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Archiv "Freiwillige Sterilisation - Vasektomie" (15.08.1991)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

DIE ÜBERSICHT

Freiwillige Sterilisation Vasektomie

Hansjörg Melchior, Jürgen Sökeland und Walther Weissauer

ie Sterilisation ist in der ganzen Welt verbreitet;

besonders in der Dritten Welt, aber auch in China wird sie als einfache, sichere anti- konzeptive Methode verwandt. 1984 haben etwa 33 Millionen Paare diese Form der Empfängnisverhütung ge- wählt. In den USA wurde 1983 eine Quote von 750 000 bis 1 000 000 Ste- rilisationen pro Jahr angegeben.

In Deutschland weckt das Wort

„Sterilisation" bis heute negative Emotionen aufgrund unserer Ver- gangenheit. Fragen der Antikonzep- tion können daher nie isoliert von den Lebensbedingungen erörtert werden, sondern müssen stets unter Berücksichtigung der Zeitströmun- gen und Kulturen verstanden wer- den (6). Trotz dieser Vorbelastun- gen wurden in Deutschland im Jahre 1987 25 400 Sterilisationsvasekto- mien durchgeführt. Die Sterilisation durch Unterbrechung der Samenlei- ter (Vasektomie) ist die sicherste Methode zur Verhinderung der Zeu- gung. Sie gehört damit in den großen Katalog der Antikonzeption, wobei der Mit-Verantwortung des Mannes für die Familienplanung Rechnung getragen ist.

Die medizinischen Indikationen für die Vasektomie entsprechen im Grunde allen Indikationen für eine Antikonzeption. Die Auswahl der Methoden sollte jedoch abgestuft er- folgen. Im einzelnen gibt es folgende Indikation für die Vasektomie:

1. genetische Gründe

2. Unverträglichkeit konventioneller Methoden: a) Allergie gegen Gummi und Desinfizienzien;

b) Ovulationshemmer

3. Schwere psychische Störungen.

Mehrere Gründe können zu- sammentreffen. Bei den genetischen

Die Vasektomie ist heute eine weitverbreitete Methode der Empfängnisverhütung. Die medi- zinischen Indikationen, die Ope- rationsverfahren und die notwen- digen Kontrollen werden darge- stellt.

Gründen müssen aufgrund von Erb- anlagen oder Erkrankungen schwere geistige oder körperliche Schäden bei den Nachkommen erwartet wer- den. Es gibt monomer vererbbare Erbkrankheiten, wie zum Beispiel ei- ne Taubstummheit, oder polygen vererbte Erkrankungen, bei denen wohl die Erblichkeit, aber nicht der Weg der Vererbung gesichert ist.

Dazu gehören gewisse Mißbildun- gen, Schizophrenie, Schwachsinn etc. Die freiwillige Sterilisation sollte bei vorhandenem Wunsch auch in leichteren Erbfällen nicht abgelehnt werden.

Weitere Gründe sind erkennba- re gesundheitliche Gefahren für die Mutter durch die Schwangerschaft, die Geburt oder durch die mit der Betreuung des Kindes verbundenen außergewöhnlichen Belastungen, unter Umständen auch schwerwie- gende wirtschaftliche Belastungen durch die Geburt weiterer Kinder.

Psychologische Probleme nach der Operation sind dann zu erwar- ten, wenn die Partner vorher unge- nügend unterrichtet oder vorbereitet sind. Je sorgfältiger der Entschluß vorher getroffen wird, desto geringer ist die Gefahr späterer seelischer Be- lastungen.

Es gibt keine spezielle Strafbe- stimmung gegen sterilisierende Ein- griffe. Als Eingriff in die Körperin- tegrität bedarf die Sterilisation der Einwilligung des informierten Pa-

tienten. Eine sorgfältige Aufklärung, auch über die Versagerquote, über die erforderlichen Kontrolluntersu- chungen und die zusätzliche Emp- fängnisverhütung bis zum Abschluß dieser Untersuchungen sowie eine hinreichende Überlegungsfrist für den Patienten vor der Durchführung des Eingriffs sind von essentieller Bedeutung.

