A 2006 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 40|
5. Oktober 2012 halt. Seiner aber habhaft zu werden,scheitert häufig an dessen Anony- mität, die ihm Internetforen gewäh- ren. Betreiber von Foren können nicht gezwungen werden, die Iden- tität eines Verfassers preiszugeben.
Somit kommt es darauf an, den Betreiber eines Forums zur Ver - antwortung ziehen zu können.
Die Rechtsprechung hat sich in den vergangenen Jahren gefestigt.
Der Betreiber eines Forums haftet
dann für fremde Inhalte, wenn er sich diese zu eigen macht. Er- scheint der Freikommentar eines anonymen Nutzers wie eine eigene Äußerung des Betreibers, zieht er ihn zur Untermauerung seiner Ge- dankenführung heran oder identifi- ziert er sich in anderer Weise damit, ist er wie der Verfasser verantwort- lich. Anders verhält es sich, wenn der Betreiber das Forum lediglich
für den Abruf fremder Freikom- mentare bereitstellt. In diesem Fall (siehe Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10) setzt seine Haftung die Ver- letzung von Verhaltenspflichten, insbesondere Untersuchungspflich- ten, voraus. Von ihm schon zu ver- langen, jeden Beitrag auf rechtsver- letzende Inhalte zu untersuchen, hieße den sich über das Internet bietenden Kommunikationsprozess
völlig einzuschnüren. Die Recht- sprechung erachtet eine solche Pflicht als unzumutbar.
Der Betreiber eines Forums wird für den Inhalt fremder Beiträ- ge dann verantwortlich, wenn er Kenntnis von dessen rechtswidri- gem Inhalt erlangt. In der Regel wird ihn ein Betroffener darauf hinweisen. Ob richtig oder falsch – ist der Hinweis des Betroffenen so
konkret gefasst, dass auf dessen Grundlage ohne genaue rechtliche oder tatsächliche Prüfung un- schwer eine Rechtsverletzung an- genommen werden kann, hat der Betreiber des Forums dem nachzu- gehen. Ihn trifft nun eine Untersu- chungspflicht. Verletzt er diese Pflicht, haftet er. Ergibt seine Un- tersuchung, dass von einem rechts- widrigen Inhalt auszugehen ist, hat er den beanstandeten Beitrag zu löschen.
Inzwischen nutzen etwa 80 Pro- zent der Bundesbürger das Internet;
circa 90 Prozent davon recherchie- ren im Netz nach Informationen über Produkte und Dienstleistungen aller Art. Unzählige Blogs, Foren oder Online-Bewertungsplattformen bedienen diese Nachfrage. Ärzte und Kliniken sollten zur Vermei- dung von Reputationsschäden re- gelmäßig online zugängliche In - formationen über sich sichten und prüfen. Erweisen sich Beiträge als negativ, sollten sie diese auf rechts- verletzende Inhalte untersuchen und Abwehransprüche verfolgen.
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RA Philipp von Mettenheim, Hamburg
Bei einem Umzug hat ein Arzt keinen Anspruch darauf, die freiwillige Mitgliedschaft in einem Versorgungswerk fortzusetzen. Das hat das Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburg ent- schieden.
Die klagende Ärztin ist seit 1992 Pflichtmit- glied in einem Versorgungswerk. 2008 ist die Ärztin nach Berlin umgezogen. Daraufhin hat ihr das bisherige Versorgungswerk Nieder- sachsen mitgeteilt, dass nach Änderung der Satzung im Jahr 2005 die freiwillige Mitglied- schaft nur noch begründen beziehungsweise aufrechterhalten darf, wer nicht Pflichtmitglied in einem anderen Versorgungswerk werden kann. Die Berliner Ärzteversorgung hatte be- reits bestätigt, dass die Klägerin Pflichtmitglied sei. Mit Bescheid stellte das Versorgungswerk Niedersachsen gegenüber der Klägerin fest, dass diese aufgrund der Pflichtmitgliedschaft aus der freiwilligen Mitgliedschaft ausgeschie- den sei. Die Klage gegen den Bescheid und das Urteil des Verwaltungsgerichts ist ohne Er-
folg geblieben. Das Verwaltungsgericht hat nach Auffassung des OVG vielmehr zutreffend angenommen, dass die sich aus der Alterssi- cherungsordnung der Ärztekammer Nieder- sachsen ergebenen materiellen Voraussetzun- gen für eine Fortsetzung der freiwilligen Mit- gliedschaft nicht mehr vorliegen.
Eine Fortsetzung als freiwillige Mitglied- schaft kommt nur in Betracht, wenn eine Pflichtmitgliedschaft in einer anderen durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beru- henden berufsständischen öffentlich-rechtli- chen Versicherungs- oder Versorgungseinrich- tung außerhalb des Landes Niedersachsen nicht begründet werden kann. Diese Möglich- keit besteht für die Ärztin dadurch, dass sie die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der Berliner Ärzteversorgung erfüllt. Diese Re- gelung der Satzung ist zulässig. Das Vorliegen einer willkürlichen Diskriminierung ist zu ver- neinen. Die meisten Versorgungswerke im Bundesgebiet orientieren sich bei der Pflicht-
mitgliedschaft strikt am Lokalitätsprinzip. Da- durch wird die Gefahr vermieden, dass Syste- me der sozialen Sicherung wie die berufs- ständischen Versorgungswerke als Unterneh- men zu gelten hätten, wenn das Prinzip der Pflichtmitgliedschaft nicht stringent angewen- det und durch eine hohe Zahl von freiwilligen Mitgliedschaften ausgehöhlt würde. Dies könnte schlussendlich auch dazu führen, dass das von den Ärztinnen und Ärzten eingeräum- te Recht, sich aufgrund der Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk von der Versicherungspflicht in der gesetzli- chen Rentenversicherung befreien zu lassen, abgeschafft würde. Die Verringerung von frei- willigen Mitgliedschaften führt daher zur verfassungsrechtlichen Absicherung der Ver- sorgungswerke. Die Bezugnahme auf europä - ische Grundrechtsnormen ist vom Oberver- waltungsgericht verworfen worden. Vielmehr gebe es sachliche Gründe für eine entspre- chende Satzungsregelung (OVG Lüneburg, Beschluss vom 24. Juli 2012, Az.: 8 LA 75/11)
RAin Barbara Berner
RECHTSREPORT
Versorgungswerk: Freiwillige Mitgliedschaft