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Archiv "Antioxidative Vitamine in der Prävention" (26.01.1996)

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Wer heute eine Malaria behan- deln muß, steht vor der äußerst schwierigen Tatsache, daß man mit je- dem der bisher verfügbaren Medika- mente scheitern kann (1, 2). Sie alle haben Mängel, deren Ausmaß man nur in den Malaria-Ländern voll er- fassen kann. Daß Urlaubsrückkehrer bei uns an einer Malaria sterben kön- nen, sogar an den verordneten Medi- kamenten, bietet nur einen winzigen Einblick in das Unwesen einer Krank- heit, der jährlich Millionen von Kran- ken zum Opfer fallen. Die bisherige Prophylaxe ist ebenfalls nicht verläß- lich. Bei eigenen Bemühungen (4, 5, 6) um die Entwicklung neuer The- rapieformen („Multi-Disease-Thera- py“) wurden durch die Erfahrungen mit anderen Seuchen (Lepra, Leish- maniosen, Tuberkulose) und auf der Grundlage ausgedehnter experimen- teller und klinischer Arbeiten Rifam- pizin, Isoniazid, Sulfamethoxazol und Trimethoprim in fixer Kombination (Handelsname Cotrifazid) bei mit Fansidar, Chinin, Chloroquin vergeb- lich vorbehandelten Falciparum-Fäl- len (Malaria tropica) eingesetzt (3, 7).

Das klinische Bild besserte sich schnell; in wenigen Tagen trat bei je- dem Fall eine vollständige Negativie- rung (Parasitenfreiheit) der Erythro- zyten ein. Die Tagesdosis des Cotrifa- zids wird auf vier Tabletten aufgeteilt.

Davon nimmt der Patient morgens und abends je zwei Tabletten; als Pro- phylaxe nimmt man mittags und abends je eine Tablette. Bei dieser Art des Medikamentenangebots gibt es wegen seiner Einfachheit und Praktikabilität keine Compliance- Probleme, zumal die Verträglichkeit ausgezeichnet ist. Die in der Kombi- nation verwendeten Substanzen sind international zugelassen und seit lan- gem genau bekannt; sie können daher unbedenklich verwendet werden. Die volle Nutzung dieser Kombination ist nur gewährleistet, wenn sie als fixe Kombination verabfolgt wird (7).

In der nahezu zehnjährigen Be- obachtungsperiode mit Cotrifazid hat

es keinerlei Anzeichen dafür gege- ben, daß die Substanzen durch oder nach Einbringung in die Kombination irgendwelchen Veränderungen unter- liegen. Die Kosten sind gering.

Hier sollte angesichts der zur Zeit gegebenen Situation, die für sehr viele Menschen lebensbedrohend ist und Ärzte zur Verzweiflung bringen kann (Fehlen voll befriedigender, teils schlecht verträglicher Medikationen, weit verbreitet Chemoresistenz, Feh- len einer wirksamen Schutzimpfung), nur kurz darauf hingewiesen werden,

daß mit dem Cotrifazid erstmalig eine hochwirksame Kombinationsthera- pie verfügbar ist – ein weiteres Bei- spiel für den heute immer mehr her- vortretenden Trend zur Kombination, nachdem deutlich geworden ist, daß bei Infektionskrankheiten mit länge- ren Behandlungsdauern Monothera- pieformen praktisch immer zur Che- moresistenz und damit zum Unwirk- samwerden der Chemotherapie füh- ren. Die Malaria bietet dafür einen geradezu klassischen Beleg.

Literatur beim Verfasser Prof. E. Freerksen

Sterleyerstraße 44 · 23879 Mölln

In dem Artikel von Fleischer et al. wurde die intensivmedizinische Therapiemöglichkeit der Blutaus- tauschtransfusion bei komplizierter Malaria tropica unseres Erachtens nach nicht ausreichend berücksich- tigt. Ziel einer Blutaustauschtransfu- sion muß es sein, die Zahl der mit Plasmodien befallenen peripheren Erythrozyten möglichst schnell zu re-

duzieren, um parallel zum Einsatz ei- ner effektiven medikamentösen The- rapie die pathophysiologisch bedeut- samen Auswirkungen der Parasiten im Hinblick sowohl auf Stase und Hypoxie in der Endstrombahn als auch auf Permeabilitätsschäden im Kapillarbereich zu begrenzen. Der kleinvolumige Blutaustausch mit fraktionierten 20 bis 30 Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht Aus- tauschvolumen ist einerseits nicht nur relativ zeitaufwendig, sondern dar- über hinaus auch in seiner Effektivität begrenzt. Wir konnten in Analogie zu anderen Autoren (1, 2, 3, 4) zeigen, daß ein komplikationsloser Voll- blutaustausch mit 100 Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht Vollblut unter Verwendung einer volumenge- steuerten Doppelpumpe über einen Zeitraum von 90 bis 120 Minuten eine effektive Senkung der Parasitämie im peripheren Blut bewirkt. Als techni- sche Voraussetzung dienen uns dabei das Doppelpumpensystem – ur- sprünglich als Filtratpumpe konzi- piert – eines herkömmlichen Plasma- pheresegerätes und ein großlumiger, venös plazierter Doppellumendialy- sekatheter mit „arteriellem“ und venösem Schenkel. Bei einer gleich- mäßigen Flußstärke von 60 bis 100 Milliliter pro Minute erfolgt die Blu- tentnahme parallel zur Transfusion des vorher in einem Volumensubstitu- tionsbeutel steril aufbereiteten Voll- blutes.

Eine niedrigdosierte kontinuier- liche Heparinzufuhr im System sowie die kontinuierliche Applikation von Calciumchlorid zur Vermeidung einer über das in der Vollblutherstellung er- forderliche Citrat induzierten Hypo- kalzämie vervollständigen das Sy- stem.

Die von uns bisher entsprechend therapierten sechs Patienten mit schwerer Malaria tropica hatten zum Aufnahmezeitpunkt alle eine Para- sitämie zwischen 25 und 90 Prozent sowie bereits schwerste Sekundär- komplikationen mit Multiorganversa- gen. Bereits nach einer komplikati- onslosen Blutaustauschtransfusion konnte die Parasitämie bei allen Pati- enten auf kleiner als 2 Prozent ge-

Therapie der Malaria

Zu dem Beitrag von Prof. Dr. med.

Klaus Fleischer et al.

in Heft 4/1995

Erfahrungen mit neuer

Therapie

Blutaustauschtransfusion

primär notwendig

(2)

senkt werden, bei fünf Patienten er- folgte im weiteren Verlauf eine Resti- tutio; ein Patient verstarb sekundär nach mehreren Wochen an den Fol- gen eines zerebralen Aspergilloms.

