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Archiv "Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz: Der Zusatznutzen ist belegt" (28.06.2013)

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A 1296 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 26

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28. Juni 2013

P O L I T I K

ARZNEIMITTELMARKTNEUORDNUNGSGESETZ

Der Zusatznutzen ist belegt

Etwa jedes fünfte neue Arzneimittel ist eine echte Innovation, und die Krankenkassen haben 120 Millionen Euro gespart. Zweieinhalb Jahre nach

Inkrafttreten des AMNOG ziehen die beteiligten Akteure eine erste Bilanz.

S

elten wurde ein Gesetz so einhellig gelobt wie dieses.

Es sei ein „Riesenerfolg“, jubelte der GKV-Spitzenverband vor kur- zem. Mit der Einführung der frühen Nutzenbewertung habe der Gesetz- geber „die richtige Entscheidung getroffen“, befand der unpartei - ische Vorsitzende des Gemeinsa- men Bundesausschusses (G-BA), Josef Hecken. Und selbst der poli - tische Gegner, in Gestalt des ge- sundheitspolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Prof. Dr. med. Karl Lauterbach, hat nichts auszusetzen:

Es sei „eine der wenigen sinnvollen Regelungen dieser Regierung“.

Gemeint ist das Arzneimittel- marktneuordnungsgesetz, kurz AMNOG, das seit Anfang 2011 für alle neuen Arzneimittel eine frühe Nutzenbewertung vorschreibt. Bei dieser muss der Hersteller einen Zusatznutzen seines Medikaments im Vergleich zu einer sogenannten zweckmäßigen Vergleichstherapie belegen, also zum bisherigen The- rapiestandard im jeweiligen An- wendungsbereich. Erst wenn der G-BA einen solchen Zusatznutzen festgestellt hat, darf der Hersteller mit dem GKV-Spitzenverband ei- nen Preis für das neue Arzneimittel aushandeln – genauer: einen Zu- schlag auf den Preis der zweckmä- ßigen Vergleichstherapie.

Bislang hat der G-BA seit Ein- führung des AMNOG 42 frühe Nutzenbewertungen durchgeführt (Stand: 6. Juni 2013). Sieben Arz- neimitteln wurde dabei ein be- trächtlicher, 14 weiteren ein gerin- ger Zusatznutzen zugesprochen.

Acht Arzneimittel hatten dem G-BA zufolge keinen Zusatznutzen, zwei weitere ohne Zusatznutzen wurden direkt einer Festbetrags- gruppe mit vergleichbaren Wirk- stoffen zugeordnet. Bei vieren war ein Zusatznutzen nicht quantifizier- bar, und bei sieben waren die Nach- weise unvollständig.

60 Prozent sind Innovationen „Man kann das positiv sehen und sagen: 60 Prozent der Produkte hat- ten einen Zusatznutzen und waren damit Innovationen“, sagte Hecken Anfang Juni auf dem Hauptstadt- kongress in Berlin. Allerdings seien nur 17 Prozent echte Innovationen mit einem beträchtlichen Zusatz- nutzen gewesen. Er wies darauf hin, dass vier dieser echten Innovatio- nen Onkologika gewesen seien, und äußerte sich in diesem Zusam - menhang besorgt darüber, „dass bei der Nutzenbewertung zu sehr auf die Verlängerung der statistischen Überlebensdauer geschaut wird und zu wenig auf die Lebensqualität der betroffenen Patienten“.

Hecken benannte auch einen zweiten Bereich, den man genau beobachten müsse: Arzneimittel zur Behandlung seltener Krankheiten, sogenannte Orphan Drugs, würden häufig bereits auf der Basis von Phase-II-Studien zugelassen, bei denen nur wenige Hundert Patien- ten mit dem neuen Medikament behandelt würden. Auf diese Weise könnten die betroffenen Patienten das Medikament schnell erhalten und müssten nicht auf den Ab- schluss von Phase-III-Studien war- ten, sagte der G-BA-Vorsitzende.

„Das ist vom Grunde her richtig.

Wir müssen danach aber sehr genau darauf achten, welche Nebenwirkun- gen in der Folge auftreten und auch, wie sich die Anzahl der Orphan Drugs entwickelt.“ Der G-BA gebe bei diesen Arzneimitteln in jedem Fall nur befristete Beurteilungen ab und fordere von den Herstellern, Studien über die Nebenwirkungen nachzureichen.

Für Arzneimittel mit einem Zu- satznutzen beginnen nach der frü- hen Nutzenbewertung die Preisver- handlungen. Bislang hat der GKV- Spitzenverband mit den Herstellern in 21 Fällen einen Erstattungsbetrag ausgehandelt (Stand: 30. Mai 2013).

In 17 Fällen konnten sich die Ver- handlungspartner dabei selbst auf einen Preis einigen, in vier Fällen

Foto: Creatix/Fotolia

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Deutsches Ärzteblatt

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28. Juni 2013 A 1297 musste die Schiedsstelle entschei-

den. Vier der Hersteller, deren Arz- neimitteln kein Zusatznutzen zuge- sprochen worden war, haben zudem den sogenannten Opt-out gewählt und ihre Medikamente in Deutsch- land vom Markt genommen.

120 Millionen Euro eingespart Bislang seien durch die Preisver- handlungen etwa 120 Millionen Euro eingespart worden, schätzte der stellvertretende Vorstandsvor- sitzende des GKV-Spitzenverban- des, Johann-Magnus von Stackel- berg, Ende Mai. Viel wichtiger als die reine Kostenersparnis sei je- doch, dass Hersteller für Analog- präparate heute keine hohen Preise mehr verlangen könnten. In einem Fall habe der Verband sogar den vom Hersteller gewählten Preis akzeptiert, da dieser fair gewesen sei. Die Ersparnis sei dabei gleich null gewesen. Das ändere jedoch nichts am Erfolg des AMNOG.

