574, 1989.

Departement für Innere Medizin, Medizi- nische Poliklinik, Universitätsspital Zürich;

Institut für Medizinische Mikrobiologie, Universität Zürich; Medizinische Klinik, Thurgauisches Kantonsspital, Frauenfeld.

Rhodococcus-equi-Infektion bei HIV

Dt. Ärztebl. 87, Heft 23, 7. Juni 1990 (81) A-1899

Referenzen

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