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Archiv "AUSSTELLUNGEN: Gefährdetes Gleichgewicht - Ausstellung „Labile Skulptur“ im Skulpturenmuseum Glaskasten in Marl bis Anfang Oktober" (18.09.1985)

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Gefährdetes Gleichgewicht

Ausstellung

„Labile Skulptur"

im Skulpturenmuseum Glaskasten in Marl bis Anfang Oktober

Uwe Rüth

Diese Skulptur von Peter Nestler verdeutlicht Labilität mit Eisenstäben

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

AUSSTELLUNGEN

-I

abile Gleichgewichtssitua- tionen sind in der Kunstge- j schichte häufig dargestellt worden. Besonders in Zeiten der Auflösung festgefügter Stil- merkmale — Hellenismus, Ma- nierismus, Barock u. ä. — finden wir in der Malerei, aber auch in der Skulptur, dieses formale Problem abgehandelt. Daß es dem Bildhauer größere Schwie- rigkeiten als dem Maler bereitet, liegt auf der Hand: Kann doch der Maler auf seinem zweidi- mensionalen Bildträger illusio- nistisch jede auch noch so un- natürliche und gegen alle Natur- gesetze verstoßende Darstel- lung festhalten, so hat der räum- lich arbeitende Bildhauer immer mit den statischen Gegeben- heiten seines Werkstoffes zu ringen. Da wirken häufig die

Kreuzabnahmen Christi im frü- hen Mittelalter bei vollplasti- schen Arbeiten steif und unge- lenk, da man es nicht verstand, den von den Abnehmenden ge- stützten Leib in seiner nach un- ten hängenden Wirkung über- zeugend „labil" darzustellen.

Erst in der Pietä Michelangelos kann diese Darstellungsweise als gelungen bezeichnet wer- den. Alle diese Lösungen eines die Balance verlierenden Kör- pers oder Gegenstands waren aber Schein-Labilitäten, da in Wirklichkeit kein echter „Zu- sammenbruch" erfolgen konn- te: Die Werke sind statisch so fest in ihren Materialien, daß sie zwar illusionistisch einen labilen Zustand vermitteln, real aber stabil und unnachgiebig für die Ewigkeit gebaut erscheinen.

Fiktion der Labilität

Mit Edgar Degas' Plastiken von Tänzerinnen und galoppieren- den Rennpferden wurde das

Problem der Balance in die mo- derne Bildhauerei eingebracht.

Die Futuristen, mit ihrer verherr- lichenden Einstellung der Tech- nik und der Geschwindigkeit ge- genüber, brachten extreme Bei- spiele, zum Beispiel in Giacomo Ballas Skulptur „Kraftlinien der Faust Boccionis" von 1915. Die weitere Bearbeitung der labilen Schein-Darstellung ist über den Spanier Julio Gonzales, den Amerikaner David Smith bis hin zur abstrakten englischen Skulptur unserer Zeit von Antho- ny Caro oder Tim Scott zu verfol- gen. Alle diese Bildhauer blie- ben aber insofern traditionell, daß sie zwar Labilität als ein spannungsbringendes Kompo- sitionselement in ihre Arbeiten integrierten, aber immer nur rein illusionistisch.

Um die Mitte der 60er Jahre, al- so kurz nach dem Tod von David Smith, der als einer der einfluß- reichsten Anreger auf dem Ge- biet der abstrakten Plastik ge- wirkt hat, begannen junge Bild- hauer in den Vereinigten Staa- ten — hier ist wohl Richard Serra als der bahnbrechende Künstler zu nennen — und in Deutschland

— z. B. Jan Meyer-Rogge, Alf Schuler, Wolfgang Nestler —, das Labile in konkreten Darstellun- gen zu bearbeiten. Bis heute ha- ben sich immer mehr Bildhauer diesem Problem in sensibler und vielschichtiger Weise genä- hert. Ihnen ist die im Marler Skulpturenmuseum Glaskasten ausgerichtete Ausstellung „labi- le Skulpturen" gewidmet, die bis zum 6. Oktober zu sehen ist.

Möglichkeit des plötzlichen Zusammenbruchs

Der amerikanische Künstler Ri- chard Serra ist mit drei Arbeiten vertreten, die in dem für ihn typi- schen Material des schwerge- wichtigen Stahls überzeugende Co

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 38 vom 18. September 1985 (85) 2751

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Eine der Granit-Skulpturen von Klaus Müller, die Maße: 62 x 247 x 50 cm

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Ausstellungen

Beispiele dieser Stilrichtung bringen. Bei ihm ist das Zusam- mengehen von Labilität und der Vermittlung von Ängsten durch die Möglichkeit des plötzlichen Zusammenbruchs am sinnfällig- sten. Die auch teilweise sehr fra- gil wirkenden Arbeiten von Wolf- gang Nestler und Alf Schuler ge- ben hervorragende Beispiele für die älteren auf diesem Gebiet arbeitenden deutschen Künst- ler, die Leichtigkeit und Labilität zu einer sensitiv wirkenden, ein- dringlichen Einheit verbinden.

