• Keine Ergebnisse gefunden

Illusion und Wirklichkeit

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Illusion und Wirklichkeit"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

12

K

ennen Sie das auch? Menschen die Dinge hören oder sehen, die faktisch gar nicht da sind? Vielleicht haben Sie ja sogar selbst schon einmal Stimmen gehört, obwohl objektiv betrachtet kein Sprecher mit Ihnen im Raum war, kein Fernseher lief und auch kein Radio. Falls ja, bedeutet dies aber noch lange nicht, dass Sie an einer Psychose wie etwa einer Schizophrenie leiden, selbst wenn das Hören von Stimmen durchaus typisch für dieses Krank- heitsbild ist. Tatsächlich machen etwa zehn Pro- zent der Menschen im Laufe ihres Lebens die Erfahrung, Stimmen zu hören, die keine physi - kalische Quelle haben und folgerichtig irgendwie im Gehirn der Betroff enen entstehen müssen.

Und weniger komplexe akustische oder optische Halluzinationen treten noch deutlich häufi ger auf. Wie aber kommt es zu solch eingebildeten Wahrnehmungen?

Zunächst einmal kann man festhalten, dass es, um eine bewusste sensorische Wahrnehmung hervor- zubringen, neuronale Aktivität in dem entsprechen- den Teil der Großhirnrinde geben muss. Werden also zum Beispiel Stimmen oder Töne gehört, sind auch diejenigen Nervenzellen im Hörkortex aktiv, die auch dann reagieren würden, wenn das entspre- chende Schallereignis tatsächlich eintreten würde.

Dieser Fakt konnte erst unlängst in einem sehr eleganten Experiment nachgewiesen werden, bei

dem Forscher akustische Halluzinationen durch ein Lerntraining in Versuchspersonen ausgelöst haben: Dazu wurden bei den Probanden die Hörschwellen gemessen und dann Töne präsentiert, die gerade so laut waren, dass sie eben noch wahrgenommen werden konnten.

Gleichzeitig wurde die Darbietung der Töne mit einem visuellen Reiz gepaart, sodass das Gehirn lernt, dass Ton und Bild immer gleichzei- tig auft reten. Lässt man dann nach einer Weile den Ton weg und zeigt nur noch das Bild, dann nehmen die Probanden den Ton trotzdem noch wahr, sie halluzinieren also! Misst man in beiden Bedingungen die Hirnaktivität, so fi ndet man bei Halluzination und tatsächlicher Stimulation vergleichbare Aktivität im Hörkortex.

Wahrnehmung beruht also beileibe nicht nur auf dem, was un- sere Sinnesorgane an das Gehirn senden, sondern auch auf den Erwartungen des Gehirns, welche wiederum auf früheren Er- fahrungen beruhen: Das Gehirn hat gelernt, dass Bild und Ton zusammengehören und rekonstruiert dann einfach den fehlen- den Teil, wenn er mal nicht da ist. Ein gesundes Gehirn wird den Fehler allerdings relativ schnell erkennen und so die Hal- luzination wieder verschwinden lassen, während dies einem an einer Psychose erkrankten Gehirn deutlich schwerer fällt. Die Ursache hierfür liegt dabei offenbar in einer gestörten Verarbei- tung im Hippocampus sowie dem Kleinhirn, also Strukturen, die für das „Aktualisieren“

der erwartungsbedingten Vorhersagen des Gehirns zuständig sind.

Also seien Sie nicht be- sorgt, wenn Ihr Gehirn Sie ab und zu täuscht: Wenn es Sie nicht ängstigt oder anderweitig beeinträch- tigt, können Sie das gelas- sen ignorieren. Nur wenn das doch der Fall sein sollte, gehen Sie bitte zum Arzt, aber das wissen Sie selbst sicher auch… ■

DIE PTA IN DER APOTHEKE | Januar 2018 | www.diepta.de

KOLUMNE HOLGER SCHULZE

Was wir von der Welt wahrnehmen, entspricht nicht immer der Realität, denn unsere

Wahrnehmung wird beeinfl usst von früheren Erfahrungen und Erwartungen.

ZUR PERSON

Prof. Dr. Schulze Hirnforscher

Holger.Schulze@uk-erlangen.de Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg sowie auswärtiges wissenschaft- liches MItglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg.

Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens.

www.schulze-holger.de

Illusion

und Wirklichkeit

»Halluzinieren kann man

lernen!«

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Ursprünglich sollten die Emissionen um 5,2 % im Vergleich zu den Emissionen aus dem Jahr 1990 gesenkt werden, doch dadurch, dass das Protokoll von einer Reihe von Staaten, darunter

Bei der Entscheidung über die Zusammensetzung der Wache sind unter anderem folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen: „ Fähigkeiten, Gesundheitszustand und Zuverlässigkeit

Scheitert die NATO jetzt auch noch in Afghanistan militärisch, weil sich die Bündnispart- ner nicht mehr aufeinander verlassen können oder weil militärische Kom-

Der vom Landesamt für Umwelt empfohlene „differenzierte Winter- dienst“, bei dem in vielen Städten nur noch wichtige Straßen und beson- dere Gefahrenstellen mit Streusalz

Die Beschwerdekammer entscheidet, dass das Patent erneut der Großen Beschwerdekammer vorgelegt werden soll, mit der Frage, ob Pflanzen und Früchte von Pflanzen patentiert

Patentiert werden Verfahren zur Auswahl entsprechender Pflanzen (über die Beobachtung der Verfärbung von Schnittstellen), die Pflanzen, Teile der Pflanzen, Saatgut, die Nachkommen der

In der EU sind aktuell lediglich zwei gentechnisch veränderte Pflanzen für den kommerziellen Anbau zugelassen und zwar der gentechnisch veränderte Mais Mon 810 von Monsanto

Das Schöne in der Natur versteht fast jeder auf Anhieb, ohne dass viel dazu erklärt werden müsste – es sei denn, das Bild wird so abstrakt, dass der Betrachter nicht weiß,