Die Information:
Bericht und Meinung
BRIEFE AN DIE REDAKTION
KUREN
Zu dem Artikel „Von der Brems- in die Schleuderspur geraten" in Heft 35/1982:
Auswüchse endlich gekappt
... Es gibt schlechterdings kein vernünftiges Argu- ment, das Kurwesen im bis- herigen Ausmaß fortzufüh- ren. Von den vielen wenig stichhaltigen Hinweisen gegen eine Einschränkung stationärer oder ambulan- ter Heilmaßnahmen ist der schlechteste Einwand, daß hierbei 50 000 (woher diese Zahl?) Arbeitsplätze verlo- rengingen. Es wird in Zu- kunft um die Sicherung oder Schaffung von sol- chen Arbeitsplätzen gehen, die volkswirtschaftlich ver- nünftig und bezahlbar sind.
Dagegen kann es nicht darum gehen, Beschäfti- gungsverhältnisse und In- stitutionen zu erhalten, die nachweislich weder medi- zinisch sinnvoll sind bzw.
arbeiten noch eine signifi- kante Effektivität aufwei- sen. Kuren mit Beiträgen des Steuerzahlers durchzu- führen und dies auch noch mit dem Argument der Arbeitsplatzerhaltung zu rechtfertigen ist eine unsin- nige Kuriosität, die sich ernsthaften Diskussionen entzieht. Es läßt sich keine stichhaltige Begründung dafür finden, daß in Deutschland 20mal mehr gekurt wird als in den übri- gen europäischen Ländern (diese haben vielleicht be- reits früher die Sinnlosig- keit derartiger Verfahren erkannt?). Ebenso bleibt es eine durch nichts belegba- re Hypothese, daß die Er- sparnisse bei nicht ange- tretenen Kuren hierdurch entstehende Mehraufwen- dungen für Frührentner aufzehren; es ist nirgend- wo bewiesen, daß Kuren die Erwerbsfähigkeit der Versicherten signifikant verlängern. Schließlich:
Die Kosten für eine Kur mit 2000 bis 3000,— DM anzu-
setzen ist falsch: Selbstver- ständlich sind nicht nur die aktuell entstehenden Auf- wendungen zu berücksich- tigen, sondern auch die durch den Arbeitsausfall entstehenden volkswirt- schaftlichen Defizite, die wahrscheinlich zu einem 5stelligen Gesamtbetrag pro stationärem Heilverfah- ren führen.
Unsere Gesetzgeber haben gut daran getan, endlich die Auswüchse im Gefüge unseres sozialen Selbstbe- dienungs- und Fürsorge- staates zu kappen: Wir können uns das An- spruchsdenken und den Luxus privater, angestellter und beamteter Nutznießer des Kurwesens nicht län- ger leisten.
Priv.- Doz.
Dr. med. Eike Uhlich Belegarzt am
Kreiskrankenhaus Hofheim Eichelsdorfer Straße 176 8729 Hofheim/Ufr.
PÄDIATRIE
Zu dem Beitrag von Prof. Dr.
med. Hans Ewerbeck „Zu viele Betten im Kinderkranken- haus" (Heft 33/1982):
Kooperation lernen
Die wichtigen Ausführun- gen von Professor Ewer- beck können in ihrer Be- deutung und Aktualität nur nachdrücklich unterstützt und begrüßt werden. Es er- scheint daher wichtig, die Zahlen der zitierten amtli- chen Krankenhausstatistik durch die von den leiten- den Ärzten von Kinderkran- kenhäusern und -abteilun- gen selbst zusammenge- stellten Daten zu erhärten und zu konkretisieren. Bei den 1978 erfaßten Nicht- Universitätsabteilungen und Krankenhäusern han- delt es sich um unter- schiedlich große (Näheres für Interessierte in der
Monatsschr. Kinderheilkd.
127, 431-435, 1979), von qualifizierten Kinderfach- ärzten hauptamtlich gelei- tete und von Kinderschwe- stern versorgte „Kinderbet- ten". Besonders die soge- nannten kleinen Abteilun- gen mit weniger als 70 Planbetten sind ohne wei- teres in der Lage, bei ent- sprechender Ausstattung und Kooperationsmöglich- keiten optimale Akut-Päd- iatrie rationell und zeitspa- rend zu leisten. Die Liege- dauer kann (und ist) hier nicht selten kürzer sein als in Großkliniken, ohne daß die Struktur der behandel- ten Krankheiten sich unter- scheiden muß, und hat hier vielerorts die 10-Tages- Grenze längst unterschrit- ten. Die kleinen Abteilun- gen machen aber nur 1/3 al- ler pädiatrischen Betten außerhalb der Universitäts- kliniken aus, selbst wenn sich die Planbettenzahl seit 1980 vielerorts verringert hat. Wo die amtliche Stati- stik die 200 1-2-Stationen- Abteilungen ohne Kinder- schwestern hernimmt, ist nicht ohne weiteres er- sichtlich. Gemeint sein können hier bestenfalls Kinderstationen in chir- urgischen, HNO-, Augen- Abteilungen etc., die heute doch zunehmend an Be- deutung verlieren. Daß die- se in der Regel ihre Exi- stenzberechtigung verlo- ren haben, steht außer Fra- ge. Die Pädiatrie steht wie die Medizin überhaupt heu- te unter dem Zwang zur Kooperation. Regional muß eine harmonische und en- ge Kooperation zwischen großen und kleineren Ab- teilungen, aber auch zwi- schen Klinik und Praxis aufgebaut und gelernt wer- den. -Nur so können die Fortschritte der Medizin den Patienten zugute kom- men und das Kostenwachs- tum gebremst werden.
