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Besser nicht widersprechen?

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Academic year: 2022

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IP Juli / August 2017

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Pack mer’s, Deutschland

Die Welt hat sich seit einiger Zeit gefragt, ob am Trumpismus noch mehr dran ist als dräuende Tweets und ungezügelte Impulse: ein Ideensystem, und nicht nur ein Sammelsurium von Einstellungen. Diese Frage ist am 30. Mai beant- wortet worden: mit einem Namensartikel von keinen anderen als dem Natio- nalen Sicherheitsberater der amerikanischen Regierung, General H.R. McMas- ter, und Gary D. Cohn, dem Vorsitzenden des Nationalen Wirtschaftsrats. Der Artikel gibt vor, die Strategie hinter der ersten Auslandsreise des Präsidenten nach Saudi-Arabien, Israel und Europa zu erläutern.

Es ist wohl nur natürlich, dass die Autoren Wert darauf legten, der Kritik an der zehntägigen Reise des Präsidenten in den Nahen und Mittleren Osten und nach Europa als einer chaotischen und stümperhaften Farce zu widerspre- chen. Die Versuchung ist groß, ihre Widerlegung als nachträgliche Rationalisie- rung zu lesen. Das würde uns gestatten, weiterhin zu glauben, dass diese bei- den Männer tatsächlich die Rolle der erwachsenen Aufpasser spielen: beauf- tragt, dafür zu sorgen, dass diese Regierung den Weg zur Normalität zurück- findet und die Ideologen in die Schranken gewiesen werden.

Aber dieser weniger als tausend Wörter lange Kommentar ist weit mehr als das. Er ist ein sorgfältig argumentierter (wenn auch nicht ganz konsisten- ter) Text, der seine zentralen Ideen bemerkenswert knapp entfaltet. Bis zur Ver öffentlichung der Nationalen Sicherheitsstrategie dieser Regierung irgend- wann im Herbst 2017 bleibt er bestehen als die erste autoritative Beschreibung der Weltsicht dieses Weißen Hauses, aus der Feder von zweien seiner mäch- tigsten, erfahrensten und angesehensten Mitglieder. Die Trump-Doktrin, die darin zum Ausdruck kommt, ist erschreckend.  

McMaster und Cohn zufolge war die Reise des Präsidenten nichts ande- res als „historisch“. Ja, sie sei eine strategische Wende: „America First signa- lisiert die Wiederherstellung amerikanischer Führung, … um die Sicherheit Constanze Stelzenmüller | Zwei der erfahrensten Mitglieder der neuen US- Administration beschreiben in einem Zeitungskommentar, wie der Chef des Weißen Hauses auf die Welt blickt. Zwei Lehren können wir daraus schon mal ziehen: Der nationalistische Grundton wird noch schärfer. Und die Europäer werden nur gebraucht, wenn es den Interessen der USA dient.

Es gibt sie doch: die Trump-Doktrin. Und sie ist keine gute Nachricht für Europa

Besser nicht widersprechen?

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IP Juli / August 2017 15 Besser nicht widersprechen?

Kein Präsident brach so mit der Führungs- rolle Amerikas

Amerikas zu verstärken, den Wohlstand Amerikas zu fördern und Ameri- kas Einfluss rund um die Welt auszudehnen.“ Kurz zusammengefasst: Ame- rica First heißt Amerika zuerst, und das nicht nur in Amerika, sondern über- all auf dem Globus. 

Um jeden Zweifel an der Nullsummen-Weltsicht auszuräumen, die diesem Ansatz zugrundeliegt, erklären General McMaster und Gary D. Cohn: „Die Welt ist keine ‚globale Gemeinschaft‘, sondern eine Arena, in der Nationen, Nichtregierungsakteure und Unternehmen miteinander um Vorteile streiten.

… Statt diese elementare Natur internationaler Beziehungen zu bestreiten, begrüßen wir sie.“

Kein US-Präsident seit 1945, ob Republikaner oder Demokrat, hat so ent- schieden mit der amerikanischen Führungsrolle in der liberalen Nachkriegs- ordnung gebrochen. Im Dienst des Weltfriedens war selbst die Su-

persiegermacht jahrzehntelang bereit gewesen, sich an universel- le Regeln zu binden – ein Zugeständnis, das auf der Annahme ei- ner weltweiten Wertegemeinschaft gründete und nicht auf dem Prinzip „Macht gleich Recht“. Zugegeben, die Republikaner sind schon immer der Ansicht gewesen, dass Wettbewerb gesund sei.

Aber doch nicht in diesem Ton, der eher an die Autorin Ayn Rand erinnert als an – sagen wir – Henry Kissinger. Die Ankündigung des US-Präsidenten am 1. Juni, dass die Vereinigten Staaten das Pariser Klimaschutzabkommen verlassen (es sei denn, die anderen 194 Signatarstaaten lassen sich auf eine

„Neuverhandlung“ ein), beweist, dass die Regierung meint, was sie sagt. Wo Rauch ist, ist auch Feuer.

