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VE RU N s

111

TAL T u NG ,

JUSTOUISCJI ÖöI':lN SOLL DIF. UF.UTIGE GE- NF:R.~·I'U.N, XICUT 1[I~T01.U~U[ SC'IIEINEN.

"VOn'WAIC'I')oi. :\'1('11'1' ßU('U,WAUTS )U))oi)oi IHI~

!SCHJ1A UJlE (,;EnßEIlT WERnEN - WI"XX )oiIE

HAJ~TJ"X )oiOI,L."

nl<:lt n.R:unItA~·DTDJ-:;l:"TSCII_E J.X "UE.lIßUA.llfDT

ALS EJtZ~":J-IER;'

D ie Wahrheit fließt eher aus dem Irrtum als aus der Verwirrung, sagte Bacon. 'V ären die verschiedenen Gesetze gegen Verun- staltung mit ihren zahlreichen Erläuterungen, Ausführungsan\Yeisungen, Gerichtsentschei- dungen, Ministerialerlassen, Polizei\'erord- nUllgen, Ortsgesetzen, Ortsstatuten usw, nur eine riesige Papierpyramide des Irr- tums, so wäre es nicht so schlimm. Sie sind aber wie ein Schutthaufen mit Splittern und Scherben edlerer Herkunft, die heraus- zuholen eine atembeklemmende Staubwolke des Ruinenschutts und Unrats auf\\ irbelt.

'Ver hätte nicht den heftigsten \\'unsch, aus der Trostlosigkeit des allgemeinen Bauzustandes, der mit 1880 etwa begann, einen Ausweg zu suchen! Und doch i~t

dieser Bauzustand nur ein Spiegel des ge-

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:oamten Zustandes auf allen Gebieten; man hätte also im allgemeinen schlechten Bauen nur eine Teilerscheinung einer im ganzen angefaulten Denkverfassung sehen dürfen und von eben d:e5er, also dem Nerven- zentrum ausgehen und damit auch das Bau- wesen auffrischen müssen. Aber das an- gefaulte Zentrum mußte - sonst wäre es eben nicht so - ja den verkehrten Weg ein- schlagen und konnte nicht anders als - die Polizei rufen. Und das noch mit geschwol- lener Brust: "Erst der moderne R echts- staat . machte den

§

10 11 17 ALR.

20

zur Grundlage polizeilicher Tätigkeit 1Il

seiner gegenwärtigen Bedeutung." "D as mit dem wachsenden Wohlstand stei- gende (!) Maß ästhetischer Bildung (!l weiter Volkskreise (!)" - ja - das er- klomm den Gipfel seiner Bildung - schrie nach der Polizei. (Sehr sicher muß es nicht gewesen sein.) Was es in früheren Ver- ordnungen gab, war harmlos; es gibt wenig- stens die vereinzelte juristische Auffassung, daß die früheren behördlichen Bestim- mungen von der Absicht ausgingen, das hochstehende produktive Schaffen vor Bre- chungen, Kompromittierungen und Verun- glimpfungen zu schlitzen.

1902 ist das denkwürdige Jahr eines er- sten Gesetzes über Bauästhetik in Preußen, dem vieles vieles andere, mehr Leid als Freud folgte; das Architekturschund- und -schmutzg setz feiert sein 25 jähriges J ubi- läum. Der bisherige "Rechtszustand ent- sprach nicht dem Bedürfni$se einer kul- turell fortgeschrittenen Zeit". Kur auf

"Verunstaltung", nicht aber auf "Be- einträchtigung" des Orts-, Straßen- und Landschaftsbildes sollten die Gesetze zielen.

Worin liegt aber der feine Begriffsunter- schied: "Eine grobe V runstaltung Jipgt nicht schon dann vor, "'enn nur eine yorhandene Form chönhei t ver·

hindert wird oder auch ganz v>rloren geht. Die künstlerische Anlage einer Straße oder eines Platzes kann auf das Niveau des Ge \\ öhnlichcn hl' rab- gedrückt ,,'crden. Das ist noch keine

Verunstaltung, geschweige denn eine grobe. Auch n ich t schon jede Stö- rung der architektonischen Harmonie fällt unter jenen Begriff. Unerläß- lich ist vielmehr für den Begriff der Verunstaltung die Herbeiführung eines positiv häßlichen, jedes offene Auge verletzenden Zustandes." Und Urteil d. OVG. vom 11.6.1909: "Der Be- griff der groben Verunstaltung ist ein längst feststehender un d setzt die SChaffung eines positiven häß- lichen und daher jedes für ästhe- tische Gestaltung offene Auge ver- letzenden Zustandes voraus." Alles steht also fest - wir glaubten bisher: alles fließt. Jedes offene Auge ist also maß- gebend. Wenn nun aber eine besonder"

starke Leistung sich 4uf das Urteil eines kleinen Kreises von Anhängern stützen will, da doch "jedes offene Auge uS\Y."

ent cheidet, wenn es sich auf den ministe- riellen Runderlaß vom 10. L 1908 berufen will, der folgendes sagt: "man .... sollte für die andersgearteten Bedürfnisse der Gegenwart einen entsprechenden stilgem äßen Ausdruck suchen"

dann, ja dann, lieber Staatsbürger, gilt der Satz aus demselben Erlaß kurz vorher, der es verurteilt, "den W ohnhäusern eine nach landläufiger Anschauung mo- derne Erscheinung zu geben. In die- sem Bestreben liegt eine Gering- schätzung der Überlieferung." Dann, ja, dann - ent cheiden die "weiten Yolks- kreise" des Geetze~, deren Empfinden ver- letzt wird, deren ~iveau so hoch steht, daß es zum Richter über die vorausschauende Leistung auch des stärksten Künstlers wer- den darf. Fiskali~che, auch kronfiskalische Bauten (s. Berliner Opernhaus!) aber fallen nur "regelmäßig beschränkt" unter clJ.s Ge- setz. ]hne über Messel gestellt so machte man Geschichte. \Venn aber ein großer Kreis ernster rensehen die Frage auf-

