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Archiv "Antioxidative Vitamine in der Prävention" (05.05.1995)

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MEDIZIN ZUR FORTBILDUNG

Antioxidative Vitamine

in der

Hans Konrad Biesalski* Prävention

Definition des oxidativen Streß

Schädigungen infolge Kurz- und/oder Langzeitstörung der Pro-/

Antioxidanzien Balance sind entweder zuungunsten der Antioxidation oder zugunsten der Prooxidation (9). Pro- oxidative Faktoren sind alle jene, die zu einer verstärkten Bildung von frei- en Radikalen oder anderen reaktiven Sauerstoffverbindungen beitragen.

Hier können sowohl zelluläre Mecha- nismen (Defekte der mitochondrialen Atmung, spezielle Enzyme) als auch exogene (inhalierendes Rauchen, Medikamente) beitragen. Das primä- re Ziel zum Erreichen der oxidativen Balance ist die Verringerung der prooxidativen Faktoren, insbesonde- re des Rauchens, das sekundäre eine adäquate Anpassung der Zufuhr von Antioxidanzien. Antioxidative Fakto- ren sind endogen vorhandene Schutz- systeme einerseits Enzyme, spezielle Proteine und Thiole wie Glutathion und (andererseits) die durch exogene Zufuhr aufgenommenen Substanzen (Vitamin E, C, Carotinoide, Flavonoi- de, Polyphenole und möglicherweise andere Nahrungskomponenten, und andere) welche die Wirkung prooxi- dativer Faktoren vermindern. Wäh- rend die endogenen antioxidativen Faktoren (zum Beispiel Enzyme) nur bedingt in ihrer Wirksamkeit verän- dert werden können (beispielsweise durch Zufuhr von Spurenelementen wie Selen, Zink und von induzieren- den Substanzen), ist die Wirksamkeit des exogenen antioxidativen Systems weitgehend von der Aufnahme ab- hängig.

Beide Systeme sichern den indi- viduell notwendigen Schutz vor oxi- dativem Streß.

In einer Vielzahl epidemiologischer Studien wurde gezeigt, daß ein hoher Obst- und Gemüseverzehr mit einem vergleichsweise geringen Tumor- und Herz-Kreislaufrisiko assoziiert ist. Es fehlt derzeit eine kausale Erklärung für diesen epidemiologischen Befund. Eine wichtige Rolle spielt aber wahrschein- lich der hohe Gehalt vieler pflanzlicher Lebensmittel an antioxidativ wirken- den Nährstoffen, insbesondere den Vit- aminen C, E und den Carotinoiden. Vie- le Fragen zum Wirkmechanismus und besonders zur optimalen Zufuhr an an- tioxidativen Nährstoffen sind noch of- fen. Auf der Basis des derzeitigen Wis- sensstandes bearbeitete praktische Ratschläge für die erwachsene Bevöl- kerung werden vorgelegt. Diese bezie- hen sich auf die Primärprävention durch Ernährung bei gesunden Erwach- senen und stellen eine Ergänzung des 1990 im Deutschen Ärzteblatt erschie- nenen Artikels dar.

Definition der

antioxidativen Kapazität

Die antioxidative Kapazität ist ei- ne individuelle Größe. Sie ist definiert als die Summe der endogen und exo-

Institut für Biologische Chemie und

Ernährungswissenschaften (Geschäftsführen- der Direktor: Prof. Dr. med. Hans Konrad Bie- salski) der Universität Hohenheim

gen verfügbaren Abwehrmechanis- men, die die oxidative Balance sichern.

Die Aktivität der endogenen antioxi- dativen Mechanismen kann sich be- grenzt an Veränderungen des oxidati- ven Streß anpassen. Die Aktivität des exogenen Systems hängt dagegen im wesentlichen von der individuellen Aufnahme an Antioxidanzien ab.

Wirkungsweise antioxidativer Substanzen?

