§ 4 Komplexe Mannigfaltigkeiten
Sei X ein hausdorffscher topologischer Raum. Wir halten X f¨ ur zu groß, wenn es in X eine diskrete Teilmenge mit der Kardinalit¨ at des Kontinuums gibt. Deshalb fordern wir, dass X eine abz¨ ahlbare Basis f¨ ur die Topologie besitzt. Man sagt dann auch, dass X das zweite Abz¨ ahlbarkeitsaxiom erf¨ ullt. Offensichtlich trifft das auf den C
nzu. Ein metrischer Raum besitzt genau dann eine abz¨ ahlbare Basis, wenn er eine abz¨ ahlbare dichte Teilmenge enth¨ alt.
Ein Hausdorff-Raum X heißt lokal-kompakt, wenn jeder Punkt x ∈ X eine kom- pakte Umgebung besitzt. Ist X kompakt, so ist X nat¨ urlich auch lokal-kompakt.
Ist X umgekehrt lokal-kompakt, aber nicht kompakt, so kann X durch Hin- zuf¨ ugen eines einzigen Punktes kompakt gemacht werden (Alexandrovs
” Ein- Punkt-Kompaktifizierung“). Jeder Hausdorff-Raum, der lokal hom¨ oomorph zu ei- ner offenen Teilmenge des C
nist, ist lokal-kompakt.
Definition. Eine offene ¨ Uberdeckung V = {V
ν: ν ∈ N } eines Hausdorff- Raumes X heißt eine Verfeinerung der ¨ Uberdeckung U = {U
ι: ι ∈ I} von X, falls es eine Abbildung τ : N → I (die Verfeinerungsabbildung gibt, mit
V
ν⊂ U
τ(ν)f¨ ur jedes ν ∈ N.
Die Verfeinerungsabbildung ist nicht eindeutig bestimmt, aber wir k¨ onnen eine ein f¨ ur allemal festhalten.
Eine ¨ Uberdeckung V = {V
ν: ν ∈ N } heißt lokal-endlich, wenn jeder Punkt x ∈ X eine Umgebung U = U (x) besitzt, so dass U nur endlich viele V
νtrifft.
Definition. Ein Hausdorff-Raum X heißt parakompakt, wenn es zu jeder offenen Uberdeckung ¨ U von X eine lokal-endliche offene Verfeinerung V gibt.
Jeder kompakte Raum ist parakompakt. Und jeder lokal-kompakte Raum mit abz¨ ahlbarer Basis ist ebenfalls parakompakt.
F¨ ur den Augenblick nehmen wir nur an, dass X ein Hausdorff-Raum ist.
Definition. Ein n-dimensionales komplexes Koordinatensystem (U, ϕ) f¨ ur X be- steht aus einer offenen Menge U ⊂ X und einer topologischen Abbildung ϕ von U auf eine offene Menge B ⊂ C
n.
Ist p ∈ X ein Punkt, dann nennt man jedes Koordinatensystem (U, ϕ) f¨ ur X mit p ∈ U ein Koordinatensystem in p. Die Eintr¨ age z
iin z = ϕ(p) nennt man die komplexen Koordinaten von p (bez¨ uglich (U, ϕ)).
Ist f eine komplexe Funktion auf U , so k¨ onnen wir f als Funktion der komplexen Koordinaten z
1, . . . , z
nauffassen, durch
(z
1, . . . , z
n) 7→ f ◦ ϕ
−1(z
1, . . . , z
n).
Zwei (n-dimensionale) komplexe Koordinatensysteme (U, ϕ) und (V, ψ) f¨ ur X nennt man (holomorph) vertr¨ aglich, falls entweder U ∩ V = ∅ ist, oder
ϕ ◦ ψ
−1: ψ(U ∩ V ) → ϕ(U ∩ V ) biholomorph.
U
V
ϕ ψ
ϕ ◦ ψ
−1B
ϕB
ψDie Mengen B
ψ:= ψ(U ∩V ) und B
ϕ:= ϕ(U ∩V ) sind offen im C
n. Sind z
i(bzw. w
j) die komplexen Koordinaten bez¨ uglich ϕ (bzw. ψ), dann bedeutet die holomorphe Vertr¨ aglichkeit der Koordinatensysteme, dass die Funktionen z
i= z
i(w
1, . . . , w
n) und w
j= w
j(z
1, . . . , z
n) holomorph sind.
