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Archiv "Karsten Vilmar: Falsche Diapose, falsche Therapie" (25.09.1992)

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Dr. Vilmar begründete den Vorwurf, der Gesetzentwurf zeige planwirtschaftliche Züge. Vil- mar setzte dem das Konzept eines selbstverwalteten Gesundheitswesens gegenüber.

I

n den Gesetzentwürfen werden über die bisher eingeleitete plan- wirtschaftliche Kostendämp- fungspolitik weit hinausgehend die Rechtsgrundlagen unseres seit über hundert Jahren gewachsenen frei- heitlichen Gesundheitssystems und insbesondere das seit 1931 bezie- hungsweise 1955 bestehende Kassen- arztrecht nachhaltig verändert. Trotz einzelner richtiger Ansätze erfolgt eine Aushöhlung der Selbstverwal- tung; sie wird durch eine Weichen- stellung in Richtung einer Verstaat- lichung des Gesundheitswesens gleichsam zur staatlich gelenkten

„Marionetten-Selbstverwaltung".

Nicht nur in den fünf neuen Bundes- ländern, sondern auch in vielen Län- dern Ost- und Westeuropas muß die- se Entwicklung enttäuschen. Der Umbau zu einem freiheitlichen, lei- stungsfähigen, selbstverwalteten und staatsunabhängigen Gesundheitswe- sen ist in den neuen Bundesländern in vollem Gange und von den Ärzten und der Bevölkerung akzeptiert. Vertre- ter aus vielen Ländern Osteuropas in- teressieren sich für dieses auch inter- national außerordentlich leistungsfä- hige System, das sie — möglicherweise modifiziert — auch für ihre Bevölke- rung für sinnvoll halten. Deutschland könnte auf diese Weise durch einen Know-how-Transfer nicht nur für ei- nen zügigen Aufbau beitragsfinan- zierter und selbstverwalteter Gesund- heitssysteme die notwendige partner- schaftliche Hilfe leisten, sondern dar- über hinaus einen Beitrag zu Freiheit und sozialer Sicherheit, damit die Menschen auch künftig in ihrer Hei- mat in Frieden und Freiheit leben können. Doch diese Chancen werden durch die Gesetzentwürfe jetzt aufs Spiel gesetzt.

Systemverändernde Wirkungen haben insbesondere

• die Einschränkung der Ver- tragsfreiheit durch erweiterte Ein- wirkungsrechte des Staates mit

—Vorlagepflichten

—Beanstandungsrechten

—Fristsetzungen

— Ermächtigungen für Ersatzvornah- men durch Bundes- oder Landesmi- nister;

O die Erweiterung staatlicher Einwirkungen durch Festlegung der Gesamtvergütung und der Rechts-

Karsten Vilmar

aufsicht von Schiedsamtsentschei- dungen;

• die Beseitigung der Vertrags- freiheit durch gesetzliche Festlegung

der Bestimmungsgrößen für Vergü- tungsbudgets für ambulante wie für stationäre Versorgung;

• Arzneimittel-, Heilmittel- und Verbandsmittelbudgets, verbunden sogar mit einer verschuldensunab- hängigen Kollektivhaftung aus der Gesamtvergütung für Kassenärzte;

• Zulassungssperren und Al- tersgrenzen für Kassenärzte, die mit

der Freiberuflichkeit des Arztberu- fes unvereinbar sind und darüber hinaus durch ein faktisches Berufs- verbot ab 1. Januar 1993 die Chan-

cen erfahrener Ärzte nach etwa ei- nem Drittel ihres Berufslebens zer- stören.

Das Bundesverfassungsgericht hatte schon in seinem Beschluß vom, 23. März 1960 entschieden: „Die gel- tende Regelung, die durch das Zu- sammenwirken der Elemente Ver- hältniszahl, Kassenarztsitz, Aus- schreibung und Zulassung nur eines

Falsche Diapose, falsche Therapie

Seehofer und die Bundesregierung verkennen die wirklichen Ursachen der Ausgabensteigerung

Kurieren an Symptomen und Weichenstellung zur „Staatsmedizin"

Die Kritik des Präsidenten der Bundesärztekammer und

des Deutschen Ärztetages am Gesundheits-Strukturgesetz 1993

Auszüge aus dem Referat vor dem Außerordentlichen Deutschen Ärztetag

Dt. Ärztebl. 89, Heft 39, 25. September 1992 (21) Al-3105

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78 858 000

Bevölkerungs- entwicklung in Deutschland

ab 2000 Prognose 120301

69 902 000 120001

120101 81 126 000

Von je 100 Einwohnern sind...