Antioxidative Substanzen ver- mindern den Grad des oxidativen Streß. Damit helfen sie, die physiologi- schen Zellfunktionen aufrecht zu er- halten. Die Wirkungsweisen der anti- oxidativen Substanzen sind vielfältig und noch nicht in allen Bereichen auf- geklärt. Zwar sind für jeden einzelnen der antioxidativen Nährstoffe und Nahrungsbestandteile spezielle Wir- kungsmechanismen bekannt; jedoch sichert erst ihre gemeinsame Zufuhr in adäquatem Verhältnis ihr komple- xes Zusammenspiel. Weitere For- schung ist dringend notwendig, um die vielfältigen Wirkungen und Inter- aktionen antioxidativer Vitamine un- tereinander und mit anderen Nah- rungsbestandteilen (Resorption, Ver- teilung, zelluläre Wirkung, Synergis- men und Antagonismen) zu verstehen.

Schutzfunktion

antioxidativer Vitamine

Es gibt eine Vielzahl von Studien, die zeigen, daß antioxidative Vitamine in einer adäquaten Konzentration den oxidativen Schaden verringern kön- nen (5, 10). In-vitro-Studien zeigen sowohl eine direkte Einschränkung

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oxidativer Schädigungen an Membra- nen oder subzellulären und extrazel- lulären Kompartimenten, beispiels- weise Lipoproteinen ( 4), als auch die Verhinderung sekundärer durch oxi- dative Veränderung ausgelöster Ef- fekte wie Störungen der Zellfunktio- nen, der Membranpermeabilität und mutagener Effekte.

Bedeutung der

ln-vitro-Studien für den Menschen

Effekte der Vitamine E und C am Menschen sind nachweisbar, die auf der Grundlage der in vitro erhobenen antioxidativen Eigenschaften interpre- . tiert werden können. Für Carotinoide

finden sich besonders im Falle des Betacarotin Hinweise darauf, daß die in vitro nachgewiesenen protektiven Eigenschaften (Singulett-Sauerstoff- Quenching und andere) auch in vivo von Bedeutung sind. Dies bedeutet je- doch nicht, daß nur die bisher in vitro nachgewiesenen antioxidativen Eigen- schaften dieser Nährstoffe für ihre Wirkungsweise verantwortlich sind.

Weitere Effekte könnten sich aus Inter- aktionen oder Stoffwechselprodukten ergeben.

Dies gilt für neuere Aspekte der Antioxidanzienwirkung, wie bei- spielsweise dem Einfluß auf das Im- munsystem oder auf Vorgänge der Genexpression. Insbesondere ist für die Wirkung die Verteilung der ein- zelnen Vitamine und damit deren zel- luläre Verfügbarkeit von Bedeutung.

Epidemiologische Belege der präventiven Wirkung

Es gibt epidemiologische Belege für primär präventive Effekte antioxi- dativer Vitamine bei kardiavaskulären Erkrankungen und Neoplasmen (3, 5 bis 7, 11, 12, 14). Epidemiologische Studien weisen darauf hin, daß eine Ernährung mit suboptimalem Anteil an Antioxidanzien, die zwar aus- reicht, um einen klassischen Mangel zu verhüten, dennoch die Morbidität und Mortalität bei diesen Erkrankun- gen deutlich erhöht. Diese Schlußfol- gerungen stammen aus Studien, die (retrospektiv oder prospektiv) entwe-

ZUR FORTBILDUNG

der die Zufuhr antioxidativer Vitami- ne ermittelt haben, oder die eine Be- ziehung zwischen suboptimalen Plas- mawerten der antioxidativen Vitami- ne und erhöhter Mortalität zeigen (1, 5 bis 7, 11, 12, 14).

Die Präventiveffekte scheinen al- lerdings auch eine anderweitig ad- äquate Ernährung oder die gleichzei- tige "Optimierung" anderer Vitamine vorauszusetzen.

Daher hat auch die FDA (Food and Drug Administration) bestätigt, daß eine Ernährung, die reichlich Betacarotin und Vitamin E enthält

Tabelle 1: Angenommene optimale Plasmakonzentration antioxidativer Vitamine

a.-Tocopherol > 30 Jlmol/1* Vitamin C > 50 Jlmol/1 Betacarotin > 0,4 Jlmol/1

*Lipidkorrigiert auf220 mg/dl Chole- sterin und 110 mg/dl Triglyzeride bezie- hungsweise a-Tocopherol!Cholesterin

> 5,1 bis 5,2 f!MlmM.

