Zur Fortbildung Aktuelle Medizin NOTFALL IM BEREITSCHAFTSDIENST
Die Rektalblutung
Unter "Rektalblutung" versteht man, im Gegensatz zur "Meläna", das Austreten mehr oder weniger (hell)roten Blutes durch den Anus. Die Quelle befindet sich im unteren Ileum, meist aber im Kolon (Ausnahme: massive obere gastrointestinale Hämorrhagien); Faustregel: ";e röter, desto tiefer oder stärker"! - Für die Diagnosestellung ist eine sorgfältige Anamnese unentbehrlich: Blutverlust in Verbindung mit dem Stuhl ("Defäkationsblutung") oder unabhängig davon ("lntervallblutung");
Menge, Aspekt, Exsudat- oder Schleimbeimengung; Wechsel der Stuhlgewohnheiten usw. - Die di- gitale Austastung hat einen außerordentlich großen diagnostischen Wert: Zwischen 30 und 50 Prozent aller Dickdarmkarzinome sind mit dem Finger erreichbar, 60 bis 75 Prozent durch Palpa- tion und Rektoskopie! Zu achten ist dabei auf eventuelle "Zweitkrankheiten", zum Beispiel ein Sigmakarzinom bei chronisch blutenden Hämorrhoiden. - Rektalblutungen sind nicht immer the- rapeutische, wohl aber fast immer diagnostische Notfälle: Jeder ungeklärte und persistierende Blutverlust ist karzinomverdächtigt
Im nachfolgenden Schema sind die differentialdiagnostischen "Gleise" einer Rektalblutung aufge- zeichnet; die für die Praxis wichtigsten "Terminals" werden im weiteren kurz berücksichtigt.
Symptomatik
Jucken, Brennen, eventuell dumpfes SchmerzgefühL Blut (Hämorrhoiden 1.-11. Gra- des): auf dem Stuhl, sprit- zend, am Papier.
I
REKTUM-caI I
KOLON-ca!Diagnose
Hämorrhoiden
~ spontan (Grad 111-IV) oder beim Pressen (Grad II) prolabierende Knoten;
~ proktoskopisch: Knoten an typischer Stelle (2-5-9
re > Ii
Therapie
~ starke Blutung: Überwei- sung zum Proktologen;
~ leichte Blutung: Supposi- torien, Sitzbäder, Stuhlregu- lierung.
Uhr in Knie-Ellenbogen-
Lage).
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DEUTSCHES ARZTEBLATI
Heft31
vom29.Juli 1976
2027Zur Fortbildnng Aktuelle Medizin
Plötzlicher, heftiger Anal- schmerz nach Pressen oder Heben; Sitzen und Defäka- tion kaum möglich. Manch- mal (auch starke) Blu- tung.
Meist heftiger, "schneiden- der" Schmerz bei jeder Defä- kation, der über Stunden dauert; helles Blut am Stuhl- zylinder oder als Tropfen und am Papier. Obstipation.
Nicht spritzende, "unsaube- re" Blutung mit bräunlich- schwärzlicher Farbe, Schleim und Exsudat. Tenesmen und
"falscher Freund", Stuhlstö-
rungen (Frequenz, Kaliber).
Meist junge Patienten (auch Kinder), <j?
> o .
Akute Schü- be mit zahlreichen Entlee- rungen von Blut, Schleim und Exsudat, häufig ohne Fäzes.Tenesmen, meist Abdominal- schmerz.
Epidemiologische Anamnese (bei Amöben: Mittelmeer, Tropen). Plötzlicher Beginn, 30-40 nichtfäkulente, eitrig- blutige Stühle, Tenesmen.
Nur mäßiges Fieber, Kollaps.
Lange Latenz. Rechtsseitig: häufiger Blutung, linksseitig:
häufiger Subileus. Blut, even- tuell Schleim, Wechsel von Obstipation und Diarrhö.
Unregelmäßige Intervallblu- tung ohne Schleim oder Schmerzen. Bei der Polypose häufig familiäre Formen.
Diagnose
Perianalthrombose
..,. sichtbarer, praller, sehr schmerzhafter Knoten am Analrand, digitale Austastung unmöglich. lnzidierung bringt sofortige Erleichterung.
Analfissur
..,. Fissur an der Haut-Muko- sa-Grenze, fast immer dorsal - sichtbar nach Spreizen;
"Vorpostenfalte";
..,. ausgeprägter und hartnäk- kiger Sphinkterspasmus.
Rektum-Ca.
..,. digitale Austastung (nicht schmerzhaft!): unregelmäßi- ger, derber, wandinfiltrieren- der, nicht verschieblicher Tumor; Blut am Fingerling.
Colitis ulcerosa
..,. gewöhnlich schwerkranke Patienten mit starkem Ge- wichtsverlust und Anämie;
..,. demgegenüber nur sehr diskreter Objektivbefund;
..,. chronisch-rezidivierender Verlauf; Rektalformen leicht!
Ruhr
..,. schweres Krankheitsbild (bei der akuten Form), starke Exsikkose (Kollaps, Nierenin- suffizienz), lnfektionszeichen.
Kolon-Ca.
..,. Abdominaltumor, häufiger rechts tastbar;
..,. allgemeine Karzinomzei- chen.
Polyp(ose)
..,. bei einigen Polyposefor- men periorale oder generel- le Pigmentierung, Haut- oder Knochentumoren.
Privatdozent Dr. med. Theodor Gheorghiu
Therapie
..,. frische Thrombose (bis zu sechs Tagen): Inzision, Thrombusentfernung mit Pin- zette (auch ohne Anästhe- sie!);
..,. anschließend Verband, Heparinsalbe, Suppositorien . ..,. Lokalanästhesie, Hämor- rhoidenbehandlung;
..,. in den meisten Fällen proktologische Behandlung notwendig.
..,. Überweisung zum Prokto- logen oder Chirurgen.
..,. im akuten Schub sofortige Einweisung ins Krankenhaus;
..,. leichte Fälle: Oberweisung zum Internisten.
..,. sofortige Einweisung in eine Infektionsabteilung;
..,. Aufklärung der Angehöri- gen zwecks Prophylaxe;
..,. ambulante oder stationäre Abklärung.
..,. starke Blutung
=
statio- när;..,. sonst ambulante Abklä- rung.
Medizinische Universitätsklinik (Direktor: Prof. Dr. Rudolf Gross), Stelzmann-Straße 9, 5000 Köln 41
2028 Heft 31 vom 29.Juli 1976 DEUTSCHES ARZTEBLA'IT