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Archiv "Wissenschaftsskandal: Daten des „Klon-Königs“ sind vermutlich gefälscht" (26.12.2005)

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n seinem 53. Geburtstag, dem 15.

Dezember 2005, hatte Woo Suk Hwang wenig Grund zum Feiern.

Denn just an diesem Tag verbreitete Roh Sung Il, Chef des Mizmedi-Krankenhau- ses in Seoul, dass der weltbekannte süd- koreanische Stammzellforscher seine als Durchbruch gefeierten Klonexperimen- te manipuliert und die Fälschungen ihm gegenüber zugegeben habe. Neun der elf Stammzelllinien, die Hwang durch Kerntransfer etabliert haben will, sollen gar nicht existent sein.Auch die Echtheit der zwei übrigen Linien werde bezwei- felt. Die entsprechende Publikation im amerikanischen Wissenschaftsmagazin Science vom 17. Juni dieses Jahres (und online im „ScienceExpress“ vom 19. Mai 2005), bei der auch Roh Sung Il Koautor ist, werde deshalb zurückgezogen.

Mit diesen Anschuldigungen gegen den „Klon-König“, wie Hwang in seiner Heimat Südkorea (bislang noch) bezeich- net wird, verdichteten sich die in den letz- ten Wochen erhobenen Vorwürfe gegen den Veterinärmediziner. In ihrer Ausgabe vom 19. Dezember äußerte zudem die

„Korea Times“ den Verdacht, dass auch das Science-Paper vom Februar 2004, in dem Hwang der Weltöffentlichkeit die ersten geklonten menschlichen Stamm- zellen präsentierte, eine Fälschung sein könnte. Sollten sich tatsächlich alle Vor- würfe bestätigen, müsste man von einem Wissenschaftsskandal von selten großer Dimension ausgehen.

Denn der Bekanntheitsgrad von Hwang ist hoch – nicht nur in seiner Hei- mat. Sein Foto als der erste Mensch, dem es gelang, menschliche embryonale Stammzellen zu klonen, ging 2004 um die ganze Welt. Spätestens aber mit seiner Science-Publikation im Mai/Juni errang der arbeitsbesessene und ehrgeizige Stammzellforscher, dessen Arbeit ethisch

sehr umstritten ist, Weltbekanntheit. In dem Paper beschrieb Hwang sein opti- miertes Verfahren, mit dem er embryo- nale Stammzellen für elf Patienten maß- geschneidert hatte. Millionen Menschen setzten ihre Hoffnung auf ihn.

Dass dies alles fauler Zauber und sei- ne Forschungsergebnisse lediglich Mani- pulationen waren, bestreitet Hwang.Von den Äußerungen Rohs sei er schockiert.

Sein Team habe die Stammzellen für die elf Patienten tatsächlich erfolgreich iso-

liert. Zum Beweis will Hwang verbliebe- nes Forschungsmaterial auftauen und in- nerhalb von zehn Tagen untersuchen las- sen.Verfügbar seien jedoch nur noch fünf der elf Stammzelllinien. Die übrigen wären durch Verunreinigungen un- brauchbar geworden oder eventuell ver- tauscht worden. Hwang hegt den Ver- dacht der Sabotage und forderte die Poli- zei zu Ermittlungen auf.

Gleichzeitig gab der Wissenschaftler aber „unverbesserliche Fehler“ in seiner in Science publizierten Studie zu, die er

deshalb zurückziehen will. Bilddateien sollen in der Science-Redaktion ver- wechselt und von ihm dennoch autori- siert worden sein.Aufgefallen sei ihm der Fehler weder vor Freigabe der Online- Version noch vor dem Erscheinen des Magazins, sondern erst jetzt.

Rufe nach einer Überprüfung der Forschungsergebnisse werden innerhalb der Wissenschaftsgemeinde immer lau- ter. In einem Brief in Science vom 13. De- zember forderten acht international be- kannte Stammzellforscher – darunter Ian Wilmut, Vater des Klonschafes Dolly, und John Gearhart, der zeitgleich mit James Thomson 1998 die ersten mensch- lichen embryonalen Stammzellen gewin- nen konnte – Hwang auf, ihnen Daten und Gewebeproben seiner Arbeit zur Überprüfung zur Verfügung zu stellen.

