Hämostaseologie
PD Dr. med. Julie Schanz Interdisziplinäres UMG-Labor
Klinik für Hämatologie und Medizinische Onkologie
Gliederung des Unterrichtes
1. Primäre Hämostase 2. Sekundäre Hämostase 3. Fibrinolyse
4. Hämorrhagische Diathesen
5. Thrombophile Diathesen
6. Fallbeispiele
Hämorrhagische Diathesen Teil 1:
Angeborene Störungen der Hämostase
Angeborene Störungen der Hämostase
•
Störungen der Gefäßfunktion
•
Thrombombozytopathien
•
Von-Willebrand-Syndrom
•
Typ I
•
Typ II
•
Typ III
•
Hämophilie A (Mangel/Fehlen von Faktor VIII)
•
Hämophilie B (Mangel/Fehlen von Faktor IX)
•
Angeborene Faktorenmangelzustände
Störungen der primären Hämostase
Störungen der sekundären Hämostase
Angeborene Störungen der Gefäßfunktion
Marfan-Syndrom
Das Marfan-Syndrom ist eine genetische Erkrankung, bei der es zu einer erhöhten Elastizität oder Laxizität des Bindegewebes kommt. Sie kann autosomal-dominant vererbt werden oder als Neumutation auftreten.
-Langer, schlanker Körperbau (Hochwuchs)
- Lange Extremitäten und Finger (Arachnodaktylie) - Gelenke sind übermäßig dehnbar
- Deformierungen der Wirbelsäule (z.B. Skoliose) - Dilatation der Aortenwurzel
- Aortenaneurysma und Aortendissektion - Herzklappeninsuffizienz
- Myopie (Kurzsichtigkeit)
Durch die Bindewebsstörung an den Gefäßen kommt es durch Erhöhte Fragilität der Gefäße zu Störungen der primären
Angeborene Störungen der Gefäßfunktion
Ehlers-Danlos-Syndrom
Das Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) ist eine heterogene Gruppe von angeborenen Störungen im Bindegewebe, die hauptsächlich durch eine Überdehnbarkeit der Haut und durch überbewegliche Gelenke gekennzeichnet ist. Vorkommen bei Menschen und Tieren.
-> Milde Störung der primären Hämostase durch erhöhte Fragilität der Gefäße
Bilder: Wikipedia
Angeborene Störungen der Thrombozytenfunktion
A. Bernard-Soulier-Syndrom (Defekt des Von-Willebrand-Faktor-Rezeptors GP Ib/V/IX) B. Glanzmann-Thrombasthenie (Synthesestörung des Glykoproteinrezeptors GP IIb/IIIa) C. Storage pool disease (Verminderung der dichten Granula)
A B C
Die hereditären Thrombozytopathien führen zu
unterschiedlich stark ausgeprägter Störung der primären Hämostase:
• Purpura
• Hämatomneigung
• Blutungen an Schleimhäuten
• Verlängerte Blutung nach Eingriffen
• Menorrhagien
• Nasenbluten
Das von-Willebrand-Syndrom
Erik Adolf von Willebrand 1926 erstellter Stammbaum einer Familie mit Blutungsneigung von den Åland-Inseln
Definition des von-Willebrand-Syndroms
Unter dem Begriff von-Willebrand-Syndrom wird eine Gruppe von hämorrhagischen Diathesen zusammengefasst, deren gemeinsames Merkmal eine quantitative oder qualitative Abweichung des von-Willebrand-Faktors ist. Die Vererbung kann sowohl autosomal-dominant als auch autosomal-rezessiv erfolgen (je nach Subtyp).
Das betroffene Gen liegt auf Chromosom 22. Es gibt verschiedene Mutationen, die unterschiedliche Subtypen auslösen.
Subtypen des von-Willebrand-Syndroms
75%
4%
21%
Typ I Typ II Typ III
Leichte bis moderate
Blutungsneigung Variable
Blutungsneigung Schwere Blutungsneigung
Diagnostik bei Verdacht auf vWS
Basis Teste
Blutungszeit (PFA-200) aPTT
Faktor VIII
Erweiterte Teste
vWF:Ag
Ristocetin-Kofaktor Ratio Ag/RiCo
Spezielle Teste
Multimerenanalyse RIPA
Zusätzlich ggf. Bestimmung der Blutgruppe, da Patienten mit Blutgruppe 0 einen niedrigeren Spiegel an vWF aufweisen! Refrenzbereiche für Blutgruppe 0 niedriger.
Diagnostik bei Verdacht auf vWS
Basis Teste
Blutungszeit (PFA-200) aPTT
Faktor VIII
Bei vWS verlängert, da primäre Hämostase gestört ist
Bei Typ III immer stark vermindert, bei Typen I und II variabel Verlängert, wenn FVIII vermindert ist
Weitere Testung nur, wenn Basisteste auffällig sind. Bei normaler Blutungszeit ist ein vWS sehr unwahrscheinlich.
Diagnostik bei Verdacht auf vWS
Quantitativer Test, bei Mangel an vWF vermindert
Qualitativer Test, bei Funktionsstörung des vWF vermindert Erweiterte Teste
vWF:Ag
Ristocetin-Kofaktor
Ratio vW:Ag/RiCo Hohe Ratio bei Typ II, das Funktion stärker vermindert als Menge an vWF
Die erweiterten Teste dienen einer Bestätigung der Diagnose und einer ersten groben Subklassifikation
Diagnostik bei Verdacht auf vWS
Genaue Subklassifikation des vWS
Funktioneller Test zur Prüfung des Ausmaßes der Thrombozytenfunktionsstörung
Spezielle Teste
Multimerenanalyse RIPA
Die speziellen Teste dienen der genauen Klassifikation des von-Willebrand-Syndroms
Multimerenanalyse
RIPA=Ristocetin induzierte Plättchen Aggregation
Symptome bei von-Willebrand-Syndrom
Purpura
Hämatom nach Zahnextraktion
Hämophilie A und B
Hämophilie A und B
Vererbung der Hämophilie
X-Chromosomal rezessiver Erbgang
Bilder: Novo Nordisk.at
Schweregrade der Hämophilie
Einteilung ist gültig für beide Hämophilieformen,
Bezieht sich also auf Faktor VIII bzw. Faktor IX
Symptome bei Hämophilie
Hämarthros (Gelenkblutung) Epistaxis (Nasenblutung) Großflächige Hämatome
Blutungen können lebensbedrohlich sein!
Die Therapie der Hämophilie
Angeborene Faktorenmangelzustände
Mangelzustände können prinzipiell jeden Faktor betreffen.
Aber: Hämophilie A/B und Faktor VII-Mangel machen den überwiegenden Anteil aus, alle anderen Mangelzustände sind als angeborene Erkrankungen extrem selten.
Zusammenfassung
• Angeborene hämophile Erkrankungen werden unterteilt in:
• Störungen der primären Hämostase: Gefäßerkrankungen, Thrombozytopathien, von-Willebrand-Syndrom
• Störungen der sekundären Hämostase: Hämophilie A und B, angeborene Faktorenmangelzustände
• Das von Willebrand-Syndrom wird in 3 Subtypen unterteilt:
• Typ I: Quantitativer defekt (vWF vermindert)
• Typ II: Qualitativer Defekt (vWF funktionsgestört)
• Typ III: Quantitativer Defekt (vWF fehlt)
• Bei Hämophilie A ist der Faktor VIII betroffen, bei Hämophilie B der Faktor IX
• Hämophilie A ist wesentlich häufiger als Hämophilie B