Eine ¨ Uberdeckung von X durch paarweise vertr¨ agliche n-dimensionale komplexe Koordinatensysteme nennt man einen n-dimensionalen komplexen Atlas f¨ ur X.
Zwei solche Atlanten A
1und A
2heißen ¨ aquivalent, falls je zwei Koordinatensy- steme (U, ϕ) ∈ A
1und (V, ψ) ∈ A
2vertr¨ aglich sind. Eine ¨ Aquivalenzklasse von (n-dimensionalen) komplexen Atlanten f¨ ur X nennt man eine n-dimensionale kom- plexe Struktur auf X. Sie enth¨ alt einen maximalen Atlas, der die Vereinigung aller Atlanten in der ¨ Aquivalenzklasse ist.
Definition. Eine n-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit ist ein Hausdorffraum X mit abz¨ ahlbarer Basis, versehen mit einer n-dimensionalen komplexen Struktur.
Jede komplexe Mannigfaltigkeit ist lokal-kompakt und parakompakt.
Beispiele.
1. Der C
nist eine n-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit. Die komplexe Struktur ist gegeben durch das Koordinatensystem ( C
n, id).
2. Ist X eine beliebige n-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit, dann ist jede
nicht leere offene Teilmenge B ⊂ X wieder eine n-dimensionale komplexe
Mannigfdaltigkeit. F¨ ur p ∈ B gibt es ein Koordinatensystem (U, ϕ) f¨ ur X
in p. Dann ist (U ∩ B, ϕ|
U∩B) ein Koordinatensystem f¨ ur B in p. Alle diese
Koordinatensysteme sind holomorph vertr¨ aglich.
3. Sei G ⊂ C
nein Gebiet und X ⊂ G eine k-dimensionale komplexe Unter- mannigfaltigkeit. Nat¨ urlich ist X ein Hausdorff-Raum (in der Relativtopo- logie) mit abz¨ ahlbarer Basis. Zu jedem z
0∈ X gibt es offene Umgebungen W = W (z
0) ⊂ G und B = B (0) ⊂ C
nund eine biholomorphe Abbildung F : W → B , so dass gilt:
F(W ∩ X) = {(w
1, . . . , w
n) ∈ B : w
k+1= · · · = w
n= 0}.
Sei pr
0: C
n→ C
kdie Projektion (w
1, . . . , w
n) 7→ (w
1, . . . , w
k). Wir setzen U := W ∩ X und ϕ := pr
0◦ F : U → C
k. Dann ist (U, ϕ) ein k-dimensionales komplexes Koordinatensystem f¨ ur X in z
0.
Ist (V, ψ) ein anderes Koordinatensystem, mit ψ = pr
0◦ F, so ist e ϕ ◦ ψ
−1(w
1, . . . , w
k) = pr
0◦ F ◦ F e
−1(w
1, . . . , w
k, 0, . . . , 0) holomorph. Auf diese Weise erhalten wir eine komplexe Struktur auf X.
4. Sei schließlich G ein zusammenh¨ angender Hausdorffraum und π : G → C
neine lokal-topologische Abbildung. Dann gibt es zu jedem p ∈ G eine offene Umgebung U = U (p), so dass B := π(U ) offen und ϕ := π|
U: U → B topologisch ist. Dann ist (U, ϕ) ein komplexes Koordinatensystem. Ist ψ = π|
Vein anderes Koordinatensystem, so gilt ϕ(x) = ψ(x) = π(x) =: z und
ϕ ◦ ψ
−1(z) = ϕ(x) = z
f¨ ur x ∈ U ∩ V . Deshalb sind die Koordinatensysteme holomorph vertr¨ aglich, und wir erhalten eine komplexe Struktur auf G. Man kann beweisen, dass G eine abz¨ ahlbare Basis besitzt (Grauert, 1955). Also ist G eine n-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit. Das Paar (G, π) nennt man ein Riemannsches Gebiet uber ¨ C
n.
Sei X eine n-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit.
Definition. Eine komplexe Funktion f auf einer offenen Teilmenge B ⊂ X heißt holomorph, falls es zu jedem p ∈ B ein Koordinatensystem (U, ϕ) in p gibt, so dass f ◦ ϕ
−1: ϕ(U ∩ B) → C holomorph ist.
