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Archiv "Pluralismus: Wahrheit oder Verschiedenheit" (18.02.2011)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 7

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18. Februar 2011 A 331

Das Leser-Forum

Beiträge im Deutschen Ärzteblatt sollen zur Diskussion anregen. Deshalb freut sich die Redaktion über jeden Leserbrief. Wir müssen aus der Vielzahl der Zuschriften aber auswählen und uns Kürzungen vorbehalten. Leserbriefe geben die Meinung des Autors, nicht die der Redaktion wieder. E-Mails richten Sie bitte an leserbriefe@aerzteblatt.de, Briefe an das Deutsche Ärzteblatt, Ottostraße 12, 50859 Köln.

PLUR A LISMU S

Ein philosophisches Plädoyer für eine praktische Weisheit, die den Streit der Theorien in der Medizin schlichtet (DÄ 3/2011: „Plura- lismus in der Medizin: Wahrheit als Ver- schiedenheit“ von Gerd B. Achenbach).

U S

E P p d T M ( lismusinder Medizi

Wissenschaft lässt sich definieren

Der Artikel enthält den Vorschlag, die wissenschaftliche Medizin un- ter Hinweis auf die Unklarheit des Wissenschaftsbegriffs auf gleicher Ebene mit den Alternativmethoden analog zu den Religionen in G. E.

Lessings „Nathan der Weise“ in ei- nem praktischen Wettstreit antreten zu lassen.

Wissenschaft lässt sich aber anhand ihrer Prinzipien Objektivierbarkeit und Überprüfbarkeit trotz mehr oder weniger großer Exaktheit der Disziplinen sowohl für Geistes- als auch für Naturwissenschaften defi- nieren. Die wissenschaftliche Me- dizin ist aus Aufklärung und Hu- manismus hervorgegangen. Sie legt sich im Gegensatz zu Alternativ- methoden nicht auf Glaubensinhal- te oder Theorien als Grundlage ih- res Handelns fest und stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Ihre internationalen Definitionen von Krankheit und Schmerz basieren daher auf dem subjektiven Befin- den des Patienten. Die Methode der wissenschaftlichen Medizin ist das vorurteilsfreie Überprüfen von al- len möglichen Therapieansätzen in der Praxis. Deshalb untersucht sie, ob sich eine Theorie „in der Praxis als wahr und recht erweist“ und tut im Sinne des Aufklärers G. E. Les-

sing genau das, was der Autor un- ter Bezug auf Lessing als Lösung für den Streit zwischen Theorien postuliert.

Die Analogie zum Religionsstreit ist auch aus psychologischer und seelsorgerischer Sicht problema- tisch. Viele Heilangebote ohne überprüfte Wirkung verleiten Be- handelnde und Patienten dazu, sich der Einsicht in die Begrenzung menschlicher Möglichkeiten zu entziehen und wiederholte finan- ziell und gesundheitlich schädliche Heilversuche zu unternehmen. Da- durch behindern Alternativmetho- den auch die Auseinandersetzung mit nicht behandelbaren chroni- schen und tödlichen Krankheiten und erleichtern dem Behandelnden, einem Gespräch darüber auszuwei- chen. Mit entsprechendem esoteri- schen oder mystischen Überbau werden sie zu Ersatzreligionen, die das Eingehen auf für den Patienten eigentlich wesentliche Glaubensin- halte behindern.

Übrigens ist J. W. von Goethe in der Beziehung auch kein gutes Vor- bild. Er hat einen großen Teil sei- nes Lebens damit verbracht, Sir I.

Newtons auch für die Medizin sehr nützlichen Experimente mit dog- matischen Argumenten seiner Far- bentheologie erbittert zu bekämp- fen – zum Glück vergeblich.

Dr. Axel Fudickar, 24116 Kiel

Wahrheit oder Verschiedenheit

„Wahrheit als Verschiedenheit“ ist durchaus nachvollziehbar, wenn weltanschauliche Aspekte im Mit- telpunkt eines Geschehens stehen.

Das betrifft die von Achenbach zi- tierten gläubigen medizinischen

Schulen von Hahnemann, Steiner, Kneipp (und natürlich noch die von vielen anderen) ebenso wie die Re- ligionen der Juden, Christen und Moslems. Diese Aussage ist sicher in vielen Fällen auch zutreffend für politische und vielleicht sogar phi- losophische Präsentationen – also immer dann, wenn versucht wird,

„endgültige Wahrheiten“ autoritär zu verkünden.