\\ erfen sollte, ob nicht die Verunstaltungs·

ausschüsse selber yerunstaltencl arbeiten, wie z. B. beim En\ eiterung~bau \Yerth >im in Berlin am Leipziger Platz 1926 mit dpr Bpleicligung des l\Icssl'lbaus, dann heißt e~

It. Enbch. vom 2. 10. 1909: ,,('nter den Begriff einer gröblichen Verunstal-

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tung des Ortsbildes im Sinne des § 1

fallen nicht bloße Unschönheiten, die ein künstlerisches Auge oder ästhe- tisch besol/dersvorgebildete Personen verletzen." Und doch sollen nach dem Erlaß die Sachverständigen der Ausschüsse ::,olche Personen sein, die "sich ein ;'p- sOlideres Verständnis für die Beur- teilung der in Betracht kommenden Fragen erworben haben".

Diese Blütenlese aus den "Gesetzen gegen Verunstaltung" ent\vickelt einen Duft, der jedenfalls stark Geschmackssache ist. 'vVas daraus entstand, kann man aus der Unzahl der Gerichtsentscheidungen herauslesen, die sich fast immer mit gleichen Ausdrücken stets im Kreise wie um ein geheimnisvolles Etwas drehen, ein Etwas, das niemand findet. ,"arum sprach niemand das er- lösende Wort: es ist ja nichts da! De gustibus non e;,t disputandum - über Ge- schmacksdinge läßt sich kein Streit führen.

Aber Illan \\'ar ja so sehr viel klüger: man tröstete sich über das selbst betürchtete ,.subjektive Ermessen" der Entscheidenden und die zugegebene "kautschukartige Fas- sung" des Gesetzes damit, daß I. "keine Gemeinde zum Erlaß eines Statuts ver- pflichtet" sei und daß 2. 3. 4. und fünf- tens die und die und die und die In- stanz ja schließlich gehört werden müßte.

1:nu so ist es gekommen: I. hat jede Ge- meinde den Ehrgeiz der Ortsnichtverun- staltung bekommen, und 2. 3. 4. und fünf- tens muß jetzt jeder Architekt mit "neuer Baukunst" von der zu der zu der zu der lnstanz laufen, gute Worte machen, oft genug ändern, wieder soundsoundsoundso-

"ielmal antichambrieren und, 'Nenn er nicht Glück hat, einen Zwitter gebären, dessen Väter - x (icks) Instanzen sind. Die aller- trübste Seite aber liegt in der Gefahr der Korruption; denn

"die Erteilung von Dispen- sen von zwingenden Vor- schriften der Bauordnungen sowie die Bewilligung von Ausnahmen kann von dpr Er- füllung ästhetischer Bedin- gungen abhängig gemacht

\v e rd e n."

o

lieber Mephisto, hilf! Oder hast du etlva selber diese Sachen gemacht, damit deine Goethezitate möglichst "ewige" bleiben? Pfui, pack dich! Ach ja - ! - vom" Rechte, das mit uns geboren - - -".

"Die Anbringung eines Drahtes über eine städtische Straße kann deren gröbliche Verunstaltung zur Folge haben (Entsch. vom 12. 10. 1882)". Ist es so sehr viel anders, wenn das Ortsge- setz zum Schutze der Stadt Berlin gegen Verunstaltung vom 3 I. 10. 1923 eine solche z. B. darin sieht, "wenn die äußere Er- scheinung der stützenden Teile zu der der gestützten Teile in auffäl- ligem Mißverhältnis steht?" Gemeint ist, daß die Stützen zu leicht, so leicht, wie es die Konstruktion erlaubt, werden könnten und nicht genug zur künstlichen Verdik- kung gebracht sind. "Ausbildung der Dächer, Gliederung und Fliichenbehandlung der Fassaden" werden unter Kuratel ge- stellt, und nun lassen diese Modernen die Dächer überhaupt weg und wollen weder von" Fassaden" noch von deren" Gliederung"

etwas wissen, wenn der Grundriß das nicht ergibt. Dieses Berliner Gesetz von Neun- zehnhundertdreiundzlVanzig geht noch weiter als die früheren, es verbietet schon die

"Beeinträchtigung" der "Eigenart des Orts-, Straßen- und Platzbildes" und erstreckt seine Wirksamkeit auf Gebiete Berlins, deren "Eigenart" in ihrer - Nüch- ternheit und niederdrückenden Häßlichkeit liegt. Zu die.,er "Eigenart" dürfen "die Bauausführungen weder im ganzen noch durch Einzelheiten in Form, Farbe und Baustoff in störenden Gegensatz treten."

1\lso neben das meist unsagbar Hoffnungs- lose darf nicht etwas Gesundes, Klares und Starkes gesetzt 'werden; denn das wäre ein störender Gegensatz zur Hoffnungslosig- keit. Es spukt immer noch der läng::,t überholte Fehlbegriff der "Anpassung".

Paßt sich ein Berliner im Verkehr einem BJ.yern an. wenn er dessen Dialekt nach- macht oder umgekehrt, und können das beide ausstehen? Ebenso wie im Yerkchr unter .:\lenschen nimmt auch jeder Architekt mit einigem Können ohne \\T eitere~ Rück-

icht, und z war auf die Vorausselzungen des Bauplatzes und seiner Lage, meist

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(4)

AbI>. ao

'''er~chaJldclnnt: des scbiincn GC'\"ß1Hlhnu!les In Jh'a"lIsch,,~ej:: durch die ,.an;:-t'lHlsstc" Hall-

del~kanlJuPJ'. I:'rofilc des a,ltcn JJau8 hcrullIge- :l:u~::cn. ~til "FiioJl" det'selbe sein. ]912.

