• Keine Ergebnisse gefunden

Metropolregionen und potenzialarme Räume: Die beiden Pole der regionalen Wirtschaftsentwicklung | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Metropolregionen und potenzialarme Räume: Die beiden Pole der regionalen Wirtschaftsentwicklung | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik"

Copied!
4
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Monatsthema

12 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 5-2011

Metropolregionen als Wachstumspole Bereits 2005 hatte Avenir Suisse im Buch

«Baustelle Föderalismus» die Bedeutung der Metropolitanregionen analysiert. Eine neue Auswertung von BAK Basel Economics (BAK Basel) im Auftrag von Avenir Suisse zeigt, dass diese Bedeutung seitdem weiter zuge- nommen hat (siehe Kasten 1). In den vier grossen Metropolregionen werden auf nur 10% der Landesfläche nahezu zwei Drittel (59%) des Schweizer Bruttoinlandsprodukts (BIP) erwirtschaftet. Die mit Abstand bedeu- tendste Metropolregion ist Zürich, mit einem Anteil von knapp einem Drittel (29%) an der nationalen Wertschöpfung. Es folgen die Me- tropolregion Genf-Lausanne mit 14% und Basel mit 10%. Somit wird alleine in den drei grossen Metropolregionen Zürich, Arc Lé- manique und Basel auf kleinstem Raum die Hälfte des Nationaleinkommens generiert.

In deutlicher Distanz zu dieser Spitzengrup- pe findet sich die viertgrösste Metropolregi- on Bern, mit lediglich einem Zwanzigstel des schweizerischen BIPs (vgl. Grafik 2).

Lugano-Locarno-Bellinzona wird vom Bundesamt für Statistik (BFS) als 5. Metro- polregion ausgewiesen. Bei diesem Gebiet handelt es sich aus nationaler Perspektive je- doch um eine grössere Agglomeration als um eine Metropolregion. Sein BIP-Anteil ist nochmals deutlich kleiner als das der Region Bern und daher nicht Bestandteil dieses Ver- gleichs.

Eine noch stärkere regionale Konzentra- tion ergibt sich bei der Verteilung der Head- quarters der 150 grössten Unternehmen der Schweiz, die Avenir Suisse auf Basis der von der Handelszeitung publizierten Liste «Top 2010 – Die grössten Unternehmen der Schweiz» untersucht hat. Dabei zeigte sich ei- ne noch stärkere Dominanz der Metropolre- gion Zürich mit 43%, gefolgt vom Arc Léma-

nique und Basel (je 13%) und Bern (7%). In den vier Stadtregionen sind somit gut drei Viertel (76%) der wichtigsten Unterneh- menszentralen des Landes angesiedelt (siehe Grafik 1).

Auch beim reale BIP-Wachstum der letz- ten zehn Jahre (2000–2010) erweisen sich die grossen Metropolregionen als wichtige Wachstumsmotoren der Schweizer Wirt- schaft. An der Spitze mit einer Steigerung von 30% liegt Basel, gefolgt von Genf-Lau- sanne (22%) und Bern (20%). Zürich liegt mit 15% etwas unter dem nationalen Durch- schnitt von 18% (siehe Grafik 3). Die Unter- schiede lassen sich teilweise auf Differenzen im regionalen Branchenmix zurückführen:

Basel etwa verdankt seinen Spitzenplatz dem starken und zudem relativ konjunkturunab- hängigen Wachstum in der Pharmabranche.

Am Finanzplatz Zürich hingegen haben zwei Finanzkrisen (2001 und 2009) und das Swissair-Grounding (2001) die durchschnitt- lichen Wachstumsraten in der letzten Dekade reduziert. Die für Zürich etwas ungünstige Wahl des Vergleichszeitraums verzerrt somit eine ansonsten gute Performance: In den Jahren zwischen den beiden Krisen (2004-

Metropolregionen und potenzialarme Räume:

Die beiden Pole der regionalen Wirtschaftsentwicklung

Obwohl die Schweiz im internatio­

nalen Vergleich relativ geringe Disparitäten bei der wirtschaft­

lichen Entwicklung aufweist, sind die Unterschiede zwischen den Regionen teilweise enorm. Am einen Ende des Spektrums befin­

den sich die Metropolregionen, in denen das Gros der nationalen Wertschöpfung erbracht wird.

