Die Information:
Bericht und Meinung
Um so wichtiger ist es, daß die bereits 1978 in der Konzertierten Aktion vorgetragene Forderung der Kassenärztlichen Bundesver- einigung nach Einführung einer zweijährigen Eignungszeit im Krankenhaus und in freier Praxis vor der Niederlassung als Kassen- arzt als Übergangslösung endlich umgesetzt wird. Zur Sammlung der erforderlichen berufsprakti- schen Kenntnisse und Erfahrun- gen ist eine Mindestzeit sowohl für die Assistententätigkeit in der freien Praxis als auch im Kranken- haus vorzusehen. Derjenige Arzt, der sich als Kassenarzt niederlas- sen will, sollte zunächst einmal zwölf Monate im Krankenhaus ab- solviert haben; nur so kann er den Verbund zwischen ambulanter und stationärer Versorgung sach- gerecht herstellen.
Allgemeinärzte/Praktiker:
Entwicklung gegenläufig
Problematisch für die Qualität der ambulanten kassenärztlichen Ver- sorgung wird sich aber auch eine andere Entwicklung auswirken, wie die Analyse zeigt. Sie betrifft das Verhältnis zwischen Allge- meinärzten und Praktischen Ärz- ten. Dieses wird sich sehr stark zu- ungunsten der Allgemeinärzte ent- wickeln, die infolge ihrer Überalte- rung im wesentlichen für den der- zeitigen Altersgipfel verantwort- lich sind. Bereits heute ist eine ho- he altersbedingte Abnahme der Zahl der Allgemeinärzte bei leider geringem Nachwuchs festzustel- len. Der Zugang in der Gruppe der Allgemein-/Praktischen Ärzte re- sultiert im wesentlichen aus einer stärkeren Zunahme der Zahl der Praktischen Ärzte.
Für die nächsten Jahre erwächst hieraus das Problem, wie sicher- gestellt werden kann, daß weiter- gebildete Allgemeinärzte in aus- reichender Zahl zur Verfügung stehen; diejenigen Ärzte also, die insbesondere für die primärärztli- che Versorgung zuständig sind.
Ein weiteres strukturelles Problem betrifft schließlich die kassenärzt-
Arztzahlentwicklung
liche Bedarfsplanung. Heute schon kommen auf einen nieder- gelassenen Arzt 1078 Einwohner.
Nach der Hochrechnung würden unter der Voraussetzung einer in etwa gleichbleibenden Bevölke- rungszahl im Jahre 1986 auf einen niedergelassenen Arzt 935 Ein- wohner entfallen, und 1991 hätte ein Arzt nur noch 800 Einwohner zu versorgen.
Damit stellt sich grundsätzlich die Frage nach dem Arztbedarf über- haupt. Zweifellos wird der Bedarf an medizinischen Leistungen, be- dingt durch den wachsenden An- teil älterer Menschen in unserer Bevölkerung und durch die höhe- re Lebenserwartung sowie infolge eines grundlegend gewandelten Morbiditätsspektrums, eines im- mer weiter gefaßten Gesundheits- begriffs und einer nach wie vor gegebenen Diskrepanz zwischen Gesundheitsanspruch und Ge- sundheitsverhalten sowie letztlich als Folge auch des medizinischen Fortschritts, künftig weiter stei- gen. Gleichzeitig sind damit aber auch die Fragen nach der Finan- zierbarkeit und der Belastbarkeit des Bürgers mit Sozialabgaben verknüpft.
Andererseits ist damit noch nicht die Frage beantwortet: Wieviel Ärzte braucht der Mensch? Eine Frage, zu der vor der Vertreterver- sammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung am 11. Mai 1982 in Münster der Erste Vorsit- zende der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung, Dr. Hans Wolf Muschallik in seinem Bericht zur Lage feststellte: „Tolstois Frage:
‚Wieviel Erde braucht der Mensch?' war relativ einfach zu beantworten — genug für sein Grab. Mit der Antwort auf die Fra- ge: Wieviel Ärzte braucht der Mensch? tun wir uns schon schwerer."
Dr. Thomas Stührenberg Dr. Wolfdieter Thust Kassenärztliche Bundesvereinigung Haedenkampstraße 3 5000 Köln 41
NACHRICHTEN
Rüge für Ausbildung in Kinderheilkunde
Die Ausbildung ist nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und des Kon- vents leitender Hochschullehrer im Fach Kinderheilkunde „in be- sorgniserregendem Maße unzurei- chend". Hauptursache sei das Mißverhältnis zwischen der Zahl der Medizinstudenten und der Ausbildungskapazität der Univer- sitäten. In einer Stellungnahme zur Studentenausbildung vertre- ten die Pädiater die Ansicht, daß ein ausreichender Ausbildungser- folg im Fach Kinderheilkunde nur zu erwarten ist, wenn ein Student während seines Studiums minde- stens 440 Minuten persönlich un- ter Anleitung Kinder untersucht.
Nach Mitteilung von Professor Dr.
Hermann Olbing, dem Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde,, ist die Stellung- nahme allen Landeskultusmini- stern zugeleitet worden, wobei mehrere Ministerien zustimmend geantwortet und zugesagt hätten, daß der Vorschlag Gegenstand der 41. Sitzung der Arbeitsgruppe
„Medizin" sein werde.
In der Stellungnahme der Kinder- ärzte wird unter Berücksichtigung der limitierenden Faktoren der Ausbildungskapazität eine detail-
lierte Rechnung für die Ausbil- dungskapazität eines Kinderkran- kenhauses aufgemacht. Limitie- rende Faktoren sind danach die Zahl der für die Lehre geeigneten Patienten und ihre Belastbarkeit.
Rund ein Fünftel der Patienten sei- en für eine Studentenuntersu- chung geeignet, heißt es. Pro Wo- che sollte ihnen eine solche Unter- suchung nicht länger als zweimal 60 Minuten zugemutet werden.
Bei dem 440-Minuten-Minimum Untersuchungszeit pro Student können nach Berechnung der Pädiater an einem Kinderkranken- haus mit 120 stationären Patienten dann maximal 169 Studenten je- des Jahr ausgebildet werden. ck
Ausgabe B DEUTSCHES ARZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 31 vom 6. August 1982 21