(aus Früchten, Gemüsen und geeig- neten Pflanzensorten), das Krebsrisi- ko vermindert. Betacarotinreich sind Karotten und alle gelb- und tiefgrü- nen Blattgemüse (oft zusammen mit Vitamin C). VitaminE findet sich vor allem in "geeigneten" pflanzlichen Ölen und in speziellen Mayonnaisen.

Plasmakonzentration als Indikator der antioxidativen Vitaminzufuhr

Plasmakonzentrationen, die als Maß für primäre Prävention bei ge- sunden Erwachsenen angesehen wer- den, setzen im wesentlichen eine aus- reichende Aufnahme voraus, die durch Ernährung erreichbar sein soll- te.

Optimale Plasmakonzentratio- nen sind "Zielgrößen", abgeleitet nach dem derzeitigen Stand von pro- spektiven Studien und Fallstudien so- wie anhand von Ländervergleichen mit großen Kollektiven von Proban- den (Basel-Studie, US-Health Profes- sionals-Study, NHANES, Edinburgh- A-1318 (58) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 18, 5. Mai 1995

Angina-Fallstudie, Vitamin-Substu- die des WHO-MONICA-Projektes (5 bis 7). Bei Erreichen dieser Schwel- lenwerte ist das relative Risiko von Erkrankungen wie koronarer Herz- krankheit und bestimmten neoplasti- schen Erkrankungen gering, soweit diese auf einem suboptimalen Anti- oxidanzienstatus beruhen (Tabelle 1).

Der aus der Aufnahme antioxi- dativer Vitamine resultierende Plas- maspiegel wird stark durch zusätzli- che Faktoren beeinflußt (5, 7):

..,.. Ernährung (Zubereitung, Fettgehalt, Art der Fette - gesättigt/

ungesättigt),

..,.. homöostatische Regulations- mechanismen,

..,.. Andere Einflußgrößen, wie beispielsweise individueller Lebens- stil oder Rauchen.

Es besteht eine Beziehung zwi- schen hohen Plasmawerten und gerin- gerer Morbidität für koronare Herz- krankheit und bestimmte neoplasti- sche Erkrankungen. Es kann ange- nommen werden, daß die Plasmakon- zentrationen den für die Prävention dieser Erkrankungen notwendigen individuellen Vorsorgungszustand hinreichend widerspiegeln: Plasma- werte, die etwa 25 bis 30 Prozent un- ter den präventiven Schwellenwerten liegen, sind mit einer statistischen Verdopplung des Risikos assoziiert (5 bis 7).

Zusätzliche biochemische und funktionelle Meßgrößen des antioxi- dativen Systems sind noch zu erarbei- ten, um insbesondere Risikogruppen mit erhöhtem Bedarf gerrauer definie- ren zu können.

Biochemische Analyse der oxidativen lmbalance

Zum jetzigen Zeitpunkt werden überwiegend die Plasmakonzentratio- nen als Indikator eines erhöhten Krankheitsrisikos herangezogen. Indi- katoren einer krankheitsspezifischen oxidativen Imbalance müssen jedoch noch erarbeitet werden.

Krankheitsspezifische Marker für oxidative Imbalance sollten Hin- weise über Störungen des antioxidati- ven Systems geben und assoziativ oder kausal mit der Erkrankung in Beziehung stehen.

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Tabelle 2: Tägliche Vitaminaufnahme durch Nahrungsmittel zur Optimierung des Plasmaspiegels bei gesunden Er- wachsenen, die keinem speziellen oxi- dativen Streß unterliegen.

Vitamin C etwa 75 bis 150 mg Vitamin E etwa 15 bis 30 mg Betacarotin etwa 2 bis 4 mg

MEDIZIN

Es werden zwar verschiedene Schädigungsparameter verwendet, wie zum Beispiel der Nachweis von Lipidhydroperoxiden oder die Be- stimmung von 8-Hydroxy-Desoxy- guanosin (als Marker für Schädigun- gen an der DNA), ein direkter kausa- ler Zusammenhang zwischen einer Erkrankung und dem Auftreten sol- cher Schädigungsparameter ist jedoch bisher nicht sicher gezeigt worden.