Dort bedarf es keiner regionalspe­

zifischen Wirtschaftsförderung.

Am anderen Ende des Spektrums liegen die potenzialarmen Räume des Berggebiets, in denen klassi­

sche Strukturpolitik häufig nicht mehr greift und es eher um die Steuerung von Schrumpfungs­

prozessen geht.

Dr. Daniel Müller­Jentsch

Projektleiter Avenir Suisse Quelle: Avenir Suisse, Handelszeitung «Top 2010» / Die Volkswirtschaft Grafik 1

Headquarters der 150 grössten Schweizer Unternehmen nach Metropolregion

Zürich Basel Übrige Gemeinden

Genf-Lausanne Bern

64 (43%)

19 (13%) 20 (13%)

10 (7%) 36 (24%)

(2)

Monatsthema

13 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 5-2011

2007) und auch nach der letzten Krise (2010) wuchs die Region mit einer Rate von 3%

jährlich. Die Wachstumskurve von Bern – mit einem hohen Anteil an Erwerbstätigen im öffentlichen Sektor – war über den ge- samten Zeitraum weniger steil und weniger volatil als in den anderen drei Metropolregi- onen (vgl. Grafik 3). Ob ein Wachstum des öffentlichen Sektors gesamtwirtschaftlich je- doch als positiv zu bewerten ist, sei dahinge- stellt.

Die Dominanz der grossen Ballungszent- ren spiegelt sich auch im Arbeitsmarkt wider.

Grafik 2 zeigt, dass der Anteil der Metropol- regionen an den Erwerbstätigen in der Schweiz im Falle von Genf-Lausanne und Bern proportional zu ihrer Wertschöpfung ist, bei Zürich leicht unterproportional (26%

statt 29%) und bei Basel deutlich unterpro- portional (7% statt 10%). Dies liegt wohl an der hohen Wertschöpfung pro Arbeitsplatz im Finanzsektor – und vor allem bei der pharmazeutischen Industrie. In den letzten zehn Jahren wuchs die Zahl der Erwerbstäti- gen in Genf-Lausanne und Zürich weit über dem nationalen Durchschnitt, in Bern und Basel hingegen leicht unterdurchschnittlich.

Grosse regionale Unterschiede gibt es bei der Bevölkerungsentwicklung. Bezüglich der Zunahme der Wohnbevölkerung lagen die Metropolregionen Zürich und Genf-Lau- sanne 2000–2010 fast 50% über dem Landes- durchschnitt. Diese beiden Regionen absor- bierten einen erheblichen Teil der starken Zuwanderung seit Einführung der Personen- freizügigkeit. In Basel und Bern hingegen war das Bevölkerungswachstum kaum halb so hoch wie im Schweizer Mittel. Diese enor- me Differenz erklärt auch, warum in Genf und Zürich der Druck im Immobilienmarkt und die Debatten über die Ausländerpolitik eine deutlich grössere Brisanz haben als in Bern und Basel.

Während sich Daten zu Einwohnern und Erwerbstätigen für die Metropolregionen präzise und gemeindescharf ermitteln lassen, ist die Berechnung regionaler BIP-Zahlen deutlich schwieriger. In der Schweiz ist dies einzig mit Hilfe des Modells von BAK Basel möglich (siehe Kasten 1). Trotzdem ist eine gewisse Unschärfe unvermeidlich. So hängt beispielsweise das relativ schwache Abschnei- den Zürichs beim BIP-Wachstum auch damit zusammen, dass diese Metropolregion deut- lich grossflächiger ist als die anderen und so die wachstumsstarke Kernstadt weniger ins Gewicht fällt.

