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lan Greenspan ist ein mächtiger Mann. Vor ihm zittern die Finanz- märkte der Welt, und wehe, es entschlüpft ihm eine Äußerung, der sich entneh- men ließe, der Dollar sei zu hoch oder zu niedrig, die Mark zu stark oder zu schwach, und so fort – dann ist ein Beben an jedwedem Börsenplatz gewiß.So geschah es denn auch am 6. Dezember 1996. Der Chef der Amerikanischen Notenbank sagte auf einem Kongreß so ganz nebenbei folgende Ungeheuerlichkeit:
„Aber wie wissen wir, wann rationaler Überschwang die Asset-Werte unangemessen hinaufgetrieben hat, die dann Gegenstand unerwarteter und langanhaltender Kon- traktionen werden, so wie das in Japan im vergangenen Jahrzehnt der Fall war?“
Das so Dahingesagte flitz- te in Sekundenschnelle um
den Globus, und die Akteure an den Finanzmärkten schlos- sen aus den Äußerungen mes- serscharf zwei Fakten: Erstens beurteilt der oberste amerika- nische Geldwächter die Akti- en („Assets“) als unangemes- sen hoch, und zweitens rech- net er mit einem langen Kurs- verfall, der die Börsen auch noch unvorbereitet träfe.
Der japanische Aktienin- dex Nikkei verlor daraufhin binnen weniger Minuten mehr als 3 Prozent, und der Deutsche Aktienindex DAX knickte am nächsten Tag noch mehr ein. Mit über 4 Prozent ging es hier fast schon crashar- tig zu. Der Einbruch zog sich durch alle Bereiche, von dem auch der Börsenneuling Deut-
sche Telekom mit einem Ver- lust von 1,06 Mark auf 31,74 Mark nicht verschont blieb.
So erlebten die Börsianer den stärksten Kurseinbruch in Deutschland seit dem Gorbat- schow-Putsch im Jahre 1991.
Am darauffolgenden Mon- tag war der Spuk schon wieder vorbei. Das sei alles nicht so ernst zu nehmen, Greenspan habe das doch nicht so eng ge- sehen, machten sich die Ex- perten Mut. Und siehe da, die Weltbörsen reagierten erleich- tert. Binnen zwei Tagen stie- gen die Kurse wieder auf ihr altes Rekordniveau. Die Äng- ste umsonst ausgestanden. Ein Blitz-Happy-End sozusagen.
Wirklich? In Wahrheit hat Alan Greenspan überhaupt
nichts Ungeheuerliches ge- sagt, sondern nur die Realität geschildert. Vertreter der amerikanischen Zentralbank machen seit geraumer Zeit nämlich überhaupt keinen Hehl aus ihrer Meinung, daß sich die Aktienmärkte in der Tat auf viel zu luftigen Höhen bewegen. Und daß die unan- genehme Aufgabe immer näher rückte, die Blase anzu- pieksen.
Übrigens, Greenspan sag- te eben auf diesem Kongreß aber auch, daß man einen Börsenkrach so lange nicht zu fürchten brauche, solange er sich nicht auf die reale Wirt- schaft auswirken würde. Ge- nau darum geht es. Wenn sich die Herren sicher wären, daß ein Crash die reale Wirtschaft nicht tangierte, hätten sie ihn jetzt zugelassen. Doch ob mit diesem kurzen Happy End die Geschichte schon zu Ende erzählt ist, kann durchaus be- zweifelt werden. Börsebius
[36] Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 51–52, 23. Dezember 1996
S C H L U S S P U N K T
Post Scriptum
Arbeitsgruppe: Optophil Göschl, Jeremias Kracherl, Wiggerl Kopftörl, Xaver Sie- benrübl, unter der Leitung von Fritz Lemke, Berlin.
Fragestellung:
a) Wie erklärt sich der Begriff „Pfeffernuß“ ange- sichts der Tatsache, daß in ihr kein Pfeffer nachweisbar ist?
b) Wie wird die Pfeffer- nuß verstoffwechselt, gibt es noch freie Valenzen für an- dere Nahrungsmittel?
c) Volkswirtschaftliche Bedeutung der Nux piperina vulgaris, nicht nur zur Weih- nachtszeit.
Versuchspersonen:
Zwei repräsentative Pro- banden.
Methodik:
Mehrmalige Querschnitts- erhebungen bei beiden Pro- banden, mit randomisierten Bildkontrollen.
Ergänzend erfolgt eine eingehende, das gewöhn- liche Maß überschreitende
Familienanamnese mit dem Multiplikationsfaktor Pi = 3,1415926.
Voraussichtliche Dauer der Studie: 12 Monate.
Beteiligte Fremd-Forscher:
keine. Finanzierung durch Fremdmittel: nein. Risiken:
minimal. Datenschutz: Die erhobenen Probandendaten werden anonymisiert und codiert gespeichert („narren- sicher“).
Aufklärung: Mündliche und schriftliche Einverständ- niserklärung! Vergütung: Die Probanden haben Kost und Logis frei. Außerdem wird ein tägliches Taschengeld in Höhe von 41,23 DM ge- währt.
Vorläufige Endergebnis- se: Die handelsübliche Nux piperina vulgaris enthält:
Weizenmehl, Zucker, Kan- dissirup, modifizierte Stärke, Farinzucker, Gelatine, Kar- toffelstärke, Gewürze, Back- treibmittel, Trockeneiweiß, Farbstoff E171 und Aromen.
Eine hepatische oder gar zerebrale Toxizitäts-Läsion konnte erst bei Genuß von mehr als 50 Pfeffernüs- sen/die signifikant nach- gewiesen werden. Eine potenzierte Wirkung zeig- te sich allerdings bei gleichzeitiger Inhalation von vi- num igneum seu fervidum, hierzulan- de bekannt un- ter dem Begriff Glühwein.
Nux pipe- rina vulgaris, die gewöhn- liche Pfef- fernuß, enthält al- so Ge- würze, nicht aber Pfef-
fer, was Frau Prof. Irmi Götz, Alt-viel-lo-login an der Uni München, dergestalt er- klärt, daß Piper = Pfeffer im
Alterthum ein Sammelbe- griff für Gewürze aller Art war. Piper war einst das wichtigste und auch das teuerste Gewürz überhaupt, das aus weiter Ferne impor- tiert wurde und das den Volksmund dazu veranlaß- te, jemanden dorthin zu wünschen, „wo der Pfeffer wächst“, näm- lich nach Malaysia oder Vorderindien.
Summary: Nux piperina vulga-
ris verursacht – soweit er- kennbar – bei mittelmäßiger Dosierung (nicht mehr denn 50 Nüs- se/die) weder hepatische noch zerebra- le Schäden.
Eine Paralle- lität zu Morbus Wilson konnte aus- geschlossen wer- den. Pfeffer fand sich in der Nuß nicht.
Literatur: keine Axel Kirn
Forschungsprojekt am Institut der Karl-Valentin-Stiftung
Spektroskopie bei Pfeffernußabusus Börsebius zum Börsensturz
Schnelles Happy End
RB