Insbesondere erscheint es für die Prävention wichtig, über Parameter zu verfügen, die Hinweise auf ein in- dividuelles Risiko geben, um somit Empfehlungen über eine Steigerung des antioxidativen Schutzes durch spezifische Maßnahmen geben zu können. Daher ist die Erarbeitung spezifischer Marker ein momentan dringendes und wichtiges For- schungsziel.

Risiko hoher Dosen

Obwohl für Vitamine E und C keine Berichte vorliegen, die für hohe Dosen (Vitamin E mehr als 600 IE/d, Vitamin C mehr als 1 g/d) uner- wünschte Nebenwirkungen zeigen, sollten wegen fehlender präventiver Langzeitstudien Dosierungen von Vit- amin E mit mehr als 400 IE/d und Vit- amin C über 1 g/d über längere Zeit zur Prävention zunächst nur in ent- sprechend kontrollierten Studien ein- gesetzt werden.

In großen epidemiologischen Stu- dien über mehrere Jahre hat sich eine tägliche Aufnahme durch Ernährung von Betacarotin bis zu 10 mg als unbe- denklich erwiesen. Weitere Forschung ist jedoch notwendig, um die Sicher- heit höherer Dosierungen in Kombi- nations- und Einzelpräparaten über längere Zeit in unterschiedlichen Al- tersklassen zu evaluieren.

Die Unbedenklichkeit der unten empfohlenen physiologischen Dosen läßt sich aus epidemiologischen Studi- en ableiten. Bei mehrjähriger Supple- mentierung von etwa 60 bis 400 IE Vitamin E traten keine auffälligen Nebeneffekte auf. Aus den vorhande- nen Interventionsstudien läßt sich ab- leiten, daß auch eine Dosierung von mehr als 10 mg Betacarotin pro Tag als unbedenklich angesehen werden kann, sofern Plasmakonzentrationen

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von größer/gleich 3,0 umo1/1 nicht langfristig überschritten werden. Im Falle von Supplementierungen sollte ein ausgewogenes Verhältnis der drei antioxidativen Vitamine angestrebt werden. Es wird das Verhältnis von Vitamin E zu Vitamin C zu Betacaro- tin als 1 : 2 : 0,1 vorgeschlagen (bezie- hungsweise 30 mg Vitamin E zu 60 mg Vitamin C zu 3 mg Betacarotin).

Die kürzlich veröffentlichten Er- gebnisse einer in Finnland durchge- führten prospektiven Studie an Rau- chern (11) zur Frage des protektiven Effektes von Vitamin E und Betaca- rotin ergaben Hinweise darauf, daß

höhere Dosen einer besonders gut re- sorbierbaren Form von Betacarotin (20 mg,/Tag), über lange Zeit (fünf Jahre) eingenommen, das (möglicher- weise) Tumorrisiko bei Rauchern steigern. Dabei traten Plasmakonzen- trationen von 3 bis 10 !Imola (Mittel 5,6 umo1/1) auf. Obwohl bisher weder tierexperimentelle Studien noch Un- tersuchungen an Menschen Hinweise auf Negativeffekte hoher Betacaro- tindosen beziehungsweise Plasma- konzentrationen ergaben, muß auf- grund dieses Ergebnisses die Unbe- denklichkeit hoher Betacarotindosen bei starken Rauchern in Frage gestellt werden.

Das Design der Finnland-Studie erscheint allerdings nicht geeignet, daß Potential von zwei antioxidativen Vitaminen (Betacarotin und Vitamin E) zur Primärprävention zu prüfen.

Insbesondere handelt es sich wegen des späten Zeitraums der Supplemen- tierung in Anbetracht der bekannt langen Entwicklungszeiten des Lun- genkarzinoms nicht um eine Studie zur Primärprävention, da die Testsub- stanz bei relativ alten chronischen Rauchern (mit erheblichem Risiko durch Langzeitnikotinabusus [mögli- cherweise Cancer in situ]) verabreicht

wurde. Die primär präventive Wir- kung des Betacarotin auf präkanzerö- se Entwicklungen oder Krebsvorstu- fen (Micronuklei, Dys- und Metapla- sien) ist in epidemiologischen Studien gut belegt. Eine therapeutische Wir- kung auf Neoplasmen konnte jedoch nicht beobachtet werden. Klarheit über die zur Zeit kontrovers disku- tierten Resultate ist erst von weiteren Auswertungen und nach Abschluß von anderen zur Zeit noch laufenden Interventionsstudien zu erhoffen.