Für die wissenschaftliche, das heißt kritische Medizin sollte das Zitat

„Veritas sive varietas“ zutreffender übersetzt werden als „Wahrheit oder Verschiedenheit“. Das An- spruchsdenken in der wissenschaft- lichen Medizin ist wesentlich ge- ringer als in der gläubigen Medi- zin, da bestätigende Resultate nur vorläufig gelten – so lange, bis Wi- dersprüche auftreten und der ganze Ansatz neu durchdacht werden muss – idealerweise immer zwei- felnd und antiautoritär. Die Wahr- heit ist also immer nur schrittweise, in zähem Ringen und oft mit Rück- schlägen verbunden zu erreichen.

Die kritischen Vertreter der wissen- schaftlichen Medizin kalkulieren die Möglichkeit von Irrtümern ein.

Der Zweifel dominiert und nicht der Glaube. Letztlich gibt es für je- des konkrete Problem nur eine Wahrheit oder besser – eine vorläu- fige Richtigkeit. Statt „Pluralismus in der Medizin“ sollte „Evidence based Medicine“ (EbM) im wohl- verstandenen Interesse der Patien- ten zunehmend Raum gewinnen.

EbM bedeutet die Kombination in- dividueller klinischer Expertise (Erfahrung, Können, klinische Pra- xis, Empathie des Arztes) mit best- möglicher externer Evidenz (syste- matische Forschung, randomisierte kontrollierte verblindete klinische Studien [RCTs], Versorgungsfor-

B R I E F E

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denen als Menetekel, die sie – be- wusst oder unbewusst – unzulässig auf RCTs reduzieren. EbM verkör- pert ganzheitliche Heilkunst im besten Sinne.

Es ist hier nicht der Platz zu unter- suchen, warum trotzdem viele Menschen auf unseriöse Heilver- sprechen positiv reagieren. Das ist aber kein Problem unserer Zeit – schon Cicero (106 – 43 v. u. Z.) wird die Frage zugeschrieben:

„Wie kommt es, dass die Kranken eher bei einem Traumdeuter als bei einem Arzt Heilung suchen?“

Selbstverständlich konzediert EbM jedem Patienten auch zu sagen:

„Schluss – bis hierher und nicht weiter!“ Das ist der Sinn von Pa- tientenverfügungen.

„Pluralismus in der Medizin“ darf nicht dazu führen, dass der Aber- glaube die moderne Medizin frisst.

Literatur beim Verfasser

Prof. Dr. Frank P. Meyer, 39164 Wanzleben-Börde

KOS TENERST A TTUNG

Ein neues Modell der KV Schleswig- Holstein findet Un- terstützer (DÄ 48/

2010: „Neues Kos- tenerstattungsmo- dell: Ein Konto für Kostenbewusste“ von Sabine Rieser).

OS S

E d H t 2 t d Kostenbewusste“vo

men neue Versichertenkonten mit überflüssigen Berechnungen und Verwaltungskosten eingerichtet werden sollen.

Es geht sehr viel einfacher, wenn man

1) . . . die vorgeschlagene Selbstbe- teiligung für alle Versicherten bei allen Gesundheitsleistungen ver- pflichtend einführt und nicht Boni für Freiwillige drechselt.

2) . . . statt auf die GOÄ auf den EBM’97 mit den schon bekannten Ziffern 1, 4, 8, 60 und 61 zurück- greift.

3) . . . zusammenfassende Viertel- jahresrechnungen mit Auswurf der Selbstbeteiligung durch die Kassen erstellen lässt, anstatt Mediziner zu Kassierern zu machen.

Die Bevorzugung von chronisch Erkrankten bei der Festsetzung der Überforderungsgrenze muss über- dacht werden. Die Überforderungs- klausel hat den ursprünglichen Zweck, genau diese Gruppe mit be- sonders teuren und wiederkehren- den Behandlungen zu schützen.

Es ist unsinnig, innerhalb dieses Schutzbereichs nochmals Schutz- zonen für Untergruppen einzurich- ten und damit die Jagd auf ärztliche Bescheinigungen zu eröffnen . . .

