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Benötigen wir einen Arzt neuen Typs?

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Berufspolitik

368 Ärzteblatt Sachsen 8/2004

Das deutsche Gesundheitswesen ist nach wie vor besser als sein Ruf, und viele Staaten be- neiden uns um dieses System gesundheitlicher Betreuung. Ohne wesentliche Wartezeiten wird die Bevölkerung wohnortnah und flächen- deckend ambulant, stationär und rehabilitativ versorgt.Oberste Priorität aus Sicht der Pa- tienten hat – jüngsten Meinungsumfragen zufolge – der ungehinderte freie Zugang des Patienten zu seinem Arzt. Dort haben kranke Menschen Anspruch auf eine fachlich hoch- wertige und humane Versorgung.

Noch haben wir ein vertrauensvolles Patien- ten-Arzt-Verhältnis und eine flächendecken- de solidarische Krankenversorgung. Wir sollten sie erhalten. Deshalb müssen sich alle künftigen Reformschritte an folgenden wich- tigen und grundlegenden Gesundheitszielen orientieren:

■ Der Bürger hat die Verantwortung für sich und seine Gesundheit. Eine gesunde Lebens- weise und Prävention müssen feste Bestand- teile der privaten Lebensführung werden.

■ Der Bürger muss die Gewissheit haben, dass Krankheit für ihn und für seine Familie niemals zu einer existenzbedrohenden finan- ziellen Belastung wird.

■ Der Bürger muss wohnort- und zeitnah Zugang zu ambulanten und stationären medi- zinischen Leistungen haben.

■ Der Bürger hat Anspruch auf medizini- sche Leistungen nach dem Stand des aktuellen medizinischen Wissens. Der medizinische Fort- schritt muss allen Bürgern zugute kommen.

■ Der alte Mensch darf nicht ausgegrenzt werden. Alter allein darf nicht zum Leistungs- ausschluss führen.

■ Der leidende Mensch muss durch seinen Arzt jederzeit Hilfe, Heilung und Zuspruch erfahren können.

■ Der unheilbar Kranke hat ein besonderes Recht auf Zuwendung, Linderung von Be- schwerden, Erleichterung seines Schicksals und einen Tod in Würde.

Die Rahmenbedingungen zur Erfüllung dieser wichtigen Gesundheitsziele müssen von der Politik garantiert werden. Dazu gehört unter anderem auch die zu verbessernde Attraktivi- tät der Heilberufe und insbesondere der ärzt- lichen Tätigkeit in materieller und ideeller Hinsicht.

Und wir Ärzte? Sollen wir uns in reine Ge- sundheitsökonomen, die von Managern ihre Handlungsanweisungen bekommen, wan- deln? Sollen wir das Stethoskop durch den spitzen Bleistift ersetzen? Soll ein Patient

dann nur noch eine DRG-Nummer mit Wirtschaftlichkeitsreserven sein? Soll er im Krankenhaus abgelegt werden wie in einem Bettenregal? Soll dem Arztkittel immer mehr der Ärmelschoner übergezogen werden, um die wachsende Bürokratie zu beherrschen?

Werden dann nicht noch mehr Studenten ihr Medizinstudium abbrechen und Ärzte abwandern? Sind das wirklich die Bedin- gungen, die wir uns für die Weiterentwick- lung unseres Gesundheitssystems wünschen?

In Sachsen sind Handlungsoptionen beson- ders vonnöten. Denn mittlerweile sind mehrere Gebiete vom Ärztemangel betroffen. Die Ärz- teschaft hat größtenteils ihre Hausaufgaben gemacht. Das konnten die Leser im Heft 6 des

„Ärzteblatt Sachsen“ nachlesen. Aber die Po- litik ist immer noch sehr zögerlich. Das So- zialministerium hatte Anfang Juli eine Sitzung mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KVS) und den Krankenkassen einberufen, um die Optionen „Umsatzgarantie“ oder „verlorenes Darlehen“ für die Übernahme einer Nieder- lassung auf dem Lande zu beraten. Zu einer Entscheidung kam es allerdings nicht. Nach Klärung juristischer Fragen wird es erst An- fang September, also nach Sommerpause und Ferienzeit, dafür mitten im Landtagswahl- kampf, eine nächste Sitzung geben. Ob dort eine Entscheidung fallen wird, ist offen. Denn obwohl Krankenkassen und KVS einer Tei- lung der notwendigen Aufwendungen zuge- stimmt und das Sozialministerium mit Hin- weis auf den Sicherstellungsauftrag eine Kos- tenübernahme ausgeschlossen hat, ist die Höhe der notwendigen Aufwendungen noch nicht näher bestimmt. Für den Öffentlichen Gesund- heitsdienst dagegen hat das Sozialministerium bereits verbesserte finanzielle Rahmenbedin- gungen geschaffen.