Sind z
1, . . . , z
nkomplexe Koordinaten bez¨ uglich (U, ϕ), so ist (z
1, . . . , z
n) 7→ f ◦ ϕ
−1(z
1, . . . , z
n)
eine holomorphe Funktion im herk¨ ommlichen Sinne. Ist z
ν= z
ν(w
1, . . . , w
n), wobei w
1, . . . , w
ndie komplexen Koordinaten bez¨ uglich eines Koordinatensystems (V, ψ) sind, so ist auch
f ◦ ψ
−1(w
1, . . . , w
n) = f ◦ ϕ
−1(z
1(w
1, . . . , w
n), . . . , z
n(w
1, . . . , w
n))
holomorph. Also ist die Definition der Holomorphie unabh¨ angig vom Koordinaten- system. Wir bezeichnen die Menge der holomorphen Funktionen auf B mit O(B ).
Sie ist eine C -Algebra mit Eins-Element.
Beispiel.
Sei G ⊂ C
nein Gebiet und X ⊂ G eine k-dimensionale komplexe Unter- mannigfaltigkeit. Wir betrachten ein komplexes Koordinatensystem (U, ϕ) f¨ ur X, wo U der Durchschnitt von X mit einer offenen Menge W ⊂ G und ϕ = pr
0◦ F ist, mit einer biholomorphen Abbildung F : W → B ⊂ C
n, so dass F(U ) = {w ∈ B : w
k+1= · · · = w
n= 0} ist. Ist f eine holomorphe Funktion auf G, so ist
f |
X◦ ϕ
−1(w
1, . . . , w
k) = f ◦ F
−1(w
1, . . . , w
k, 0, . . . , 0)
holomorph. Daher ist f|
Xeine holomorphe Funktion auf der komplexen Man- nigfaltigkeit X.
4.1 Identit¨ atssatz. Sei X zusammenh¨ angend. Sind f, g zwei holomorphe Funk- tionen auf X, die auf einer nicht leeren offenen Teilmenge U ⊂ X ¨ ubereinstimmen, so ist f = g.
Beweis: Sei W = {x ∈ X : f (x) = g(x)}. Dann ist U ⊂ W , also
◦
W 6= ∅ . Wir nehmen an, dass es einen Randpunkt x
0von
◦
W in X gibt. Sei (U, ϕ) ein Koordinatensystem in x
0mit ϕ(x
0) = 0. Dann m¨ ussen alle Ableitungen von f ◦ ϕ
−1und g ◦ ϕ
−1in 0 ubereinstimmen. Folglich sind die Potenzreihen dieser Funktionen ¨ im Nullpunkt gleich. Aber dann ist f = g auf einer ganzen Umgebung von x
0, und das ist ein Widerspruch.
Wenn es einen Punkt x ∈ M := X \ W
◦g¨ abe, der kein innerer Punkt von M ist, dann w¨ are x ein Randpunkt von
◦
W . Das zeigt, dass M offen sein muss. Da X zusammenh¨ angend ist, muss M leer sein.
4.2 Maximumprinzip. Sei X zusammenh¨ angend, f ∈ O(X) und x
0∈ X ein Punkt, in dem |f| ein lokales Maximum annimmt. Dann ist f konstant.
Beweis: Die Funktionen f und g := f(x
0) sind beide auf X holomorph. Ist (U, ϕ) ein Koordinatensystem in x
0und B := ϕ(U ), so ist f
0:= f ◦ ϕ
−1holomorph auf B, und |f
0| hat ein lokales Maximum in z
0:= ϕ(x
0). Daher gibt es eine offene Umgebung B
0= B
0(z
0) ⊂ B, so dass f
0auf B
0konstant und f auf U
0:= ϕ
−1(B
0) konstant ist. Also ist f|
U= g|
U, und nach dem Identit¨ atssatz ist f = g, also f konstant.
4.3 Folgerung. Ist X kompakt und zusammenh¨ angend, so ist jede holomorphe
Funktion auf X konstant.
Beweis: Die stetige Funktion |f| nimmt ihr Maximum in einem Punkt von X an. Dann folgt die Behauptung aus dem Maximumprinzip.
4.4 Folgerung. Es gibt keine kompakte komplexe Untermannigfaltigkeit positiver Dimension im C
n.
Beweis: Sei X ⊂ C
neine kompakte zusammenh¨ angende Untermannigfaltigkeit.