1990 1

• •

•••••

••••••

111111;3111

•• •

••••••....

11E11111

•••••••

11

'Aiiie0.1911e: Stat. Bundesamt ...unter 20 Jahre

...20 bis 60 Jah

• • • • • • • • • • •

II II

•• • • •

119901 79 790 000

120201 74 964 000

...60 Jahre und älter DIE ZEIT/GLOBUS

Kassenarztes auf einen Kassenarzt- sitz gekennzeichnet ist, führt zu ei- nem tiefen Eingriff in die freie Be- rufsausübung der nicht zugelassenen Ärzte. Auf der anderen Seite ist nicht dargetan, daß vordringlich öf- fentliche Interessen, denen nicht auf andere Weise ausreichend Rech- nung getragen werden könnte, gera- de diese Regelung unumgänglich machen. Sie ist deshalb mit Artikel 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar."

Doch auch insgesamt leistet das Gesetzespaket keinen Beitrag zur Lösung der strukturellen Probleme unseres Gesundheitswesens, die ent- sprechend der Vorhersage der Ärz- teschaft auch durch das „Blümsche Gesundheits-Reformgesetz" aus dem Jahr 1988 nicht gelöst wurden.

Mit dem Ziel, 1993 einen Anstieg der Nettolöhne nicht zu gefährden, sollen insgesamt 11,4 Milliarden DM

„eingespart" oder wohl besser um- verteilt werden. Ein derart großer Finanzmittelentzug ist jedoch gar nicht möglich, ohne der Bevölkerung beziehungsweise den Patienten in et- wa gleicher Größenordnung Leistun- gen zu entziehen. Mit Gesundheits- politik hat dies freilich nichts zu tun

— es ist reine Machterhaltungspolitik.

Denn:

• Wenn durch vermehrte Kran- kenkassenbeiträge 1993 die Netto- löhne nicht genügend steigen kön- nen, wird es unmöglich sein, die Renten in dem Superwahljahr 1994 anzuheben.

Verschärft wird dieses Problem durch die beabsichtigte Einführung einer umlagefinanzierten Pflegever- sicherung und den Widerstand der Arbeitgeber wegen der befürchteten Auswirkungen auf die Lohnneben- kosten. Dabei wird verkannt, daß die im Durchschnitt mit über 80 Prozent abgerechneten Lohnnebenkosten nur zu einem geringen Anteil von, den Beiträgen zur Sozialversiche- rung und insbesondere zur Kran- kenversicherung bestimmt werden.

Krankenversicherungsbeiträge ma- chen nämlich — entgegen dem in der öffentlichen Diskussion häufig er- weckten Eindruck — lediglich gut 7 Prozent aller Lohnnebenkosten aus.

Zu einem weit höheren Anteil wer- den Lohnnebenkosten durch freiwil- lige arbeits- oder tarifvertraglich

festgelegte Leistungen bestimmt — so durch Zuschläge für Überstunden, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit, Prämien und Gratifikationen, Weih- nachts-, Urlaubs- und Umzugsgeld sowie durch freiwillige Sozialleistun- gen wie Betriebskantinen, Kinder- gärten oder sonstige Sozialeinrich- tungen, Fahrtkosten, innerbetriebli- che Fortbildung, Zusatzurlaub und betriebliche Altersversorgung.

Verkannt oder sogar bestritten werden weiterhin die wirklichen Ur- sachen der Ausgabenentwicklung im Gesundheitswesen. Sie ergeben sich vor allem aus dem medizinisch-wis- senschaftlichen Fortschritt mit ei- nem nicht nur quantitativ erweiter- ten, sondern vor allem qualitativ ver- besserten Leistungsspektrum in Dia- gnostik und Therapie, durch das die Medizin für den Patienten sicherer geworden ist. Auf diese Weise ist vielfach vorzeitiger Tod vermeidbar.