Unsere Ergebnisse unterstützen die Indikation zu einer frühzeitigen, großvolumigen Blutaustauschtrans- fusion im Rahmen der intensivmedi- zinischen Therapie unter Berücksich- tigung des individuellen Krankheits- verlaufes zur Beherrschung eines sich entwickelnden Multiorganversagens bei schwerer Malaria tropica.

Literatur

1. Bach D, Horstkotte D, Specker C, Worth H, Vester E, Heering P, Grabensee B:

Blutaustauschtransfusionen bei schwer ver- laufender Malaria tropica. Intensivmed 1989; 26: 234

2. Bach D, Kutkuhn B, Horstkotte D, Gra- bensee B: Intensivmedizinische Behand- lung der schweren Malaria tropica. DMW 1991; 116: 1413

3. Miller KD, Greenberg AE, Campbell CC:

Treatment of severe malaria in the United States with a continous infusion of quinidi- ne gluconate and exchange transfusion.

New Engl J Med 1989; 321: 65

4. Saddler MM, Barry M, Ternouth I, Emma- nuel J: Treatment of severe malaria by exchange transfusion. New Engl J Med 1990; 322: 58

Priv.-Doz. Dr. med. Dieter Bach Dr. med. Theodor Busch Dr. med. Barbara Klein

Prof. Dr. med. Bernd Grabensee Medizinische Klinik und Poliklinik Klinik für Nephrologie

Heinrich-Heine-Universität Moorenallee 5

40225 Düsseldorf

Sowohl in der Gebrauchsinfor- mation als auch in der Fachinformati- on zu Mefloquinhydrochlorid ist fol- gender Hinweis zu finden:

„Im Zusammenhang mit Schwin- del, Gleichgewichtsstörungen oder den obengenannten psychischen Störungen (wie zum Beispiel Angst, Depressionen, Unruhe, Verwirrung) kann die Fähigkeit zum Führen von Fahrzeugen und Flugzeugen, zum Be- dienen von Maschinen oder zum Aus- führen gefährlicher Arbeiten wäh- rend der Einnahme und bis zu drei Wochen nach Anwendung von La- riam vermindert sein.“

Ist der Arzt bei der Verordnung von Mefloquin zur Therapie oder Prophylaxe von Malaria verpflichtet, den Patienten auf diese seltene uner- wünschte Wirkung hinzuweisen? Soll- te auf das Führen eines Fahrzeuges bis zur dritten Woche nach der letzten Einnahme von Mefloquin verzichtet werden? Wie ist die Beweislage bei ei- nem Unfall, wenn der Fahrzeugführer vor einer Woche Mefloquin einge- nommen hatte? Was ist unter „gefähr- lichen Arbeiten“ zu verstehen?

Primaquin, das zur Eliminierung persistierender Lebeformen von Plas- modium vivax and P. ovale verschrie- ben werden muß, ist leider in der Bun- desrepublik Deutschland nicht mehr zugelassen und muß über internatio- nale Apotheken importiert werden.

Prof. Dr. med. Pramod M. Shah Geschäftsführender Direktor des Zentrums für Innere Medizin Klinikum der Johann

Wolfgang Goethe-Universität Theodor-Stern-Kai 7

60590 Frankfurt

1 Herr Kollege Prof. Shah nimmt mit seiner Frage zur Konse- quenz auf die möglichen Nebenwir- kungen der prophylaktischen und therapeutischen Mefloquineinnahme in der Patientenberatung wie der be- rufsrechtlichen Auswirkung ein The- ma auf, das alle mit diesem Medika- ment beschäftigten Fachleute Anfang der 90er Jahre breit beschäftigt hat.

Inzwischen ist die Größenordnung schwererer neuropsychiatrischer Ne- benwirkungen von Mefloquin nach über sieben Jahren Erfahrung in Deutschland und nach längerer inter- nationaler Erfahrung einschätzbar.

Sie liegt mit 1:10 000 bis 20 000 in der gleichen Größenordnung wie bei Chloroquineinnahme als Monosub- stanz oder auch Kombination mit die- ser (1). In der Gebrauchs- wie in der Fachinformation wird ausdrücklich – wie bei einer Vielfalt anderer Medi- kamente – eine „kann“-Formulierung verwendet, auf die vom Arzt hinzu- weisen ist mit der Maßgabe des sofor- tigen Absetzens des Medikaments

und Rücksprache mit einem Arzt. Die generelle Einschränkung einer Fahr- erlaubnis nach der Einnahme von Mefloquin ist nicht sinnvoll oder er- forderlich. Dies gilt auch für Fach- kräfte, bei denen eine besondere räumliche Orientierung erforderlich ist, wie beispielsweise Flugzeug- oder Baggerführer. Das Wort „gefährliche Arbeiten“ ist als „Gefährdung von dritten Personen, zum Beispiel Passa- gieren“ zu interpretieren. Eine erhöh- te Gefährdung liegt bei symptomfrei- en Anwendern von Mefloquin nicht vor. Die Beweislage bei Unfällen, wenn der Fahrzeugführer vor einer Woche Mefloquin eingenommen hat- te, wird sich auf die Symptomatik stützen müssen, mit der ein Fahrzeug- führer noch aktiv war oder aufhören mußte, und zum anderen den Meflo- quinspiegel im Blut. Entsprechende Fälle sind unseres Wissens nicht be- kannt geworden.

1 Primaquine ist zur Eliminie- rung persistierender Lebeformen von Plasmodium vivax und Plasmodium ovale (Hypnozoiten) nicht ersetzbar.

Es ist, wie mehrfach von der Deut- schen Tropenmedizinischen Gesell- schaft und anderen Organen bedau- ert, aus dem deutschen Arzneischatz verschwunden, kann aber problemlos aus England oder den USA impor- tiert und mit Rechtssicherheit in Deutschland angewendet werden.

1 Die Kollegen Priv.-Doz. Bach, Dr. Busch, Frau Dr. Klein und Prof.

Grabensee weisen mit Recht auf die, nur am Rande erwähnte, intensivme- dizinische Therapiemöglichkeit der Blutaustauschtransfusion bei kompli- zierter Malaria tropica hin. Sie stellen den technisch aufwendigeren und ko- stenintensiveren Vollblutaustausch mit 100 Milliliter pro Kilogramm Kör- pergewicht Vollblut unter Verwen- dung einer volumengesteuerten Dop- pelpumpe über einen Zeitraum von 90 bis 120 Minuten dem in unserer Hand bewährten partiellen Blutaustausch von 20 bis 30 Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht gegenüber. Wir stim- men mit den Kollegen voll in der Wer- tung der Indikationskriterien für den Blutaustausch überein, haben jedoch mit der von uns geübten kleineren Maßnahme in bisher neun Fällen von komplizierter Malaria tropica eine ausreichende Parasitensenkung bis

Fragen offen

Schlußwort

(3)

zum Einsetzen der Chininwirkung und ein Überleben aller Patienten er- reichen können. Da eine prospektive Studie bei einer so kritischen Thera- pieform ethisch nicht vertretbar ist, wird uns möglicherweise eine nun in Gang gebrachte retrospektive Multi- center-Studie (Prof. Knobloch, Priv.- Doz. Burchard, Tropeninstitut der Universität Tübingen) weiterhelfen.