A l,h. al UA!iI f, F.\\'AX OUA 1: ~ "01· ,1(',· "\'e,·,

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J"\.hh. :12

Alfu-'\'(·l'l .. (" ud' \\rOhIHIII~{'n on. !Schillcl'I.Ul'h: in JI~"I'Jill N', U.ugChllilt Hil Schulen "On l.t. Uon'lnunn.

,·( ... ·ulI!"rotalttlll:; dlll'loh

"Anpassung" :

"(,.'I,,,'iiIIlH"C(· ~lant"la .. d{,llcHil·ht·l·: da~ dur('h:;:f"zo-

:;:f'nt" c";u,'t::t"t\iUl'" lIud dito !:It·j(·ht" Qtllult'f'uu:,:

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"HI1 .7.-0. Mundt·" .. c-int· -Jntlul"itt'it"hallc' \ flJl J92.).

Tötung dt·!'\ lIotf'Jllnllllbnu8 "1l1'ch ('IHu'ul"ler'lo!"li;:- J'it·ii.

schon aus praktischen Gründen; aber wenn er Elemente der benachbarten Bauten aus früherer oder späterer Vergangenheit mit übernehmen soll, seien es Dachformen, Gesimshöhen, Profile und womöglich auch den "Stil«, dann muß er notgedrungen seinen neuen Bau mit einer Maskerade überziehen, muß er Theater spielen. Und wir meinen, daß Baukunst doch etwas an- deres ist als Schauspielerei. Eines der __ ielen schlagenden Beispiele ist die Han- delskammer in Braunschweig, die das wun- derschöne Gewandhaus total kaputt ge- macht hat, entworfen von einem Hoch- schulprofessor und seinerzeitigen Mitgliede des Braunschweiger Verunstaltungsaus- schusses, ein anderes der schon erwähnte Wertheirnanbau, der ein I-lohn auf Messel ist, gebaut neunzehnhundertundsechsund- zwanzig, und noch einanderes dieEcke neben Hoffmanns Schule am SchiIJerpark, eine der greulicbsten Anpassungsverschandelungen.

In alten Zeiten baute immer die Gegen- wart ihre eigenen Dinge an das Alte, zwar nicht immer rücksichtslos, aber mei~t

hart, machte keinen Kniefall, keine Rücken- krümmung aus dem, was sie für richtig hielt. Ludwig I-Toffmann selb t noch ließ ruhig hohe Brandgiebel vorhandener Miet- kasernen sichtbar und baute Feuenvachen niedrig an, ohne den geringsten Versuch der "Anpassung". Quod licet jO\'i, non licet - - -

Diese Erscheinungen gehen auf die Be- hörden am allerwenigsten zurück; die taten ja nur das, was ihnen durch Zeitströmungen aufgezwungen wurde; hat doch der Bund Deutscher Architekten die lIauptveranlas- sung zu dem Berliner Gesetz 1923 gegeben.

Und die Juristen konnten nicht anders ah in ihrer Berufsdialektik mit Begriffen jong- lieren, die ihnen selbst "öllig unbekannt waren. Die zahllosen Prozesse, Be eh wer- den, Eingaben u. dgl. führten zu schüchter- nen Versuchen einer behördlichen Korrektur dieses Zustandes. Auf eine Be~ch\\'erel .. ck ...

Bundes Deut eher Arrllitl'kten machte da preußische 'Vohlfahrtsministerium in einer Yerfügung vom 7.1. 26 alle Dienststellen elar- auf aufmerksam, daß elie Baupolizeibehörden Projekte, die ihrem Geschmack nicht €'nt- sprechpl1, nicht schroff ablehnen dürften,

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~insbesondere Persönlichkeiten gegenüber, der en Vorbildung oder

\Verdegang eine zweifellos künst- lerische Auffassung und Wertleistung vermuten lassen." Da das :Ministerium nicht die v ö 11 i g e Ablehnung, sondern nur die .s c h r 0 ff e" verbot und im übrigen

"'ieder auf das Gesetz hinwies, wonach sich elie Beamten durch ihre Ausschüsse decken 50llten, so wurde am 23. III. 26 von einer großen Zahl ':') bekannter Fachleute folgender Vorschlag dem 11inisterium unterbreitet:

"Treffen für einen Entwurf die in

<Iem prsten Absatz des Erlasses ge- nannten Voraussetzungen zu, so er- übrig-t sich jede ästhetische Beurtei- lung. Liegt dagegen nur die Vermu- tung dafür vor, so wird der Architekt aufgefordert, durch einige Gutachten angesehener Persönlichkeiten das Be- stehen dieser Voraussetzungen nach- zuweisell, wie er es auch ohne Auf- forderung der B.aupolizei von sich aus tun kann. Ist damit die im Erlaß ge- nannte Voraussetzung erwiesen, daß eine künstlerische Leistung zu erwar- ten ist, so erübrigt sich ebenfalls eine weitere ästhetische Prüfung. Sonst aber soll dem Architekten die Mög- lichkeit gegeben \\'erden, aus der Liste der Sachverständigenausschuß- mitglieder diejenigen Persönlichkei- ten für die Prüfung auszu\vählen, wel- che sein er Auffassung nahes tehen.«

Darauf erwiderte der Herr Minister, daß die Baupolizeibehörden durch die Gesetz- gebung "llüter de Straßen-, Orts- und Landschafbbildes" seien und daß "eine wirklich einwandfreie architektonische Lei- stung auch von der Baupolizei mit ihrem Sachverständigen beirat stets werde Aner- kennung finden müssen.« Er wolle des-

\\egen keine weiteren Bestimmungen geben, I'rkläre sich aber "gern bereit, falls Bau- polizei behörden künstlerischen Leistungen

*) ßartning, Behreus, Berg, Bonatz, Bräuning, Döcker, Elsä,ser, Fabrenkamp, Alfred Fiscber, Göderilz, Gropius,

~ Turlilt, lIäring, Ludwig Hofrm~nD, Höger, K_örner, l(rayl, },_reis, Lassen, ~lar, ~rebes, ~Ielldelsobn, l\lies V:lIl der ltobc, ~Iöhring. Oclsner, Paulseu, Poelzig, R;1ding, Riemerschmid, Rübl, Salvisberg, SöLler, Scballenbergcr, Scbarouo, Scbilbach, Scbumacber, StofTregen, Brunn und

~Iax Taut, Tessenow, l\1arlin 'Vagncr.

gegenüber in unzulässig engherziger Weise verfahren, im Einzelfalle einzuschreiten."

