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Begehrte Halme

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98 DIE PTA IN DER APOTHEKE | April 2019 | www.diepta.de

PRAXIS

Z

uckerrohr (Saccharum

officinarum) ist eine bis zu 20 Jahre alt werdende Pflanze aus der Familie der Süßgräser (Poaceae). Neben Mais und Getreide gehört sie zu den welt- wirtschaftlich bedeutendsten Nutz- pflanzen.

Zuckerhaltige Graspflanze Das bis zu sieben Meter hohe Süßgras wächst schilfartig. Aus weit im Boden

verzweigten Wurzelstöcken sprießen hellgrüne bis rotbraune leicht mit Wachs überzogene runde Halme empor. Sie werden bis zu sechs Zenti- meter dick und sind in zahlreiche Knoten unterteilt. Die Zwischenstü- cke (Internodien) enthalten ein wei- ßes, saftiges Mark, in dem Zucker ge- speichert ist. Der Zuckeranteil kann bis zu 16 Prozent betragen. Die Blätter sind linealisch, spitz und ganzrandig und durch Kieselsäureeinlagerungen

raukantig. Sie können bis zu zwei Meter lang und fünf Zentimeter breit werden. Auffällig ist die dicke Mittel- rippe der Blattspreite. Die blass-rosa Blüten sind flaumig behaart und ste- hen in großen bis zu 90 Zentimeter langen, reich verzweigten, dichten Rispen. Neben einer Deckspelze be- sitzt jede Blüte eine Vorspelze, die aus zwei Kronblättern gebildet wird. Ihre Früchte sind etwa 1,5 Millimeter lange Karyopsen.

KULTURPFLANZEN

Den Namen Zuckerrohr trägt die Pflanze zu Recht. Ihre kräftigen runden Stängel sind mit einem zuckerhaltigen Mark gefüllt, das seit Jahrtausenden zu Rohrzucker weiterverarbeitet wird.

Begehrte Halme

© lzf / iStock / Getty Images

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | April 2019 | www.diepta.de

Einst ein Luxusgut Die Heimat des Süßgrases wird in Neuguinea vermu- tet, wo es schon in der vorchristli- chen Zeit kultiviert wurde. Von dort aus soll die Pflanze nach Indien und Persien gekommen sein. Um 600 n.

Chr. erreichte sie mit den Arabern den Mittelmeerraum, wo die ersten Plantagen entstanden und mit der Zuckerproduktion begonnen wurde.

Während der Kreuzzüge des Mittel- alters wurde das begehrte Süßungs- mittel bereits an die Königs- und Fürstenhäuser Mitteleuropas ge- bracht, während das gemeine Volk allerdings seine Speisen weiterhin mit billigem Honig süßte. Nach Mittel- und Südamerika gelangte das kostbare Gut mit den Spaniern und Portugiesen erst im 15. Jahrhundert.

Dort fand die Pflanze optimale Standortbedingungen vor, sodass sich bereits 200 Jahre später ausge- dehnte Zuckerrohrplantagen etab- lierten, die man von afrikanischen Sklaven unter menschenunwürdigen Bedingungen bewirtschaften ließ.

Heute ist Zuckerrohr in allen tropi- schen und subtropischen Ländern verbreitet, aber Südamerika gehört weiterhin zur Hauptanbauregion (vor allem Brasilien). Zudem wird es im großen Maßstab in Indien, China, Thailand und Pakistan kultiviert.

Derzeit geht immer noch der größte Teil der Zucker-Weltproduktion aus dem Anbau von Zuckerrohr hervor (circa 55 Prozent). Doch seitdem Ende des 18. Jahrhunderts ein Ber- liner Apotheker entdeckt hatte, dass Zucker auch aus der heimischen Runkelrübe (Beta vulgaris ssp. vulga- ris var. crassa/alba) isoliert werden kann, sind die Europäer nicht mehr auf den teuren Zuckerimport ange- wiesen. In Mitteleuropa wird seit gut 200 Jahren Zucker aus der Zucker- rübe (Beta vulgaris ssp. vulgaris var.

altissima) gewonnen, die gezielt aus der Runkelrübe gezüchtet wurde, um Rüben mit hohem Zuckerertrag zu erhalten.