1 Prof. Freerksen empfiehlt die von ihm entwickelte fixe Kombinati- on Cotrifazid – bestehend aus Rifam- picin und Isoniazid, Sulfamethoxazol und Trimethoprim – als neue Malaria-

therapie. Eine wissenschaftliche Basis für diese Aussage besteht nicht. Es ist bekannt, daß mittel- bis langwirksa- me Sulfonamide, wie sie auch im aus dem Handel genommenen Fansidar enthalten waren, eine mäßige schi- zontizide Wirkung haben, ebenso wie viele Antibiotika, hierunter auch Rifampicin. Sie sind jedoch aus be- kannten Gründen nicht zur Prophyla- xe geeignet und haben im Therapie- fall nicht genügend schizontizide Kraft, um die Plasmodien zu eradikie- ren. Die Kombination Cotrifazid wur- de 1991 als Kurztherapie der Lepra

vorgestellt und hat hierbei keine Ak- zeptanz gefunden (2).

Literatur

1. Lobel H, Miani M, Eng T, Bernard K, Hightower A, Campell C: Long-term mala- ria prophylaxis with weekly mefloquine.

The Lancet, Vol 341, 848-51, 3. April 1994 2. Girdhar BK, Central JALMA Institute for

Leprosy, Clearing House, Indian J Lepr, Vol 66 (1), 69–70, 1994

Prof. Dr. med. Klaus Fleischer Missionsärztliche Klinik gGmbH Tropenmedizinische Abteilung Salvatorstraße 79

97074 Würzburg

Die von Folkerts angeführte Me- taanalyse über die Erfolge der EKT ist ohne ausführliche Durchsicht der Quellen nicht nachprüfbar, spricht aber auf jeden Fall für äußerst diffe- rente Ausgangs- und Erfolgskriterie- ren der angeführten Studien. Ähnlich schwierig nachzuvollziehen sind die aufwendig beschriebenen technischen Erläuterungen, zumal einige Angaben zumindest mißverständlich sind (Spannung in Ampere gemessen, eine nur im psychiatrischen Bereich gelten- de Größe?). Insgesamt gewinnt man den Eindruck, daß die mit dieser ho- chentwickelten miniaturisierten Tech- nik hervorgerufene Krampfdauer eher länger ist als bislang. Doch selbst wenn dem nicht so sein sollte, bleibt die conditio sine qua non dieser The- rapie der iatrogen provozierte, in kur- zen Abständen mehrfach wiederholte Grand-mal-Anfall, ein Ereignis, das neurologischerseits unter Einsatz massiver Medikation zu vermeiden versucht wird, vor allem wegen der im Verlauf der Krankheit erworbenen Hirnschädigung und der daraus fol- genden epileptischen Demenz. Über- dies gewinnt man aus den technischen Angaben den Eindruck, daß die insge- samt applizierte Strommenge durch

die längere Krampfdauer höher liegen könnte als bislang. Man fragt sich, wo- her Kollege Folkerts die überlegene Sicherheit nimmt, mit der er behaup- tet, man könne dem Patienten versi- chern, mit der neuen Technik träten keine oder nur geringgradige retro- und anterograde Gedächtnisstörun- gen auf, und falls doch (!), seien diese

sicher reversibel, strukturelle Hirn- schädigungen träten nicht auf, wo doch mit nahezu denselben Worten in dem ihm sicher bekannten Lehrbuch Prof. Tölles genau diese Nebenwir- kungsfreiheit für die Krampfauslö- sung durch Sinuswellenstimulation behauptet wird, der Folkerts im vor- liegenden Artikel wiederum eine nicht genügend gesenkte Neurotoxi- zität bescheinigt. Nicht widerlegt sind zudem tierexperimentelle Studien, bei denen in Simulation eines EKT mit der entsprechend der Größe des Tie- res angepaßte Stromstärke gearbeitet wurde, zum Teil auch mit vergleichs- weise sehr geringer Stärke und Dauer, was zu erheblichen histopathologisch nachgewiesenen Hirnschäden führte

(1, 2). Diese Besorgnis könnte nur durch neue histopathologische Studi- en und entsprechende Langzeitbeob- achtungen entkräftet werden. Warum stellt der Referent gerade hierzu nur Behauptungen auf und unternimmt nicht alles, um derartige Bedenken durch ausführliche Darstellung sol- cher Untersuchungen, so es sie gäbe, auszuräumen, zumal auch die Tatsa- che, daß die Methode im Ausland weitaus häufiger angewandt wird, kein wissenschaftliches Gütesiegel per se sein kann, sondern diese Fragen nur noch dringlicher macht?

Die „heilsame“ Wirkungsweise der EKT sei bis heute nicht vollstän- dig geklärt – ein Fall von retrograder Amnesie, günstigstenfalls! Denn bis in die 50er Jahre trugen amerikani- sche EKT-Anwender keine Beden- ken, diese eindeutig zu benennen, vor Aufkommen der öffentlichen Kritik jedenfalls. In den USA heute noch als chirurgisches Verfahren definiert, wird die EKT vom amerikanischen Psychiater Golla 1943 als „provisori- sche Leukotomie“ beschrieben, als gewollte und gezielte Schädigung von Hirngewebe mit dem Ziel, daß der Pa- tient seine jeweilige Krankheit (da- mals vorherrschende Indikation: Schi- zophrenie) „vergessen“ sollte. Pacella führt zugunsten der EKT an, daß

„. . . ein sozial angepaßtes Individuum mit geringfügiger Hirnpathologie ei-

Elektrokrampftherapie

„Schocktherapie“ oder ein differenziertes Behandlungsverfahren?