Prof. Dr. med. H. Helwig Chefarzt des Kinder- krankenhauses St. Hedwig Stadtstraße 3
7800 Freiburg
KARIBIK
Zu dem Beitrag von Lilo Hof- mann „Inselromantik mit li- mitierter Arbeitserlaubnis", Heft 23/1982:
Mehr als Romantik
Der Artikel erweckt den Eindruck, als ob die Ge- sundheitsfürsorge auf den Karibikinseln in hohem Ma- ße vom zufälligen Engage- ment weniger ausländi- scher Ärzte abhinge. Aus meiner Kenntnis der Situa- tion im jamaikanischen Ge- sundheitswesen ... ist es mir ein Anliegen, diesen Eindruck zu korrigieren und ein paar Fakten zu nennen, die sich wenig- stens teilweise auch auf die anderen englischsprachi- gen Karibikinseln übertra- gen lassen.
Das jamaikanische Primary Health Care-System, seit vielen Jahren schon in Grundzügen praktiziert und seit 1978 inselweit sy- stematisch geplant, teilwei- se aufgebaut und realisiert, gilt als beispielhaft für an- dere Entwicklungsländer.
Die Hauptstoßrichtung des Systems besteht in gemein- denaher, präventiver Medi- zin. Aufklärung über Hygie- ne und Ernährung durch Community Health Aides,
Schwangerenvorsorge durch Hebammen und Mut-
ter-Kind-Sprechstunden durch sie und speziell aus- gebildete Public-Health- Schwestern sollen als Bei- spiel für das Vorfeld kurati- ver medizinischer Versor- gung stehen, kostenlos zu- gänglich für alle Jamaika- ner auch in entlegenen Ge- bieten.
Mit solchen Einrichtungen ist es in Jamaika beispiels- weise gelungen, die Kin- dersterblichkeit auf 15/1000 zu senken, eine, auch an unseren Maßstäben ge- messen, beeindruckende Zahl. Die Morbidität an Fehlernährung, Durchfalls- erkrankungen usw. konnte
8 Heft 44 vom 5. November 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe B
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Bericht und Meinung
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genauso deutlich verrin- gert werden. Die kurative Arbeit wird in der ambulan- ten Versorgung zum einen von staatlich angestellten Ärzten durchgeführt, deren Mitarbeit als integraler Be- standteil dieses Primary Health Care verstanden wird (eine solche Stelle wird auch von mir besetzt) und deren Leistungen (ein- schließlich Abgabe von Me- dikamenten) kostenlos für den Patienten sind, zum anderen gibt es natürlich auch zahlreiche privat li- quidierende Ärzte in freier Niederlassung. Dabei zeigt sich zwischenzeitlich eine Tendez, beide Möglichkei- ten zu integrieren (d. h.
Teilzeitärzte im öffentli- chen Gesundheitswesen
GROSSKLINIKEN
Zu dem Diskussionsbeitrag von Prof. Dr. med. Wilhelm Föllmer „Humanität im Groß- klinikum", Heft 33/1982:
Enorme
Herausforderung
... Ein wahrer „Insider"
wird man oft erst, wenn man gezwungenermaßen als „Outsider" Diagnostik und Therapie am eigenen Leibe erfährt und wenn Ge- duld als höchste innere Qualität geprüft wird. Ein Kollege pflegte am Kran- kenbett „eimerweise" Ge- duld zu wünschen und hat dabei der offensichtlich viel zu sehr in Vergessen- heit geratenen Wahrheit Rechnung getragen: Die Geduldigen sind die Star- ken. Unsere weiße, beto- nierte Arbeitswüste ist uns Ärzten eine enorme Her- ausforderung („Ansporn"
wäre wohl ein zu positiver Ausdruck), den Patienten, d. h. den Leidenden, von unserer Leistungsgesell- schaft abgeschobenen, als
Mitmenschen zu begeg- nen. Daß man damit viel- fach überfordert ist, läßt sich nicht leugnen. Aber
mit Erlaubnis zur Privattä- tigkeit). Ohne hier diese Tendenz werten zu wollen und auch ohne sicher vor- handene Probleme in ei- nem vom Kräftespiel des Weltmarktes abhängigen Land (z. B. Medikamenten- knappheit) ganz verschwei- gen zu wollen, sollen doch die Bemühungen des ja- maikanischen Gesund- heitsministeriums und die bisher erreichten Erfolge zeigen, daß Gesundheits- fürsorge in der Karibik mehr ist als „Inselroman- tik" für Idealisten .