Die regionalen BIP-Zahlen sind mit ge- wisser Vorsicht zu geniessen; aber sie zeigen deutlich, dass sich ein Grossteil der Wirt- schaftsleistung im Einzugsgebiet der Gross- städte konzentriert. Auch bei den Wachs-

Kasten 1

Datengrundlage zu Metropolregionen Die Daten zu BIP, Erwerbstätigen und Ein- wohnern der Metropolregionen wurde vom Beratungsunternehmen BAK Basel Economics (BAK Basel) aufbereitet. Die Perimeter der Metropolregionen – teils auch «Metropolitan- regionen» genannt – sind jene, die das Bun- desamt für Statistik (BFS) auf Basis verschie- dener Indikatoren (z.B. Pendlerdaten) ermit- telt hat. Die Berechnung der regionalen BIP- Zahlen erfolgte auf Basis eines BAK-Modells zum Schweizer BIP, das eine gemeindescharfe Analyse ermöglicht. Während diese Daten meist für Kantonsvergleiche genutzt werden, wurden sie in diesem Fall für die vom BFS de- finierten Metropolregionen ausgewertet.

Grafik 2

Anteile der 4 Metropolregionen am nationalen Kuchen

Quelle: BAKBASEL / Avenir Suisse / Die Volkswirtschaft

Zürich Basel Restl. Schweiz

Genf-Lausanne

Bruttoinlandsproduktanteile

Erwerbstätigenanteile

Bevölkerungsanteile Bern

29%

14%

6% 10%

41%

23%

13%

6%

5%

53%

26%

14%

47%

6% 7%

(3)

Monatsthema

14 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 5-2011

tumsraten lagen diese Gebiete in der letzten Dekade meist über dem nationalen Durch- schnitt. Insbesondere in Zürich und am Arc Lémanique besteht die Herausforderung an- gesichts der rasanten Bevölkerungszunahme weniger in der Förderung weiteren Wachs- tums als in der Bewältigung der damit ver- bundenen Begleiterscheinungen. Dazu zäh- len Infrastrukturengpässe, steigende Immo- bilienpreise und die raumplanerische Kana- lisierung des Siedlungswachstums.

Schrumpfungsprozesse in potenzialarmen Räumen

Während die städtischen Zentren dank hoher Wachstumsdynamik also kaum Bedarf für aktive Wirtschaftsförderung haben, gibt es in der Schweiz auch periphere Regionen, in denen Strukturpolitik kaum mehr greift.

In einigen dieser «potenzialarmen Räume»

des Berggebietes sind Abwanderung oder Schrumpfungsprozesse bereits so weit fort- geschritten bzw. die strukturellen Rahmen- bedingungen derart ungünstig, dass ein schlichtes «Ansubventionieren» wenig be- wirkt, aber sehr viel Geld kostet.

Im Rahmen der Umsetzung der Neuen Regionalpolitik (NRP) forderte der Bund da- her die betroffenen Kantone auf, massge- schneiderte Strategien für solche Gebiete zu entwickeln. Mit Graubünden ging erstmals ein Bergkanton diese politisch heikle Aufga- be systematisch und offen an. Das Amt für Wirtschaft und Tourismus des Kantons publi- zierte 2009 einen Bericht unter dem Titel

«Strategien zum Umgang mit potenzialar- men Räumen». Ziel war es nicht, die betrof- fenen Regionen aufzugeben, sondern Strate- gien zu entwickeln, um ohnehin ablaufende Schrumpfungsprozesse gezielter zu steuern oder so abzufedern, dass eine Stabilisierung der Gebiete möglich wird.

Zu diesem Zweck wurden zunächst Krite- rien zur Identifizierung von potenzialarmen Räumen festgelegt. Hierzu zählen Überalte- rung, Bevölkerungsrückgang, negative Fi- nanzkennzahlen oder der schleichende Ab- bau des Service public. Die entsprechenden Kennzahlen wurden für alle Gemeinden des Kantons analysiert, um Gebiete zu identifi- zieren, wo diese Probleme gehäuft auftraten.

Unterschieden wurden dabei zwischen poten- zial armen Räumen 1. Priorität, deren wirt- schaftliche Existenz akut gefährdet ist und potenzialarmen Räumen 2. Priorität, deren Situation weniger kritisch ist.