Verdächtige Lücken in der Beweisführung

Zu dem Beitrag von Dr. med. Here Folkerts in Heft 6/1995

(4)

nem psychotischen Patienten ohne nachweisliche Hirnschädigung vorzu- ziehen“ sei, und dies ist offensichtlich auch heute der Hintergrund. Gibt nicht das folgende Zitat eines rezen- ten glühenden Verfechters des „Wun- ders der EKT“, auch im freien We- sten, gerade in der heutigen Situation des Gesundheitswesens zu denken, wenn dieser, damals im Blick auf den Ostblock, formuliert: „. . . Man kann die Vorstellung heraufbeschwören, daß in einem Polizeistaat sehr viele Dissidenten durch Schockbehandlun- gen in einen Zustand völliger Zufrie- denheit und Apathie versetzt wer- den.“ (4)

Literatur

1. Ferraro et al.: Morphological changes in the brain of monkeys following electically indu- ced convulsions, J Neuropathol Exp Neurol 1946; 5: 285–308 und

Ferraro et al.: Cerebral morphologic chan- ges in monkeys subjected to a large number of electrically induced convulsions, Amer J Psychiat 1949; 106: 278–284

2. zit. n. Cook L C: Convulsion Therapy, J Ment Sci 1944; 90: 435–464

3. Pacella B L: Sequelae and complications of convulsive shock therapy, Bull N Y Acad Med 1944; 20: 575–585

4. Peck R E: The miracle of shock treatment, Jericho N Y: Exposition Press 1974 Dr. med. Eva Heim

Kopernikusstraße 30 76185 Karlsruhe

Während noch vor zehn Jahren kaum ein Anwender der Elektro- krampftherapie (EKT) sich öffent- lich dazu bekannte, um nicht wegen

„unmenschlicher Behandlung“ kriti- siert zu werden, traut sich heute kaum ein Krankenhauspsychiater zu beken- nen, ohne EKT auszukommen, da er sonst kritisiert würde, kunstfehlerhaft seinen Patienten eine differenzierte Behandlungsmethode vorzuenthal- ten. So auch die Position von H. Fol- kerts in seinem Artikel. Dabei hat sich in diesen zehn Jahren in der Tech- nik nichts Weltbewegendes verän- dert. Außerdem ist die Zahl derjeni- gen psychiatrischen Krankenhäuser und Abteilungen, die mit EKT arbei- ten, und die Zahl derer, die ohne EKT auskommen, gleich groß und ist auch in diesem Zeitraum gleich groß ge-

blieben, wenn man den vorliegenden Zahlen glauben darf. Im übrigen liegt Deutschland in der EKT-Anwendung von 1945 bis heute an letzter Stelle al- ler vergleichbarer Staaten. Wenn nun die Lager der EKT-Anwender und der EKT-Abstinenzler gleichgroß sind, sind beide Lager auch gleich ernst zu nehmen.

Jeder darf in dieser Auseinan- dersetzung seine Position begrün- den, aber nicht die Gegenposition verteufeln.

Offensichtlich liegt der Unter- schied zwischen den beiden Lagern mehr auf der Ebene der theoretischen Konzepte: die einen fassen eine Psy- chose eher nach dem Krankheits- modell auf, die anderen eher nach dem Denkmodell der biographischen Krise. Wohlgemerkt – beide Denk- modelle sind Konstrukte, enthalten Elemente unbewiesenen medizini- schen Glaubens; das eine ist nicht wis- senschaftlicher und rationaler als das andere.

Im Gegensatz zu Folkerts kann es daher sehr wohl „rationale Gründe für den grundsätzlichen Verzicht auf den Einsatz der EKT“ geben; ist es doch rational nachvollziehbar, daß zum therapeutischen Umgang mit ei- ner Psychose – aufgefaßt als biogra- phische Krise – die EKT weniger paßt als etwa die Psychosen-Psychothera- pie.

Wir von der Westfälischen Klinik für Psychiatrie Gütersloh bevorzugen die Auffassung von der Psychose als biographischer Krise. Zuständig für 800 000 Einwohner mit 3 000 Aufnah- men im Jahr sind wir in den letzten 15 Jahren ohne EKT ausgekommen.

Auf dem ersten Europäischen EKT- Symposion in Graz 1992 habe ich dafür zehn rationale Gründe vorge- tragen (Sozialpsychiat. Informatio- nen 3/94 S. 31–32). Vermutlich hat diese Grundhaltung uns mit mehr be- gleitender Geduld auch im Umgang mit katatonen und chronifizierenden depressiven Patienten ausgestattet, so daß uns vor einer EKT-Indikation bis heute noch andere Umgangsweisen eingefallen sind, ohne daß unsere Verweildauern länger sind als anders- wo. Wenn ich dies schreibe, habe ich darauf zu achten, mich jedes Trium- phes einerseits und jeder Scham ande- rerseits zu enthalten. Vielmehr habe

ich wegen des Glaubensanteils in je- dem, also auch unserem psychiatri- schen Konzept selbstkritisch zu re- flektieren, daß niemals ein konkreter Mensch der Leidtragende eines psy- chiatrischen Glaubens sein darf. Ich muß mich also offenhalten dafür, daß morgen am Tag – auch noch nach 20 Jahren EKT-Abstinenz – ein Patien- ten kommen kann, bei dem ich die EKT-Indikation zu befürworten ha- be. Dieselbe kritische Glaubensrelati- vierung im Einzelfall darf ich dann auch von den EKT-Anwendern er- warten.

In einem Punkt übrigens irrt Fol- kerts völlig: Die verantwortlichen NS- Psychiater haben die EKT-Anwen- dung nicht behindert, sondern gerade- zu enthusiastisch gefördert; denn die EKT hat ihren Glauben daran unkri- tisch verabsolutiert, daß man in Kürze alle akuten Psychosen heilen könne, weshalb man nur die chronisch Kran- ken, also die Unheilbaren, „von ihrem Leiden erlösen“, also ermorden sollte.

Deshalb hat die „Euthanasie“-Kom- mission, darunter auch Prof. Kihn, später einer der Gründer der Lindau- er Psychotherapie-Wochen, nicht nur die Vergasungslisten zusammenge- stellt, sondern sich auch aktiv bemüht, die pychiatrischen Krankenhäuser mit EKT-Geräten auszurüsten. Die ver- antwortlichen NS-Psychiater waren begeisterte technokratische Moderni- sierer. Gerade deshalb haben wir auch heute noch so viel von ihren Fehlern zu lernen.

Prof. Dr. Dr. Klaus Dörner

Westfälische Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Neurologie Hermann-Simon-Straße 7 33334 Gütersloh

Die beiden vorstehenden Beiträ- ge bedürfen zwangsläufig des Kom- mentars; letztlich spiegeln beide Beiträge – wenn auch auf unter- schiedliche Weise „verpackt“ – einen Teil genau der Vor- oder Fehlurteile wider, die in meinem Beitrag ange- sprochen wurden. Ich möchte in der gebotenen Kürze zumindest auf die zentralen Punkte der beiden zum Teil

Rationale Gründe zum Verzicht

Schlußwort

(5)

von Unkenntnis getragenen und lei- der auch in Anteilen polemischen Le- serbriefe sachlich eingehen.

Zunächst zu einigen inhaltlichen Fragen: Im Gegensatz zur Meinung von Herrn Dörner hat die Technik in den letzten zehn Jahren sehr wohl er- hebliche Fortschritte (unter Beibe- haltung des therapeutischen Prin- zips) gemacht.

