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Harmonischer Neustart?

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Bayerisches Ärzteblatt 3/2014

Meinungsseite

Allen recht getan ist eine Kunst die keiner kann! Der Volksmund übersetzt damit eine Bibelstelle aus Mt 6,24: „Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten.

Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mam- mon“. Ein Dilemma, das nirgends so sehr auf- bricht wie in der Gesundheitspolitik der ewige Streit zwischen Verantwortungs- und Gesin- nungsethik.

Drei Schwerpunktvorhaben, die sich die neue Regierungskoalition in der Gesundheitspolitik zum Ziel gesetzt hat: mehr Qualität, eine ver- stärkte Patientenorientierung sowie die bes- sere Verzahnung von ambulanter und statio- närer Versorgung. Alle drei Themen betreffen die empfindliche Schnittstelle von Geldbeutel und Gutmenschentum oder abstrakter gespro- chen zwischen einer optimalen Behandlung und deren Finanzierung. Das weiß auch der neue Bundesminister für Gesundheit, Hermann Gröhe. Für alle Auguren überraschend hat die Bundeskanzlerin ihren treuen Generalsekre- tär ins Haifischbecken der Gesundheitspolitik geschubst, nachdem sich die für die Position prädestinierte Ursula von der Leyen hartnäckig am Beckenrand festgeklammert hatte und lie- ber den Auslandseinsatz in Afghanistan diesem Schwimmunterricht vorzog.

Jetzt also Gröhe, ein Mann, der im Gegen- satz zu den streitbaren Überzeugungstätern wie Karl Lauterbach und Jens Spahn eher als überlegter Netzwerker unauffällig seine Fä- den spinnt. Dessen Name aber innerpartei- lich Gewicht hat und für Ausgleich steht.

Für die neue Aufgabe muss ein derartiges Phlegma nicht unbedingt von Nachteil sein, ebenso wenig wie die noch fehlende Fach- kenntnis. Die ersten öffentlichen Auftritte Gröhes zeigen ein hohes Maß an Empathie mit den Akteuren im Gesundheitswesen – allerdings ohne sich vorzeitig festzulegen.

So wirbt er beim Neujahrsempfang der deut- schen Ärzteschaft um deren Unterstützung. Er lobt ausdrücklich die Arbeit des Gemeinsamen

Bundesausschusses anlässlich des 10-jährigen Jubiläums als „kleinen Gesetzgeber“. Er weiß, in diesem Minenfeld widerstreitender Interes- sen sind Schnellschüsse par ordre du mufti nur der Auslöser für verhängnisvolle Ketten- reaktionen. So wird sich Gröhe mit Sicherheit nicht das Tempo bei der Umgestaltung des Ge- sundheitsfonds oder beim Zusatzbeitrag von den Krankenkassen diktieren lassen. Genauso ist er gut beraten, wenn er beim Thema War- tezeiten und qualitätsorientierter Vergütung mit Augenmaß und Gründlichkeit seine Ent- scheidungen vorbereitet. Er selbst hat bereits darauf hingewiesen, er werde sich nicht blind in eine der zahlreichen „Fangemeinden“ ein- binden lassen. Bevor er nicht jeweils die andere Seite gehört hat, um sich einen umfassenden Eindruck der bestehenden Probleme und deren Lösungsmöglichkeiten zu verschaffen, wird of- fenbar nichts entschieden. Diese Herangehens- weise bedeutet eine Chance für besonnene Lobbyisten und Interessenvertreter, mit durch- dachten Argumenten bei Gröhe zu punkten, statt mit populistischen Schnellschüssen die politischen Akteure zu erpressen. Der aktuelle Handlungsdruck ist aufgrund guter konjunk- tureller Entwicklung, im Gegensatz zur Pflege, im Gesundheitswesen nicht so groß, dass die anstehenden Reformen übers Knie zu brechen wären. Das gilt insbesondere für die Einrich- tung eines Qualitätsinstituts mit dem Ziel, den Behandlungserfolg gerade im stationären Bereich zum absoluten Maßstab auch für die Bezahlung zu machen. Die Verwerfungen an der Nahtstelle zwischen ambulanten Grundver- sorgern und klinischen Spezialisten sind eben- falls nicht mit der Streitaxt zu zerschlagen. Das Ringen zur Überwindung der Sektorengrenzen darf nicht in einen Grabenkrieg mit Gewinnern und Verlierern ausarten. Die zentralen Vorha- ben aus dem Koalitionsvertrag vertragen und brauchen intensive Diskussionen. Gerade die umfassende Krankenhausreform erfordert die Einbindung der Länderebene und Akzeptanz der Kommunen ebenso wie der nachgelagerten körperschaftlichen Strukturen bei den Nieder- gelassenen, um zu tragbaren Ergebnissen zu kommen.

Unter diesen Voraussetzungen sollte die Neu- besetzung vieler Positionen an den politischen Schaltstellen im Bundestag und im Ausschuss als Chance gesehen werden, eingefahrene Gleise zu verlassen und alte Frontstellungen aufzubrechen. Alte Kämpfer wie Rolf Koschor- rek, Max Straubinger, Wolfgang Zöller und Wil- ly Zylajew haben die Bühnen ebenso verlassen wie Dr. Marlies Bunge oder Biggi Bender. CDU und CSU schicken 18 und die SPD elf Mitglieder in den 37-köpfigen Gesundheitsausschuss. Die Große Koalition könnte durch ihre klaren Mehr- heitsverhältnisse hilfreich sein, da die Bun- desländer unter parteitaktischen Erwägungen nicht blockieren werden. Umgekehrt sollte der Abgang des langjährigen Lotsen von der Kom- mandobrücke der Kassenärztlichen Bundesver- einigung, Dr. Andreas Köhler, die Körperschaft nicht in Angststarre verfallen lassen. Die anste- hende Neuwahl bietet auch hier die Möglichkeit zur Weichenstellung, die die Bunkermentalität einzelner Arztgruppen überwinden hilft.

Die aktuell demonstrierte Harmonie sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gesundheits- politik ein schwieriges Glacis ist und bleiben wird, gerade weil es um Verteilung von Geld und Versorgung von Menschen geht. Am Ende bleibt die Einsicht, es nicht allen recht machen zu können. Etwas Demut vor der Aufgabe und Empathie mit den Anvertrauten kann da den Beteiligten nicht schaden, damit der Ausgleich zwischen Gott und Mammon doch möglich wird.

Autor

Hans-Edmund Glatzl, Der Gelbe Dienst, Redakteur für Gesundheits- politik, Vincentz- Network, Berlin

Harmonischer Neustart?

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