MEDIZIN
die therapeutisch interveniert wer- den kann, stellen
1. die Synthese und Freisetzung eines angiogenen Peptids,
2. der Transport des Peptids zur Blutgefäßzelle,
3. die Interaktion des Peptids mit seinem Rezeptor auf der Blutge- fäßzelle sowie
4. die Präsentation des Wachs- tumsfaktorrezeptors auf der Blutge- fäßzelle dar.
Die detaillierte Kenntnis der ein- zelnen Wachstumsfaktoren und ihrer Rezeptoren eröffnet dann die Mög- lichkeit, den angiogenen Prozeß spezi- fisch zu inhibieren. Hier ist sowohl ein Einsatz monospezifischer Antikörper als auch die Applikation sogenannter
„antisense" Oligonukleotide denkbar.
Antisense Oligonukleotide sind in der Lage, die komplementäre „sense"
Messenger-RNA (welche zum Bei- spiel für einen „angiogenen" Faktor
AKTUELL / FÜR SIE REFERIERT
kodiert), zu blockieren. Wichtige Voraussetzung für eine nebenwir- kungsarme Therapie ist, daß die Wir- kung auf das pathologische Gewebe beschränkt bleibt. Verheißungsvolle Ansätze ergeben sich dabei vor allem durch Untersuchungen, die gezeigt haben, daß bestimmte Rezeptoren nur auf pathologischen Blutgefäßen, nicht jedoch auf Blutgefäßen im nor- malen Gewebe vorhanden sind (22, 23). Aufgrund dieser Befunde sind theoretisch allenfalls geringe Neben- wirkungen zu erwarten (beispielswei- se bei der Blockade eines Rezeptors, der spezifisch auf pathologischem Endothel exprimiert wird). Gemein- same Anstrengungen von Wissen- schaftlern, Klinikern und pharma- zeutischer Industrie zur Erzeugung und in vivo experimentellen Testung der entsprechenden Substanzen sind notwendig, bevor klinische Studien in Betracht gezogen werden können.
Deutsches Ärzteblatt
90 (1993) A 1 -2987-2995 [Heft 45]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Karl H. Plate
Klinikum der Philipps-Universität Zentrum Pathologie
Abteilung Neuropathologie Baldingerstraße 1
35043 Marburg und
Max-Planck-Institut für physiologi- sche und klinische Forschung (W. G. Kerckhoff-Institut)
Abteilung Molekulare Zellbiologie Parkstraße 1
61231 Bad Nauheim
Vitamin-K-Prophylaxe bei Neugeborenen und Krebserkrankungen bei Kindern
Das Risiko für bösartige kindli- che Tumorerkrankungen erhöht sich durch die intramuskuläre Injektion von Vitamin K nach der Geburt nicht. Zu diesem Ergebnis kam eine Untersuchung der Abteilung für öf- fentliches Gesundheitswesen und Epidemiologie des schwedischen Ge- sundheitsministeriums und der Uni- versitäten in Lund und Linköping.
Die Wissenschaftler stellten mit einer Befragung aller Geburtenklini- ken fest, auf welche Weise bei reifen Neugeborenen in den Jahren von 1973 bis 1989 nach einer unproble- matischen Geburt die Vitamin-K- Prophylaxe durchgeführt wurde. In dieser Zeit gab es 1 384 424 Gebur- ten, von denen 1 085 654 in Kranken- häusern stattfanden, in denen Vit- amin K intramuskulär gespritzt wur- de. 272 080 Kinder kamen dagegen in Kliniken zur Welt, in denen sie Vit- amin-K-Tropfen oral erhielten. Die Forscher verknüpften dann zwei Da- tenbanken, um herauszufinden, ob die intramuskuläre Vitamin-K-Gabe gehäuft bei kindlichen Tumorpatien- ten stattgefunden hatte. Mit Hilfe
der individuellen persönlichen Iden- tifikationsnummer, die jeder Ein- wohner Schwedens kurz nach der Geburt erhält, verglichen sie die Da- ten des Medizinischen Geburtenregi- sters mit dem schwedischen Krebsre- gister. Alle bösartigen kindlichen Tu- morerkrankungen wurden in die Stu- die einbezogen, wenn sie mehr als 30 Tage nach der Geburt diagnostiziert wurden.
Um herauszufinden, ob die Krankenhäuser die angegebenen Routinemethoden der Vitamin-K- Gabe auch tatsächlich so durchge- führt hatten, wurden bei einer Stich- probe von 396 Kindern die Akten aus dem Kreißsaal eingesehen. Darunter waren 196 krebskranke Kinder und 200 gesunde Kontrollen. Bei 25 Pro- zent der Kinder, die Vitamin K oral bekommen haben sollten, und 55 Prozent derjenigen mit intramuskulä- rer Gabe fehlte in der Akte die ge- suchte Information. War die Art der Vitamin-K-Prophylaxe notiert, stimmte sie jedoch zu 92 Prozent mit der Routinemethode der Klinik überein. Im Vergleich zeigte sich
schließlich, daß die Anzahl der auf- getretenen Krebsfälle bei Kindern, die Vitamin K intramuskulär erhal- ten hatten, sich nicht von der Krebs- rate der Kinder unterschied, denen das Vitamin in Tropfenform gegeben wurde. Das Risiko war für alle kindli- chen bösartigen Tumoren und auch für Leukämien ausgeglichen und un- abhängig von der Art der Vitamin-K- Prophylaxe.
Die Ergebnisse dieser Studie stehen daher im Gegensatz zu denen der britischen Forscher, die in zwei Fall-Kontroll-Studien mit insgesamt 228 krebskranken Kindern und 657 gesunden Kontrollen ein erhöhtes Tumorrisiko bei intramuskulärer In- jektion von Vitamin K nach der Ge- burt festgestellt hatten. Gründe für die gegensätzlichen Ergebnisse könn- ten nach Ansicht der Autoren die un- terschiedlichen Studienregionen oder Differenzen in der Studienpla- nung sein. silk
Ekelund, H., 0. Finnström, J Gumar- skog, B. Käll6n, Y. Larsson: Administra- tion of vitamin K to newborn infants and childkood cancer. British Medical Jour- nal 307 (1993) 89-92
Bengt Källen, Department of Embryo- logy, University of Lund, Biskopsgatan 7, S-233 62 Lund, Schweden
Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 45, 12. November 1993 (43) A1-2995