Hierzu gehört, daß mit der neu entwickelten Kurzpulstechnik (the- rapeutisch effektive) Krampfanfälle bei wesentlich geringerer Energie als mit sinusförmigen Impulsen ohne Verlängerung der Krampfanfälle zu erzielen (4) sind.

Zudem konnte hiermit die Inzi- denz von (vorübergehenden) kogniti- ven Nebenwirkungen weiter deutlich reduziert werden.

Verfeinerte Technik und das EEG-Monitoring erlauben, die Be- handlung individuell auf den einzel- nen Patienten bezogen (anstatt mit einer „Standardeinstellung“) durch- zuführen.

Zu dem Diskussionsbeitrag von Frau Heim

Die aufgeworfene Frage von strukturellen Hirnschäden bei EKT ist (übrigens sowohl bei den älteren Sinuswellenreizen als auch bei Kurz- pulsreizen) eindeutig zu beantwor- ten: es gibt keine. So ergaben pro- spektive CT und kernspintomogra- phische Untersuchungen keinerlei Anhalt für EKT induzierte struktu- relle Hirnschäden (1).

Beide von Heim angeführten, fast 50 Jahre alten tierexperimentel- len Untersuchungen weisen massiv- ste Fehlerquellen auf. So wurden un- ter anderem die aus heutiger Sicht unverzichtbaren Regeln bei der Fi- xierung des Materials außer acht ge- lassen. Zudem wurden zum Teil (2) ungewöhnlich viele und unmodifi- zierte Krampfanfälle (bis zu 100) aus- gelöst.

Es steht vielmehr fest, daß die den heutigen Ansprüchen genügen- den tierexperimentellen Studien, die die in der klinischen Routine ent- sprechende Stimuli verwendeten, keinerlei Hinweise auf morphologi- sche Läsionen erbrachten, sofern geeignete Kontrollen, „blinde“ Ra-

tings und Perfusionsfixationstechni- ken verwandt wurden. Auch die Gleichsetzung eines genuinen An- fallsleidens mit den „kontrollierten“

Krampfanfällen im Rahmen der EKT führt ins Leere.

Ein möglicherweise bereits in der Kindheit beginnendes und unter Umständen durch unkontrollierte oder prolongierte Anfälle kompli- ziertes Anfallsleiden ist in keiner Weise mit einzelnen zu therapeuti- schen Zwecken unter kontrollierten Bedingungen im Abstand von zwei bis drei Tagen unter den Bedingun- gen der Allgemeinnarkose und Rela- xierung ausgelösten Krampfanfällen (im Mittel unter einer Minute) zu vergleichen.

Auf den von Frau Heim in die- sem Zusammenhang nahegelegten Vergleich der Elektrokrampfthera- pie mit der „gewollten und gezielten Schädigung“ (Zitat Heim) und Folter möchte ich nicht weiter eingehen;

hier sind die Grenzen einer sachli- chen Diskussion überschritten. Frau Heim muß sich fragen lassen, ob ihrem Brief nicht doch mehr oder we- niger antipsychiatrische Tendenzen zugrunde liegen.

Zu dem Diskussionsbeitrag von Herrn Dörner

Der Brief spricht eine andere Ebene der Diskussion über psychia- trische Erkrankungen im allgemeinen und die EKT im besonderen an. Die aufgeworfene Frage des Krankheits- konzeptes ist von großer Bedeutung und bedarf der inhaltlichen Ausein- andersetzung.

Gleichzeitig stellt diese Diskussi- on mit der weiterführenden Zielrich- tung des Zusammenhanges zwischen Gehirn und Seele oder Leib und See- le gerade für die Nichtpsychiater häu- fig einen der Punkte dar, der den Um- gang mit der Psychiatrie besonders schwer machen kann.

Ich möchte hier nur kurz an- führen, daß sich die moderne Psychia- trie durch ein mehrdimensiona- les Krankheitskonzept auszeichnet.

Psychiatrische Erkrankungen werden heute weder ausschließlich als sozi- ale, kulturelle oder biographische Krise (oder besser: psychodynami- sche Aspekte der Erkrankung) eines

Individuums noch isoliert als Störung auf der Ebene von Rezeptoren im Sinne eines „chemischen Störfalles“

betrachtet.

Deshalb muß eine psychiatrische Behandlung sowohl psychotherapeu- tische als auch somatotherapeutische Behandlung einschließen.

Dabei ist die EKT im Rahmen ei- nes Gesamtbehandlungsplanes nur unter bestimmten Voraussetzungen bei einem kleinen Teil psychiatrischer Patienten (im wesentlichen bei Schwerkranken) indiziert.

Unter diesen Voraussetzungen kann die EKT dann aber oft schneller als andere Behandlungsformen unse- ren Patienten helfen.

Sicher gehört Geduld notwendi- gerweise zur ärztlichen Tätigkeit; bei schwerkranken Patienten zum Bei- spiel mit einer lebensbedrohlichen perniziösen Katatonie ist aber weni- ger Geduld, sondern eher rational be- gründbares und dann rasches ärztli- ches Handeln notwendig.

Die Verengung des Blickfeldes auf lediglich eine Ebene der Betrach- tung kann für unsere Patienten fatale Folgen haben.

So werden im Glauben an die ausschließlich „psychologische“ Basis seelischer Störungen immer noch so- matische Therapien (inklusive der EKT) als vermeintlich schädliche Therapieformen fehlerhaft vernach- lässigt.

Dabei spielt auch zum Teil eine Rolle, daß eine Behandlungsform wie die EKT auf medizinischer Erfahrung und dem „Handanlegen“ (3) beruht;

zudem fühlen sich viele Ärzte/Psych- iater unsicher bei einer Behandlungs- form, mit der sie in der Weiterbildung nur unzureichend vertraut gemacht wurden.

Zuweilen werden (in Deutsch- land) auch sachfremde Argumente wie der Hinweis auf den Nationalso- zialismus (sehr wohl wurde in beleg- baren Einzelfällen die Einführung der EKT behindert) angeführt, um die in- haltliche und sachliche Beschäftigung mit der EKT zu vermeiden.

Auf der anderen Seite kann auch die Reduktion der Betrachtung aus- schließlich auf Rezeptoren, Transmit- ter und Gene zu einem rational nicht begründbaren Verzicht der EKT führen; in diesem „miniaturisierten

(6)

Umfeld“ könnte bei dem immer noch verbreiteten Nichtwissen über die Ef- fektivität der Elektrokrampftherapie auch diese somatische Behandlungs- form mit Auslösung eines Krampfan- falles als „grobe, undifferenzierte be- ziehungsweise unelegante“ therapeu- tische Maßnahme verkannt werden.