(15. V. 26.) "\Vir können also beruhigt sein:

unser guter Vater, der Minister, wacht.

Nur - wer ist der Minister? Wer ent- scheidet, ob eine Leistung "wirklich ein- wandfrei· ist und wann die Baupolizei " un- zulässig engherzig" war) Das hängt ganz vom "subjektiven Ermessen« von EinzeI- personen ab, die einmal sehr freimütig, nach einem Personal wechsel aber auch ganz an- ders entscheiden können. Das Gesetz seit

I 902 mit der obigen Blütenlese bleibt un- berührt.

Ent chiedener und deutlicher ging der Ober- bürgermeister Berlins als der Chef der Bau- polizei in einer Rundverfügung \'om März 1926 vor:

,.Jede Bevormundung des Publikums ist zu vermeiden. Eine Bauberatung ist nur dann am Platze, wenn es sich offen bar um ein en künstlerischenEmp- findens baren Unternehmer handelt.

Bei Bauwerken, die von Architekten entworfen sind, ist größte Zurückhal- tung notwendi g, zum al da das künst- lerischeEmpfin den"\Van dlungen u n ter-

\\'orfen ist. Architekten von anerkann- ter Bedeutung dürfen die Anschau- ungen des Bauberaters nicht aufge- d ru n gen werd en."

Gleich darauf folgt aber der Pferdefuß:

"Natürlich soll hierdurch das Ortsgesetz gegen Ver- unstaltung nichtausgeschal- tet werden."

Die Folge war denn auch, daß bei verschie- denen Anlässen in den Ämtern die beamt- liche Äußerung gemacht wurde, diese Yer- fi.lgung des Herrn Oberbürgermeisters wäre

"praktisch" ja gar nicht durchführbar. (Der Bürgermeister eines Amtsbezirkes von Groß- Berlin erklärte den vier beteiligten Archi- tekten eines größeren Siedlungs vorhabens, daß das, was sie entworfen hätten, wohl dem gesunden Menschenverstand entspreche, daß er aber auf die Stimmung der Bevölkerung Rücksicht nehmen, d. h. es ablehnen müsse)

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24:

Neben dem sachlichen Inhalt aller dieser Ortsstatute ist auch ihre Handhabung völlig unmöglich. Z. B. kann in Berlin der Ma- gi trat ganz nach Belieben entscheiden, ob er den Sachverständigenbeirat anhören will oder nicht, und unabhängig von ihm ab- lehnen oder genehmigen, trotzdem ausdrück- lich l\Iagistrat und Sachverständige von- einander unterschieden sind, ohne daß im Gesetz dem Magistrat in irgendeiner Form die Eigenschaft der Sachverständigkeit bei- gelegt ist. Und wie steht es um die Sach- verständigen? In Berlin gibt es zunächst

20 Sachverständigenbeiräte der Bezirke und darüber den großen Sachverständigenbeirat, der sage und schreibe 2 I Personen umfaßt.

Arme Kunst! lIeben sich zufällig elf Hände hoch gegen zehn andere, so darfst du leben.

Fehlt gerade zufällig der eine zur Mehrheit noch nötige Freund von dir, so bist du tot- geschlagen.

Fühlt der Laie nicht schon aus diesen Zu- ständen heraus, welches tieftraurige Los der Baukunst der Gegenwart beschieden ist) Er glaubt vielleicht, daß die Arbeit des ernsten Architekten im Entwerfen und der sorgfältigen Durchführung des Baues liege. Doch nein: wenn irgendwo ein leid- licher Bau der Gegenwart entstanden ist, so ist unter den heutigen Verhältnissen daran am allerwenigsten die geistige Lei- stung zu bewundern. Zu bewundern ist nur die Energie und Zähigkeit des Architekten, seine Ausdauer im Ertragen behördlicher Beanstandungen, seine aufgewandte Zeit im

\Varten vor Amtsstuben, seine nie erschüt- terte Anstrengung, die vielen Amtsstellen zu überzeugen, ihnen gut zuzureden, die Sachverständigen zu bitten, sich für ihn ein- zusetzen und ja zur entscheidenden Sitzung zu kommen, kurz eine Kette von Verhand- lungen, Briefen, Telephongesprächen, eine Arbeit, die sich durch }\{onate und Monate hinzieht und die heute seine eigentlich<.> Be- rufsarbeit dar tellt, Der Verfasser hat viel- leicht persönlich verhältnismäßig wenig

Grund darüber zu klagtn; doch kann ohne Übertreibung gesagt werden, daß seit den 90er Jahren jeder Bau und mit ihm jeder Architt'kt eine lange Geschichte dieser Art cl urchzumachen hatte, so\\ eit es sich um

"orau schauende L istungen handelt·, und

daß fast alle hier abgebildeten positiven Beispiele gegen den Willen der Baupolizei entstanden sind, zum mindestens gegen ihre Sympathie. Daß sie entstanden sind, be,,'eist nur die auch die schlimmsten Gesetze zunichte machende geistige Kraft. Und es beweist vor allem, daß es his in unsere Tage hinein immer noch Bauherren gibt, denen das Bauen eine geistige Aufgabe und eine ethische Ver- pflichtung bedeutet. Es ist eine alltägliche Posse, daß die Baupolizei immer wieder Pro- jekte bekämpft, die sie später nach der Aus- führung als Muster empfiehlt, und - daß sie sich allzu oft ihres ursprünglichen Ver- haltens g0gen die ,)\luster'" nicht mehr ent- sinnen kann.