Hwang selbst hatte kurz zuvor eine Ex- pertenkommission der Universität Seoul beauftragt, seine Arbeit zu überprüfen, nachdem erste Zweifel an der Echtheit der Aufsehen erregenden Publikation auf-

gekommen waren. Diese Zweifel hatte zuvor ein anderer Koautor genährt.

Der Amerikaner Gerald Schatten di- stanzierte sich öffentlich von der ge- meinsamen Publikation und bat Science, seinen Namen von der Autorenliste zu streichen. Schatten äußerte als Erster den Verdacht, Hwang habe Teile der Studie manipuliert. Etliche Daten sähen „zu gut aus, um wahr sein zu kön- nen“, schrieb der Forscher an Science.

Darüber hinaus schienen Schatten die meisten der Fotos der elf Stammzell- M E D I Z I N R E P O R T

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A3568 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 51–52⏐⏐26. Dezember 2005

Wissenschaftsskandal

Daten des „Klon-Königs“

sind vermutlich gefälscht

Der südkoreanische Stammzellforscher Hwang zieht seine bahnbrechende Stammzellpublikation zurück.

Ein Foto, das Assoziationen erweckt: Der südkoreanische Stammzellforscher Woo Suk Hwang wird von seinen Leibwächtern am 16. Dezember 2005 zu einer Befragung in die Universität von Seoul geleitet.

Foto:AP

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linien Duplikate zu sein. Dieser Vorwurf konnte inzwischen bestätigt werden. Bei einigen Fotos handelt es sich nicht um Originale. Mehrere Fotos von angeblich verschiedenen Stammzelllinien wiesen dieselben DNA-Sequenzen auf. Dem Wunsch von Schatten, seinen Namen von dem Paper zurückzuziehen, kam Science dennoch nicht nach. Die Begründung war formaler Natur: Ein Rückzug eines Arti- kels sei nur gemeinsam durch alle be- teiligten Autoren möglich, antwortete Science. Auch das Wissenschaftsmagazin geht in seiner Stellungnahme nicht von vorsätzlicher Fälschung durch Hwang, sondern von Irrtümern aus.

In die Schlagzeilen waren Hwang und das Paper vom Mai 2005 bereits Ende November geraten. Nach einem Hinweis (wiederum von Schatten, der dem For- scher die Zusammenarbeit aufkündigte) hatte der Südkoreaner eingestehen müs- sen, Eizellspenden von zwei Mitarbeite- rinnen benutzt und weitere Spenderin- nen bezahlt zu haben. Dies hatte er zu- vor wiederholt strikt bestritten. Nach Bekanntwerden der Verletzung inter- nationaler Ethikstandards trat Hwang von allen öffentlichen Ämtern zurück, unter anderem von der Präsidentschaft der neu gegründeten internationalen Stammzellbank.

Auch unter deutschen Stammzellfor- schern rumort es. Prof. Dr. med. Oliver Brüstle (Universität Bonn), dem das Robert Koch-Institut (Berlin) bereits einige Forschungsprojekte an etablier- ten menschlichen embryonalen Stamm- zellen genehmigte, ist von dem bekannt gewordenen Fälschungsverdacht gegen seinen Kollegen Hwang „überrascht und persönlich bestürzt“. Obwohl auch er sehr verwundert über Hwangs Er- klärung der vertauschten Fotos bei so ei- ner hochrangigen Publikation wie in Science ist, möchte er den Forscher nicht vorschnell verurteilen. „Zuvor muss der Verdacht im Interesse des Fachgebiets kühl durch eine unabhängi- ge Kommission geprüft werden“, erklär- te Brüstle gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt. Der Schaden, der durch eine gefälschte Studie für Südkorea entste- hen könnte, sei enorm, wenn auch der technologische Fortschritt auf dem Ge- biet der Stammzellforschung interna- tional dadurch nicht verlangsamt wer- den würde. Dr. med. Eva A. Richter-Kuhlmann M E D I Z I N R E P O R T

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A3570 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 51–52⏐⏐26. Dezember 2005

