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Depression: erkennen und behandeln durch den Hausarzt

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Academic year: 2022

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T A G U N G S B E R I C H T C O M P T E - R E N D U D E C O N G R È S

AN N E G R E T CZ E R N O T TA

Depressionen sind ein weit verbreitetes Krankheitsbild in der Hausarztpraxis. Trotzdem wird die Diagnose häufig gar nicht oder erst sehr spät gestellt. Unbehandelt sind Depressionen der wichtigste Risikofaktor für Suizid und komorbide Erkrankungen wie Angststörungen (1). In der Fortbildungsreihe «Erkennung und Therapie der Depression durch den Hausarzt» der Firma Organon steht die Diagnostik und Auswahl der adäquaten Therapieform bei depressiven Störungen deshalb im Mittelpunkt.

In der Schweiz sind 20 Prozent der Bevöl- kerung mindestens einmal im Leben de- pressiv, und 5 Prozent sind wegen einer chronischen Depression in Behandlung (2). Ungeachtet der hohen Prävalenz wer- den depressive Symptome in der Praxis oftmals nicht erkannt und nur ungenü- gend bis gar nicht behandelt.

«Ich war total in meinen Gedanken ge- fangen.» «Bei dieser Aussage eines Pa- tienten muss der Vorgang des Grübelns direkt ins Auge springen. Geht aus dem Patientengespräch ausserdem hervor, dass eine Freizeitgestaltung weit gehend fehlt, gibt das sehr schnell Aufschluss darüber, ob der Betreffende depressiv ist oder nicht», erklärte Dr. med. Philipp Eich, lei- tender Arzt der PUK Basel.

Wurden Depressionen früher in reaktive, neurotische oder endogene Formen un- terteilt, gilt seit den Neunzigerjahren die Unterscheidung in die zwei Formen der bipolaren und der depressiven Störungen nach dem Diagnosesystem ICD-10 (Inter- national Classification of Diseases der World Health Organisation) und DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders).

Insgesamt gibt es die drei Kernsymptome:

gedrückte oder traurige Stimmung, Inte- ressensverlust oder Freudlosigkeit und verminderter Antrieb oder gesteigerte Er- müdbarkeit (Kasten 1). Neben den Haupt- symptomen müssen auch die Zusatzsym- ptome wie Verlust von Selbstvertrauen oder ein vermindertes Denk- oder Kon- zentrationsvermögen erfragt werden, weil sonst Diagnosen verpasst werden können. Die Kriterien für eine Depression sind erfüllt, wenn die Symptome über 14 Tage andauern. Nach ICD-10 wird un- terschieden in eine leichte (F32.0), mittel- gradige (F32.1) und schwere Episode (F32.2). Letztere kann mit oder ohne psy-

chotische Symptome auftreten (F32.3).

Depressionen erhöhen das Risiko für Angst- und Suchterkrankungen, Drogen- missbrauch, somatische Störungen und von Suizid. Zu 90 Prozent sind depressive Episoden rezidivierend.

Verschiedene Ursachen führen zur Verkennung depressiver Symptome

Auf die ans Publikum gerichtete Frage von Eich, warum depressive Symptome in der Hausarztpraxis häufig nicht erkannt werden,

Depression: erkennen und

behandeln durch den Hausarzt

Ein Bericht von einer Fortbildungsveranstaltung der Firma Organon

M M M

M e e e e r r r r k k k k -- --

p u n k t e p u n k t e

Depressive Symptome sind oft nicht ohne Weiteres erkennbar, wenn nicht spezifisch nachge- fragt wird.

Die Komorbidität von Depression und Angsterkrankungen ist hoch, ebenso das Risiko für Suchtmittelabhängigkeit bei ausbleibender Therapie.

Der wichtigste Risikofaktor für Suizid ist eine Depression. Suizid- gedanken müssen gezielt erfragt werden. Es ist falsch, zu glauben, das Gespräch über Suizid könnte eine Suizidhandlung auslösen.

Die adäquate Therapie von Depressionen umfasst die neue- ren Antidepressiva, wie z.B.

Mirtazapin und Venlafaxin und die SSRI.

Fortbildungsveranstaltung, Teil I:

Erkennung und Therapie der Depression durch den Hausarzt,

10. März 2005, Luzern

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kamen sehr unterschiedliche Antworten.

Einerseits wurde von Ärzten Zeitmangel oder mangelndes Vertrauen auf Seiten des Patienten angegeben. Andererseits, so eine Hausärztin, stehen häufig somati- sche Beschwerden wie Schmerzen, Be- schwerden im Magen-Darm-Trakt oder Müdigkeit im Vordergrund, die zur Ver- kennung depressiver Symptome führen.

Zudem geben Patienten aufgrund von Angst vor Stigmatisierung oder drohender Arbeitsunfähigkeit Symptome nicht an.