Dann m¨ ussen die Koordinatenfunctionen z
ν|
Xkonstant sein, f¨ ur ν = 1, . . . , n. Das bedeutet, dass X ein einzelner Punkt. Ist X nicht zusammenh¨ angend, so ist X eine endliche Menge.
Sei nun F : X → Y eine stetige Abbildung zwischen komplexen Mannigfaltigkeiten.
Definition. Die Abbildung F heißt holomorph, falls es zu jedem p ∈ X ein Koordinatensystem (U, ϕ) f¨ ur X in p und ein Koordinatensystem (V, ψ) f¨ ur Y in F (p) mit F (U ) ⊂ V gibt, so dass
ψ ◦ F ◦ ϕ
−1: ϕ(U ) → ψ(V ) eine holomorphe Abbildung ist.
4.5 Satz. Die Abbildung F : X → Y ist genau dann holomorph, wenn f¨ ur jede offene Teilmenge V ⊂ Y und jedes f ∈ O(V ) gilt: f ◦ F ∈ O(F
−1(U )).
Der Beweis ist eine leichte ¨ Ubung. Eine holomorphe Funktion f : X → C ist offensichtlich eine holomorphe Abbildung.
Wenn wir in unseren Definitionen den K¨ orper C durch R und das Wort “holomorph“
durch “differenzierbar“ ersetzen, so erhalten wir die Kategorie differenzierbarer Mannigfaltigkeiten und differenzierbarer Abbildungen. Aus jeder n-dimensionalen komplexen Mannigfaltigkeit wird eine 2n-dimensionale differenzierbare Mannigfal- tigkeit, wenn man die komplexe Struktur
” vergisst“.
Definition. Eine biholomorphe Abbildung F : X → Y ist eine topologische Abbildung, so dass F und F
−1holomorph sind. Wenn es eine biholomorphe Ab- bildung zwischen X und Y gibt, dann nennt man die Mannigfaltigkeiten isomorph oder biholomorph ¨ aquivalent, und wir schreiben: X ∼ = Y .
Bemerkung. Ist X eine komplexe Mannigfaltigkeit und (U, ϕ) ein komplexes
Koordinatensystem mit ϕ(U ) = B ⊂ C
n, dann ist ϕ : U → B eine biholomorphe
Abbildung.
Sind X
1, . . . , X
mkomplexe Mannigfaltigkeiten der Dimension n
1, . . . , n
m, dann tr¨ agt X = X
1× · · · × X
mdie Produkttopologie. Offensichtlich ist X ein Hausdorff- Raum mit abz¨ ahlbarer Basis.
Sind komplexe Koordinatensysteme (U
i, ϕ
i) f¨ ur X
igegeben, f¨ ur i = 1, . . . , m, so wird ein Koordinatensystem (U, ϕ) f¨ ur X definiert, durch
ϕ(x
1, . . . , x
m) := (ϕ
1(x
1), . . . , ϕ
m(x
m)) ∈ C
n= C
n1+···+nm.
Man rechnet leicht nach, dass man so einen n-dimensionalen komplexen Atlas und eine komplexe Struktur auf X erh¨ alt. Die Projektionen p
i: X → X
isind holomor- phe Abbildungen, f¨ ur i = 1, . . . , m.
Einfachstes Beispiel ist der C
n= C × · · · × C
| {z }
ntimes
.
Sei X eine n-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit.
Definition. Eine Teilmenge A ⊂ X heißt analytisch, wenn es zu jedem Punkt p ∈ X eine (zusammenh¨ angende) offene Umgebung U = U (p) und endlich viele holomorphe Funktionen f
1, . . . , f
mauf U gibt, so dass gilt:
U ∩ A = {q ∈ U : f
i(q) = 0 f¨ ur i = 1, . . . , m}.
Wir nennen A eine analytische Hyperfl¨ ache, wenn man immer mit einer einzigen Funktion auskommt.
Aus der Definition folgt, dass A eine abgeschlossene Teilmenge von X ist. Lokal ist eine analytische Menge in X das gleiche wie eine analytische Menge in einer offenen Menge B ⊂ C
n. Daher k¨ onnen viele Eigenschaften analytischer Mengen im C
nauf solche in Mannigfaltigkeiten ¨ ubertragen werden.