KOMMENTAR

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orschungsbetrug ist – wie eine Pu- blikation vom Juni dieses Jahres (Nature 2005; 435: 737–738) be- legt – keine Rarität. Erstmals hatte ei- ne US-Studie gezeigt, dass jeder dritte Forscher „unredlich“ arbeitet – und zwar ohne dass ein Aufschrei durch die Öffentlichkeit geht. Wie viel mate- rieller und ideeller Schaden durch be- wiesene Datenmanipulationen und Fehlverhalten entsteht, lässt sich nicht beziffern. Konsens besteht jedoch, dass es sich dabei nicht um eine „quan- tité négligeable“ handelt. Dass sich der südkoreanische Stammzellforscher Hwang bereits im Verdachtsfall einer internationalen Welle der Entrüstung gegenübersieht, hat mehrere Gründe:

Seine Forschungsarbeiten sind welt- weit ethisch umstrit-

ten. Nicht nur unter Wissenschaftlern wird diskutiert, ob man Embryonen klonen

darf, um daraus Stammzellen zu ge- winnen. Ebenso ist die Entwicklung von geklonten Stammzellen aus dem Erbgut kranker Menschen umstritten.

Hwang selbst sprüht vor Ehrgeiz und hat nach eigenen Angaben sein Leben der Forschung gewidmet. Er steht in dem Ruf, nach nur dreieinhalb Stunden Schlaf kurz nach 4.00 Uhr aufzustehen, um zu meditieren. Den restlichen Tag verbringt er im Labor und in seinem Büro. Damit entspricht er dem Klischee des überfleißigen Asiaten, der mit Ausdauer seine Ziele erreicht. Hwangs Erfolg ist politisch durchaus gewollt. Denn die Wirt- schaftsmacht Südkorea möchte den USA und Europa endlich auch wissen- schaftlich die Stirn bieten. Der strebsa- me Veterinärmediziner, der bereits vor der Stammzellforschung einen exzel- lenten Ruf genoss, entsprach dem Per- sönlichkeitsprofil, mit dem auch na- tionale Träume verwirklicht werden konnten. Dafür waren dem südkorea- nischen Staat nicht nur Statussymbole wie eine Dauer-Eskorte recht, die vie- le Neider auf den Plan riefen: Die Post

widmete Hwangs Klonversuchen so- gar eine Briefmarke, die den Ein- druck erweckte, er habe Lahme schon gehend gemacht. Bedeutender für den Stammzellforscher und sein Team ist jedoch das Arbeitsumfeld.

Südkorea bietet beim therapeuti- schen Klonen mit Blick auf mögliche riesige Zukunftsmärkte Freiheiten, von denen Forscher in anderen Län- dern nur träumen können. Erst im Oktober wurde an der Seoul National University unter Hwangs Leitung und einer Finanzspritze von 27 Millionen US-Dollar der „world stem cell hub“

eröffnet, mit dem öffentlich markiert werden sollte, dass Südkorea an der Spitze der internationalen Stammzell- forschung angekommen ist.

Unabhängig da- von, ob sich die Ver- dächtigungen, die ge- gen Hwang erhoben werden, letztlich be- wahrheiten oder nicht – die Wider- sprüchlichkeiten und die Schlamm- schlacht der letzten Tage haben der internationalen Stammzellforschung einen schweren Rückschlag zugefügt.

Sie sollten Anlass dafür sein, grundsätzlich über Fehlentwicklun- gen im Wissenschaftssystem nachzu- denken. Gerade die Forscher zu- kunftsträchtiger Gebiete stehen un- ter enormem Erfolgsdruck, bei dem es nicht immer nur um das Wohl der Kranken, sondern auch um die Akqui- sition von Finanzmitteln in Millio- nenhöhe geht. Diese sind in der Regel an eine hohe Zahl von Publikationen, Auszeichnungen und breite mediale Präsenz gebunden. Und die interna- tionale Konkurrenz ist groß. Viele

„Topforscher“ sind daher heute vor allem mit der Vermarktung ihres Ar- beitsgebietes und der eigenen Person beschäftigt (wobei auch die Medien ihre Rolle hinterfragen sollten). Dies ist der Nährboden für wissenschaftli- che Unredlichkeiten und Lebensläu- fe wie den des Stammzellforschers Hwang. Dr. med. Vera Zylka-Menhorn

Entzaubert

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