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Hereditäres Angioödem:optimales Management in Eigenregie

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Academic year: 2022

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Trotz des damit assoziierten hohen Risikos erlauben die heute verfüg- baren Behandlungsmöglichkeiten den Patienten mit hereditärem An- gioödem eine so gut wie normale Lebensqualität. Als ein entschei- dender Faktor für das optimale Management hat sich in letzter Zeit die Selbstmedikation beziehungs- weise Selbstprophylaxe zu Hause manifestiert; Untersuchungen be- richten hier von einer starken Sen- kung von sowohl Anfallshäufigkeit als auch Dauer der Attacken. Wich- tig ist diesbezüglich die entspre- chende Ausbildung von Patienten und Angehörigen.

LYDIA UNGER-HUNT

Das hereditäre Angioödem (HAE) ist eine gravierende Erkrankung: Fast 50 Prozent der Patienten erleben im Laufe ihres Lebens eine Larynxattacke, und «in fast jeder betroffenen Familie ist ein Patient aufgrund einer Larynx - attacke gestorben», macht PD Dr. med.

Petra Staubach vom Universitätskran- kenhaus Mainz auf die potenziell dra- matischen Folgen der Krankheit auf- merksam. Die gute Nachricht: Die häu- figsten Lokalisationen sind nicht der Kehlkopf, sondern Gesicht, Abdomen, Urogenitaltrakt und Extremitäten. Die noch bessere Nachricht: «Mittlerweile haben wir die therapeutischen Optio- nen, um das hereditäre Angioödem wirklich gut behandeln zu können.»

Fokus auf Familienmitglieder An HAE ist zu denken bei:

❖rezidivierendem Angioödem, das länger als 24 Stunden anhält und nicht auf Antihistaminika anspricht

❖unerklärlichen, rezidivierenden, kolik- ähnlichen Bauchschmerzen

❖ersten Attacken in der Kindheit, typi- scherweise Verschlechterung in der Pubertät (s. auch Kasten).

Eine fehlende Familienanamnese schliesst eine HAE allerdings nicht aus, da 25 Prozent der Fälle aufgrund spon- taner Mutationen erfolgen. Aufgrund des mit Larynxattacken assoziierten Risikos sei nach der Diagnoseabklä- rung immer auch die Testung naher und auch entfernterer Angehöriger ent- scheidend, vor allem Kinder eines neu diagnostizierten Patienten, betont die Expertin. Zu erfragen sind neben der Dauer der Attacken übrigens auch Scores der Aktivität und der Lebens- qualität. «Diese HAE-Aktivitäts- und Lebensqualitäts-Scores stehen uns erst seit Kurzem zur Verfügung. Sie sind enorm wichtig, denn nur so haben wir ausreichend patientenberichtete Out- comes und können feststellen, ob der Patient optimal behandelt wird oder wir noch etwas verändern müssen», berichtet Staubach aus der Praxis.

Krankheitsbelastung und Krankheitskosten

HAE hat nicht nur gravierende medizi- nische Folgen, sondern auch signifi- kante Auswirkungen auf Berufsfähig- keit oder Ausbildung, erklärt die Inter- nistin. So geben laut Studien aus den USA 40,5 Prozent der Patienten an, HAE habe sie daran gehindert, ihre Aus- bildung so weit fortzuführen, wie sie das eigentlich gewollt hätten; 69,1 Prozent schlossen bestimmte berufliche Tätig- keiten aufgrund des HAE von Vorn - herein aus, und 16,4 Prozent arbeiten als direkte Folge ihrer Erkrankung we- niger als vollzeitbeschäftigt. «Andere Studien aus Deutschland beziehungs- weise Europa bestätigen diese hohe

Last der Krankheit.» Und: 50 Prozent aller Patienten weltweit suchten in den letzten 6 Monaten eine Notfallauf- nahme auf. «Dies ist ein wichtiger Teil der mit HAE assoziierten indirekten Kosten. 60 Prozent der Kosten entfal- len nämlich nicht auf die medikamen- töse Therapie, sondern auf die Aufent- halte im Krankenhaus, auf verminderte Produktivität oder Ausfallzeiten vom Beruf. Eine nicht gut behandelte Krankheit hat daher auch signifikante wirtschaftliche Folgen.»

Individueller Aktionsplan

Ziele der HAE-Behandlung sind natür- lich die Senkung von Morbidität und Mortalität, was mit einer frühen, akku- raten Diagnose beginnen sollte. Alle Patienten müssten darüber informiert werden, dass eine frühe Behandlung wichtig ist, da damit eine kürzere Dauer und ein geringerer Schweregrad der Schwellung assoziiert sind.