Eich gab zu bedenken, dass trotz der ge- nannten Probleme mit einer speziellen, je- doch einfachen Exploration während der Konsultation das Problem der Depression erkannt werden kann (Kasten 1).

Dazu gehört speziell die Frage nach Schlafstörungen, insbesondere von früh- morgendlichem Erwachen, die mit einem dreifach erhöhten Risiko für Depressionen assoziiert sind. Ferner gehört die Ab- klärung von Angst, Panik oder eines PTSD (Post-Traumatic Stress Disorder) dazu, die ein erhöhtes Risiko für Depressionen in sich bergen. «Gerade das PTSD wird in der Praxis häufig vernachlässigt. Insbesondere Menschen aus Kriegsgebieten sind davon betroffen, die eine grosse Scham haben, über ihre Kriegserlebnisse zu reden», meinte Eich.

Vorurteile zu Depression und Suizidalität

Depression und Suizidgefahr sind eng mit- einander verbunden (3). In der Schweiz liegt die Prävalenz für Suizid bei 2 Prozent

(Männer 3%, Frauen 1%), die Jahres-Inzi- denz bei 13 bis 26 pro 100 000. «Das sind zirka 1400 Suizide pro Jahr (Männer 1000, Frauen 400). Damit sterben jährlich dreimal mehr Menschen an Suizid als an Verkehrsunfällen. Auch die Rate des er- weiterten Suizids, der Angehörige mit ein- bezieht, wächst kontinuierlich», fasste Dr.

med. Walter Zogg, Praxispsychiater in Mendrisio, zusammen. In Bezug auf Sui- zid und Depressionen bestehen viele Vor- urteile auf Seiten des Patienten. Häufig gehen diese davon aus, an ihrer schlech- ten Lebenssituation selber schuld zu sein oder glauben, dass Psychopharmaka süchtig machen und deshalb nicht einge-

nommen werden dürfen. Aber auch auf Seiten der Ärzte gibt es falsche Annah- men. «Die Vorstellung, ein Ansprechen der Suizidalität könnte einen Suizidver- such auslösen, ist unbegründet. Tatsache ist, dass der Tod meist nicht mit letzter Konsequenz gewünscht wird. Suizidge- danken geben immer einen Hinweis auf eine schwere Lebenskrise, die angespro- chen werden muss», meinte der Experte.

Mehrere Risikofaktoren können auf Sui- zidhandlungen hinweisen. Männer über 45 Jahre, die alleine leben, sind häufiger betroffen als Frauen. Bei Männern ist das depressive Syndrom häufig verdeckt und äussert sich eher in Verhaltensproblemen

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Depression: erkennen und behandeln durch den Hausarzt

Kasten 1:

Symptomatik depressiver Störungen (F 32)

Kernsymptome (mindestens 2): Leitsymptome für den Hausarzt*

– Gedrückte oder traurige Stimmung – Früherwachen

– Interessensverlust oder Freudlosigkeit – Morgentief – Verminderter Antrieb oder gesteigerte Ermüdbarkeit – Libidoverlust

– Psychomotorische Hemmung oder Agitiertheit – Schlafstörungen

– Appetit- und Gewichtsverlust – Interesselosigkeit

– Mangelnde emotionale Reaktionsfähigkeit

*somatisches Syndrom nach ICD-10: mindestens 4 Symptome

K a s t e n 2 :

D i e w i c h t i g s t e n m o d e r n e n A n t i d e p r e s s i v a b e i d e r B e h a n d l u n g d e p r e s s i v e r S t ö r u n g e n :

Medikament Dosierung Erhaltungsdosis

bei Behandlungsbeginn Antidepressiva mit dualem

(serotonerg und nor- adrenerg) Wirkmechanismus

Mirtazapin (Remeron®) 15–30 mg/Tag 15–45 mg/Tag Venlafaxin (Efexor ER®) 75 mg/Tag 150–375 mg/Tag SSRI (Selektive Serotonin-

Wiederaufnahmehemmer)

Citalopram (Seropram®) 20 mg/Tag 20–60 mg/Tag

Escitalopram (Cipralex®) 10 mg/Tag 10–20 mg/Tag Fluvoxamin (Floxyfral®) 100 mg/Tag 100–300 mg/Tag Fluoxetin (Fluctine®) 10–20 mg/Tag 10–80 mg/Tag

Paroxetin (Deroxat®) 20 mg/Tag 20–40 mg/Tag

Sertralin (Zoloft®) 25–50 mg/Tag 50–200 mg/Tag

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wie Alkoholabusus (4). Weitere veränder- liche Risikofaktoren sind Migration, Unfall oder Krisensituationen. «Insbesondere Secondas und Secondos sind in unserer Gesellschaft von Suizid betroffen. Denn sie sind adaptiert und doch nicht in unserer Gesellschaft akzeptiert», erklärte Eich.