Davon abgesehen, wird es nicht reichen, Ärzte mit Geld aufs Land locken zu wollen.

Vielmehr müssen mehrere Schritte ineinander greifen. Die Förderung der Weiterbildung All- gemeinmedizin, die Verzahnung ambulant/

stationär, flexible Arbeitszeiten für Ärztinnen mit Kindern und der Abbau von Überreglemen- tierungen könnten junge Ärzte motivieren, den Arztberuf nach dem Studium auch zu ergrei- fen und später eine Praxis auf dem Lande zu übernehmen. Maßgebliche Unterstützung kann auch von den Kommunen kommen. In eini- gen Landkreisen bemüht man sich um die Verbesserung der Infrastrukutur. Mit Kinder- betreuungsplätzen, gut ausgestatteten Schulen, kulturellen Angeboten und einer optimalen

Verkehrsanbindung an nahe gelegene Groß- städte kann die Attraktivität einer Region er- heblich verbessert werden.

Diese Vorschläge sind nicht neu. Enthalten wa- ren sie bereits 2003 in einem Zwischenbericht einer Projektgruppe des Sozialministeriums.

In dieser Projektgruppe haben zahlreiche Ärzte der Sächsischen Landesärztekammer und der KVS mitgearbeitet, um die schwierige Si- tuation rechtzeitig in den Griff zu bekommen.

Doch es ist wieder ein Jahr ohne Resultate vergangen. Auch ein Interview mit der Sächsi- schen Staatsministerin Helma Orosz in diesem Heft bringt dazu keine neuen Erkenntnisse.

Bis zur Klärung der aufgeworfenen Fragen und darüber hinaus werden wir Ärzte im Verbund mit den anderen Heilberuflern die qualifizierte und humane Versorgung, Füh- rung und Behandlung der uns anvertrau- ten Patienten in dem uns vorgegebenen Rah- men wahrnehmen. Auch wenn wir so manche Hoffnung, Erwartung – ja Forderung – nicht, nicht mehr oder noch nicht erfüllen können, so hat die Medizin bis heute eine grandiose Ent- wicklung genommen. Diese neuen medizini- schen, technischen und pharmakotherapeuti- schen Möglichkeiten sollen uns allen auch zur Verfügung stehen. Wir Ärzte tragen die Verant- wortung für den gezielten Einsatz dieser inno- vativen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten, die unserer Bevölkerung ein lan- ges Leben bei guter Lebensqualität beschert hat.

„Benötigen wir einen Arzt neuen Typs – vielleicht doch einen ökonomie-beflissenen Medizintechnokraten?“ war die eingangs gestellte Frage. – Ich meine „nein“, wenn wir den seit Hippokrates oder Paracelsus überkommenen Wertekanon nicht nur bewahren, sondern praktizieren und mit notwendigen neuen Kategorien und Er- kenntnissen von Recht, Gesetz, Ökonomie und Philosophie anreichern.

Oberste Prinzipien künftiger kooperativer ärztlicher Tätigkeit, wie sie durch das GKV- Moderniesierungsgesetz vorgegeben und durch die novellierte Berufsordnung un- tersetzt wurden, müssen Freiberuflichkeit und freie Arztwahl sein und bleiben!

Bewahren wir unser Arzttum in dem bewähr- ten Dualismus von naturwissenschaftlicher und zugleich ethisch-menschlicher Dimension.

Nur so erfüllen wir die Erwartungen der kran- ken Menschen an uns und unseren Anspruch an einen der schönsten Berufe überhaupt.

Prof. Dr. med. habil. Jan Schulze, Präsident

Benötigen wir einen Arzt neuen Typs?

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