HAE-Patienten sind von einem Spe zia - listen zu betreuen, der mit allen Behand - lungsoptionen vertraut ist – «zumindest die ersten 2 bis 3 Jahre nach der Dia - gnose» –, und die The rapie sollte nach Möglichkeit den Bedürfnissen und Wünschen des Patienten individuell an- gepasst werden. «Wir möchten, dass unsere Patienten eine normale Lebens- qualität haben, und wir haben derzeit genügend Optionen zur Verfügung, um dieses Ziel auch zu erreichen.»

Die Behandlung des HAE umfasst die folgenden Ansätze:

❖Akutbehandlung der Attacken

❖kurzfristige Prophylaxe

❖langfristige Prophylaxe

❖Möglichkeit der Heimtherapie (akut/

prophylaktisch)

❖Management von HAE bei Kindern

❖Management von HAE während Schwangerschaft und Stillperiode.

Akutbehandlung von Attacken Allgemein gilt: Attacken sind so früh wie möglich zu behandeln, das bedeu- tet vorzugsweise vor der Entwicklung

BERICHT

1004

ARS MEDICI 20 2014

Jahreskongress der Schweizerischen Gesell - schaft für Allergologie und Immunologie (SGAI)

21. März 2014, Davos.

Quelle: «News in HAE-Management» Symposium VII

Hereditäres Angioödem:

optimales Management in Eigenregie

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sichtbarer Symptome. Die Akutbehand- lung gilt nicht nur für den Larynx - bereich, sondern auch alle anderen Lo- kalisationen wie Gesicht, Hals, Abdo- men. Und: Laut Empfehlung der World Allergy Association (WAO) sollten alle Patienten ausreichend Akutmedikation verfügbar haben, um 2 Attacken be- handeln zu können. Patienten sollten zudem umgehend ein Krankenhaus aufsuchen, falls die laryngealen Sym - ptome nach der anfänglichen Behand- lung persistieren.

Die kurzfristige Prophylaxe von HAE- Attacken kommt beispielsweise bei operativen oder investigativen Verfah- ren zum Einsatz, da körperliches Trauma und emotionaler Stress hier unvermeidbar sind. Das höchste Risiko weisen die dentale/intraorale Chirurgie und die Endoskopie aufgrund ihrer As- soziation mit einem oberen Atemwegs- ödem auf. Cave: Die Schwellung kann 4 bis 30 Stunden nach dem Verfahren auftreten. Auch bei emotionalen Le- bensereignissen wie einer Hochzeit

oder einem Begräbnis kommt die kurz- fristige Prophylaxe zum Einsatz. Ein - genommen wird ein C1-INH 1 bis 6 Stunden vor dem Vorgang, wobei 2 Dosierungen für die Behandlung von Attacken verfügbar sein sollten.

Die langfristige Prophylaxe «ist etwas anderes», erklärt die Expertin. Laut Leitlinien ist sie zwar grundsätzlich für alle Patienten zu erwägen, «es hängt je- doch sehr vom Patienten ab. Wie viele Attacken hat er, wie gravierend sind sie, wie ist die Lebensqualität, wie fühlt er sich generell? Das alles ist zu disku - tieren, und dann erst ist zusammen mit dem Patienten zu entscheiden.»

Cinryze®i.v. ist der einzige dafür zuge- lassene Wirkstoff, anfangs in einer 2-mal wöchentlichen Dosierung; bei einer Break-through-Attacke kommt zusätzlich ein C1-INH oder ein Brady- kinin-B2-Antagonist zum Einsatz. An- tifibrinolytika werden auch in der lang- fristigen Prophylaxe nicht empfohlen, da lediglich Einzelberichte der Evidenz sowie ein erhöhtes Risiko thrombo - tischer Ereignisse vorliegen.

Zum Thema Danazol: «Attenuierte Androgene sind grundsätzlich für Menschen über 16 Jahre und für nicht schwangere und nicht stillende Frauen geeignet. In Deutschland sind sie nicht für die Prophylaxe der HAE zugelas- sen, aufgrund des sehr variablen An- sprechens und vor allem der langen Liste an Nebenwirkungen», erklärt Staubach – wie etwa Gewichtszu - nahme, Akne, Virilisation, veränderte Libido, Kopfschmerzen, Depression oder Hepatotoxizität. Ein chronischer Androgeneinsatz ist mit verminderter Lebensqualität assoziiert. «In Ländern, in denen C1-INH nicht verfügbar sind, stellen sie dennoch eine Option dar.»