4.6 Satz. Ist X zusammenh¨ angend und A ⊂ X analytisch, so ist entweder A = X oder A nirgends dicht und X \ A zusammenh¨ angend.
Beweis: Wir nehmen an, dass A 6= X ist. Ist A irgendwo dicht in X, so enth¨ alt A innere Punkte (denn A ist in X abgeschlossen). Da X zusammenh¨ angend ist, besitzt das Innere von A einen Randpunkt p ∈ X \ A (das folgt wie im Beweis des Identit¨ atssatzes). Wir betrachten eine zusammenh¨ angende Umgebung U = U (p), so dass A ∩ U = {q ∈ U : f
1(q) = · · · = f
m(q) = 0} ist. Dann enth¨ alt U eine offene Teilmenge V (die aus inneren Punkten von A besteht), wo f
1, . . . , f
midentisch verschwinden. Nach dem Identit¨ atssatz verschwinden sie auf ganz U , und p kann kein Randpunkt des Inneren von A sein. Das ist ein Widerspruch und A kann nirgends dicht sein.
Ist X \ A nicht zusammenh¨ angend, so kann man diese Menge in zwei nicht leere
offene Teilmengen U
1, U
2zerlegen. Die Funktion f : X \ A → C mit f(x) ≡ 0 auf
U
1und f (x) ≡ 1 auf U
2ist holomorph und beschr¨ ankt. Nach dem Riemann’schen
Hebbarkeitssatz (der lokal angewandt werden kann) gibt es eine holomorphe Funk-
tion f b auf X, die außerhalb von A mit f ubereinstimmt. Da ¨ f b nur die Werte 0 und 1
annimmt, ist f lokal konstant. Aber auf der zusammenh¨ angenden Mannigfaltigkeit X ist jede lokal konstante Funktion konstant. Das ist ein Widerspruch.
Die holomorphen Funktionen f
1, . . . , f
mseien auf einer offenen Teilmenge U ⊂ X definiert. Außerdem sei p ∈ U ein Punkt und (V, ψ) ein komplexes Koordinatensy- stem f¨ ur X in p. Die Abbildung f = (f
1, . . . , f
m) : U → C
mist holomorph, und wir definieren
J
f(p; ψ) :=
∂ (f
i◦ ψ
−1)
∂z
j(ψ(p))
i = 1, . . . , m j = 1, . . . , n
.
Das ist so etwas wie die Jacobi-Matrix von f in p, aber diese Matrix h¨ angt vom Koordinatensystem ψ ab. Wegen
∂(f
i◦ ψ
−1)
∂z
j(ψ(p)) = ∂((f
i◦ ϕ
−1) ◦ (ϕ ◦ ψ
−1))
∂z
j(ψ(p))
=
n
X
k=1
∂(f
i◦ ϕ
−1)
∂w
k(ϕ(p)) ∂(w
k◦ ϕ ◦ ψ
−1)
∂z
j(ψ(p)), gilt:
J
f(p; ψ) = J
f(p; ϕ) · J
ϕ◦ψ−1(ψ(p)).
Das zeigt:
rg
p(f
1, . . . , f
m) := rg J
(f1,...,fm)(p; ψ) ist von dem gew¨ ahlten Koordinatensystem unabh¨ angig.
Definition. Eine analytische Menge A ⊂ X heißt regul¨ ar (von Codimension d) in einem Punkt p ∈ A, wenn es eine offene Umgebung U = U (p) ⊂ X und holomorphe Funktionen f
1, . . . , f
dauf U gibt, so dass gilt:
1. A ∩ U = {q ∈ U : f
1(q) = · · · = f
d(q) = 0}.
2. rg
p(f
1, . . . , f
d) = d.
Die Zahl n − d nennt man die Dimension von A in p.
Ist A in jedem Punkt regul¨ ar, so ist A eine komplexe Untermannigfaltigkeit.
4.7 Satz. Eine analytische Menge A ist genau dann regul¨ ar von der Codimension d in p ∈ A, wenn es ein komplexes Koordinatensystem (U, ϕ) f¨ ur X in p gibt, so dass gilt: ϕ(U ) = B ⊂ C
nund ϕ(U ∩ A) = {w ∈ B : w
n−d+1= · · · = w
n= 0}.
