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Archiv "Falsch verstandene Arzneimittelsicherheit?" (19.09.1991)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

DAS EDITORIAL Falsch verstandene

Arzneimittelsicherheit? Wolfgang Forth

D

as neuerliche Kapitel Arzneimittel- sicherheit, das den Gebrauch der

„Pille" zum Gegenstand hat, doku- mentiert alles, was man an schwar- zen Voraussagen hinsichtlich des Wertes der Spontanmeldungen unerwünschter Arzneimittelwirkungen bisher gemacht hat. Die Variante, die jetzt in der Bundesrepublik zu die- sem Thema geboten wird, hat offensichtlich ih- ren Ausgangspunkt von einer pharmakokineti- schen Untersuchung einer modernen Kombinati- on von Gestoden- beziehungsweise Desogestrel mit Ethinylestradiol genommen (vgl. Spitzer et al. in diesem Heft). Dem Bundesgesundheitsamt kommt das traurige Verdienst zu, wohl mit vor- auseilendem Spürsinn dafür, wie man sich aus ei- ner möglichen politischen Schußlinie stehlen kann, die Datenlage völlig verschleiert zu haben:

die Auswertung von Spontanmeldungen ist schon schwierig genug; sie wird vollends unmöglich, wenn die Spontanität durch gezielte Formulierung eines bis dato gar nicht gerechtfertigten Verdachts untergraben wird, daß nämlich die zur Frage ste- henden Kombinationen mit mehr thromboembo- lischen Komplikationen assoziiert sind, als die bisher üblichen, für die orale Kontrazeption be- nutzten Präparate. Dabei hat das Amt epidemi- ologischen Sachverstand genug, der diese triviale Feststellung ex ante hätte treffen können.

Nun hat es mit der „Pille" so seine eigene Bewandtnis. Ich kann mich noch gut an die 70er Jahre erinnern, als es für die wissenschaftliche Reputation tödlich war, zum Beispiel über die Zusammenhänge zwischen Sexualhormonen und kanzerogenen Wirkungen laut nachzudenken.

Dabei hat es schon 1936 aus der Feder von A.

Lacassagne (C. R. Soc. Biol. Paris; 1936, 121:

607-609) Berichte über die möglichen Zusam- menhänge gegeben. Während damals offensicht- lich der Druck der öffentlichen Meinung jeder kritischen Wertung der Risiken der oralen Kon- trazeptiva entgegenstand, ist heute gerade umge- kehrt dem vorherrschenden Zeitgeist folgend je- der Anlaß recht, den Nutzen derartiger Arznei- mittel hinter den Risiken zu verstecken. Die all- gemeine Datenlage hat sich dabei gar nicht geän- dert. Die Assoziation zwischen thromboemboli- schen Komplikationen und den oralen Kontra- zeptiva östrogenhaltiger Präparate wird nicht in Frage gestellt. Gleichzeitig ist aber festzuhalten,

daß bisher keine kausale Verknüpfung möglich ist, wie bei anderen toxischen Wirkungen, die dosisabhängig und stoffbezogen diskutiert wer- den können. Welche Rolle die Veränderung der Blutfette, die übrigens von den Östrogenen und den Gestagenen gerade gegensätzlich beeinflußt werden, spielen, ist unklar. Das gleiche gilt für die möglichen Auswirkungen der Östrogene auf die Proteinfaktoren der Gerinnung im Plasma.

Und schließlich gibt es auch eine persönliche Veranlagung, deren Bedeutung für den ganzen Reaktionsablauf überhaupt nicht abzuschätzen ist. Wir wissen nur, daß beispielsweise Rauche- rinnen in erhöhtem Maße gefährdet sind.

Die Beteiligten sollten flugs einen heiligen Eid schwören, daß es so eben nicht weitergehen kann. Da gibt es doch die berühmte Phase IV der klinisch-pharmakologischen Untersuchung von Arzneistoffen nach deren Zulassung. Diese Pha- se-IV-Untersuchungen sind ganz aus unserem Gesichtskreis verschwunden, obgleich sie eigent- lich für die Dokumentation der Sicherheit und Zuverlässigkeit der Wirkung von zugelassenen Arzneistoffen erfunden worden sind. Das BGA hätte jetzt die Möglichkeit, von seinem Instru- mentarium Gebrauch zu machen und eine derar- tige Untersuchung zu veranlassen. Im Augen- blick sollte man es bei den notwendigen Informa- tionen belassen, nämlich, in welchem Umfange nach einer prospektiven Erhebung bestimmte Präparate-Typen gegenüber anderen mit mehr oder weniger thromboembolischen Komplikatio- nen behaftet sind. Das Ganze kann verglichen wer- den mit thromboembolischen Komplikationen bei Frauen, die keine „Pillen" schlucken, und schließ- lich wären noch bestimmte Altersstaffelungen möglich. Aber auf jede weitergehende Differen- zierung, etwa kausalbezogen hinsichtlich der Si- tuation des Fettstoffwechsels etc., sollte man vor- ab verzichten. Dies kann einer zweiten Phase der Untersuchung vorbehalten bleiben. Im Augen- blick gilt es, so schnell wie möglich die Verunsiche- rung der Frauen zu beenden.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Wolfgang Forth

Vorstand des Walther Straub-Instituts für Pharmakologie und Toxikologie Ludwig-Maximilians-Universität München Nußbaumstraße 26 • W-8000 München 2 Dt. Ärztebl. 88, Heft 38, 19. September 1991 (39) A-3099

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