Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 428. Januar 2005 AA227
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ngestoßen durch inter- national vergleichende Messungen von Schü- lerleistungen (TIMSS, PISA, IGLU) ist in Deutschland ei- ne Debatte zur Qualität von Schulen ausgelöst worden.Dabei wird auch die verstärk- te Beteiligung von Eltern dis- kutiert. Eine Studie der Infra- test-Sozialforschung in Mün- chen zeigte, dass Elternurteile über die Schule ihres Kindes ein sinnvoller Beitrag sein können, Prozesse der Qua- litätsentwicklung in den Schu- len anzustoßen, Die Münche- ner Bildungsforscher befrag- ten dazu repräsentativ 10 000 Eltern.
Engagement nimmt ab Die Studie „Schule aus Sicht der Eltern“ ergab, dass mit vermehrter Einbindung der Eltern die Zufriedenheit mit der Schule steigt. Während zu Beginn der Schullaufbahn ih- rer Kinder die meisten Eltern noch zufrieden mit der Schule sind (68 Prozent in den Klas- sen eins und zwei), geht der Anteil zufriedener Eltern mit zunehmendem Alter des Kin- des stetig zurück (Klasse neun bis zehn noch 46 Prozent). Mit zunehmender Kritik an der Schule nimmt auch die Bereit- schaft zur Mitwirkung am schulischen Geschehen ab.
Der Bundeselternrat Bonn sieht einen „erheblichen Bruch“ beim Übergang von der Grundschule zur weiter- führenden Schule. Während das Engagement der Eltern in der Grundschulzeit häufig hoch und der Kontakt zur Grundschullehrerin meist eng sei, nehme beides in der wei- terführenden Schule stark ab.
Den Grund dafür sieht die Vorsitzende Renate Hen- dricks in der „geschlossenen
Gesellschaft der weiterführen- den Schule“, die Eltern wenig Einblick und Einflussmöglich- keiten gewähre.
Weitere Ergebnisse: Be- sucht das Kind ein Gymnasi- um, ist die Zufriedenheit der Eltern mit der Schule höher (58 Prozent), als wenn das Kind eine Hauptschule (45 Prozent), Realschule (47 Pro- zent) oder integrative Schul- form (49 Prozent) besucht.
Grund: Eltern schreiben Gym- nasien die Vermittlung eines höheren Lern- und Wissensni- veaus zu und sind beeinflusst von dem „Ruf der Schule“. Ei- ne große Rolle für die Zufrie- denheit der Eltern spielt auch der Anteil deutscher und aus- ländischer Kinder an der Schu- le: 67 Prozent der Gymnasial- eltern zeigen sich zufrieden mit der Ausgewogenheit, im Gegensatz zu 33 Prozent der Eltern von Hauptschülern.
Doch das Gymnasium hat nicht nur Pluspunkte. In Be- zug auf die Häufigkeit des Unterrichtsausfalls oder För- dermöglichkeiten für lei- stungsschwache Schüler äu- ßern sich Gymnasialeltern unzufriedener als die Eltern anderer Schulformen. Die Qualität der Lehrer und das Engagement der Schulleitung unterscheidet sich nach Schul- form kaum.
Wird die Kritik der Eltern ernst genommen, muss an deutschen Schulen dringend reformiert werden: Mehr Of- fenheit und Mitwirkungsmög- lichkeiten für Eltern an wei- terführenden Schulen, man- gelnde Förderung leistungs- schwächerer Schüler und häu- figer Unterrichtsausfall ste- hen in der Prioritätenliste an erster Stelle. Petra Bühring
Studie: Schule aus Sicht der Eltern
Kritik ernst nehmen
Je stärker die Einbindung der Eltern, desto größer ist die Zufriedenheit mit der Schule.
V A R I A
www.infratest-sofo.de/ downloads/bericht.pdf