Von rustikalem Reiz mit hinter- gründigem Gehalt erweisen sich die Holz/Stahlarbeiten von Peter Könitz. Wasa Marjanow, ein

Künstler der inzwischen be- kannt gewordenen Düsseldorfer Ateliergemeinschaft „Rather Straße", zeigt in den drei aus verschiedenen Perioden stam- menden Arbeiten andeutungs- weise seine Entwicklung hin zu den architektonischen Model- len, die nach wie vor das konkre- te labile Prinzip berücksichti- gen. Klaus Müllers Arbeiten aus Granit, die durch Drähte die im labilen Zustand haltenden Kraft- linien verdeutlichen, zeigen wei- tere Möglichkeiten der abstrak- ten labilen Skulptur an.

Abgerundet wird die Ausstel- lung durch Video-Arbeiten von Jean Francois Guiton (Frank-

reich/Düsseldorf), Dalibor Marti- nis (Jugoslawien) und Anna Win- teler (Schweiz), die eindeutige Bezüge zum Thema wie zur Skulptur aufweisen. Die fünf Vi-

deo-Tapes zeigen deutlich, wie wichtig und breit die konkrete Labilität künstlerisch erfaßt ist und bearbeitet wird.

Diese Stilrichtung der zeitge- nössischen Skulptur, vereint in sich sowohl das Thema der Deh- nung des Augenblicks zur Sicht- barmachung unsichtbarer — rea- ler und psychischer — Vorgänge als auch die Darstellung der Angst, die durch plötzlich eintre- tende Ereignisse ausgelöst wird.

Daß gerade in einer historischen Epoche äußerster politischer, soziologischer und psychologi- scher Verunsicherung diese Thematik aufgegriffen wurde, ist

kein Zufall: Aufnahme, Re- flexion und Veranschaulichung zeitbezogener Probleme durch Künstler, die formale Umstruktu- rierung dieser Thematik zu Ge- heimnis und Realität vereinen- den Kunstwerken, die sich abhe- ben von der Alltäglichkeit und allgemein verbindende Aussa- gen vermitteln, ist eine durch die gesamte Kunst- und Kultur- geschichte nachzuvollziehende Tatsache. Die „labilen Skulptu- ren" sind in ihrer Vielschichtig- keit und Breite Ausdruck einer solchen — bei den Künstlern häufig unbewußten — Vorge- hensweise.

Anschrift des Verfassers:

Dr. phil. Uwe Rüth Direktor des Skulpturen- museums Glaskasten Rathaus

4370 Marl

Radikale

und risikobewußte Freiberufler

Erfolgreiche Ausstellungs- reihe von BFB und BfG

Das bisher größte Ereignis in der Reihe der künstlerischen Aktivi- täten des Bundesverbandes der Freien Berufe, die Ausstellungs- reihe „Freiberuf — Künstler über Freie Berufe" fand in der Düs- seldorfer Bank für Gemeinwirt- schaft seinen Abschluß. Seit März 1984 ist diese Ausstellung durch vierzehn Städte der Bun- desrepublik Deutschland ge- wandert und hat die Werke von 21 Künstlern zu dem Thema Freie Berufe einem breiteren, höchst interessierten Publikum vorgestellt. Insofern sind die In- tentionen des Bundeswirt- schaftsministeriums, das dieses Gemeinschaftsunternehmen von BfG und BFB gefördert hat, voll in Erfüllung gegangen.

Die Ausstellungsreihe war am 14. März 1984 in der Bonner Bank für Gemeinwirtschaft durch den damaligen Bundes- wirtschaftsminister Dr. Otto Graf

Lambsdorff eröffnet worden, Redner der Abschlußvernissage am 21. August 1985 war der nordrhein-westfälische Minister- präsident Johannes Rau. Vor mehr als zweihundert Besu- chern hat er in seiner Ansprache dazu aufgerufen, „dem Künst- ler, diesem radikalen, risikorei- chen Freiberufler, nicht nur Freiraum zu sichern, sondern auch Chance. Das will heißen:

Beim bildenden Künstler eben Bilder zu kaufen oder seine Werke auszustellen". Begrüßt wurden die Teilnehmer der Ver- nissage durch Hans-Joachim Knieps, BfG, und Professor J. F.

Volrad Deneke, Präsident des BFB. Die Bank für Gemeinwirt- schaft und der Bundesverband haben sich mit einigen Ankäu- fen engagiert. D.-W. Rollmann

2752 (86) Heft 38 vom 18. September 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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