Einige abschließende Bemerkungen

Es sei festgehalten, daß die Elek- trokrampftherapie eine effektive, si- chere und differenzierte psychiatri- sche Behandlung darstellt, die in eini- gen bestimmten klinischen Situatio- nen anderen Behandlungsformen so-

gar überlegen sein kann. Die Ärzte, die trotzdem die Elektrokrampfthe- rapie nicht einsetzen, müssen sich (insbesondere von ihren Patienten) kritisch fragen lassen, aus welchen Gründen sie hierauf verzichten. Mög- licherweise wird aber in Zukunft die Diskussion über die Qualitätssiche- rung psychiatrischer Therapie einige Abteilungen ihre bisherige skepti- sche bis ablehnende Haltung über- denken lassen.

Die Diskussion hierüber anzu- regen war das Ziel meines veröffent- lichten Beitrages; angesichts der zahl- reichen freundlichen Reaktionen, die mich erreichten, scheint mir dies ge- lungen zu sein.

Literatur

1. Devanand DP, Dwork AJ, Hutchinson ER, Bolwig TG, Sackeim HA: Does ECT Alter Brain Structure? Am J Psychiat 1994; 151:

957–970

2. Ferraro A, Roizin L: Cerebral morphologic changes in monkeys subjected to a large number of electrically induced convulsions (32–100). Am J Psychiat 1949; 106: 278–284 3. Fink M: Die Geschichte der EKT in den

USA. Nervenarzt 1993; 64: 689–695 4. Weiner RD: ECT and seizure threshold: ef-

fects of stimulus wave form and electrode placement. Biol Psychiatry 1980; 15:

225–241

Dr. med. Here Folkerts Klinik für Psychiatrie der

Westfälischen Wilhelms-Universität Münster

Albert-Schweitzer-Str. 11 48149 Münster

Antioxidative Vitamine in der Prävention

Unter der Überschrift „Definiti- on des oxidativen Streß“ vermisse ich die konkrete Definition. Der Wert zahlreicher epidemiologischer Studien zur Prävention kardiovaskulärer und maligner Erkrankungen ist so hoch nicht, da zum Beispiel die häufig zitier- te Untersuchung von Blot et al. (1) in einer bestimmten Provinz in China durchgeführt wurde und alle vier Be- handlungsgruppen Kombinationen von Vitaminen untereinander oder mit Spurenelementen wie Zink oder Selen erhielten, so daß unmöglich be- urteilt werden kann, welche Kompo- nente für welchen Effekt verantwort- lich war. Eine Übertragung der Ergeb- nisse auf europäische Verhältnisse ist wenigstens problematisch, wenn nicht unmöglich. Methodisch ungleich bes- ser ist die Arbeit von Greenberg et al.

(2), die jedoch keinen Vorteil einer Behandlung mit antioxidativ wirken- den Vitaminen für die Prävention ko- lorektaler Tumore zeigen konnte. Es existieren also bestenfalls Hinweise, jedoch kaum Belege für entsprechen- de präventive Effekte; das Gegenteil ist allerdings ebensowenig bewiesen.

Dies sollte Anlaß sein, den Hypothe- sen mittels der Fragestellung adäqua- ter Studien auf den Grund zu gehen.

Die europäische Ernährung als ausgewogen zu bezeichnen, halte ich für kühn. Erstens ist sie das sehr of- fensichtlich oftmals nicht, und zwei- tens ernähren sich die Europäer ver- schiedener Länder auch sehr unter- schiedlich – das zu bestätigen, reicht bereits eine Reise in andere Bundes- länder, dafür muß man Deutschland

nicht einmal verlassen. Auf die Tatsa- che, daß sich beispielsweise Süditalie- ner und Portugiesen anders als die Einwohner anderer europäischer Staaten ernähren, weist Herr Prof.

Biesalski später selber hin.

Ferner muß man die Frage stel- len, wer denn nicht einem „speziellen oxidativen Streß“ unterworfen ist.

Wer findet seine Patienten (oder sich selbst) etwa nicht in einer der folgen- den Kategorien wieder: Raucher, Pas- sivraucher, Innenstadtbewohner, be- ruflicher/privater/psychischer Streß, Angst vor Antioxidanz-Unterversor- gung (nicht selten aus merkantilen Gründen gefördert), regelmäßiges Mensa- oder Kantinenessen oder sel-

tener Verzehr von Obst und Gemüse, Wohnsitz außerhalb von Süditalien oder Portugal, . . . ?

Herrn Prof. Biesalski ist uneinge- schränkt zuzustimmen, wenn er be- tont, daß eine bezüglich der Antioxi- danzienaufnahme aufgewertete Er- nährung oder auch eine entsprechen- de Substitution einen „ungesunden Lebenswandel“ keinesfalls zu kom- pensieren in der Lage ist. Fehler oder Versäumnisse in der Lebensführung sind in der Tat eine sehr bedeutende, wenn nicht sogar die wichtigste Quel- le der in unseren Breiten herrschen- den Krankheiten. Darauf hinzuwei- sen und Korrekturmöglichkeiten auf- zuzeigen, ist gerade aus präventiven Gesichtspunkten die vordringlichste ärztliche Aufgabe. Insofern ist die Ar- beit von Herrn Prof. Biesalski von nicht zu überschätzendem Wert.

Literatur

1. Blot WJ et al.: Nutrition intervention Trials in Linxian, China: Supplementation With Specific Vitamin/Mineral Combinations, Cancer Incidence, and Disease-Specific Mortality in the General Population. J Nat Canc Inst 1993; 85: 141–149

2. Greenberg ER et al.: A clinical trial of anti- oxidant vitamins to prevent colorectal adenoma. N Engl J Med 1994; 331: 141–147 Weitere Literatur beim Verfasser Dr. med. Ulrich E. Fulda Osterstetter Straße 26 89129 Langenau Zu dem Beitrag von

Prof. Dr. med.

Konrad Biesalski et al.

in Heft 18/1995

Wichtig, aber

ergänzungsbedürftig

(7)

In ihrer gelungenen Übersicht haben die Autoren die Bedeutung ei- ner ausgewogenen, an antioxidativ wirkenden Vitaminen reichen Er- nährung dargestellt. Gesundheitspoli- tisch gehört es zu den wichtigsten Aufgaben, der Bevölkerung eine fa- serstoffbetonte Ernährungsweise na- hezubringen, um alimentär beeinfluß- baren Krankheiten vorzubeugen.