Suiziden liegt meistens eine affektive Störung zugrunde. Unter Affektivität ver- steht man kurz andauernde starke Ge- fühlszustände wie Zorn, Wut, Hass oder Freude. Bei Störungen der Affektivität

sind der Gefühlsausdruck und das Gefühls- empfinden verändert. Befindet sich der Patient in einem präsuizidalen Syndrom, in dem das Erleben der eigenen Auswegs- losigkeit zum Verlust des Sinngefühls und zum sozialen Rückzug führt, kann die ge- gen die eigene Person gerichtete Aggres- sivität stark zunehmen. Wird letztendlich der Entschluss zum Selbstmord gefasst, kann der Suizident sehr ruhig wirken («Ruhe vor dem Sturm»).

Das Gespräch und die Einbindung der An- gehörigen sind in dieser Phase enorm wichtig. Eine fürsorgerische Freiheitsent- ziehung (FFE) kann notwendig werden, wenn der Betroffene unkooperativ und das soziale Umfeld (Familie, Arzt) überfor- dert ist.

Therapie depressiver Symptome

Nur 50 Prozent aller Depressiven erhalten eine adäquate Medikation und Behand- lung. Grundsätzlich richtet sich die Thera- pie nach Angaben von Dr. med. Wolfgang Schmidt, Oberarzt PUPK Inselspital, nach der vorliegenden Form der Depression und der Art der Behandlung, beispiels- weise, ob diese ambulant oder stationär erfolgt. Entscheidende Einflussfaktoren für den Behandlungserfolg sind die Pati- enteninformation, das Ansprechen von Tabuthemen wie Suizid, der Einbezug der Angehörigen und die gemeinsame Pla- nung von Freizeitaktivitäten durch den be- handelnden Arzt, Angehörige und Pati- ent. Neuere Antidepressiva wie Venlafaxin und Mirtazapin und die etablierten Sero- tonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) sind heute Substanzen erster Wahl in der Depressionstherapie (Kasten 2).

«Ziel der Behandlung ist die Vollremission.

Die Auswahl des Antidepressivums ist ab- hängig von Symptomatik und Nebenwir-

kungsprofil. Zu Beginn der Therapie soll- ten Antidepressiva nicht zu hoch dosiert werden, am Ende können sie nicht hoch genug dosiert sein», so Schmidt. Die The- rapie sollte bei gutem Response rund zwölf Monate andauern und in sehr klei- nen und langsamen Schritten reduziert und dann abgesetzt werden. Infor- mationen zu Interaktionen der verschie- denen Antidepressiva sind auf dem Internet: www.mhc.com/ Cytochromes einsehbar. Nach Angaben von Schmitt ist dieser Internetdienst teuer, allerdings top- aktuell und für die praktische Arbeit sehr

hilfreich. ●

Annegret Czernotta

Quelle: Fortbildungsveranstaltung, Teil I:

Erkennung und Therapie der Depression durch den Hausarzt,10. März 2005, Luzern

Referenzen:

1. Isometsä E.T. et al.: Suicide in bipolar disorder in Finland. American Journal of Psychiatry 1994; 151: 1021–24.

2. Schweizerische Gesundheitsbefragung 2002 (SGB), BFS.

3. Rutz W. et al.: Prevention of depression and suicide by education and medication:

impact on male suicidality. An update from the Gotland study. International Journal of Psychiatry in Clinical Practice 1997; 1: 39–46.

4. Ladame F., Jeanneret O.: Suicide in ado- lescents: some comments on epidemio- logy and prevention. Journal of Adoles- cence 1982; 5: 355–366.

Interessenlage: Der Bericht entstand mit finanzieller Unterstützung der Organon AG, Pfäffikon SZ.

Depression: erkennen und behandeln durch den Hausarzt

W e i t e r e

Ve r a n s t a l t u n g e n f ü r d e n H a u s a r z t

Ort: Hotel Schlössli, Ipsach-Biel

Teil I: Diagnose und Therapie Donnerstagabend, 2. Juni 2005 Zeit: 18 bis 20:30 Uhr

Teil II: Spezialfälle

Donnerstagabend, 16. Juni 2005 Zeit: 18 bis 20:30 Uhr

Ort: Kartause Ittingen

Teil I: Diagnose und Therapie Donnerstagabend, 10. November 2005 Zeit: 18 bis 20:30 Uhr

Teil II: Spezialfälle

Donnerstagabend, 24. November 2005 Zeit: 18 bis 20:30 Uhr

SGIM + SGAM:

2 Credits pro Veranstaltung Weitere Informationen zur Anmeldung:

Organon AG, Churerstrasse 158 8808 Pfäffikon SZ

Tel. 055-415 19 11

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