Die Regierungskoalition hatte anfangs erklärt, mit dem AMNOG zwei Milliarden Euro im Arznei - mittelbereich einsparen zu wollen.

Diese Zahl sei nicht unrealistisch, meinte von Stackelberg. Sie könne allerdings nur durch den Aufruf des Bestandsmarktes realisiert werden.

Dabei werden auch die Arzneimittel einer vergleichenden Nutzenbewer- tung unterzogen, die sich schon auf dem Markt befinden.

Im Juni vergangenen Jahres hatte der G-BA mit den Gliptinen erst- mals Wirkstoffe aus dem Bestands- markt zur frühen Nutzenbewertung aufgerufen. Dagegen hatte das Pharmaunternehmen Novartis vor dem Landessozialgericht Berlin- Brandenburg geklagt, allerdings er- folglos. Im April 2013 nun hat der G-BA Kriterien für den Bestands- marktaufruf festgelegt und weitere Wirkstoffgruppen für die Nutzenbe- wertung bestimmt. Zu 80 Prozent wird dabei der Umsatz eines Präpa- rats herangezogen, zu 20 Prozent die Verordnungsdichte. Aufgerufen wurden die Leitwirkstoffe Tapen - tadol, Denosumab, Rivaroxaban, Liraglutid, Agomelatin und Tocili- zumab sowie die weniger verord- nungsstarken Arzneimittel, die mit diesen im Wettbewerb stehen.

Vor Inkrafttreten des AMNOG wurde nicht untersucht, ob ein neu- es Arzneimittel einen Zusatznutzen im Vergleich zu der bestehenden Standardtherapie hat. Für das Jahr 2010 hat das nun das Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bre- men (ZeS) im Auftrag der Techni- ker-Krankenkasse nachgeholt. Das Urteil der Bremer Forscher: Keines der 21 untersuchten neuen Medika- mente hat zu einer Verbesserung klinisch relevanter Endpunkte, zum Beispiel der Verlängerung der Le- bensdauer, geführt. Acht Arznei - mitteln wurde eine Verbesserung in Bezug auf die therapeutische Wirksamkeit oder die Therapiesi- cherheit zugemessen. Und bei 13 gab es gegenüber den bisher verfügba- ren Arzneimitteln keine patienten-

relevante Verbesserung oder sogar eine schlechtere Nutzen-Schaden- Relation, zum Beispiel mehr Ne- benwirkungen (siehe Tabelle).

„Viele Arzneimittel aus der un- mittelbaren Prä-AMNOG-Zeit sind therapeutisch gesehen gar nicht in- novativ, sie gehören zur Gruppe teurer Analogpräparate oder unnöti- ger Neuausbietungen“, sagte der Leiter des ZeS, Prof. Dr. Gerd Glaeske, bei der Vorstellung der Studie Ende Mai in Berlin.

Die einzigen, die das Lob des AMNOG nicht teilen, sind die Pharmaverbände. Sie kritisieren unter anderem, dass für die zweck- mäßige Vergleichstherapie insbeson - dere preisgünstige Generika heran- gezogen würden und auf diese Wei- se ein Teil der Preisverhandlungen bereits vorweg genommen werde.

Überraschend hat die Regierung nun kurzfristig auf diese Kritik rea- giert und am 7. Juni eine Änderung des Verfahrens beschlossen.

Demnach können Arzneimittel- hersteller künftig selbst entschei- den, gegenüber welcher der vom G-BA ausgewählten zweckmäßigen Vergleichstherapie sie den Zusatz- nutzen ihres neuen Medikaments belegen wollen – falls der G-BA mehrere Alternativen genannt hat.

Gab es mehrere Alternativen, muss- te sich der Hersteller bislang an der günstigeren orientieren.

„Nicht der Sieg der Industrie“

Lauterbach kritisierte daraufhin, die Koalition unterwerfe sich den For- derungen der pharmazeutischen In- dustrie. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, entgegnete, im Verfahren werde bewusst zwischen der Nut- zenbewertung und den anschließen- den Preisverhandlungen zwischen Hersteller und GKV-Spitzenver- band unterschieden. Die Kriterien zur Preisverhandlung blieben von den nun beschlossenen Änderungen aber unberührt. Auch Josef Hecken teilte die SPD-Kritik nicht: „Das ist nicht der Sieg der Industrie über den Gesetzgeber.“ Denn die Wahl der zweckmäßigen Vergleichsthera- pie habe keinerlei Auswirkungen auf die Preisbildung.

Falk Osterloh TABELLE

Bewertung von im Jahr 2010 zugelassenen Wirkstoffen durch das Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen

Erläuterung der Farben und Ereignisse:

(Zusatz-)Nutzen: rot = keine Verbesserung oder schlechte Nutzen-Schaden- Relation, gelb = teilweise Verbesserung, grün = Verbesserung harter Endpunkte Kosten: rot = teurer als bestehende Therapien, gelb = ungefähr gleich bezie- hungsweise teils/teils, grün = günstiger als bestehende Therapien. Quelle: ZeS

Wirkstoff

Amifampridin Asenapin Bazedoxifen Bilastin Conestat alfa Corifollitropin alfa Denosumab Dronedaron Eltrombopag Febuxostat

Histamindihydrochlorid Indacaterol

Mifamurtid Ofatumumab Pazopanib Prucaloprid Roflumilast Silodosin Tapentadol Velaglucerase alfa Vernakalant

Bewertung (Zusatz-)

Nutzen

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