In ihrem Artikel sprechen sich die Autoren gegen eine antioxidative Therapie mit unbegründeten Me- gadosen aus, deren Nutzen bis dato nicht erweisen ist. Auch tierexperi- mentelle Befunde sprechen dagegen, kritiklos sehr hohe Dosen über länge- re Zeit anzuwenden. Neben den be- kannten Hypervitaminosen mit toxi- schen Wirkungen beispielsweise nach Gabe hoher Dosen von Vitamin D, K und A gibt es auch für das Vitamin E Hinweise dafür, daß bei sehr hohen Dosen unerwünschte Wirkungen auf- treten können. Keaney et al (1) unter- suchten die protektiven Effekte von alpha-Tocopherol über 28 Tage bei Kaninchen, die mit cholesterinrei- chem Futter gehalten wurden. Behan- delte man die Tiere mit 1000 IU/kg (etwa 675 mg) alpha-Tocopherol pro Tag, blieb die EDRF (Endothelium- Derived-Relaxing-Factor)-vermittelte Vasodilatation erhalten, während sie sich nach Gabe von 10 000 IU/kg ver- schlechterte. Nimmt man a priori ei- nen Sicherheitsfaktor von 100 an und bezieht sich auf eine freie Dosis (No- Observed-Effect-Level) von 1000 IU/kg, wären orale Dosen bis etwa 700 IU pro Mensch und Tag auf jeden Fall als sicher anzusehen. Hohe lokale der- male Dosen haben an der Maus nach 40 bis 50 Tagen zweimal täglicher Ap- plikation deutliche Promotionsakti- vität für Papillome gezeigt. In diesem Versuch wurden die Papillome zu- vor mit einem Anthracenderivat initi- iert (2). In Zusammenhang mit die- sen überraschenden Beobachtungen könnte stehen, daß oxidative Prozes- se, bei aller zellschädigender Potenz, zu den grundlegenden zellulären Abwehrmechanismen gegen Zellbe- standteile oder Mikroorganismen

gehören, wobei den neutrophilen Gra- nulozyten eine besondere Rolle zu- kommt (3). Eine Überdosierung mit Antioxidanzien könnte dieses Gleich- gewicht ebenso stören wie ein Mangel an Radikalfängern. Zwar scheint die therapeutische Breite von Antioxi- danzien, wie am Beispiel Tocopherol gezeigt, sehr groß zu sein, aber eine maximale Grenzdosis ist nicht auszu- schließen. Aus diesem Grund ist es wünschenswert, daß auch therapeu- tisch eingesetzte Antioxidanzien, ins- besondere in bezug auf eine Langzeit- anwendung, toxikologisch-pharmako- logisch bewertet werden.

Literatur

1. Keaney JF, Graziano JM, Xu A et al.: Low dose alpha-tocopherol improves and high dose alpha-tocopherol worsens endothelial vasodilator function in cholesterol-fed rab- bits. J Clin Invest. 1994; 93: 844–851 2. Mitchel RE, McCann R: Vitamin E is a

complete tumor promotor in mouse skin.

Carcinogenesis 1993; 14: 659–662

3. Boxer LA: The role of antioxidants in mo- dulating neutrophil functional response.

Adv Exp Med Biol 1990; 262: 19–33 Dr. med. Horst J. Koch

Lautengasse 19 89073 Ulm

Ad 1: Grundsätzlich sind viele epidemiologische Studien, die sich primär nur auf eine Substanz in der Nahrungskette des Menschen bezie- hen, mit Fragezeichen zu versehen. Es muß hier berücksichtigt werden, daß gerade Vitamin E und Betakarotin in der Ernährung möglicherweise nur Marker für die Aufnahme von vegeta- bilen Ölen (Vitamin E) und Gemüse (Betakarotin) darstellen. Insofern können und wollen viele epidemiolo- gische Studien nur Hinweise, nicht aber Beweise liefern. Erst mit geziel- ten Interventionsstudien lassen sich die Wirkungsweisen einer der Einzel- substanzen oder ihrer Kombination näher untersuchen. In der im Diskussi- onsbeitrag erwähnten Ling-Xiang-Stu- die (1) handelt es sich allerdings nicht um eine epidemiologische Studien, sondern um eine Interventionsstudie, die in China durchgeführt wurde.

Wichtig ist, daß hier Kombinationen von Vitaminen eingesetzt wurden und

daß diese zu einer Reduktion der Ma- genkarzinom-Mortalität, der Gesamt- mortalität und besonders aber auch der Katarakt-Erkrankung geführt ha- ben. In diesem Zusammenhang sollte allerdings auch berücksichtigt werden, daß es sich bei dem Kollektiv dieser Studie um eine Gruppe handelte, bei der wegen einseitiger Ernährung ein Mangel gerade an antioxidativen Vita- minen anzunehmen war. Somit ist si- cherlich eine Übertragung auf eu- ropäische Verhältnisse problematisch.

In einer anderen, vor kurzem veröf- fentlichten Interventionsstudie (2) konnte jedoch der Wert einer Vitamin- E-Supplementierung eindrucksvoll belegt werden. So gelang es, bei 156 Männern im Alter von 40 bis 59 Jahren die Progression der Koronararterio- sklerose durch Supplementierung mit 100 I.E. Vitamin E über zwei Jahre sig- nifikant zu verringern. Gerade bei Ri- sikogruppen erscheint daher eine früh- zeitige Intervention mit Vitamin E ne- ben einer cholesterinsenkenden Diät eine sinnvolle Maßnahme zu sein. Die von Herrn Fulda zitierte Arbeit von Greenberg, ebenso wie die häufig zi- tierte Finnland-Studie (3) zeigen ex- emplarisch, daß Interventionsstudien oft die in der Grundlagenforschung ge- zeigten Zusammenhänge der Wir- kungsweisen von antioxidativen Vita- minen bei der Kanzerogenese nicht ausreichend berücksichtigen. Gerade für Betakarotin, welches in beiden Stu- dien als Interventionsagens eingesetzt wurde, ist wiederholt gezeigt worden, daß es vor allem in den frühen Phasen der Initiierung der neoplastischen Zel- le wirksam ist (4). In beiden Studien konnte jedoch nicht ausgeschlossen werden, daß bereits fortgeschrittene präkanzeröse Läsionen vorlagen, so daß der therapeutische Ansatz kaum geeignet war, hier eine präventive Wir- kungsweise des Betakarotin zu de- monstrieren. Zweifellos müssen mehr und größere Interventionsstudien an gezielten Risikogruppen unter Berücksichtigung der bekannten In- teraktionen antioxidativer Vitamine mit zellbiologischen Parametern durchgeführt werden, um den Stellen- wert einer frühzeitigen Primärpräven- tion zu evaluieren. Das Zitat bezüglich der ausgewogenen europäischen Ernährung ist möglicherweise mißver- standen worden. Der Hinweis der Au-

Schlußwort Toxikologische Bewertung

von Antioxidanzien

wünschenswert

(8)

toren, daß eine gut ausgewogene (eu- ropäische) Ernährung optimale Plas- maspiegel ermöglicht, ist so zu verste- hen, daß eine Ernährung, die in Euro- pa erhältlich ist und dann unter den später beschriebenen optimalen Ge- sichtspunkten (häufiger Gemüsever- zehr, Ersatz tierischer durch pflanzli- che Fette) eingesetzt wird, als präven- tive Ernährung aufgefaßt werden kann. Zweifellos ist auch der Hinweis, daß es kaum Personen gibt, die nicht oxidativem Streß unterliegen, wichtig;

allerdings ist gerade dies ein Ziel der Arbeit gewesen, darauf hinzuweisen, daß nur durch eine sehr gezielte Ver- änderung der Ernährung unter weitge- hender Vermeidung oxidativer Streß- situationen eine echte Primärpräventi- on erreicht werden kann.