Trotz der Einwilligung bleibt die Sterilisation als Körperverletzung strafbar, wenn der Eingriff gegen die guten Sitten verstößt. In der Praxis ergeben sich ungelöste Probleme im- mer noch bei der Sterilisation geistig Behinderter. Eine gesetzliche Rege- lung dieser Probleme wird voraus- sichtlich im Laufe des Jahres 1991 erfolgen.

Operationsverfahren

In örtlicher Betäubung oder in Allgemeinnarkose werden von zwei kleinen Schnitten am Hodensack ausgehend die Samenleiter durch- trennt und jeweils ein Stück der Sa- menleiter entfernt, die zur mikrosko- pischen Kontrolluntersuchung einge- sandt werden. Die Samenleiteren- den werden unterbunden oder um- gebogen und vernäht. Der Transport des Samens vom Hoden und Neben- hoden über die Samenleiter und die Harnröhre nach außen ist damit un- terbrochen.

Der Eintritt der Unfruchtbarkeit wird erst nach Entleerung der dies- seits der Unterbindung noch vorhan- denen Depots an Samenfäden er- reicht. Deshalb müssen in Abstän-

Urologische Klinik (Direktor:

Prof. Dr. med. Jürgen Sökeland) der Städtischen Krankenanstalten Dortmund A-2732 (64) Dt. Ärztebl. 88, Heft 33, 15. August 1991

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den von sechs bis acht Wochen Kon- trolluntersuchungen des Ejakulats durchgeführt werden. Erst wenn die- se Untersuchungen bestätigt haben, daß keine Samenfäden mehr vorhan- den sind, kann auf die Verwendung empfängnisverhütender Mittel ver- zichtet werden.

Schon frühzeitig hat sich gezeigt, daß durch die Vasektomie nicht in hundert Prozent eine dauerhafte Ste- rilität erzielt werden kann (1, 2, 7).

Kaplan und Huether (4) machen für die Mißerfolge der Vasoresektion drei Möglichkeiten verantwortlich:

(z)

die Spontan-Rekanalisation eines durchtrennten Samenleiters,

© einen intraoperativen Identifikati- ons-Irrtum,

0 eine Samenleiter-Mehrfachanlage.

Während die Mehrfachanlagen außerordentliche Raritäten sind und an der begleitenden Mehrfachanlage von Hoden und Nebenhoden er- kannt werden können (5), ist ein Identifikations-Irrtum durch histolo- gische Untersuchung des Resektats auszuschließen. Bleibt das Problem der Spontan-Rekanalisation mit konsekutiver Refertilisation. Grund- sätzlich ist sowohl eine frühe als auch eine späte Rekanalisation mög- lich (3). Von einer Früh-Rekanalisa- tion spricht man, wenn postoperativ keine negative Samenanalyse gefun- den wurde.

Die Zeit, bis eine Spermienfrei- heit des Ejakulats erreicht wird, ist in erster Linie abhängig von der Ejaku- lationsfrequenz. Im allgemeinen dauert es ein bis zwei Monate bis zur Spermienfreiheit des Ejakulates. In Einzelfällen kann diese Zeit bis zu einem Jahr verlängert sein.

Sollte nach einer Untersuchung von sechs bis acht Wochen die Samen- analyse nicht negativ sein, sind weite- re Untersuchungen im Abstand von etwa vier Wochen indiziert, bis eine Azoospermie nachgewiesen wurde.

Allgemein akzeptiert ist seit den Untersuchungen von Schmidt (7), daß die Bildung von Spermagranulo- men der entscheidende prädisponie- rende Faktor für eine Spontan-Re- kanalisation ist. Man geht davon aus,

daß in 0,8 Prozent

Spontan-Rekana- lisation auftreten kann, davon die Hälfte als Früh-Rekanalisation und insgesamt 0,4 Prozent als Spät-Reka-

nalisation. Man sollte daher die Pa- tienten darauf aufmerksam machen, daß bei Auftreten einer knotigen Veränderung im Bereich des Vaso- resektionsgebietes die Möglichkeit besteht, daß sich hier ein Spermagra- nulom bildet, welches eine Spontan- Rekanalisation zur Folge haben kann. Daher sollten unbedingt er- neut Ejakulat-Analysen durchge- führt werden, wenn sich ein Sper- magranulom entwickelt, vor allem dann, wenn sich ein solches Sper- magranulom mehr oder weniger rasch zurückbildet, was auf eine Drainage durch einen abführenden Kanal schließen läßt.