Beweis: Sei (U, ψ) ein beliebiges Koordinatensystem in p und W := ψ(U ), so ist
A e := ψ(A ∩U ) eine analytische Teilmenge von W , die regul¨ ar von der Codimension
d in z
0:= ψ(p) ist, und es gibt eine biholomorphe Abbildung f von W auf eine
offene Umgebung B = B(0) ⊂ C
nmit f (z
0) = 0 und f ( A) = e {w : w
n−d+1= · · · =
w
n= 0}. Wir setzen ϕ := f ◦ ψ.
Beispiel.
Sei F : X → Y eine holomorphe Abbildung von einer n-dimensionalen Man- nigfaltigkeit in eine m-dimensionale Mannigfaltigkeit. Dann betrachten wir
G
F:= {(x, y) ∈ X × Y : y = F (x)}, den Graphen von F .
Sei p
0∈ X ein Punkt und q
0:= F (p
0) ∈ Y . Wir w¨ ahlen Koordinatensysteme (U, ϕ) f¨ ur X in p
0und (V, ψ) f¨ ur Y in q
0, mit F (U) ⊂ V . Dann ist (U ×V, ϕ×ψ) ein Koordinatensystem f¨ ur X × Y in (p
0, q
0) ∈ G
F. Schreiben wir ψ ◦ F = (f
1, . . . , f
m), so erhalten wir
G
F∩ (U × V ) = {(ϕ × ψ)
−1(z, w) : f
i◦ ϕ
−1(z) − w
i= 0 f¨ ur i = 1, . . . , m}.
Also wird G
Flokal durch die Funktionen g
i(p, q) := f
i(p)− w
i◦ ψ(q) definiert, f¨ ur i = 1, . . . , m. Wegen rg
(p0,q0)(g
1, . . . , g
m) = m ist G
Feine n-dimensionale Untermannigfaltigkeit.
Die Diagonale ∆
X⊂ X × X ist ein Spezialfall, gegeben als Graph der Iden- tit¨ at: ∆
X= {(x, x
0) ∈ X × X : x = x
0}.
Beispiele:
A) Tori.
Sei {ω
1, . . . , ω
2n} eine reelle Basis des C
n. Dann ist Γ := Z ω
1+ · · · + Z ω
2neine diskrete Untergruppe der additiven Gruppe C
n. Man spricht auch von einem Gitter.
Zwei Punkte z, w ∈ C
nheißen ¨ aquivalent (bzgl. Γ), falls z − w ∈ Γ ist. Die Menge T
n:= C
n/Γ aller ¨ Aquivalenzklassen nennt man einen n-dimensionalen komplexen Torus. π
T: C
n→ T
nsei die kanonische Restklassen-Abbildung. Eine Menge U ⊂ T
nheißt offen, falls π
T−1(U ) eine offene Teilmenge des C
nist.
4.8 Satz. Die so eingef¨ uhrten
” offenen Mengen“ in T
nbilden eine Hausdorff- Topologie. Es handelt sich um die
” feinste“ Topologie, f¨ ur die π
Tstetig wird.
Beweis: Die Eigenschaften einer Topologie sind leicht nachzurechnen. Damit π
Tstetig wird, muss π
−1T(U ) f¨ ur jede offene Menge U ⊂ T
noffen in C
nsein. Es bleibt die Hausdorff-Eigenschaft zu zeigen:
Zun¨ achst stellen wir fest: Ist U ⊂ C
noffen, so ist auch
π
T−1π
T(U ) = {z : ∃ w ∈ U mit z − w ∈ Γ} = [
ω∈Γ
(ω + U )
offen. Also ist π
T(U ) offen in T
n.
Gegeben seien nun zwei Punkte x
1= π
T(z
1) 6= π
T(z
2) = x
2. Dann gibt es ein w ∈ Γ und reelle Zahlen 0 ≤ t
ν< 1, die nicht alle verschwinden, so dass gilt:
z
1− z
2=
2n
X
ν=1
t
νω
ν+ w.