Insbesondere ist auch zu prüfen, ob nicht die einseitige Supplementie- rung unter Vernachlässigung bekann- ter Interaktionen mit anderen Vitami- nen, wie zum Beispiel Vitamin C, wel- ches für die Regenerierung des Vit- amin E von Bedeutung ist, zu Ergeb- nissen führt, die auf der Grundlage des bekannten Wissens nicht mehr zu interpretieren sind. Die primär präventiven Effekte antioxidativer Nährstoffe im allgemeinen und anti- oxidativer Vitamine und Carotinoide im besonderen lassen sich sicherlich nicht an einem Hochrisikokollektiv kurz vor Auftreten schwerer risikoas- soziierter Krankheiten prüfen, da in diesem Fall von einer Primärpräventi- on kaum noch gesprochen werden kann.

Optimaler Plasmaspiegel

Eine gut ausgewogene (europäi- sche) Ernährung ermöglicht eine täg- liche Vitaminaufnahme, die zu einer Optimierung des Plasmaspiegels bei gesunden Erwachsenen führt, die kei- nem speziellen oxidativen Streß un- terliegen (Tabelle 2).

Es können nur Bereiche angege- ben werden, da die Reaktion der Plas- makonzentration auf eine gegebene Zufuhr individuell variiert und da hierfür breiter angelegte Studien zu Zufuhr und resultierenden Plasma- spiegeln fehlen.

Bei regelmäßigem Verzehr von rohem Obst, insbesondere Zitrus- früchten, ist die Zufuhr von 75 bis ma- ximal 150 mg Vitamin C gewährlei- stet. Nach der bundesdeutschen VERA-Studie (13) verzehren jedoch 10 bis 15 Prozent der Männer und 15 Prozent der Frauen selten Obst und Gemüse; das gleiche gilt für Raucher

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MEDIZIN

und Personen mit chronischem Alko- holabusus. Bezüglich der Zufuhr gilt ähnliches für Betacarotin, wobei eine Steigerung der Gemüsezufuhr (insbe- sondere tiefgrüne und orangefarbene Gemüsesorten) von bisher im Bun- desdurchschnitt 120 g auf etwa 200 bis 250 g pro Tag die empfohlenen Zu- fuhrbereiche sichern kann.

15 bis 30 mg Vitamin E können realisiert werden (13). Dies erfordert jedoch die Zufuhr von Pflanzenölen, in welchen das Verhältnis von Vit- amin E (a-Tocopherol) zu hochunge- sättigten Fettsäuren relativ hoch ist (2); die primäre Aufgabe von Vit- amin E in diesen Ölen ist der Schutz dieser hochungesättigten Fettsäuren vor Peroxidation. Empfehlenswert sind Weizenkeimöl mit etwa 175 mg Vitamin E als a-Tocopherol pro 100 g sowie Sonnenblumen- und Olivenöl (extra virgine, kaltgepreßt). Weitere in unserer Ernährung wichtige Vit- amin-E-Quellen sind Margarine, aber auch Mayonnaiseprodukte. Es ist also zu berücksichtigen, daß die natürliche Vitamin-E-Zufuhr vorwiegend über die Zufuhr von Fett erfolgt, da Obst und Gemüse nur begrenzt Vitamin E (1 bis 10 mg pro 100 g) enthalten. Dies bedeutet jedoch keinesfalls eine Auf- forderung zur Steigerung der Fettzu- fuhr. Vielmehr kann durch eine Mini- mierung tierischer Fette und Ersatz durch pflanzliche Öle das Ziel einer guten Vitamin-E-Versorgung bei ei- ner Fettzufuhr, die nur 30 Prozent oder weniger der Gesamtenergie be- trägt, erreicht werden. Geprüft wer- den muß künftig in diesem Zusam- menhang, inwieweit verschiedene Fleischsorten über die Fütterung der Tiere stärkere Vitamin-E-Konzentra- tionen enthalten, als bisher angenom- men wurde. Insgesamt erfordert eine adäquate, kontinuierliche Vitamin-E- Zufuhr im vorgeschlagenen Rahmen eine gute Kenntnis des Vitamin-E- Gehaltes von Lebensmitteln.