Warm und feucht Um optimal zu gedeihen, benötigt Zuckerrohr Tem- peraturen um 28 Grad Celsius. Je

kälter es wird, desto langsamer wächst die Pflanze. Fällt die Tempe- ratur unter 16 Grad, stellt sie ihr Wachstum ganz ein. Zudem ist viel Niederschlag erforderlich (mindes- tens 1200 mm/Jahr), wobei die Was- serversorgung gestaffelt sein muss.

Zu Anfang im Jungstadium der Pflanze ist somit eine mäßige, wäh- rend der Hauptwachstumsperiode eine reichliche und zum Schluss keine Wasserzufuhr mehr nötig.

Kurz vor der Ernte muss hingegen trockene Hitze herrschen. Diese Be- dingungen erhält das Süßgras in allen tropischen und subtropischen Gebieten zwischen 30 Grad südlicher und 35 Grad nördlicher Breite, wo sich dementsprechend auch die An- bauregionen befinden.

Zuckerrohr wird nicht wie andere Nutzpflanzen ausgesät. Die Vermeh- rung des Süßgrases erfolgt vegetativ über Sprossstücke, die sofort wieder austreiben und wurzeln. Dafür wer- den Stecklinge (Sprossabschnitte mit zwei bis drei Knoten) in den Boden gesteckt und gut bewässert. Der Boden muss tiefgründig, stickstoff- reich und feucht, aber ohne Staunässe sein.

Plantagenwirtschaft Abhängig von den klimatischen Bedingungen im Anbaugebiet kann Zuckerrohr nach 8 bis 24 Monaten zum ersten Mal geerntet werden. In den Folge- jahren wächst innerhalb von zwölf Monaten eine weitere schnittreife Ernte heran. In vielen Ländern er- folgt die Ernte noch von Hand, nur teilweise wird das Zuckerrohr ma- schinell eingefahren. Geerntet wird, sobald die Blätter anfangen zu wel- ken. Dann ist der größte Zuckerge- halt erreicht. Die Halme werden di- rekt über dem Boden abgeschnitten, um den zuckerreichen unteren Teil des Rohrs möglichst vollständig ein- zufahren. Das störende, da zucker- lose, Blattwerk wird am oberen Ende entfernt. Die auf den abgeernteten Feldern stehengebliebenen Halm- stümpfe schlagen wieder aus und rei- fen bis zur nächsten Ernte erneut heran. Diese Prozedur kann mehrere

Jahre lang durchgeführt werden.

Eine Neuanpflanzung muss erst nach mehreren Jahren (circa drei bis sie- ben) erfolgen, wobei eine Ausdeh- nung der Nutzungsdauer nur bei ausreichender Pflege und Düngung möglich ist. Meistens werden die Fel- der lediglich einjährig kultiviert.

Zucker und mehr Da die geern- teten Halme nicht lagerfähig sind, müssen sie spätestens innerhalb von 24 Stunden weiter aufbereitet wer- den. Dafür werden die von den Blät- tern befreiten Halme maschinell zerkleinert und zwischen Walzen ausgepresst. Man erhält einen dunk- len Presssaft, den Zuckerrohrsaft, und einen faserigen Anteil, die Be- gasse. Dieses Nebenprodukt dient der Zuckerfabrik als Brennstoff zur Beheizung ihrer Kessel oder findet bei der Produktion von Papier, Iso- liermaterial und Zellstoff Verwen- dung. Der frische Zuckerrohrsaft ist in den Anbauländern gekühlt als Ge- tränk beliebt oder Rohstoff für die Herstellung alkoholischer Getränke (z. B. Cachaça). Der größte Teil geht aber in die Zuckerfabriken, wo er für die Zuckerherstellung erhitzt, einge- dickt und in mehreren Schritten ge- reinigt wird. Dabei kristallisiert zu- nächst ein gelbbrauner Rohrzucker aus, der weiter zu weißem Zucker verarbeitet wird. Endprodukt der Raffination ist eine von allen braunen Bestandteilen befreite Raffinade, die zu 99,8 Prozent aus Saccharose be- steht. Zudem fällt ein brauner Sirup (Melasse) an, aus dem neben Vieh- futter vor allem Treibstoff (Bioetha- nol) produziert wird. Auch wird Rum aus der Melasse gewonnen.  n

Gode Chlond, Apothekerin

Referenzen

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