O.B.d.A. sei t
16= 0. Dann gibt es ein ε > 0, so dass 2ε < t
1< 1 − 2ε und U := {u =
2n
X
ν=1
u
νω
ν: |u
ν| < ε f¨ ur alle ν }
eine offene Umgebung des Nullpunktes im C
nist. So erh¨ alt man Umgebungen U
1:= z
1+ U von z
1und U
2:= z
2+ U von z
2im C
n. Wir nehmen an, es ist π
T(U
1) ∩π
T(U
2) 6= ∅ . Dann gibt es Punkte z
0= z
1+u
0∈ U
1und z
00= z
2+ u
00∈ U
2mit z
0− z
00∈ Γ und u
0, u
00∈ U , und es folgt:
z
1− z
2= (z
0− z
00) + (z
1− z
0) − (z
2− z
00)
= (z
0− z
00) + u
00− u
0,
also
2nX
ν=1
t
νω
ν+ (u
0− u
00) ∈ Γ.
Das ist aber unm¨ oglich, denn der Koeffizient t
1+ u
01− u
001bei ω
1liegt in (ε, 1 − ε), der auf der rechten Seite muss aber ganzzahlig sein.
Also ist π
T(U
1) ∩ π
T(U
2) = ∅ .
Wir haben auch gesehen, dass π
Teine offene Abbildung ist. Weil T
ndas Bild der kompakten Menge
P := {z =
2n
X
ν=1
t
νω
ν: 0 ≤ t
ν≤ 1 f¨ ur alle ν}
ist, folgt, dass T
nkompakt ist.
Die Abbildung
t
1ω
1+ · · · + t
2nω
2n7→ (e
2πit1, . . . , e
2πit2n) induziert einen Hom¨ oomorphismus T
n→ S
1× · · · × S
1| {z }
2nmal
. Wir f¨ uhren jetzt komplexe Koordinaten ein. F¨ ur z
0∈ C
nsei
P
z0:= {z = z
0+
2n
X
ν=1
t
νω
ν: |t
ν| < 1
2 f¨ ur alle ν } und U
z0:= π
T(P
z0).
Dann ist π
T|
Pz0
: P
z0→ U
z0ein Hom¨ oomorphismus und damit ϕ
z0:= (π
T|
Pz0
)
−1: P
z0→ U
z0eine komplexe Karte.
Ist w = ϕ
z1◦ ϕ
−1z2(z), so ist π
T(w) = π
T(z), und es gibt ganze Zahlen k
ν(z), so dass f¨ ur ν = 1, . . . , 2n gilt:
w = z +
2n
X
ν=1
k
ν(z)ω
ν.
Da w stetig von z abh¨ angt, sind die Funktionen k
νlokal-konstant. Also ist ϕ
z1◦ ϕ
−1z2sogar holomorph, und wir erhalten auf diesem Wege eine komplexe Struktur auf T
n. Damit ist T
neine n-dimensionale (kompakte) komplexe Mannigfaltigkeit, und aus der Definition der Karten folgt, dass π
Teine holomorphe Abbildung ist.
B) Projektive R¨ aume.
In X := C
n+1\ {0} betrachten wir die ¨ Aquivalenzrelation z ∼ w : ⇐⇒ ∃ λ ∈ C
∗mit w = λz.
Die ¨ Aquivalenzklasse von z ist die Menge L
z= C z \ {0}, die komplexe Gerade durch z und 0 ohne Nullpunkt.
Definition. Die Menge P
n:= ( C
n+1\ {0})/ ∼ der ¨ Aquivalenzklassen nennt man den n-dimensionalen komplex-projektiven Raum.
π : C
n+1\ {0} → P
nsei die kanonische Projektion, mit π(z) := L
z. Sind zwei Punkte z = (z
0, . . . , z
n), w = (w
0, . . . , w
n) gegeben, so gilt:
π(z) = π(w) ⇐⇒ ∃ λ ∈ C
∗mit w
i= λz
if¨ ur i = 0, . . . , n
⇐⇒ w
iw
j= z
iz
jf¨ ur alle i, j f¨ ur die die Br¨ uche definiert sind.
Also bestimmt π(z) zwar nicht die Eintr¨ age z
j, wohl aber die Verh¨ altnisse z
i: z
j. Deshalb bezeichnen wir den Punkt x = π(z
0, . . . , z
n) mit (z
0: . . . : z
n) und nennen die Zahlen z
0, . . . , z
ndie homogenen Koordinaten von x. Sind z
0, . . . , z
nhomogene Koordinaten von x, so auch λz
0, . . . , λz
nf¨ ur jedes λ ∈ C
∗.
Ist W ⊂ X = C
n+1\ {0} offen, so ist π
−1(π(W )) = S
λ∈C∗