Dr. med. Dieter Huelsekopf, 59368 Werne

Gedankenübertragung

Entweder gibt es Gedankenübertra- gung, oder viele Ärzte in Deutsch- land denken genauso wie ich – die- sen Lösungsansatz habe ich seit Jahren im Kopf. Allerdings muss man den Vorschlag der KV Schles- wig-Holstein korrigieren bezie- hungsweise konkretisieren:

1. Diese Lösung müsste flächende- ckend für alle Patienten gelten – um Gottes Willen nicht als „Wahl- tarif“! Warum? Weil von diesem

„Sparmodell“ zunächst vor allem die „guten Risiken“ begeistert sein werden, die eher selten oder „we- nig aufwendig“ zum Arzt gehen.

Diese sogenannten Verdünner- scheine sind aber für die niederge- lassenen Ärzte von essenzieller Wichtigkeit, um eine Kompensati- onsmöglichkeit für die Schwer- kranken/Chroniker zu haben, deren

Arztkosten mit der erbärmlichen Quartalspauschale nicht mal im Ansatz gedeckt sind . . .

2. Wie könnte man ein Guthaben noch definieren, vielleicht sogar at- traktiv machen, anders als bei zehn Prozent der Zuweisung aus dem Ri- sikostrukturausgleich? Ganz ein- fach! Vom Krankenkassenbeitrag werden einfach zehn oder 15 Pro- zent auf ein Sonderkonto abge- zweigt. Da kann eigentlich kein Pa- tient etwas dagegen haben, er zahlt letztendlich nicht mehr als bisher.

Dieses Guthaben schmilzt wie ein Modell mit der zehnprozentigen Ei- genbeteiligung an Arztkosten, Me- dikamenten, physiotherapeutischer Therapie, Röntgendiagnostik etc.

Der Patient muss nichts überwei- sen, sondern bekommt nur seinen

„Guthabenpegelstand“ gelegentlich mitgeteilt und kann (auf Wunsch) die Arztliquidationen für die Kran- kenversicherung einsehen bezie- hungsweise kontrollieren: Gnaden- lose Transparenz! Erziehung zum Kostenbewusstsein wird hiermit garantiert! . . .

Die schwerkranken Patienten wer- den ihre Eigenbeteiligungsgrenze bald erreicht haben – und letztlich auch nicht mehr bezahlen müssen als bisher. Die (potenziell) Gesun- den aber werden sparen wie die Weltmeister – im Milliardenbe- reich, schätze ich . . .

3. Damit die dann wahrscheinlich einbrechenden Praxisbesuchszahlen kompensiert werden können, muss die (wenige) Arbeit, die den Ärzten bleibt, nach fairen betriebswirt- schaftlich berechneten Maßstäben (bei derzeitiger GOÄ zum Beispiel analog Post B, nicht darunter) ver- gütet werden. Vielleicht fällt für uns Ärzte plötzlich reichlich Freizeit an?

Mit der Kontrollitis von KV und Kassen haben wir dann wenigstens nichts mehr zu tun. Wenn einer kon- trolliert, dann der Patient – als einzi- ger, der beurteilen kann, was ge- macht worden ist . . .

Warum aus all diesen Gedanken nichts wird? Weil man einem Poli- tiker die Begriffe Eigenverantwor- tung und Kostenerstattung nicht zumuten kann: Er müsste es dem Wähler „verkaufen“ . . .

Dr. med. Clemens Göttl, 85540 Haar

Es geht auch einfacher

Die Kernpunkte des Vorschlags zur Steuerung von Gesundheitsausga- ben, die sich im genannten Artikel finden, lassen sich folgendermaßen herausfiltern:

a) Einzelleistungsvergütung als Grundlage für die Kostenaufstel- lung und für die Kontrolle der ärzt- lichen Rechnung

b) Zehnprozentige Kostenbeteili- gung der Versicherten „am Anfang der Versorgung“ als Steuerungsin- strument

c) Schutz vor finanzieller Überfor- derung durch Begrenzung der Selbstbeteiligung auf ein Prozent des Einkommens.

Nicht zu verstehen ist dabei, war- um zur Einführung dieser Maßnah-

B R I E F E

Referenzen

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