Wenn man sich die verschiede- nen publizierten Zusammensetzun- gen der Nahrungsmittel mit adäqua- ten modernen Meßtechniken hin- sichtlich ihres a-Tocopherol-Gehaltes kritisch betrachtet, so erscheint eine tägliche Zufuhr von 30 mg a-Toco- pherol allerdings nur schwer möglich.

Fraglich ist allerdings, ob die Analy- sen, die meist in der Zeit zwischen

ZUR FORTBILDUNG

1965 bis 1975 gemacht wurden, dem gegenwärtigen Stand entsprechen. Es wäre dringend notwendig, die im Handel befindlichen pflanzlichen Öle und Nahrungsmittel, insbesondere auch industriell modifizierte, hinsicht- lich ihrer Vitamin-E-Gehalte zu un- tersuchen. Fehler in den Bestimmun- gen und Berechnungen können mög- licherweise erklären, warum in Öster- reich, der Schweiz und Deutschland trotz scheinbar nicht ausreichender Vitamin-E-Zufuhr über die Ernähr- ung (etwa 12 bis 15 mg laut VERA- Studie) dennoch präventive Plasma- spiegel erreicht werden (13), während in England bei scheinbar gleicher be- rechneter Vitamin-E-Aufnahme nur suboptimale Vitaminwerte (a-Toco- pherol/Cholesterin etwa 4,5) resultie- ren (7). Amerikanische Beschäftigte im Gesundheitswesen, die eine Fett- und Vitamin-E-arme Diät konsumier- ten, benötigten Vitamin-E-Supple- mente von etwa 45 bis 60 mg a-TÄ*) täglich (die genauer zu berechnen sind, als die geringen Vitamin-E- Mengen in der Nahrung), um die er- wünschten Plasmaspiegel von Vit- amin-E zu erreichen und ihr diesbe- zügliches koronares Risiko si- gnifikant zu vermindern (1, 14).

Bei der Beurteilung der Versor- gung mit Vitamin E ist auch zu berücksichtigen, daß die Bestimmung der Plasmaspiegel mittels chromato- graphischer Verfahren deutliche Ab- weichungen von Labor zu Labor zei- gen kann. Hinzu kommt, daß oft nicht die notwendige Lipidkorrektur (Be- ziehung des Vitamin E auf Plasmalipi- de oder Cholesterol) durchgeführt wird. Es sind daher weitere Studien notwendig, die die Verteilung der Höhe der Plasmaspiegel in der Bevöl- kerung mit hinreichender Sicherheit

*) a-Tocopherol-Äquivalente. Der Begriff Vit- amin E gilt als Sammelbezeichnung für alle natürlich und synthetischen Tokol und To- kotrienolderivate, die qualitativ die biologi- sche Aktivität von RRR-a-Tocopherol zeigen.

Um den verschiedenen Verbindungen mit Vit- amin-E-Aktivität Rechnung zu tragen, wird als Referenzsubstanz für diätetische Zwecke a-Tocopherol verwendet und die Vitamin-E- Aktivität in Milligramm a-Tocopherol- Äqui- valenten angegeben. Sojaöl beispielsweise ent- hält 700 bis 1200 mg Gesamttocopherol/kg und scheint damit eine gute Quelle für Vitamin E zu sein, dabei ist allerdings zu bedenken, daß das biologisch wichtige a-Tocopherol nur 3 bis 11 Prozent der Gesamttocopherole ausmach- te, der Rest entfällt auf das biologisch prak- tisch inaktive y- und 8-Tocopherol.

ermitteln, um somit eine Beziehung zur Zufuhr des Vitamins E mit größe- rer Genauigkeit herstellen zu können.