Hätten diese Gesetze aber wenigstens den allgemeinen Schund offensichtlich unmög- lich gemacht, wenn auch nur in erheblichem Maße. so könnte man sich vielleicht mit ihnen abfinden. Was aber haben sie auf diesem Gebiet geleistet? Wo eine künst- lerische Arbeit mit ihnen in Berührung kam, dort haben sie in erbärmlichster Weise ver- sagt. Was aber haben die Baupolizeien alles anstandslos genehmigU Man braucht gar nicht einmal das nur grundsätzlich Falsche, also das Sentimentale. die Maske- rade des Stilwesens, das schülerhafte ller- leiern des auf Hochschulen Erlernten ins Auge zu fassen. Man fahre in den Städten, ihren Vororten und auf dem Land herum und sehe, was alles unter dem Gesetz mit Zustimmung der Baupolizei völlig unbean-

tandet gebaut worden ist und inlIner weitel.' in lUassen gehaut wh'cl, J\Ian könnte viele dicke Bände voll mit Bildern solcher Dinge anfüllen, mit dem Titel: "Un- beanstandet genehmigt von der Baupolizei.·

Die Verunstaltung des Lande~ hat trott aller Gesetze rapide Fortschritte gemacht, hoff-

nungslo~ ist der Zustand, ja noch hoffnungs- loser als in jener Zeit der Enhtehung der Gesetze.

De:l Au gangspunkt dazu bildeten die IIei- Illatschutzbe trcbungen mit den "Kultur- arbeiten" von Schulze-Naumburg. Dort wa- ren cl n nüchtern häßlichen Bauten der Zeit alte' liebenswürdige' ~ achen aus früheren Zeiten g('geniibergestellt. Lin' Lebtung für damalige V('rhältnis_e, doch mit dem fatalen

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Ergebnis, daß man, wie Schultze-Naumburg selbst, nun allgemein glaubte, es würde besser werden, wenn man die Außerlich- keiten der schönen alten Bauten studieren und nachahmen würde. Ein großer Denk- fehler: auch das 'chönste Alte kann nicht meh r gegenwärtig gemacht werden, die Gsgenbeispiele Schulze-Naumburgs waren die eigentliche Gegenwart, sie lebten bei aller Häßlichkeit und aus ihnen, nicht aus der Vergangenheit hätte man das Weitere entwickeln müssen. So kam es aber, daß man glaubte, ein schönes alte:; Stadtbild oder eine schöne Landschaft nicht zu stören,

\\'enn man nur ein hohes Dach auf die Neu- bauten stülpte, ein Dach, das in alten Zeiten seinen Zweck in mehreren Speicherstock-

"'erken erfüllte, heute aber leerer 1-Johl- raum und deshalb sinnlose Dekoration ist, wenn man so kleine )\.ußerlichkeiten alter Zeiten nachmachte, wilden 'Nein darauf wachsen ließ, \yährend doch der Inhalt ein ganz anderer geworden war. Der Ileimrtt- schutz in Deutschlrtnd hat sich gegenüber den Industriebauten schon ein wenig um- gestellt. Aber die Baugewerkschulen und auch die Hochschulen lehren im mer noch nach den "Kulturarbeiten ", und die vielen l\Iaurermeister und Bauunternehmer ver- sorgen das Land und die Kleinstadt, auch die Vororte der Groß!>tädte mit verrutsch- ten komischen Dächern, mit Erkern und dem sonstigen Allerlei, einem Kitsch, der im Grund Yiel schlimmer ist als der frü- here in seiner abschreckenden Nüchternheit, und zwar de"wegen, weil er eine große Heuchelei dar teilt, eine hohle Phrasen- haftigkeit, ein widerwärtiges Zurschaustellen ,"on Gefühlen, von denen keine Spur vor- handen ist.

Es sieht nicht bloß in der deutschen Re- publik so traurig aus. Aus der Schweiz wird uns folgender Beitrag gegeben:

"Dall in der Schweiz nur unter Kämpfen ein Bau durchgesetzt \\' 'rden kann, den man zu der neuen Entwicklung rechnen darf, hängt von ver chiedenen Faktoren ab:

Bei grüßen Baut n i~t e nahezu ganz au,,- ge"chlos"en, daß ('t\\ a" Erfreuliche~ ge- nehmigt \I ird. In

r

olge der relativen Klei n- heit des Landes sind die der Pri\atinitiative untef\\orfenen Bauten \erhältnismiißig ge-

ring an Zahl. Die meisten Aus;,chreibungen tragen öffentlichen Charakter und sind Prei;,- gerichten untenliorfen, die ganz auseinander- gehende lokale Interessen bestimmen.

Sowohl die Öffentlichkeit wie die Anteil- nahme des Staates wäre außerordentlich begrüßenswert, wenn nicht die Preisgerichte so zusammengewürfelt gewählt wären, daß nur Kompromißprojekte zur Ausführung kommen. Deshalb hat sich eine typische VI! e t t b ewe rb s ar chi t e k t ur heraus- gebildet, die erfahrungsgemäß auf die ge- ringsten Widerstände stößt. Sie gefällt eigentlich niemandem, sie ist an der Grenze des Mißfallens nach der reaktionären und an der Grenze des Mißfallens nach der fort- schrittlichen Seite. E~ hat sich eine typische Normalfassade herausgebildet, hinter der sich Banken, Schulhäuser, öffentliche Ver- sammlungsgebäude oder Bahnhöfe unter- schiedslos verbergen. Diese Normalfassade, deren dünne Verkleidungs~chicht dem Un- eingeweihten einen repräsentati\'en Quad r- bau vortäuscht, stülpt sich starr, ohne jede Rücksicht auf die Funktion über ganz hetero- gene Bauaufgaben (Sy;:,tem O;,tendorf).

Bei Je lei ne n Bauten, die aus Privatinitia- tive entstehen, tritt ab entwicklungshem- mender Faktor die sogenannte .J leimat- schutzbe"'egung-" auf. Sie bt in der Schweiz besonders gefährlich, da ihr nicht nur blind-

\vütige Reaktionäre angehören, sondern durchaus auch Leute mit gutem \Villen. ])a~

] Iauptkontingent stellt sich aus Juri~ten.

