BIBB/BAuA 2018
Zeitdruck und Co –
Wird Arbeiten immer intensiver und belastender?
26 baua: Fakten
Die Arbeitswelt ist komplexer geworden und befindet sich im stetigen Wandel. Wird die Arbeit für Beschäftigte dadurch immer intensiver und belastender? Dies ist eine aktuelle Frage zur Situation der Erwerbstätigen. Um erste Antworten zu geben, wurden für dieses Faktenblatt Daten der BIBB/
BAuA-Erwerbstätigenbefragungen aus den Jahren 2006, 2012 und 2018 ausgewertet. An jeder Be- fragung nahmen über 17.000 abhängig Beschäftigte teil. Die Ergebnisse zeigen, dass die Arbeits- intensität über die Zeit relativ konstant auf einem hohen Niveau geblieben ist und nur teilweise zurückgeht. Zudem empfinden immer mehr Beschäftigte eine hohe Arbeitsintensität als belastend.
Was bedeutet Arbeitsintensität?
Um die Arbeitsintensität zu bestimmen, wurden in den BiBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragungen folgende Arbeits- bedingungen erfasst:
• Starker Termin- oder Leistungsdruck bei der Arbeit
• Verschiedenes gleichzeitig, also die Notwen- digkeit, parallel verschiedene Aufgaben oder Vorgänge im Blick zu haben
• Sehr schnell arbeiten müssen
• Unterbrechungen und Störungen bei der Arbeit, z. B. durch Kollegen, schlechtes Material, Ma- schinenstörungen oder Telefonate
• Beim Arbeiten bis an die Grenze der Leistungs- fähigkeit gehen
Wie viele Beschäftigte sind betroffen?
Die Beschäftigten wurden zunächst gefragt, ob die ent- sprechende Arbeitsbedingung häufig, manchmal, selten oder nie vorkommt. In 2018 gaben mehr als die Hälfte der Befragten an, häufig Verschiedenes gleichzeitig bearbeiten zu müssen (60 %). Weniger Befragte sagten, dass sie häu- fig unter starkem Termin- oder Leistungsdruck arbeiten (48 %), bei der Arbeit gestört oder unterbrochen werden (46 %) oder sehr schnell arbeiten müssen (34 %). Deutlich weniger Befragte gaben an, häufig bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit zu arbeiten (16 %). Im Zeitvergleich zeigt sich, dass die Angaben zu der Häufigkeit der einzel- nen Arbeitsbedingungen nahezu konstant geblieben sind.
Ausnahmen bilden starker Termin- oder Leistungsdruck sowie sehr schnelles Arbeiten. Hier lässt sich ein Rück-
gang von bis zu 11 Prozentpunkten beobachten. Abbil- dung 1 zeigt die Ergebnisse von 2018 im Vergleich zu den vorangegangenen Erhebungen der Jahre 2012 und 2006.
Inwieweit diese Arbeitsbedingungen als Belastung wahr- genommen werden, ist unterschiedlich. Beispielsweise empfand es 2018 rund ein Drittel der Betroffenen als be- lastend, gleichzeitig verschiedene Aufgaben zu bearbei- ten (33 %). Hingegen erlebten mehr als drei Viertel das häufige Arbeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit als Belastung (79 %). Außerdem zeigt sich, dass die wahrge- nommene Belastung durch die Arbeitsbedingungen über die Jahre zugenommen hat. So berichteten beispielswei- se 2006 43 % der Beschäftigten, dass sie sich durch sehr
59 58 60
20 % 0 % Sehr schnell arbeiten Verschiedene Arbeiten
gleichzeitig betreuen
Starker Termin- oder Leistungsdruck
Störungen und Unterbrechungen bei der Arbeit
Arbeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit
17 16 16
45 34 39
47 46 44
54 48 52
40 % 60 % 80 %
2006
2018 2012
Abb. 1 Anteil der abhängig Beschäftigten, die den Arbeitsbedin- gungen häufig ausgesetzt sind
baua: Fakten Zeitdruck und Co – Wird Arbeiten immer intensiver und belastender?
2Impressum | Herausgeber: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Friedrich-Henkel-Weg 1–25, 44149 Dortmund, Telefon: 0231 9071-2071, E-Mail: info-zentrum@baua.bund.de, Internet: www.baua.de |
Autor: Dr. L. Hünefeld, Redaktion: Dr. G. Meilicke, Gestaltung: S. Graul | doi:10.21934/baua:fakten20190204 | Januar 2019
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Weiterführende Informationen
1 N. Stab, S. Jahn, A. Schulz-Dadaczynski, 2016:
Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Ar- beitsintensität. 1. Auflage. Dortmund: Bundes- anstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.