Angaben über die notwendige Zufuhr zum Erreichen der „präventi- ven Plasmaspiegel" gelten für die Mehrzahl aller gesunden, durch oxi- dativen Streß nicht speziell belasteten Erwachsenen (Nichtraucher) bis 65 Jahre. Diese können durch eine geziel- te Ernährung erreicht werden. Es gibt Gruppen mit erhöhtem Bedarf (Perso- nen mit starker Streßbelastung, Rau- cher, Schwangere, Stillende). Zigaret- tenraucher haben einen Mehrbedarf an Vitamin C (etwa 50 bis 100 mg) und Betacarotin, möglicherweise auch an anderen Antioxidanzien wie Vitamin E (1, 5, 7, 8).

Obwohl exakte Daten fehlen, muß davon ausgegangen werden, daß der Bedarf auch bei chronisch-ent- zündlichen Erkrankungen gesteigert ist. Die Resorption von Vitamin E und Carotinoiden kann bei gastroen- terologischen Erkrankungen, insbe- sondere der exkretorischen Pankreas- insuffizienz, partieller und totaler Gastrektomie und bei Dünndarmer- krankungen eingeschränkt sein. Es gibt Hinweise, daß Patienten mit zy- stischer Fibrose, instabilem Diabetes oder chronischen Atemwegserkran- kungen möglicherweise ebenfalls Störungen in der Vitamin-E- und -C- Bilanz und damit unter Umständen sekundär eine Verschlechterung des Antioxidanzienstatus haben können.

Ebenso haben operative Eingrif- fe mit Reperfusionssituationen (wie koronarer Bypass) eine Erhöhung des Bedarfs zur Folge.

Angereicherte Lebensmittel be- ziehungsweise Supplemente sind dann indiziert, wenn sich eine gezielte Ernährung nicht dauerhaft realisieren läßt. Um dem Verbraucher Hinweise für eine gezielte Ernährung bezüglich der antioxidativen Vitamine geben zu können, ist verstärkte Aufklärung notwendig. Hier muß besonders dar- auf hingewiesen werden, daß tierische Fette zwar aus guten Gründen durch pflanzliche Öle ersetzt werden soll- ten, daß aber die positive Wirkung dieser Fettsäuren von einem ausrei- chenden Schutz durch Vitamin E ab- hängig zu sein scheint. Daher sollten pflanzliche Öle mit hohem Nettoge- halt an Vitamin E (Weizenkeim-, Son- A-1320 (60) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 18, 5. Mai 1995

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nenblumen-, Olivenöl) solchen mit geringem Netto-Vitamin-E-Gehalt (zum Beispiel Distel-, Mais, Rübsa- men-, Traubenkern- und Sojaboh- nenöl) vorgezogen werden. Weiterhin soll wegen des hohen Gehaltes an Ca- rotinoiden, phenolischer Antioxidan- zien, Spurenelemente, B-Vitaminen und Ballaststoffen eine Steigerung der Zufuhr von vegetabilen Nah- rungsbestandteilen insbesondere tief- grünen und orangenen Gemüsen und Obstsorten empfohlen werden. Die derzeit tägliche Aufnahme von etwa 120 g Gemüse pro Tag muß minde- stens verdoppelt werden, damit eine präventiv wirksame Aufnahme ver- gleichbar der in Ländern wie Süditali- en und Portugal erreicht wird.

Eine Steigerung der Antioxidan- zienzufuhr stellt allerdings keine Kom- pensationsmaßnahme für einen „un- gesunden Lebenswandel" dar. Die Er- höhung der Aufnahme von Antioxi- danzien ist darüber hinaus nur sinn- voll, wenn die oxidative Balance trotz weitestgehender Verminderung der prooxidativen Faktoren nicht wieder-

hergestellt werden kann.

Dies bedeutet, daß die Korrektur einer suboptimalen Antioxidanzien- zufuhr bei Gesunden wie auch bei Ri- sikogruppen nur dann eine echte präventive Maßnahme darstellt, wenn gleichzeitig eine Minderung der pro- oxidativen Risikofaktoren verwirk- licht wird.

