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Archiv "Gewebegesetz: Ein Herz für Änderungswünsche" (08.06.2007)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 23⏐⏐8. Juni 2007 A1623

P O L I T I K

D

er Zweck heiligt die Mittel:

Das fanden offenbar die ver- antwortlichen Journalisten des nie- derländischen Senders, der mit einer vermeintlichen Organspende-Show auf die Knappheit von Spender- organen aufmerksam machen wollte (siehe auch „Seite eins“). Mit dem- selben Satz lässt sich nach derzei- tigem Erkenntnisstand überschrei- ben, was in Essen passiert ist. Am dortigen Universitätsklinikum soll leberkranken Patienten angeboten worden sein, sie rascher zu operie- ren, wenn sie im Gegenzug mehrere Tausend Euro auf ein Forschungs- konto einzahlten.

Zwei Geschichten, die es leicht machten, das Thema Organspende rund um den dazugehörigen Ge- denktag am 2. Juni in den Medien groß herauszubringen. Im Ver- gleich dazu ging die Verabschie- dung des sogenannten Gewebege- setzes am 24. Mai im Bundestag unauffällig über die parlamentari- sche Bühne. Damit wird der Um- gang mit menschlichen Zellen und Geweben, wie Augenhornhäuten, Herzklappen, Knochen oder Ei- und Samenzellen, umfassender als bis- her reglementiert.

Das Gewebegesetz ist allerdings kein eigenständiges Gesetz, sondern eine Ansammlung von Änderungs- bestimmungen, vor allem für das Arzneimittel-, das Transplantations- und das Transfusionsgesetz. Im Kern wird der Umgang mit mensch- lichem Gewebe nun endgültig dem Arzneimittelgesetz (AMG) unter- stellt, auch wenn einige Bestim- mungen gelockert wurden.

„Mit dem Gewebegesetz werden die notwendigen Anforderungen an Qualität und Sicherheit geregelt“, sagte der parlamentarische Staats-

sekretär im Bundesgesundheitsminis- terium, Rolf Schwanitz. Deutsch- land komme so seiner Verpflichtung nach, eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2004 in nationales Recht umzu- setzen.

Organ- vor Gewebespende – das muss belegt werden Nachdem der ursprüngliche Entwurf aus dem Bundesgesundheitsministe- rium (BMG) auf massive Kritik des Bundesrats sowie von Fachleuten, zum Beispiel der Bundesärztekam- mer (BÄK), gestoßen war, hatten Parlamentarier aller Fraktionen Nach- besserungen gefordert. Mit Erfolg:

Die Vorlage wurde in mehr als 50 Punkten geändert.

Am deutlichsten begrüßt wurde es, dass nun der Organspende ein- deutig Vorrang vor der Gewebespen- de eingeräumt wird. Im Gesetz heißt es dazu: „Die mögliche Entnahme und Übertragung eines vermitt- lungspflichtigen Organs hat Vorrang vor der Entnahme von Geweben; sie darf nicht durch eine Gewebeent- nahme beeinträchtigt werden.“ Dar- über hinaus wird ein Beleg für die Umsetzung dieser Vorgabe verlangt.

Eine Gewebespende ist dem Gesetz zufolge „erst dann zulässig, wenn eine von der Koordinierungsstelle* beauftragte Person dokumentiert hat, dass die Entnahme oder Über- tragung von vermittlungspflichtigen Organen nicht möglich ist oder durch die Gewebeentnahme nicht beeinträchtigt wird.“

Hintergrund sei, dass es längst fließende Übergänge von der Or- gan- zur Gewebeentnahme gebe, wie Prof. Dr. med. Gundolf Guber- natis in der Anhörung des Gesund- heitsausschusses des Bundestags er- läuterte. Ein Herz oder eine Leber

könnten, falls sie als Transplantat nicht geeignet seien, sehr wohl für Gewebezwecke entnommen wer- den. Dann könnten sie im Fall eines Spenderherzens noch Herzklappen eines anderen Menschen ersetzen oder als Rohstoff für das Tissue- Engineering dienen, im Fall einer gespendeten Leber zur Verwendung von Leberzellen für Testreihen mit Arzneimitteln.