Lehrern oder Geschäfbleuten zusammen, die in ihrer l\fußezeit die Tätigkeit der In- genieure und Architekten überwachen.

Die eigentlichen Aufgaben de'> Heimat- schutzes liegen zwei fello:, in der uneigen- nützigen Geld:,tiftung zur Erhaltung von unnütz gefährdeten Baudenkllltllern. so\\'ip zur Unter"tützung der in der Schweiz "ehr zurückgeblieben n Inventari"ation der Kun~t­

denkmale.

Leider glaubt sich der Ileimatschutz be- rufen. jede ,"om produkli\'('n Leben g"-

"chaffene Form ,der G.>gelld ofort all- pa" ... en zum

Ü""

e n". (Tran ... formatoren- stationen im Bauernhau~:,til. Kampf gl'gl'll un\'ermeidbare Hllchsp,lnnungskitungen).

Ab Uebpiel des kata!:otrophalen I)ilettallti~­

mu,>. in den der lIeil1latschutz verfällt, ,>0-

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bald er sich auf das Gebiet der pr a k- ti sc he n Vorschläge versteigt, sei nur der Fall einer neuen Brücke erwähnt.

Kommentarlose Erläuterung des Heimat- schutzes:

.. Di,· Iragt/ldell Teile silld iJl Ri.'I'1l 1111,1 Eism- 1'!'IolI 7'llrgt'scllol und /lllr die dd.:ora!iZl 1i'irkm'/1'II

7;-i'" slIId, der allm Rallweise mtsjrfclll'lld, in Iloh 7,orgl'srlll'lI. Ein Blick ::e~l{t, daß so das 17llt ßallwtrk Ir~tflicll erset::! würde; es dtiljll'll

"'11M alk Frellllde des Hcimatsrllllt:;,'s GI'/a!!ett

Vom Heimatschutz beanstandet.

Haus in Riehen bei Basel, erbaut 1924.

Südfront. Nach rückwärts (:\'orden) gegen einen kleinen \Vald abfallendes Pultdach.

Unten großer \Vohnraum. Vor den Schiebe- fent-,tern aus Spiegelglas (link::,) hölzerne Schiebeläden. Vom Heimatschutz verworfen.

Erst nach regierungsrätlichem Rekurs mit Reduktion der Südfronthöhe unter großen Schwierigkeiten genehmigt.

fillden an diesellI ./I(MII lJall7l'erk lIIit al!elll Ge/llge', das 7't'rsllcltl. III1'<O'C allen ,'c!liill(1I I-.fohbrtkkCIl zuied"r ::/1 Ehrcn :;/1 :;idICII." ("Hcilllatsc/llltz"

.Ialtrgallf; 1925, lJijt 7-)

Besonders unerfreulich ist die Tätigkeit in jenen I{~antonen, wo er ver fa s s u n g ~­

gern ä ß die Kompetenzen einer Behörde besitzt (staa tlicher Heimatschutz ). Einen Ein- blick in dessen Wirken zeigt nachstehendes Bild:

Abb.3ii

Abt •. :l,l

HAUS IN BlEUEN UEI HASEL

NACII DIESERZEICJlXIJN(':'

"'IU'tlt' dei' l-tn .. "on clt.·rBnsclel'llt'i.

ulat~chlltzhehül'dc geuehllli;:,t.

Hau::, in Riehen bei Basel, erbaut 192-+·

Vom lleimatschutz genehmigt "als mittel- mäßige Architektur in ortsüblichen Bau- formen". Unter orbüblichen Bauformen bt

(10)

2S

also in diesem Fall ein Konglomerat aus allen möglichen importierten Stilteilen zu verstehen. Eine vergleichende photogra- phische Aufnahme wurde leider durch Ein-

~prache des Hausbesitzers verboten, di1.

dieser die Nachahmung seiner Fassade be- fürchtete!! Es ist vielleicht nicht unnötig zu bemerken, daß diese Skizze nicht etwa eine Karikatur darstellt, sondern als Unterlage bei den langwierigen Bespre- chungen mit den Behörden diente, die ent·

standen, als auf die Einsprache des IIeimat- schutzes die Ausführung des Hauses ver- weigert "'urde!

(Diese "Zeichnung" ist auch sehr typisch für unsern Maurermeisterstil! Der Verf.) Daß der Heimatschutz jetzt auch in der Schweit auf energischen ,Viderstand seitens der Fachkreise stößt, zeigt folgende Stelle aus der Schweizerischen Bauzeitung-anläß- lich jenes Brückenprojekts:

,. F:s I/Iltß aber eillilial I/Ii/ aller Dm/licltkei/ ge-

sagt 7(1erdCll, daß die JllristCll IIlId Sc/lllildirer, die il/l "f!ri/llatsdl/t!:;·' den TOll allgebell, dllrch i/lrl'lI gll/elt fI',lIm IIlId ihre ra/erlalldsliebl' alkin rbfll doclt IIOril lange lIieltl dazil II'gi/illlia/ silld, filll'r arc!litcktilllisc!le IIlId liberl/{/llj/ iist/ll'lisdlC Fragl'll

/11 itzllrr,!1'1I , gesc/11CIel/:c denll alltoritär :;11 Ilr/eill'lI. /f'ie alk LaiclI /wjtm sie alll Drlail, rlIlI begrjF fielt Faßbarclt, 1(1l'i/ i/111m ästhetisc/lc Rr:;ic/wlI,t;

III/d Sc/lI/llIlIg des .lllges, das Call:;e :;11 seltell, lIb- ::;IIge/WI jflegt. Fllr die Erziell/mg des ößi,lttlic/ll'll C(1(,issClis <'ollmd.f katastrophal ist danlt dir UIIII(le/lrbarkeit IIlId obs/illate RNllthalle- rc i, /IIit der 111<711 siell jl'7C'l'ils weigert, gOlladlfl' Fellio' eillzllges/ellell (1{;25)."