Die Ausgabenentwicklung wird ferner nachhaltig beeinflußt durch demographische Veränderungen mit einer starken Zunahme der Zahl äl- terer Menschen und einer erhebli- chen Erhöhung der Lebenserwar- tung bei gleichzeitigem Geburten- rückgang. Zusammen mit der 1977 durch die sozial-liberale Koalition.

durchgesetzten Kürzung der Beiträ- ge der Rentenversicherung an die Krankenversicherung der Rentner von ursprünglich 17 Prozent auf 11,8 Prozent führte dies zu einer Erhö- hung der Leistungsausgaben der ge-

setzlichen Krankenversicherung von 0,64 Prozent vom Grundlohn im Jah- re 1970 auf 3,56 Prozent im Jahre 1991. Dieser Ausgabenanteil hat sich also seit 1970 mehr als verfünffacht, während der Prozentsatz für ärztli- che Vergütung während des gleichen Zeitraumes nur von 1,64 auf 1,67 Prozentpunkte geringfügig anstieg, die Ausgaben für Arzneimittel sich um etwa 1 Beitragssatzprozentpunkt in gleicher Größenordnung beweg- ten und auch im Krankenhaus seit 1980 lediglich ein leichter Anstieg von 2,23 auf 2,27 Beitragssatzpro- zentpunkte erfolgte. Die aktiven Bei- tragszahler haben dadurch im Jahre 1991 aus einem Beitragsaufkommen von 121,8 Milliarden DM für den So- lidarausgleich der Krankenversiche- rung der Rentner die gigantische Summe von 36,8 Milliarden DM ge- tragen. (Vgl. dazu die Grafik unten.)

Selbstverständlich muß die wei- terhin steigende Zahl der Rentner auch in Zukunft medizinisch gut ver- sorgt werden. Schließlich haben die Rentner während ihrer Erwerbstä- tigkeit ihren Solidarbeitrag geleistet und wegen des Generationenvertra- ges darauf vertraut, daß dies eines Tages auch für sie die dann erwerbs- tätige Generation tun wird. Wenn sich seitdem die Relation der Zahl der Erwerbstätigen zu der Zahl der noch nicht oder nicht mehr Erwerbs- tätigen drastisch verändert hat und weiter verändern wird, ist dies kein

A1 -3106 (22) Dt. Ärztebl. 89, Heft 39, 25. September 1992

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Politiker waren rar bei diesem Ärztetag. Immerhin, die FDP war stark vertreten: Dieter-Julius Cronenberg (rechts), links Dr. Dieter Thomae. Fotos (11): Bernhard Eifrig

Darstellung des "Generationenvertrages"

Mrd.DM

* in der gesetzlichen Kranken- versicherung insgesamt er- gab sich 1991 aus Beitrags- einnahmen und Leistungs- ausgaben ein Defizit von 3,4 Milliarden DM 120

100-

80

60-

Leistungen]

62,4

Mrd.DM ], Beiträge

7/

25,6 Rentneri

Mrd.DM Allge nein-

versicherte

20

Grund, für die dann zwangsläufig steigenden Kosten die Leistungser- bringer im Gesundheitswesen ver- antwortlich zu machen.

In den Gesetzentwürfen bleiben völlig unberücksichtigt die erhebli- chen, vom Staat selbst verursachten Ausgabensteigerungen im Gesund- heitswesen durch

• politisch entschiedene Zuord- nung immer größerer Personenkrei- se zur gesetzlichen Krankenversiche- rung auch durch Veränderung der Versicherungspflichtgrenzen nach oben wie nach unten oder die Einbe- ziehung auch geringfügiger Arbeits- verhältnisse in die Versicherungs- pflicht, weil damit nicht nur Beiträge einkommen, sondern mit derartigen Minimalbeiträgen gleichzeitig An- sprüche auf einen vollen Versiche- rungsschutz erwachsen;

• ständige Erweiterung des Lei- stungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung und des Krankheitsbegriffs durch Gesetzge- ber, Rechtsprechung und den Kon- kurrenzkampf der Krankenkassen untereinander, was dazu führt, daß zum Beispiel auch Methadon, Ver- hütungsmittel, Pampers, Yogakurse und so weiter auf Krankenschein er- hältlich sind.