Diese unterschiedlichen Mög- lichkeiten bürgen aber die Gefahr, dass einzelne vermittlungspflichtige Organe nicht transplantiert würden,

„weil Teile von ihnen als Gewebe- spende wirtschaftlich interessanter verwertbar erscheinen“, hatten Re- präsentanten der Bundesärztekam- mer in der Anhörung gewarnt. Sol- GEWEBEGESETZ

Ein Herz für Änderungswünsche

Der Bundestag hat Ende Mai neue Regeln für den Umgang mit Gewebe und Zellen verabschiedet. Zahlreiche Bedenken von Fachleuten wurden berücksichtigt.

* gemeint ist damit die Deutsche Stiftung Organtransplantation

Foto:dpa

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A1624 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 23⏐⏐8. Juni 2007

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che Bedenken sind alles andere als theoretischer Natur. Spenderkran- kenhäuser und Transplantationszen- tren betreiben längst eigene Gewe- bebanken. Selbst die Deutsche Stif- tung Organtransplantation (DSO) als Koordinierungsstelle für Organ- spenden hat bereits 1997 die Ge- meinnützige Gesellschaft für Ge- webetransplantationen (DSO-G) ge- gründet, die wiederum mit einer kommerziellen Firma kooperiert.

Das Gesetz stellt nun die Rang- folge eindeutig klar: Organ- vor Gewebespende. Ebenfalls eingefügt wurde ein Handelsverbot für Gewe- be. Auch dies hatten viele Kritiker in der Anhörung gefordert.

Grenzen für Knochenmark Als weitere Verbesserung gilt die Klarstellung, dass menschliche Sa- men- und Eizellen keine Arzneimit- tel sind. Gestrichen wurde zudem die Regelung, dass nicht einwilligungs- fähige volljährige Personen unter bestimmten Bedingungen Knochen- mark spenden können. Restriktiver wurden auch die Regelungen gefasst, die für eine Knochenmarkspende von Minderjährigen gelten. Diese

wird auf Eltern und Geschwister be- grenzt und umfasst nicht mehr Ver- wandte zweiten Grades, beispiels- weise die Großeltern.

Führende Gesundheitspolitiker der Union, wie Hubert Hüppe und Annette Widmann-Mauz, werteten es zudem als Erfolg, dass es künftig für „klassische“ Gewebetransplan- tate wie Herzklappen oder Augen- hornhäute entgegen dem ersten Ent- wurf keine allzu kostenintensiven und bürokratischen Vorgaben für Konservierung, Lagerung oder Ab- gabe geben werde. Das gilt allerdings nicht, wenn Gewebe tatsächlich in- dustriell verarbeitet wird oder we- sentliche Verarbeitungsschritte und -verfahren neuartig sind.

Kritik kam aus den Reihen der FDP. Deren Sprecher für Transplan- tationsmedizin, Michael Kauch, hält es unter anderem für problematisch, dass die Richtlinienkompetenz der BÄK eingeschränkt werde. Ob in der Praxis geringstmögliche Bürokratie und kürzestmögliche Fristen um- setzbar seien, bleibe offen.

Mehr als 50 eingefügte Änderun- gen reichten den Abgeordneten den- noch nicht aus. Sie verabschiedeten

zusätzlich eine Entschließung. Darin fordern sie das Bundesgesundheits- ministerium auf, „die Rahmenbedin- gungen der Transplantationsmedizin zu evaluieren und dem Bundestag 2008 einen Bericht vorzulegen“. Er soll Auskunft geben über Gewin- nung und Vermittlung von Organen, Information und Aufklärung der Be- völkerung, der Spender und ihrer Angehörigen sowie gegebenenfalls Änderungsbedarf aufzeigen.

Gründe zum Nachhaken gibt es.

