Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 29–30|
23. Juli 2012 A 1497A RZNEIMITTELPREIS E
Zu dem Leserbrief DÄ 20/2012: „Globa- le Interaktionen“ von Thomas Müller auf den Beitrag DÄ 11/2012: „Preisbil- dung in einem be- sonderen Markt“ von Michael Schlan- der, Andreas Jäcker und Martin Völkl.
Vom Aufwand abgeleitete Preise führen in die Irre
Wir danken Herrn Müller für seinen Leserbrief, der uns veranlasst, unse- re Argumente in einigen von ihm angesprochenen Punkten zu präzi- sieren:
1. Die Bedeutung von „Gerechtig- keit“ und „Fairness“ auch für die Preisbildung haben wir durchaus nicht bestritten. Wir meinen aller- dings, dass sich Arzneimittelpreise nicht „primär“ am Kriterium der Gerechtigkeit orientieren sollten.
Vor dem Hintergrund, dass seit Aristoteles ausnahmslos alle Versu- che der Bestimmung eines „gerech- ten Preises“ gescheitert sind, plädie- ren wir dafür, Preise auf der Basis von Kosten-Nutzen-Überlegungen zu bilden. Dabei ist zu beachten, dass der Nutzen gerade nicht aus- schließlich eine Funktion der indi- viduellen Präferenzen, sondern ins- besondere der sozialen Erwünscht-
heit einer Intervention aus Sicht der Versichertengemeinschaft darstellt.
Auf diese Weise fänden auch inter- subjektive Gerechtigkeitsüberlegun- gen in die Bewertung des Nutzens und damit in die Findung der Preis- höhe Eingang. Die Kosten-Nutzen- Bewertung ist dann ein Instrument, das versucht, in einem besonderen Markt einen Preis zu ermitteln, der der gesellschaftlichen Zahlungsbe- reitschaft am nächsten kommt . . . 2. Wir lehnen (mit dem Leserbrief- autor) reduktionistische Konzepte, wie QALY-Schwellenwerte, aber auch extrapolierte Effizienzgrenzen (wie vom IQWiG vorgeschlagen) als primäre oder gar alleinige Ent- scheidungsgrößen ab.
3. Die Orientierung an der Zah- lungsbereitschaft führt nicht zu ei- ner einseitigen „maximalen Ab- schöpfung der Zahlungsbereitschaft durch den Anbieter“. Richtig ist zwar, dass die „Konsumentenrente“
als Summe der nicht abgeschöpften Zahlungsbereitschaft in monopolis- tischen oder oligopolistischen Märkten niedriger ist, als in einem Markt mit vollständiger Konkur- renz; sie ist aber keineswegs null.
Wir hatten in unserem Artikel argu- mentiert, dass der allgemein als not- wendig anerkannte Patentschutz im Arzneimittelmarkt zwingend zur Folge hat, dass die relevanten Arz- neimittelmarktsegmente monopolis-
tisch oder oligopolistisch sein müs- sen. Das reflektiert den unvermeid- lichen trade off zwischen der stati- schen Effizienz, welche herkömm- liche gesundheitsökonomische Eva- luationen zu bestimmen suchen, und der dynamischen Effizienz, welche prinzipiell nicht gleichzeitig maximiert werden können. Eine (immer nur vorübergehend, maxi- mal bis zum Ablauf des Patent- schutzes) suboptimale statische In- effizienz ist der Preis für dynami- sche Effizienz in Form von Innova- tion und Fortschritt im Arzneimit- telbereich.
4. Aufwandsadjustierte Preise füh- ren, auch wenn sie pauschaliert werden, in die Irre. Dies liegt we- sentlich daran, dass die bereits an- gefallenen Forschungs- und Ent- wicklungskosten nach gängiger ökonomischer Auffassung (Prinzip der marginalen Analyse) für die Preisfindung von Pharmaunterneh- men keinerlei Rolle spielen. Sie sind ökonomisch „sunk costs“ (ver- sunkene Kosten) und daher nicht mehr entscheidungsrelevant. Der Anreiz zu forschen, ergibt sich viel- mehr aus dem erwarteten Preis, multipliziert mit der erwarteten Menge abzüglich der erwarteten F&E-Kosten sowie aller weiteren erwarteten Kosten. Ein aufwands - adjustierter Preis unterhalb der gesellschaftlichen Zahlungsbereit- schaft führt, gemessen an den ge- sellschaftlichen Präferenzen, not- wendig zu zu geringen Anreizen für Innovationen und zu Fehlanreizen hinsichtlich der erstrebenswerten Produktivität der Arzneimittelfor- schung und -entwicklung. Aus den vorgenannten Gründen halten wir den vom Lesebriefautor im DÄ 12/2010 vorgeschlagenen Ansatz, auf der Basis von Aufwandsberech- nungen „gerechte Preise“ zu be- stimmen, für nicht zielführend, son- dern vielmehr für kontraproduktiv mit Blick auf seine problematischen Anreizwirkungen für künftige Forschung und Entwicklungsan- strengungen.
Prof. Dr. Michael Schlander,
Institut für Innovation & Evaluation im Gesundheits- wesen, 65197 Wiesbaden
Dr. rer. pol. Andreas Jäcker, Martin Völkl
Celgene GmbH, 81829 München
A RZNEIMITT
Z D l T d 1 d sonderen Markt“von
A UGEN Ä RZTE
Für das Praxisteam gibt es gute Schu- lungen zur Beratung von Sehbehinderten (DÄ 16/2012: „Bera- tung für Sehbehin- derte: Augenarztpra- xen als Lotsenstellen“ von Ursula Hahn).
Billiger Jakob
Der Artikel von Frau Hahn und die beschriebenen Weiterbildungsange- bote der „OcuNet-Gruppe“ sind sehr begrüßenswert – ein entspre- chender Kurs wurde von meinen Mitarbeiterinnen begeistert aufge- nommen; für interessierte Orthop-
tistinnen besteht weiterhin auch die Fortbildungsmöglichkeit zur „Low- vision-Beraterin“ (zum Beispiel an der deutschen Blindenstudienanstalt in Marburg).
Unverständlich ist allerdings, dass wir Augenärzte diese sinnvolle Leistung mit zeitaufwendigem Be- ratungsbedarf wieder einmal zum jämmerlichen Regelleistungsvolu- men von 15 Euro erbringen sollen, während diese Beratungsleistungen selbst bei wohltätigen Vereinen . . . dem Patienten mit 50 bis 60 Euro in Rechnung gestellt werden, die dann von der GKV erstattet werden.
Somit ist der Augenarzt wieder mal der „billige Jakob“ und somit ein
„Lotse mit leerem Tank“ . . .
Dirk Paulukat, 65520 Bad Camberg
UG
F g l v ( t d xen alsLotsenstellen