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Archiv "Geldmuseum: Der Stoff, aus dem die Träume sind" (11.05.2001)

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ünktlich um 10 Uhr öffnen sich die glä- sernen Trennscheiben zum Geldmuseum. Leicht und kühn, dabei sachlich und modern – das ist die Message der Edelstahl- plastik im Vorhof des Geldmuseums der Deut- schen Bundesbank in Frankfurt am Main. Über der Eingangstür zum Foy- er bewegt sich die DM im schwerelosen Raum um den globalisierten Plane- ten. Den lockeren Um- gang mit dem schwierigen Thema Geld lernen, spie- lerisch die Berührungs- angst verlieren hat sich die „Buba“ zum Ziel ge- setzt.

„Ein selbsterklärendes Konzept nach dem Bau- kastenprinzip, unterteilt in sechs verschiedene Büh- nen, ausgestattet mit den modernsten Kommunika- tionsmitteln, interaktiv und um größtmögliche Aktualität bemüht“, er- läutert Claudia Holtmann den Besuchern die Grund- struktur des Museums.

Ein mit 0 und 1 ange- strahltes, ausgestopftes, „bi- näres“ Rind symbolisiert die Geldgeschichte von den frü- hen Anfängen bis zum heuti- gen elektronischen Geld.

Geldpolitische Geheimnisse Die junge Betriebswirtin führt die Besucher zu drei frei ste- henden Mauerstücken ge- genüber, in die ein Lexikon eingelassen ist. „Weltekes Ad- ventskalender“, erläutert sie schmunzelnd. Von A wie Ab- wertung bis Z wie Zins. Hinter jedem Buchstaben verbirgt

sich ein geldpolitisches Ge- heimnis. Vor dem E rangeln sich die Berufsschüler. Ein be- liebtes Fenster: E für Eros.

Nach dem Einwurf einer Münze wird für wenige Se- kunden der dreidimensionale Blick auf eine schöne Nackte frei. Liebe ist käuflich, so die Lesart der Bundesbank. C er- klärt das Copy-Verbot. Nicht nur Banknoten fallen darun- ter, sondern auch Briefmar- ken, Eintrittskarten und Tickets. Wer unter B schon Bimbes erwartet, wird ent- täuscht. Dafür steht unter X:

jemandem ein X für ein U vor- machen. Das bedeutete ur- sprünglich eine Manipulation im römischen Zahlensystem, aus einer 5 eine 10 machen.

Heute verstünde man darun- ter, jemanden auf plumpe, grobe Weise täuschen.

Die ältesten und am weite- sten verbreiteten Zahlungs- mittel aus vormünzlicher Zeit waren die Kaurimuscheln.

Kaum ist man an den ersten Exponaten aus vormünzli- cher Zeit vorbeigelaufen – ei- nem riesigen Pottwalzahn von den Fidschis, einige

Stein- und Metallplatten gehören noch dazu –, gerät man wieder in die Welt der Betrüger. Als bedeutendster Münzfäl- scher seiner Zeit wird Hofrat Carl Wilhelm Becker (1772–1830) ge- würdigt: „Allmählich er- setzte er echte Ware mit nicht minder erstklassi- gen eigenen Erzeugnis- sen dank seines unge- meinen Talents der scharfen Auffassung und treuen Wiedergabe.“

Moderne Geldherstellung Den Prozess moderner Geldherstellung kann man anhand des 100- DM-Scheins nachverfol- gen. Echte Noten werden gefälschten gegenüber- gestellt. UV-Licht und spezielle Lupen ermögli- chen es, die Echtheit der eigenen Scheine zu prü- fen. In einem abgedun- kelten begehbaren Tre- sor werden zahlreiche Exponate aus der Münz- und Geldscheinsamm- lung der Bundesbank ge- zeigt. Der Münzschatz von Walle demonstriert die unge- ahnte Geldverbreitung und Münzvielfalt, die es bereits im 16. Jahrhundert in Europa gab. „Papiergeld sind Papier- zettel, versehen mit der Eigenschaft von allgemeinen Tausch- und Werthausgleichs- mitteln. Papiergeld ist in vie- len Orten ein so furchtbarer Klang, dass sie schon bei dem blossen Namen desselben er- schrecken.“ Das Brockhaus- Zitat aus dem Jahr 1820 run- det den numismatischen Be- reich des Museums ab: Alle V A R I A

Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 19½½11. Mai 2001 AA1271

Das Geldmuseum der Deutschen Bundesbank ist nach dem Bau- kastenprinzip in sechs verschiedene Bühnen unterteilt.

Geldmuseum

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In Frankfurt kann man den lockeren Umgang mit dem schwierigen Thema Geld lernen.

Feuilleton

Fotos: Roland Motz

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sechs Bühnen sind mit Info- Terminals ausgerüstet, die es dem Besucher erlauben, Hin- tergrundinformationen zu be- stimmten Themen abzurufen und sogar eine Pro-und-kon- tra-Diskussion ablaufen zu lassen. Bühne 2 stellt den theoretischen Grundgedanken vor, von dem sich moderne Geldpolitik leiten lässt. Nur wenn das Geld knapp bleibt, kann es Preisstabilität geben.

Die Gipsköpfe der Säulenhei- ligen Bodin, Fisher und Fried- man geben die monetä- re Richtung vor, an der sich moderne Zentral- bankpolitik weltweit orientiert.

Cash für alle

Das ausgeglichene Ver- hältnis zwischen Geld- menge, Umlaufgeschwin- digkeit des Geldes und Güterproduktion sind entscheidend für die Preisstabilität. Steigt die Geldmenge schneller als das Sozialprodukt, besteht Inflationsge- fahr. Ein anspruchsvol- ler Kurzfilm erläutert Irving Fishers berühm- te Quantitätsgleichung.

Danach hat man Angst vor jeder steigenden Geldmenge außer der eige- nen. Milton Friedman hat Ir- ving Fishers theoretisches Mo- dell für die Praxis weiterent- wickelt. In der Rezeptur des Nobelpreisträgers und seiner Chicago Boys findet sich aller- dings kein Platz für staatliche Fürsorge. Der Sozialstaat ist zu teuer und kontraproduktiv, lautet sein Credo, surviving of the fittest die Botschaft. Lord Keynes wird unter dem Kon- tra-Button des Terminals et- was leichtfertig als Gegner der Geldwertstabilität abgehan- delt, seine antizyklische Nach- fragesteuerung über erhöhte Staatsausgaben als Irrläufer der Geschichte dargestellt.

„Supergut gemacht.“ Zwei ältere Damen loben das Mu- seum vor einer meterhohen Glassäule. Sie markiert den Übergang von der Theorie zur Praxis. Ab Bühne 3 wird das Museum seinem Anspruch ge-

recht, die Welt des Geldes mit- hilfe modernster Medien zu erkunden. Unter dem histori- schen Foto „Erst Essen, dann Miete“ berichten drei Videos von der Hyperinflation 1923, als die Banknoten täglich die Hälfte ihrer Kaufkraft einbüß- ten, über die Deflation wäh- rend der Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1932 bis zur verdeck- ten Inflation im Hitler- deutschland. „Bei Kriegsende steht der aufgeblähten Geld- menge ein stark geschrumpf-

tes Sozialprodukt gegenüber.“

Die mit Inflationsgeld gefüllte Glassäule illustriert anschau- lich den Werteschwund. Die Reichsmark verliert sämtliche Geldfunktionen. Als Tausch- und Zahlungsmittel dienen drei Jahre lang amerikanische Zigaretten. Erst die Wäh- rungsreform bereitet 1948 dem steinzeitlichen Remake des Warengeldes ein Ende. Der Aufstieg der DM vom Besat- zungskind zum Superstar konnte beginnen. Ein kurzer Film zeigt die 50-jährige Er-

folgsstory der Währung und rundet das Thema Geldwert- stabilität ab.