Ausgehend von dieser Bestandesaufnah- me wurden im Projekt Strategien zur Schaf- fung bzw. Aktivierung wertschöpfungsrele- vanter Potenziale entwickelt und zusammen- getragen. Dazu zählen integrierte Strategien

Anmerkung: Basisjahr = 2000. Quelle: BAKBASEL / Avenir Suisse / Die Volkswirtschaft Grafik 3

Wachstumskurven nach Region

Zürich Genf-Lausanne Basel Bern Schweiz

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

95 100 105 110 115 120 125 130

100 102 104 106 108 110 112 114

BIP-Wachstumskurven, 2000–2010

Bevölkerungs-Wachstumskurve

(4)

Monatsthema

15 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 5-2011

für Tourismus-Ressorts, die Inwertsetzung der Ressource Landschaft durch den Aufbau von Regionalparks und massgeschneiderte Lösungen für Infrastruktur und Service pub- lic. Ziel ist es, eine Trendumkehr (d.h. Wachs- tum) oder zumindest einen Trendbruch (d.h.

eine Konsolidierung) zu erreichen. In Gebie- ten, wo dies nicht gelingt, geht es schliesslich um einen geordneten Rückzug.

Diese konzeptionelle und strategische Pi- onierleistung von Graubünden ist auch für andere Bergkantone von Interesse. Vor allem ist sie ein wichtiger Beitrag zu einem konst- ruktiveren Umgang mit Schrumpfungspro- zessen. Diese sind in der Schweiz noch im- mer mit einem politischen Tabu belegt – anders als etwa in Skandinavien oder in Ostdeutsch- land, wo man sich diesen Herausforderungen (auch notgedrungen) seit längerem stellt.

Nur so lassen sich wirkungsvollere, weil ziel- genauere, Förderstrategien entwickeln und die begrenzten Mittel effektiv einsetzen.

Bei der Bewältigung des Strukturwandels kommt den Berggebieten ebenfalls die Wirt- schaftskraft der Städte zugute – dank vielfäl- tiger Transfermechanismen, wie dem natio- nalen Finanzausgleich, der innerkantonalen Finanzausgleiche, der Neuen Regionalpolitik, aber auch dank sektoralen Finanzflüsse mit regionalen Auswirkungen, wie den Infra- strukturfonds oder den landwirtschaftlichen

Direktzahlungen. m

Quelle: Coop / Die Volkswirtschaft Grafik 4

5 Metropolräume Stand 5. Dezember 2000

Quelle: BFS / Die Volkswirtschaft Zentrale Agglomeration der Metropolräume Andere Agglomerationen der Metropolräume Andere Agglomerationen / Einzelstädte

Genf – Lausanne

Bern

Mailand Zürich Basel

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Schweiz ist vollständig in die europäischen Energiesysteme integriert: Einerseits fungiert sie als Drehscheibe und bedeutendes Transitland für Strom und Erdgas..

Eine Untersuchung der Erreichbarkeit als Einflussfaktor für das Wachstum von Regio- nen, welche BAK Basel Economics 2005 durchgeführt hatte, brachte doppeldeutige

Die Lebenserwartung in der Schweiz (80 Jahre für Männer und 84 für Frauen) über- steigt diejenigen der meisten anderen OECD- Länder.. Hingegen ist die Fruchtbarkeitsrate seit

Umgekehrt gilt, dass der Anteil der Fisim, der nicht für den Einsatz von Produktionsfaktoren oder den Sachauf- wand verbraucht wird, die Bildung entspre- chender Reserven

Bis Ende 2020 hat die Glückskette rund 42 Millionen Franken für die Corona-Bewältigung in der Schweiz gesam- melt.. In einer Umfrage vom Juni befürchtete die Mehrheit

1 Entsprechend sind diese Kennzahlen auch Teil des Statistischen Sozialberichts Schweiz des BFS und liefern eine Grundlage für das Nationale Programm zur Prävention und

Wer- den innerhalb der EU regulatorische Hürden abgebaut, kann dies dazu führen, dass der Marktzugang für Unternehmen aus Drittlän- dern wie der Schweiz erschwert wird oder

Wie bei einem Auto, das Reparaturen benötigt und mit der Zeit ersetzt wird, muss auch eine Volkswirtschaft den Kapitalstock erneuern.. Die Wertminderungen (Abschreibungen)