Ad 2: Die Hinweise von Herrn Koch auf die möglichen Nebenwir- kungen sehr hoher Vitamin-E-Dosie- rungen sind durchaus berechtigt. Die Autoren haben daher in ihrem Arti- kel auch eine Grenze von 400 mg Vi- tamin E pro Tag bei Daueranwen- dung angegeben. Hierbei muß berücksichtigt werden, daß die oxida- tive Balance sowohl durch eine Zu- nahme an Oxidanzien als auch durch eine übermäßige Zufuhr an Antioxi- danzien ungünstig beeinflußt werden könnte. Aus diesen Gründen ist der Hinweis von Herrn Koch, daß toxiko- logisch-pharmakologische Untersu- chungen der Langzeitanwendungen von antioxidativen Vitaminen sinn- voll sind, zu unterstützen.

Antioxidative Vitamine sind, wenn man die Entwicklungen der Grundlagenforschung betrachtet, auf vielfältige Weise in den Schutz von Zellen und Geweben vor der Wirkung freier Radikale eingebunden. Mit

noch größeren oder aber noch raffi- nierteren epidemiologischen Studien ist uns zur Zeit bei der Beantwortung der Frage, ob einzelne Antioxidanzien einen Effekt in der Prävention haben, nur wenig gedient. Dies insbesondere, da gerade Studien, die Plasmawerte als Indikatoren für das relative Risiko verwenden, nur sehr bedingt eine Aussage zur Bedeutung einzelner an- tioxidativer Vitamine machen kön- nen. Es sollte berücksichtigt werden, daß der Betacarotin-Plasmawert durchaus ein Marker für den individu- ellen Gemüseverzehr sein kann, so wie der Vitamin. E-Plasmawert als Marker für die Aufnahme von pflanz- lichen Ölen. Insofern spiegeln epide- miologische Studien lediglich be- stimmte Ernährungsweisen wider.

Zwar sind die Hinweise aus diesen Studien wertvoll, sie können jedoch nicht dazu führen, die Rolle eines ein- zelnen Vitamins in der Prävention ge- zielt zu interpretieren. Hier können nur gezielt Interventionsstudien, die die Kenntnisse der Grundlagen- forschung berücksichtigen, weiterhel- fen. Für die Allgemeinbevölkerung scheint derzeit der Hinweis, daß eine Ernährung, die reich an pflanzlichen Bestandteilen ist, die auf tierische Fet- te weitgehend verzichtet und statt des- sen pflanzliche Öle einsetzt, am ehe- sten eine präventive Maßnahme dar- zustellen. Bei aller Euphorie, die dem vorbeugenden Gesundheitsschutz oft anhängt, darf jedoch nicht vergessen werden, daß in der Ernährung des Menschen Vitamindosierungen, wie sie durch Supplemente häufig unkri- tisch empfohlen werden, nicht vor- kommen und somit in ihrer Langzeit- wirkung nicht sicher zu kalkulieren sind. Aus diesen Gründen gehören

Vitamin-Supplemente in die Apothe- ke und nicht für jedermann in je- der beliebigen Dosis in die Kaufhaus- regale. Ein weiteres wichtiges Ziel eines sinnvollen, auf Ernährung ab- gestimmten vorbeugenden Gesund- heitsschutzes, der letztlich die bes- te Kostendämpfungsmaßnahme dar- stellt, muß sein, den Kenntnisstand der Mediziner, die bisher auf eine Ausbildung in Ernährung verzichten mußten, zu verbessern, um damit auch unter anderem den Umgang mit antio- xidativen Vitaminen in der Prävention wieder in kritische und informierte Hände zu legen.

Literatur

1. Blot WJ, Li J, Taylor PR, and Guo W: Nu- trition Intervention Trials in Linxian, Chi- na: Supplementation With Specific Vit- amin/Mineral Combinations, Cancer Inci- dence, and Disease-Specific Mortality in the general Population. J Natl Cancer Inst 1542-1553; 1993

2. Hodis HN, Mack WJ, LaBree L, Cashin- Hemphill L, Sevanian A, Johnson R and Azen Sp: Serial coronary angiographic evi- dence that antioxidant vitamin intake redu- ces progression of coronary artery athero- sclerosis. Journal of the American Medical Association 1995; 273: 1849–1854

3. The Alpha-Tocopherol, Beta Carotene Cancer Prevention Study Group. The effect of vitamin E and beta carotene on the inci- dence of lung cancer and other cancers in male smokers. N Engl J Med 1994; 330:

1029–1035

4. Santamaria LA and Santamaria AB: Can- cer chemoprevention by supplemental ca- rotenoids and synergism with retinol in ma- stodynia treatment. Med Oncol Tumor Pharmacother 1990; 7: 153–167

Für die Verfasser:

Prof. Dr. med.

Hans Konrad Biesalski

Institut für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaften Universität Hohenheim Fruwirthstraße 12 70593 Stuttgart

In einer Metaanalyse von 19 000 Patienten, die im Rahmen von klini- schen Studien zwei bis zwölf Wochen lang mit Omeprazol behandelt wor- den waren, lag die Inzidenz uner- wünschter Nebenwirkungen nicht höher als in einer Plazebogruppe.

Meist wird über Übelkeit, Erbrechen, Flatulenz, Durchfall, Obstipation und Kopfschmerz geklagt.

Die Autoren berichten über sechs Patienten, die unter einer Lang- zeittherapie mit Omeprazol über Mundtrockenheit klagten. Bei vier der sechs Patienten ließ sich eine re- versible Reduktion der Speichelpro- duktion nachweisen. Bei drei Patien- ten mit eingeschränkter Speichelpro- duktion fand sich Candida albicans, bei einem Staphylokokkus aureus im

Speichel, so daß spekuliert wird, ob die verminderte Speichelproduktion das Angehen opportunistischer Infek- tionen bei zahnlosen Patienten be-

günstigen kann. W

Teare JP, Spedding C, Whitehead MW, Greenfield SM, Challacombe SJ und Thompson RPH: Omeprazole and dry mouth. Scand J Gastroenterol 1995; 30:

216–218.

Dept. of Medicine, QEQM Wing, St.

Mary’s Hospital, London W2 1PG, Groß- britannien

Trockener Mund unter Omeprazol

Referenzen

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