Trotzdem der IIeimatschutz, wie eine au- dere sch \\'eizerische Zeitschrift (1926) sch rieb, 30 Jahre nach seiner Entstehung zum "Ge- spött geworden ist", besteht immer noch die Gefahr, daß sein unheilvoller Dilettantismus die Eo tschließungen und Zensurerteilungen der Behörden mitbestimmt."

In Österreich scheint es nach den uns zu- gegangenen l\1itteilungen und den eigenen Bpobachtungen, wenn auch vielleicht nicht ganz so schlimm, so doch noch recht bö~e

zu stl'11en. In ,\lien \I ird ausgerechnet Tirol für boden tändig erklärt. Ein schreckliches Kong-lomerat zeigt die große Zahl der Ma$- spnwohnungen, sogenannte" Volkspalä"te",

AbI>. 3.;

WIENER VOLKSI_·ALr~ST

"'omit man stolz das Übel der schlimmsten Zusammenpferchung drapiert. Gerade dort ist dieses tiefe Niveau besonders bedauer- lich, dort, wo Otto vVagner um die Jahr- hundertwende schon die heutigen architek- tonischen Grundbegriffe formulierte und in einzelnen Bauten verwirklichte, wo er eine Schule dieses neuen Geistes gründete, \\'0

nach ihm Josef Hoffmann, Adolf Loo un<.!

andere mit größtem lIIut und kühnster Ent-

AI>I>. :17

UJCIIAt:LEltJL~US "OX J~OOSIX 'Vlt~N, 11m 1912

schlossenheit einzelne GlanzlC'istun,Lien ins Leben riefen, die eine leuchtelllle F<Lckel ins neue Land der Baukunst \\ aren. \\'ir

\\ issen alle noch, \\elche unerhört aufregen- den Kämpfe da Loo haus an der Hofburg

um 1912) her\'orri f, bei dem sich Luo'> zur Beruhigung dps "vVean r G miats· zur Anbringung von Blumenkästen hen;ebl'n mufltc.

E., gibt aber auch in die en Ding n.

ein anderes Verhalten Amerika kennt ein'

(11)

ästhetische Baupolizei überhaupt nicht. ]n Frankreich gibt es so etwas auch nicht;

jeder kann bauen ,,,ie er will, nur für die berühmten alten Gebäude (Louvre US\y.)

sind gewisse Schutzmaßnahmen getroffen.

In Holland aber scheinen die Verhältnisse einen besonders günstigen, d. h. positiven und fruchtbaren Verlauf zu nehmen. Dort gibt es bekanntlich seit 1920 einen Auf- sch wung der Baukunst, der beispiellos in unserett Tagen ist. Die Zentralverwaltung des \Vohnungswesens hat sich dadurch das große Verdienst darum erworben, daß sie zur Lösung dieser neuen Aufgabe, nämlich des Baues ,"on ~[assenwohnungen, vorwie' gend die Vertreter der neuen Baukunst, also die jüngeren Architekten, die Schüler Berlages und de Bazels berief. Es ent-

"iekelte sich infolge dieser großartigen Tat eine Tradition des neuen Bauens, eine

\Veiterenh\'icklung desselben, eine flüssige Bewegung, die das ganze Land in Atem hielt und schließlich.etwas bildete, was heute schon außerhalb Ilol1ands "der holländische

~til" genannt wird und einen gewaltigen Einfluß auf die Architektur aller Länder ausgeübt hat. Die Folge davon ist tür das Land ~elbst, daß es wohl eine Bauberatung und eine Art ästhetischer Kontrolle gibt, daß aber unter dieser Kontrolle die hervor- ragenden nenen Leistungen nicht nur gar nicht zu leiden haben, sondern daß vielmehr diese selbst zum ~Iaßstab und Vorbild für die Beurteilung dienen. Es genügt der Name des Architekten auf Grund seiner Leistung, um seine Arbeit, ganz gleich ob !:oie romantisch oder unromantisch ist, vor Eingriffen und Bevormundungen zu schützen.

Das Beispiel Hollands zeigt den Ausweg aus dem verwucherten Gestrüpp unserer Gesetze. Die praktische Handhabung hat diese Gesetze ohnehin zunichte gemacht, sei es dadurch, daß die .. Verunstaltung" durch wirkliche Leistungen doch nicht immer ver- hindert werden konnte und daß andrerseits der gebaute Dreck sich breit machen konnte, wie wenn es kein Gesetz geben würde. Ob man nun diesen ganzen Gesetzesplunder mit einer einzigen H.mdbewegung endgültig in den Orkus befördert, aus dem er entstanden ist und wohin er wieder gehört, oder ob

man ihn sein Schein dasein weiterführen läßt, ist für die Sache ohne Bedeutung. Für die Verteuerung der Bauten durch unsachliche Forderungen und ganz unsinnige, oft jahre- lange Verschleppungen hat dieses Schein- dasein allerdings eine sehr große Bedeutung, ebenso wie für die Verwaltungsfinanzenj denn wenn man einmal die Anzahl der Be- amten, der Körperschaften, Ausschüsse usw.

addieren und die damit verbundenen un- nötigen Gehälter und Pensionen, die vielen Zeit- und Geldausgaben zusammenzählen wollte, die mit endlosen Sitzungen, Be- sichtigungsfahrten und Prozessen, dem rie- sigen Papieraufwand , der Belastung mit Schreibmaschinen, Telephon, Autos, der Menge in Anspruch genommener Büro- räume mit ihren Aktenbergen usw. usw.

zusammenhängen, so würde das eine ge- waltige Geldsumme vieler 1I1illionen erge- ben, die die Volkswirtschaft ganz unnütz, ja sogar zum Schaden der kulturellen Entwicklung belastet. Doch das sind we- niger unsere Sorgen als diejenigen der Fi- nanzminister und der Parlamente. \Vas uns hier angeht, so sehen wir in dem Beispiel Hollands den einzig möglichen und darum vorbildlichen vVeg zur Gesundung der Bau- kunst. Es muß, wenn überhaupt eine V,'ir- kung auf das breite Land in der Richtung einer Baukultur ausgeübt werden soll, die lebendige, nicht die halb oder ganz tote, sondern die nach Schinkel neue Baukunst an die Spitze alles Bauens gestellt werden.