Verfügbar unter: www.baua.de/dok/8656882 2 J. Wendsche, A. Lohmann-Haislah, 2018: Ar-
beitspausen gesundheits- und leistungsförder- lich gestalten. In: R. v. Dick, J. Felfe, S. Ohly, J, Wegge, Hrsg. Managementpsychologie: Band 3.
1. Auflage. Göttingen: Hogrefe Verlag schnelles Arbeiten belastet fühlen, 2018 sind es schon
51 %. Einzige Ausnahme bilden die Störungen und Unter- brechungen bei der Arbeit. Die dadurch wahrgenommene Belastung bleibt auf gleichem Niveau wie in den früheren Erhebungen.
27 33 30
0 % 20 % Sehr schnell arbeiten Verschiedene Arbeiten gleichzeitig betreuen
Starker Termin- oder Leistungsdruck Störungen und Unterbrechungen bei der Arbeit
Arbeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit
71 74 79 43
4851 60 58 60
60 67 65
40 % 60 % 80 %
2006
2018 2012
Abb. 2 Anteil der abhängig Beschäftigten, die sich durch die Arbeitsbedingungen belastet fühlen
Je mehr, umso schlimmer?
Jede einzelne Arbeitsbedingung bringt bereits ein gewisses Stresspotenzial mit sich. Die Arbeitswelt besteht aber aus einem komplexen Zusammenspiel vieler Arbeitsbedingun- gen. So zeigt sich, dass es besonders belastend ist, wenn mehrere dieser Bedingungen gleichzeitig auftreten. Abbil- dung 3 zeigt für das Jahr 2018: Je mehr der fünf Arbeitsbe- dingungen bei den Beschäftigten auftraten, umso häufiger waren sie körperlich und emotional erschöpft. Diese Form der Erschöpfung gilt als ein zentraler Indikator für Burnout.
In der Gruppe der Beschäftigten, die keine der fünf Be- dingungen häufig erlebten, berichteten nur 7 % erschöpft zu sein. In der Gruppe, die allen fünf Bedingungen häufig ausgesetzt waren, berichtete hingegen fast die Hälfte der Beschäftigten von Erschöpfung (49 %). Auch wenn Ar- beitsintensität nicht allein für die Erschöpfung verantwort- lich gemacht werden kann, trägt sie dennoch dazu bei.
Was tun, um das Stresspotenzial zu senken?
Nach den Ergebnissen ist eine hohe Arbeitsintensität im Jahr 2018 nicht häufiger vorgekommen als sechs oder zwölf Jahre zuvor. Jedoch empfinden die Beschäftigten heute in der zunehmend komplexen Arbeitswelt die hohe
Arbeitsintensität vermehrt als Belastung. Darüber hinaus zeigt sich, dass eine hohe Arbeitsintensität mit Erschöp- fung der Beschäftigten einhergeht und damit ein gesund- heitliches Risiko darstellen kann. Deswegen ist es wichtig, aktiv das Stresspotenzial zu senken. Beispielsweise sollten Führungskräfte ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ei- nen angemessenen Handlungsspielraum über Geschwin- digkeit, Inhalt und Anordnung ihrer Aufgaben geben. Dies kann den negativen Effekten einer hohen Arbeitsintensität entgegenwirken. Des Weiteren sollten Führungskräfte eine unterstützende Arbeitsumgebung schaffen, die sich durch ein angemessenes Maß an Anforderungen, einem ad- äquaten Feedback und sozialer Unterstützung auszeich- net. Eine hohe Arbeitsintensität lässt sich nicht in jedem Fall vermeiden, insbesondere angesichts der steigenden Komplexität bei der Arbeit. Daher ist es wichtig, einen be- wussten Ausgleich zu schaffen, Erholungspausen wahr- zunehmen und diese gesundheitsförderlich zu gestalten.
keine 1 2 3 4 5
60 %
Körperlich und emotional erschöpft
49
30
15 7 10
20 10 %
20 % 30 % 40 % 50 %
0 %
Anzahl Arbeitsbedingungen Abb. 3 Anteil der abhängig Beschäftigten, die sich erschöpft fühlen, nach der Anzahl der Arbeitsbedingungen