Dr. Axel Eisenmann M. D., D. M. 0. Port Maria Columbus Avenue Tower Isle P. 0., St. Mary Jamaica, W. I.
wir können doch ohne be- sonderen Zeitaufwand eini- ges humaner ausdrücken oder durch spontane kleine Gesten zeigen, daß wir „die Nahen, Helfenden" sind und nicht die „Fernen, nur Wissenden".
Dies ist unsere Antwort auf das Bedürfnis des Kranken, menschliche Nähe zu spü- ren als Ausdruck der uns allen in derartigen Situatio- nen innewohnenden Hilflo- sigkeit, gilt doch für einen jeden: „Zu der Pforte des Himmels geht man völlig allein", wie es das Haupt- thema der Oper Joonas Kokkonens „Die letzte Ver- suchung" sagt.
Letztlich liegt es an uns sel- ber, ob wir unseren Patien- ten wahre Begleiter in der Wüste des Krankseins sind
— ob wir, die wir ständig
„mit Krankheit hantieren"
auch den unbestreitbaren Wert und die Bedeutung des Krankseins für den ein- zelnen ermessen und ihm
in dieser Weise bei der Ver- arbeitung seines Zustan- des beistehen.
Dr. med. Irmeli Schüz Am Haderner Winkel 2 8027 Neuried
BESTEUERUNG
Zu dem Leserbrief „Warum kein Musterprozeß?", von Dr.
Gerhard Ritscher (Heft 42/
1981), der sich auf einen Bei- trag von Rechtsanwalt Dr. jur.
Hans Joachim Heber „Be- steuerung bei der Altersver- sorgung verfassungswidrig"
(Heft 28/1981) bezog:
Groteske
Ungerechtigkeit
... Diese Frage möchte ich gerne noch einmal wie- derholen und nachdrück- lich unterstreichen. Wahr- scheinlich werden unsere Standesvertreter sagen, das passe jetzt nicht in die politische Landschaft. Aber paßt es denn in die politi- sche Landschaft, wenn die Abgeordneten jeweils ihre steuerfreien Bezüge erhö- hen, knapp bevor sie wie- der einmal die Rentner oder sonstige kleine Leute zur Kasse bitten? Die gro- teske Ungerechtigkeit die- ser Besteuerung wird von Jahr zu Jahr unerträgli- cher, da sich die Schere
BERLIN
Zu der Meldung in Heft 38/1982
„Einstellung von Ärzten ist wieder möglich":
Erwähnenswerte Tatsache
Mit Freuden habe ich Ihren optimistischen Bericht ge- lesen. Es war einer von vie- len, der durch die Berliner und bundesdeutsche Pres- se ging und den Eindruck vermittelt, daß es jetzt nach der Aufhebung des Einstel- lungsstopps in Berlin mög- lich sei, eine Anstellung zu finden. Leider wird in kei- nem der besagten Artikel erwähnt, daß sich dies fast nur auf Kollegen bezieht, die bereits klinische Erfah- rungen besitzen. Das Ar- beitsamt konnte laut telefo- nischer Auskunft in den
zwischen Unkostensteige- rungen und Beitragssteige- rungen einerseits und Ein- kommensentwicklung an- dererseits immer mehr schließt. Obwohl ich inzwi- schen nur die Pflichtbeiträ- ge zahle, wäre ich auch da- zu nicht mehr in der Lage, wenn ich nicht 77 ein Grundstück verkauft hätte und aus dem Erlös jährlich zu meinem Lebensunter- halt zusteuern würde.
Solange unsere gut verdie- nenden Ärztekollegen sich nicht dafür interessieren, was den 50 Prozent der Kollegen, die z. T. mit ih- rem Einkommen erheblich unter dem Durchschnitt lie- gen, übrigbleibt, wenn sie von ihrem versteuerten Nettoeinkommen ihre Ver- sicherungsbeiträge bezahlt haben, kann man ja wohl kaum erwarten, daß wir im außerärztlichen Bereich Verständnis für diese Si- tuation finden.
Dr. med. Guntrun Krieger Mellinghofer Straße 334 4330 Mülheim
letzten neun Monaten nicht einen „Berufsanfänger"
vermitteln, so daß es unter anderem auch mir nicht sinnvoll erscheint, mich dort überhaupt zu melden.
Wahrscheinlich wird auch mir, wie vielen meiner vor mir fertig gewordenen Stu- dienkollegen, nichts weiter übrigbleiben, als nach di- versen Bewerbungsabsa- gen mein Ränzlein zu schnüren und meine beruf- liche Tätigkeit außerhalb von Berlin zu beginnen.
Dies ist im Gegensatz zu anderen bei mir nicht so dramatisch, trotzdem halte ich es doch für eine zumin- dest erwähnenswerte Tat- sache.
Alexander Lippert Weimarische Straße 26 1000 Berlin 31
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