Wie kann dies geschehen? Wird nicht die erdrückende Masse des Schundes und des Halbtoten die Köpfe immer wieder ver- wirren) Es muß der Weg zur freien Ent- faltung des produktiven Schaffens gesäubert und begehbar gemacht werden. Eine prak- tische Überleitung dazu ist in folgendem Vorschlag von llugo Häring ("Tagebuch", 3.10. 25) gegeben:

n \Yir fordern die vollkorn mene Tren- nung der Beleihung der "\Vohnungs- bauten aus den Mitteln der IIauszins- steuer von einer Kunstzensur und wir fordern die Beseitigung dieser Wett- be"'erbspraxis, weil sie den freien

\\'ettbe\\'erb in Wirklichkeit aus- schließt. Will man verhindern, daß offenbarer Schund gebaut wird, so

29

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genügt eine Kommission von drei Men- schen, das zu verhindern. Und da ,lie Werke und Werte der neuen Baukunst nicht von Menschen ge,yürdigt wer- den können, welche diesen Werken gesinnungsfeind sind, so sind zwei Kommissionen von je drei Menschen aufzustellen: eine Kommission der hi- storisierenden Baukünstler und eine Kommission der neuen Baugesinnung.

vVer vor einer dieser beiden Kommis- sionen besteht (und es soll ihm frei- stehen, die Kommission seines Ver- trauens zu wählen), hat keinerlei Kunstkontrolle mehr zu passieren. Die Gegensätzlichkeit der beiden Kom- missionen schaltet den Mißbrauch der Amter aus und die im Verunstaltungs- gesetz gewünschte Verhinderung of- fenbaren Schundes ist auf einem ein- fachen vVegc erreicht. Es ist noch mehr erreicht; denn die Rivalität der beiden Kommissionen wird zur Folge haben, daß in der Tat der Weg zur besten Leistung gesucht wird, an wel- cher jede Partei sozusagen nunmehr ein Interesse hat. Hat man aber in '\Virklichkeit ein Interesse an einer tatsächlichen Entwicklung der Bau- kunst, so genügt es allerdings nicht, nur die Instrumente zu ihrer Unter- drückung zu beseitigen, sondern man muß sich dann schon eingestehen, daß es mehr Erfolg verspricht, wenn man sie ermutigt."

Oft tritt der Kampf ZIvi chen beamteten und Privatarchitekten an die Oberfläche.

,\'er das Gute hervorbringt, sollte gleich- gültig sein. Geht in einer Stadt der amt- liche Leiter des städtischen Bau\\-esens als womöglich einziger moderner .i\rchitekt oder als der fortschrittlichste der Ortsan~ässigen

mit dem neispiel seiner Bauten voran (Frank- furt a. i\I., Altona, Magdeburg, Duisburg), so i~t da') nur zu begrüßen. Solche Ver- sündigungen gegen das Verunstaltungsge- setz s(,itens leitender Beamten fiihren e am be"ten ad ab 'urdum, deut ch: ins Reich der Torheit. Sie \\('cken die I' 'rborgenen oder unterdrückten Kräfte ihres eigenen

Ahh. as

STÄDT. ßAUßJ~OCK, AI,TOX.\.. 1-J el 111 hol tz 8 tr., ('J'J"IUt HJ21l. :\I".~hli('lh'n(l P.'h'utban Y. 191.2-1::1. Er:freulichel' \rCl'zicJ.t nur

"Anpassung" " .. iteus dCI' StRt1tIJ~hijl'll('.

Bezirks und sind nötig, bis sie diese Pio- nierarbeit geleistet haben und bis das neue Qualität:;gefühl seine sichere Grund- lage gefunden hat. Solche Er cheinungen sind aber leider sehr seltene Ausnahmen, deshalb muß der Vorstoß freier Architekten nach dem obigen Vorschlag seine ungehin- derte Entfaltung finden können. Die Gegner- schaft liegt nicht in der äußeren Existenz- form, sondern sie liegt in der ache. Aus der Entwicklung eben der Sache kann sich erst etwas wie eine Überlieferung, eine Kon- vention der Gegenwart bilden, die in der ganzen Breite auf Stadt und Land einwirkt, dort nach und nach einsickert wie eiJle Impfung und auch auf die zahllosen un- wichtigeren Bauten ihren gesundendell Einfluß ausübt, die doch nie\ll<lls behörd- lich zu erfassen sind. Sonst aber - siehe 1IIephisto! ,:')

"') Goetbes Teufel spricht auch für das neues'e Frzc\l~·

nis auf diesem Gebiet die '\-abrheit aus: der schOll v.eI diskutierte Entwurf eines prcl1ßi!;chen Stätltebaugcsetll"

will (Jen Behörden die ~I:1cht geben, für gloße B;lugcbiete nicht nur die BJ.uformen, sondern auch bis ins einzelne die Materialien für Backstein oder Putz, fiir oie Dach·

deckung, ja ,elbst die Farben vorzuschreiben. Gäbe es sehr viele solche \'or.lnschreitcnden Dehorden \\ le in Frankfurt 3. ~r.J Dui:..hurg u w., !'o w:ire es Cur den ersten Anstoß vielleicht noch zu verteidigen. Doch auch selbst in solchen FCillen droht für die Zukunft dIe Ge·

Iahr der Entarrung; 3nl-!c:-.ichts der heute uberwicgendcu Denkweise aber mun ein ~nlches Cicsctz zu einer 1.3b111- legung des eben erst begonnenen X euschalfen. fübren.

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