Resümee

Die Autoren sind sich bewußt, daß zur Aufklärung möglicher präventiver Wirkungen von antioxi- dativen Vitaminen im Hinblick auf degenerative und neoplastische Er- krankungen noch ein großer For- schungsbedarf besteht. Intensiv nach- gegangen werden muß auch den Hin- weisen, daß antioxidative Vitamine bei einer Vielzahl anderer Erkran- kungen (M. Alzheimer, M. Parkinson, Diabetes, chronische und akute Ent- zündungen, Atemwegserkrankungen, Reperfusionssyndrom) eine entschei- dene Rolle spielen können. Ziel einer präventionsorientierten medizini- schen Forschung muß es sein, geeig- nete Maßnahmen zu entwickeln, die einen wesentlichen Beitrag zum Ge-

ZUR FORTBILDUNG / FÜR SIE REFERIERT

samtkonzept der Prävention liefern können.

Obwohl hinsichtlich Wirkungs- weise und optimaler Dosierung von antioxidativen Nährstoffen und Nah- rungsbestandteilen noch Unsicher- heiten bestehen, sollte gerade wegen der Unbedenklichkeit bei richtiger Dosierung auf eine frühzeitige Ver- meidung einer inadäquaten niedrigen Antioxidanzienzufuhr verstärkt hin- gewiesen werden, wobei auch wegen anderer günstiger Effekte der emp- fohlenen Nahrungsmittel einer Zu- fuhr durch Ernährung gegenüber Supplementierung eindeutig der Vor- zug zu geben ist.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1995; 92: A-1316-1321 [Heft 18]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

*Der vorstehende Beitrag wurde verfaßt von den Teilnehmern des Hohenheimer Konsensusgesprächs „Antioxidative Vitamine in der

Prävention"

Prof. Dr. med. Hans Konrad Biesalski, Univ. Hohenheim Prof. Dr. med. Hans Böhles, Univ. Frankfurt

Prof. Dr. Hermann Esterbauer, Univ. Graz, Österreich Prof. Dr. Dr. Peter Fürst, Univ. Hohenheim

Prof. Dr. med. K. Fred Gey, Univ. Bern, Schweiz

Prof. Dr. med. Heinrich Kasper, Univ. Würzburg

Prof. Dr. med. Helmut Sies, Univ. Düsseldorf

Dr. med. John Weisburger,

American Health Foundation, USA Frau Dr. med. Gabriele Hundsdörfer, Bundesministerium für Gesundheit

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med.

Hans Konrad Biesalski

Institut für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaften

Universität Hohenheim

Fruwirthstraße 12 70593 Stuttgart

Was muß bei der Helicobacter-pylori- Sanierungstherapie beachtet werden?

Zwischenzeitlich hat sich die Helicobacter-pylori-Eradikation als die langfristig kostengünstigste The- rapiemaßnahme herausgestellt und beim peptischen Ulkus weitgehend durchgesetzt.

Die Autoren haben ihre Erfah- rungen bei 423 Helicobacter-pylori- Sanierungen mit Hilfe neuer Zweier- kombination (Omeprazol + Amoxy- cillin) in elf prospektiven Studien im Hinblick auf Risikofaktoren, die den Therapieerfolg negativ beeinflussen, analysiert.

Die Eradikationsrate betrug im Durchschnitt immerhin 76 Prozent.

Eine ungenügende Compliance, eine kurze Therapiedauer, Rauchen und Omeprazol-Vorbehandlung er- wiesen sich als negative Prädiktoren.

Während hohes Alter, hohe Aktivität der Helicobacter-pylori-Gastritis und Ulkus ventriculi sich als positive Prä- diktoren erwiesen.

Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß bei einem Ulkus-duode- ni-Patienten, der jünger als 40 Jahre ist und der raucht, statt zweimal 20 Milligramm Omeprazol, zweimal 40 Milligramm Omeprazol in Verbin- dung mit zweimal 1 Gramm Amoxy- cillin eingesetzt werden sollten. W

Labenz J, Leverkus F, Börsch G: Ome- prazole plus Amoxycillin for Cure of Helicobacter-pylori-Infection. Factors In- fluencing the Treatment Success. Scand J Gastroentero11994; 29: 1070-1075.

Abteilung für Innere Medizin, Elisabeth- Krankenhaus, Moltkestr. 61, 45138 Es- sen.

Referenzen

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