Bei Kindern sind C1-INH die einzige Option für die Akutbehandlung. Die kurzfristige Prophylaxe ist nur selten erforderlich, ausser es werden Inter - ventionen am Kopf und/oder im Hals- bereich durchgeführt; hier gelten eben- falls C1-INH als Erstlinienbehandlung, Androgene sind als Zweitlinienthera- pie möglich.

Heimbehandlung:

überzeugende Daten

Die Behandlung zu Hause (home treat- ment) gilt für die akute und die prophy - laktische Behandlung. Alle Patienten sollten ihren individuellen Aktionsplan

und den Wirkstoff greifbar haben, und sie sind für die Selbstverabreichung auszubilden. «Ich bin zunächst davon ausgegangen, dass das Training der Pa- tienten schwierig sein würde, habe aber ganz andere Erfahrungen gemacht», kommentiert die Expertin. Nicht nur der Patient selbst, sondern auch ein

«home therapy partner» – also ein Fa- milienmitglied oder ein Freund – ist in der Selbstverabreichung auszubilden.

Grundsätzlich können alle Attacken an allen körperlichen Lokalisationen ei- genbehandelt werden, jedoch wird bei Larynxattacken die zusätzliche medizi- nische Notfallbetreuung empfohlen.

Die entsprechenden Studienergebnisse dieser Therapieform sind jedenfalls

«sehr überzeugend», berichtet Stau- bach. Eine Beobachtungsstudie an 39 Patienten verglich «On-demand»- C1-INH-Ersatztherapie in einer medi- zinischen Einrichtung versus Selbst - therapie zu Hause unter Anleitung eines Arztes (home care service) (1). Die Dauer der Attacken lag bei 13,0 Stun- den bei Behandlung im Krankenhaus im Gegensatz zu 2 Stunden bei der Heim behandlung. Bei Kindern war der Effekt noch dramatischer: Die Anzahl der im Krankenhaus verbrachten Tage im Jahr lag bei 3,8 bei ärztlicher Behand- lung, im Vergleich zu 0,11 Tagen bei Heimbehandlung mit einem C1-INH (2).

Eine weitere Studie mit 146 Patienten beobachtete unter einer Krankenhaus- therapie 3 Attacken im Monat, im Ver- gleich zu 0,19 bei Heimbehandlung (Prävention mit CINRYZE®) (3). «Das entspricht einer Reduktion der Anfalls- rate um 93,7 Prozent (p <0,001). Es ist eindeutig, dass mit diesem Vor gehen eine verbesserte medizinische Situation und damit eine verbesserte Lebens - qualität möglich sind. Ob damit auch verminderte Kosten für das Gesund- heitswesen assoziiert sind, ist noch weiter zu erforschen», so Staubach

abschliessend.

Lydia Unger-Hunt Referenzen:

1. Tourangeau LM et al.: Safety and efficacy of physician- supervised self-managed C1 inhibitor replacement therapy. Int Arch Allergy Immunol 2012; 157: 417–424.

2. Kreuz W et al.: Home therapy with intravenous human C1-inhibitor in children and adolescents with here- ditary angioedema. Transfusion 2012; 52: 100–107.

3. Zuraw BI, Kalfus I: Safety and efficacy of prophylactic nanofiltered C1-inhibitor in hereditary angioedema.

Am J Med 2012; 125: 938.e1–e7.

BERICHT

1006

ARS MEDICI 20 2014

Hereditäres Angioödem:

die QUINCKE-Eselsbrücke

❖Qualität des Angioödems (48–72 Stunden vs. 24–36 Stunden bei histamininduziertem Ödem)

❖ungewöhnlich lange Persistenz

❖intestinale Symptome

❖Non-Responder auf Antihistaminika/

Kortison

❖Komedikation: ACE-Hemmer, Hormone

❖Kindheit Beginn

❖Östrogene verschlimmern die Lage

Die Wirkstoffe für die Akutbehand- lung im Überblick:

❖Plasmaderivate C1-INH-Konzentrate:

– Cinryze®(C1 Inhibitor)

– Berinert®(C1 Esteraseinhibitor)

❖rekombinantes C1-INH: Ruconest®

❖Bradykinin-B2-Rezeptor-Antagonist:

Firazyr®(Icatibant)

❖Einsatz adjuvanter Therapie bei Indikation:

Flüssigkeit i.v., Schmerzmanagement und Supportive Care

Orale Antifibrinolytika sollten für die Akut - behandlung von Attacken nicht eingesetzt werden.

Referenzen

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