Dringend erforderlich ist des- halb nach Auffassung der Ärzte- schaft ein „Gesundheits-Strukturge- setz", welches diese Ursachen der Ausgabenentwicklung wirklich be- rücksichtigt und konkrete Maßnah- men zur Verbesserung der Struktur- qualität der medizinischen Versor- gung enthält. Die von der Ärzte- schaft hierfür durch richtungweisen- de Beschlüsse Deutscher Arztetage immer wieder eingebrachte „sach- kundige Politikberatung" darf nicht von der Bundesregierung und den Koalitionsparteien weiterhin in den Wind geschlagen werden.

Eine sachgerechte, am zwangs- läufig wachsenden Leistungsbedarf der Bevölkerung ausgerichtete Poli- tik darf sich nicht länger in gesetzlich verordneter Kostendämpfung mit ausschließlich ökonomischer Orien- tierung erschöpfen. Sie muß die wei- ter zunehmende Zahl älterer Men- schen mit erhöhtem Behandlungsbe- darf berücksichtigen (siehe nebenste- hende Grafik).

Ein erhebliches Strukturpro- blem und gleichzeitig die Haupt- ursache für die in der freien Praxis beklagten Überkapazitäten insbe- sondere für Fachärzte ergibt sich für den stationären wie für den ambu- lanten Bereich dadurch, daß im Ge- gensatz zu vielen anderen Ländern derzeit nur etwa 10 Prozent der im Krankenhaus insgesamt tätigen

Beitragseinnahmen und Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung 1991

121 247 Ärztinnen und Ärzte dort ei- ne ihrer Aus- und Weiterbildung ebenso wir ihrer Berufs- und Le- benserfahrung entsprechende Dau- erstellung finden, während die restli- chen 90 Prozent — das sind also über

100 000 Ärztinnen und Ärzte — sich nach ungefähr zehn Berufsjahren in eigener Praxis niederlassen müssen, um hier über 25 weitere Berufsjahre zu arbeiten. Die Leistungsfähigkeit des Krankenhauses wird bei weiter zunehmender Spezialisierung ärztli- cher und pflegerischer Aufgaben so- wie weiter wachsender Bedeutung der Medizintechnik jedoch immer mehr von einer steigenden Zahl von Ärzten geprägt, die im Team zusam- menarbeiten müssen. Rund um die Uhr ist komplizierteste Technik zur Diagnostik und Therapie zu bedie- nen und zu überwachen; die Sorge um den Patienten erfordert dabei je- weils eine individuelle ärztliche Ent- scheidung. Infolge dieser Mehrarbeit bei gleichzeitiger drastischer Ar- beitszeitverkürzung seit 1960 um weit mehr als 20 Stunden bis zu einer heute tarifvertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 38,5-Wochen-Stun- den hat sich die Zahl der Kranken- hausärzte von 21 544 im Jahre 1960 auf heute 99 884 mehr als vervier- Dt. Ärztebl. 89, Heft 39, 25. September 1992 (23) A1-3107

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facht, während sich die Zahl der Ärzte in freier Praxis von 45 320 auf 77 547 nicht einmal verdoppelt hat.

Dennoch ist die Patientenversorgung im Krankenhaus nicht ohne viele Überstunden und zusätzlich geleiste- te Bereitschafts- und Rufbereit- schaftsdienste möglich.

Es ist seit langem klar, daß die in der ambulanten Versorgung heute beklagten „Überkapazitäten" Folge dieser falschen Verteilung der Le- bensarbeitszeit von Ärzten sind. Von den Krankenhausärzten müßten des- halb mindestens 65 000 ihren Beruf auf Dauer im Krankenhaus ausüben können. Zulassungssperren dagegen können die Probleme nicht lösen.

Wegen des Gesetzes über die Befri- stung von Arbeitsverträgen für die Zeit der ärztlichen Weiterbildung - also für 6 bis 8 Jahre - wirken sie aber quasi als Berufsverbot für be- rufs- und lebenserfahrene Ärztinnen und Ärzte im Alter von 35 bis 40 Jah- ren, für die das Krankenhaus bisher lediglich als „Durchlauferhitzer" für die freie Praxis gewirkt hat. Auf die

Vertrat die CDU: Dr. Else Ackermann, Arztin aus Brandenburg.

hieraus erwachsenden Probleme hat die Ärzteschaft schon seit über ei- nem Jahrzehnt hingewiesen und mit den vom 75. Deutschen Ärztetag 1972 beschlossenen „Leitsätzen zur Struktur der Krankenhäuser und ih- res ärztlichen Dienstes" geeignete Lösungsvorschläge gemacht.