Zwar ist der Vorrang der Organ- vor der Gewebespende geregelt. Doch ob und wie dem in der Praxis gefolgt wird, muss sich erst noch zeigen.

Fachleute bezweifeln zudem, dass sich die Grenzen zwischen nicht in- dustriell und industriell verarbeite- tem Gewebe in jedem Fall klar be- stimmen lassen. Das gilt ebenso für die Unterscheidung zwischen be- kannten und neuartigen Verfahren der Gewebeverarbeitung.

Auf die Versorgung kranker Men- schen wirkt sich zudem nicht nur aus, was im Gewebegesetz steht, sondern auch, was darin ausgelassen wird. Während auf den Mangel an Spenderorganen immer plakativer hingewiesen wird, ist der Mangel an Spendergewebe und dessen un- gleiche Verteilung kaum Thema.

Bei Augenhornhäuten zum Beispiel

„übersteigt der Bedarf an solchen Transplantaten deutlich die Zahl der durchgeführten Operationen: Allein in Deutschland warten pro Jahr Tau- sende von Patienten auf Ersatz“, heißt es auf der Homepage der Augenhorn- hautbank der Berliner Charité.

In Deutschland gibt es nach Aus- kunft der DSO-G rund 20 Horn- hautbanken und noch weniger Herz- klappenbanken. In erster Linie decken sie den Eigenbedarf ihrer Patienten ab. Daran wird sich auch durch das Gewebegesetz nichts än- dern. Zwar hatte der Bundesrat dies als problematisch kritisiert. Die Länder regten in ihrer Stellungnah- me zum Gesetz an zu analysieren, an welchen Gewebespenden es in Deutschland mangelt und wie man eine gerechtere Verteilung zu knap- per Gewebetypen gewährleisten könnte. Doch dazu findet man kei- nen Passus im Gesetz. I Sabine Rieser DÄ: Sind Sie mit dem

Gewebegesetz zufrieden?

Pruß:Zwar bleibt die von vielen Fachgesellschaften und den Standesorganisationen als Nachteil angesehene Regelung, wonach der Umgang mit Gewe- be unter das Arzneimittelgesetz (AMG) fällt, aber sie ist in we- sentlichen Punkten geändert worden.

DÄ: Welche sind das?

Pruß:Erstens gilt ganz klar der Vorrang der Organ- vor der Gewebespende. Zweitens kön- nen Gewebebanken nun eine erleichterte Herstellungserlaub- nis gemäß §§ 20 b und c AMG beantragen. Drittens kann man für „klassische“ Gewebezube-

reitungen, die länger als zehn Jahre in Anwendung sind und kein aufwendiges industrielles Verfahren benötigen, eine Ge- nehmigung nach § 21 a AMG beantragen. Dieses Verfahren ist erheblich einfacher als die bisherige Zulassung nach § 21 AGM. Denn es stützt sich vor allem auf ärztliches Erkenntnis- material und Literaturdaten. Kli- nische Studien sind nicht erfor- derlich.

DÄ: Was bedeutet das konkret für Gewebebanken in Deutschland?

Pruß:Wenn Gewebebanken nun eine vereinfachte Genehmi- gung nach § 21 a beanspruchen, könnte beispielsweise nur eine

Augenhornhautbank eine (Mus- ter-)Dokumentation erarbeiten.

Auf die könnten sich alle anderen Augenhornhautbanken, die eben- falls so arbeiten, beziehen, wenn sie eine Genehmigung erhalten wollen.

DÄ: Ist das realistisch?

Pruß:Es setzt voraus, dass sich die Fachkreise mit dem Paul-Ehrlich-Institut, der zu- ständigen Bundesoberbehörde, auf einen gemeinsamen Weg einigen. Das geht sicher. Es be- steht ja bereits ein fachlicher Austausch in der Sektion „Ge- webezubereitungen“ der Deut- schen Gesellschaft für Trans- fusionsmedizin und Immun- hämatologie.

4 FRAGEN AN…

Dr. med. Axel Pruß, Abteilungs- und Herstellungsleiter, Gewebebank der Charité

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