Die Rückbetrachtung der deutschen Notenbankgeschich- te wird zum Ärgernis. Der

„taktisch geschickte“ Reichs- bankpräsident Hjalmar Schacht habe keine grundsätzliche Kritik an der Judenpolitik geübt. Er nahm aber, so die Bundesbank, „eine bemer- kenswert unabhängige Positi- on ein, die auf einem engen Verhältnis zu Hitler beruhte“.

Aus dem nachgebauten Kon- ferenztisch des Europäischen Zentralbankrats ertönt eine aktuelle Lobrede des heutigen Bundesbank-Präsidenten Wel- teke auf den Euro. Unmittel- bar daneben zum Thema „Die Bundesbank sorgt für saubere Noten“ sind ein großes Foto des 1993 über Insidergeschäf- te gestürzten IG-Metallchefs Steinkühler und Fahndungs- plakate des Baulöwen Schnei- der aus dem Jahr 1996 zu se- hen. „Nein, an eine Aktuali- sierung wegen der CDU-

Spendenaffäre sei nicht ge- dacht“, lautet die Antwort auf eine entsprechende Frage.

Bühne 6 zeigt die globale Welt des internationalen Devisen- handels. Nach einem Knopf- druck lassen sich die Handels- und Kapitalströme verfolgen.

Man erfährt, warum Wechsel- kurse schwanken, welche Vor- teile der Euro bringt, welche Bedingungen die Mitglieds- länder erfüllen müssen, aber auch welche Risiken in einem gemeinsamen Währungsraum lauern. Vor der großen Weltkugel kann man Tarifpartei, Zentral- bank oder aber Kanz- ler spielen. Der Spre- cher aus dem Compu- ter gratuliert zum Wahlsieg, gibt ein paar volkswirtschaftliche Ba- sisinformationen, und schon darf man für vier Jahre die Ausgaben er- höhen, konstant halten oder senken. Der Com- puter berechnet für je- des Jahr die sich auf- grund der getroffenen Entscheidung ergeben- den Werte bezüglich Wachstum, Arbeitslo- sigkeit und Inflation.

Am Ende der Amtszeit bekommt man einen Brief. „Sehr geehrter Herr Kanzler, die Wirtschaft liegt darnieder. Aus einer viel versprechenden Ausgangsla- ge haben Sie eine hoffnungs- lose Situation gemacht. An Ihrer Stelle würde ich sehen, dass ich so schnell wie möglich außer Landes komme. Gruß.“

Cash für alle gibt es direkt am Ausgang. Meterhoch sta- peln sich die Geldbriketts.

Fünf DM kosten die zusam- mengepressten echten Geld- schnipsel aus dem Reißwolf der Landeszentralbank.

Roland Motz V A R I A

A

A1272 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 19½½11. Mai 2001

Informationen:Geldmuseum der Deutschen Bundesbank, Wilhelm-Epstein-Straße 14, 60431 Frankfurt, Telefon: 0 69/95 66-30 73, Fax: 95 66-30 77, E-Mail: geldmuseum@bundesbank.de, Internet: www.bundesbank.de

Für angemeldete Besuchergruppen bietet die Bundesbank Informationsveranstaltungen zur Geld- und Währungspolitik an. Termine und Themen nach Absprache. Im selben Gebäude stehen außerdem die Fachbibliothek und Bundesbankarchive der Öffentlichkeit zur Verfü- gung. Öffnungszeiten: täglich 10 bis 17 Uhr, mittwochs 13 bis 21 Uhr. Der Besuch des Museums ist unentgeltlich.

Die Gipsköpfe der Säulenheiligen Bodin, Fisher und Friedman geben die monetäre Richtung vor, an der sich die moderne Zentralbankpolitik weltweit orientiert.

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