Presse, Funk und Fernsehen waren gut vertreten. Die Öffent- lichkeit war auf die Versammlungen der Ärzte — Ärztetag wie Kassenärztetag — seit Wochen vorbereitet.

Das öffentliche Echo nach den Ärztetagun- gen war beachtlich.

Hervorgehoben wur- de durchweg die Be- reitschaft zum Dialog mit der Bundesregie- rung — trotz vorange- gangener Brüskierun- gen.

Der durch die jetzt vorliegenden Gesetzentwürfe vorgezeichnete Aus- bau dirigistischer Regelungen für al- le Bereiche des Gesundheitswesens auf der Grundlage vermeintlicher staatlicher Planungsweisheit oder politischer Ideologie wird daher wie- derum mehr neue Probleme schaffen als alte lösen. Auf Dauer werden hierdurch die soliden Fundamente für ein leistungsfähiges, freiheitli- ches, selbstverwaltetes und damit Patienteninteressen berücksichtigen- des Gesundheitswesen gefährdet.

Nicht vereinbar mit den Anfor- derungen an ein solches Gesund- heitswesen sind insbesondere

• die zwingende Anbindung der Leistungsvergütung an die Grund- lohnsummenentwicklung,

• die Vorgabe gesetzlicher Preisabschläge,

• die verschuldensunabhängige Kollektivhaftung bei der Verord- nung von Arzneimitteln sowie weite- re dirigistische Maßnahmen.

Das nur wirtschaftspolitisch be- gründbare Ziel „Beitragssatzstabili- tät" wird durch dieses Konzept zum unumstößlichen Dogma, ja, sogar zur Rechtsnorm erhoben, welche ein medizinisch begründetes Versor- gungssystem sachwidrig lenken soll, und gefährdet dadurch die medizini- sche Versorgung der Bevölkerung.

Das hartnäckige Festhalten an der politischen Ideologie der Beitrags- satzstabilität und die ständige Ver- mehrung eines umfangreichen und dennoch untauglichen Reglemen- tierungsinstrumentariums führen zwangsläufig zu dem Vorwurf eines

„politischen Kunstfehlers".

Die Ausgaben für das Gesund- heitswesen müssen sich vorrangig an den Notwendigkeiten der medizini- schen Versorgung ausrichten. Aus dieser Sicht ist es nicht akzeptabel, die erforderliche Neubestimmung von Solidarität und Subsidiarität in der gesetzlichen Krankenversiche- rung aufzuschieben. Notwendige Neuabgrenzungen von Leistungen der Solidargemeinschaft gegenüber Leistungen des einzelnen müssen zur finanziellen Sicherung des Gesund- heitswesens unverzüglich vorgenom- men werden; derzeit wird die gesetz- liche Krankenversicherung solida- risch finanziert, aber unsolidarisch beansprucht und politisch miß- braucht.

Die Politik muß daher endlich selbst definieren, welche „ausrei- chenden, zweckmäßigen und wirt- schaftlichen Leistungen", die das Maß des Notwendigen nicht über- schreiten dürfen (§ 12 SGB V) zu- künftig zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht wer- den sollen. Für die Ärzteschaft je- denfalls ist es unerträglich, daß ihr ständig der „Schwarze Peter" für die Ausgabenverantwortung im Gesund- heitswesen zugeschoben werden soll.

Der Arzt ist in erster Linie Anwalt des Patienten und nicht Staatsan- walt. Gerade deshalb bleibt die Ärz- teschaft aber, zur Aufrechterhaltung eines leistungsfähigen Gesundheits- wesens, nach wir vor bereit, an der Erarbeitung sachgerechter Lösungen für die bestehenden Probleme mit- zuwirken, um eine möglichst gute Versorgung der Patienten auch in Zukunft sicherzustellen. A1 -3108 (24) Dt. Ärztebl. 89, Heft 39, 25. September 1992

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