Die erste Runde geht an die Ideologen

Dieser Wendepunkt hält zwei Lehren bereit. Die erste ist für Washington: Der Wettbewerb zwischen Amateurideologen und qualifizierten Erwachsenen ist fürs Erste entschieden: Runde eins geht an die Ideologen. Das Weiße Haus ist mitnichten im Begriff, „normal“ zu werden; im Gegenteil, es verschärft noch den nationalistischen Grundton.  

McMaster und Cohn haben nun ihr Schicksal und ihren Ruf mit dem des Präsidenten verbunden – sogar so weit, dass sie mit der Behauptung, Donald Trump habe in Brüssel ein Bekenntnis zur gegenseitigen Verteidigungsklau- sel in Artikel 5 des NATO-Vertrags abgegeben, eine offensichtliche Unwahr- heit geltend machen. Man könnte zu ihren Gunsten annehmen, dass sie damit dokumentieren, dass sie anderer Meinung sind als ihr oberster Befehlshaber und ihn damit entschärfen und einhegen.

Aber wenn das Trumpismus light ist, ist er dennoch weit entfernt vom traditionellen republikanischen Internationalismus. Mit anderen Worten: Es ist immer noch Trumpismus. Es ist auch keineswegs beruhigend zu wissen, dass die Autoren diese Aktion unternehmen, nachdem entweder der Präsi- dent selbst oder einer seiner schärfer gestimmten Berater – wie Susan Glasser von Politico kurz nach der Rede enthüllte – eine ausdrückliche Bestätigung des Artikel 5 in der Brüsseler Rede im letzten Moment herausoperierte. Die Sache mit der Einhegung funktioniert also bestenfalls bedingt.

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Pack mer’s, Deutschland

Die zweite Lehre ist für Amerikas europäische Verbündete. Effizient geben McMaster und Cohn dem Fundament des westlichen Bündnisses den Gnaden- stoß – der Überzeugung, dass uns der Glaube an eine Wertegemeinschaft eint.

Das Wort „Werte“ erscheint zweimal, aber nicht im Zusammenhang mit den europäischen Alliierten: zuerst in einem Absatz über den Besuch in Saudi-Arabien und dann in einer Passage, die den Geg- nern der USA versichert, dass Amerika seine „Werte und Interes- sen verteidigen, aber auch nach Interessenüberschneidungen Aus- schau halten wird“. In einer eigenartig matten und verkrampften Redewendung sprechen die Autoren von den „Prinzipien, die Amerika unge- wöhnlich machen“. Dass Amerika Bündnisse brauche, bestätigen sie mit Nach- druck. Aber sie machen auch klar, dass seine Allianzen auf Zeit angelegt, an Bedingungen geknüpft und strikt geschäftsmäßig motiviert sind: „Soweit un- sere Interessen gleichgelagert sind, sind wir offen für Zusammenarbeit zur Lö- sung von Problemen und für das Ausloten möglicher Chancen.“ 

Für europäische Ohren ist das eine erstaunlich verkümmerte Beschreibung einer Beziehung, die seit fast 70 Jahren andauert, heute breit und tief ist und die von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bis hin zu Sicher- heit und Verteidigung reicht. Sie ist gänzlich unzureichend als Erklärung für die Tatsache, dass fast 900 Europäer und Europäerinnen, Seite an Seite mit ih- ren amerikanischen Kameraden kämpfend, ihr Leben in Afghanistan ließen, nachdem Europa am 12. September 2001 wegen des Angriffs auf die USA zum ersten und bisher einzigen Mal in der Geschichte der NATO die Beistandsver- pflichtung des Artikel 5 auslöste.

Aber es ist wohl besser, nicht zu widersprechen. Denn „diejenigen, die sich entscheiden, gegen unsere Interessen zu handeln, werden auf den entschiedens- ten Widerstand stoßen“. Diese kühle, geschäftsmäßige Drohung lässt keine Kompromisse oder eine andere Form des Aushandelns zu. Noch viel weniger lässt sie Raum für ein kollektives Bekenntnis zu Zielen, die größer sind als die Summe unserer gemeinsamen Interessen. Von einem gemeinsamen Schicksal des Westens ganz zu schweigen.

Die Europäer haben die Nachricht vernommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, dass die aktuell leider nur bedingte Verlässlichkeit der USA (und Großbritanniens) bedeute, dass „wir Europäer … unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen“ müssen. Am 7. Juni hat ein EU-Gipfel weitrei- chende Maßnahmen zur Verstärkung der europäischen Sicherheits- und Ver- teidigungspolitik beschlossen, angetrieben von der fortdauernden Bedrohung durch ein revisionistisches Russland.

Nichts von alledem bedeutet, dass die Europäer sich abwenden von Amerika, von den transatlantischen Beziehungen oder von der NATO, ih- rem militärischen Arm. Aber es ist eine Emanzipationserklärung. Und das dürften McMaster und Cohn nicht beabsichtigt haben.

Den Europäern bleibt kein Raum für Kompromisse

Dr. Constanze Stelzenmüller ist Robert Bosch Senior Fellow an der Brook- ings Institution in Wa- shington, DC. Dieser Text erschien zuerst auf Englisch als ein Brookings Blog.

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