Das Problem der Refertilisie- rung zu einem späteren Zeitpunkt bewegt die Partner oft in gleicher Weise. Nach einer Umfrage in Deutschland lag die Rate der Refer- tilitätswünsche bei sechs Prozent der angegebenen Vasektomien. Die Ra- te der durchgeführten Refertilisie- rungsoperationen pro Jahr beträgt etwa drei Prozent der Vasektomien.

Als Gründe der Refertilisationswün- sche sind in erster Linie eine neue Partnerbeziehung, aber auch ernste Erkrankungen oder Tod eines Kin- des zu nennen.

Obwohl die Erfolge der Referti- lisierungsoperationen zunehmend zum Teil durch mikrochirurgische Verfahren besser werden, sollte man primär davon ausgehen, daß der vor- liegende Eingriff endgültig sein soll- te. Trotz guter Durchgängigkeit kann eine Unfruchtbarkeit durch Verklebung der Samenleiterenden oder Bildung von Antikörpern beste- hen bleiben.

Seit zwanzig Jahren ist die Vas- ektomie zur Sterilisation des Mannes eine übliche Form der Kontrazepti- on. Das Verfahren gilt allgemein als sicher. Die allgemeinen Gefahren dieser Eingriffe wie Nachblutungen, Infektionen, Wundheilungsstörun- gen sind selten, aber müssen berück- sichtigt werden. Eine sorgfältige prä- operative Aufklärung — gegebenen- falls an Hand von Merkblättern — er- scheint bei der freiwilligen Sterilisa- tion von besonderer Bedeutung.

Über die Art einer Empfängnisrege- lung ist die gemeinsame Entschei- dung beider Partner von besonderer Bedeutung.

Literatur

1. Alken, C.-E.; Ferner, H.: Morphologische Studie über die spontane Wiederherstellung der Durchgängigkeit des Samenleiters beim Menschen nach Durchschneidung und Un- terbindung, Urolog. int. 10 (1960) 66-74 2. Bandhauer, K.; Obermayer, W.: Das Sper-

miogramm nach Vasektomie, Akt. Urol. 3 (1972) 231-233

3. Esho, J. 0.; Ireland, G. W.; Cass, A. S.: Re- canalization Following Vasectomy, Urology 3 (1974) 211-214

4. Kaplan, K. A.; Huether, C. A.: A Clinical Study of Vasectomy Failure and Recanali- zation, J. Urol. 113 (1975) 71-75

5. Mellin, H. E.; Bauer, H. W.; Rattenhuber, U.: Mißerfolge nach Fertilitätsvasektomie, Med. Welt 31 (1980) 1723-1724

6. Schirren, C.: Kritische Anmerkungen zur Praxis der Vasektomie, Andrologia 13 (4) (1981) 377-378

7. Schmidt, S. S.: Technics and Complications of Elective Vasectomy, Fertil. and Steril. 17 (1966) 467-482

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Jürgen Sökeland Direktor der

Urologischen Klinik Dortmund Westfalendamm 403

W-4600 Dortmund 1

NOTIZ

Arbeitsmedizinische Merkblätter

Das Bundesarbeitsministerium hat drei neue Merkblätter für die ärztliche Untersuchung von Berufs- krankheiten herausgegeben. Es han- delt sich dabei um die Berufskrank- heiten 2402 — Erkrankungen durch ionisierende Strahlen —, 4103 — As- beststaublungenerkrankung (Asbe- stose) oder durch Asbeststaub verur- sachte Erkrankung der Pleura — und 4104 — Lungenkrebs in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder mit durch Asbest- staub verursachter Erkrankung der Pleura. Die Merkblätter, die auch im Bundesarbeitsblatt veröffentlicht werden, enthalten Hinweise zur Dia- gnose und Differentialdiagnose. Sie sind nicht nur für arbeitsmedizinisch

tätige Ärzte wichtig, weil im Prinzip

jeder Arzt verpflichtet ist, Berufs- krankheiten zu erkennen oder den Verdacht auf eine solche Krankheit anzuzeigen. mwr Dt. Ärztebl. 88, Heft 33, 15. August 1991 (65) A-2733

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